„Des Herrn Wort und Lehre ist gleich wie alle Seine Werke. Er gibt uns Seine Lehre in Samenkapseln; diese müssen wir erst säen ins Erdreich unseres Geistes, welches Erdreich da heißet Liebe, da wird der Same dann aufgehen und zu einem Baume der wahren Erkenntnis Gottes und unserer selbst werden, und wir werden von diesem Baume dann zur rechten Zeit vollreife Früchte zum ewigen Leben sammeln können.“ (GEJ.01_043,04)



Erklärung der Bergpredigt


Entsetzen der Zuhörer und Erklärung der Gleichnisse

 


Ich aber zeigte ihm die Gegend und die vielen Menschen, die uns gefolgt sind, und sage zu ihm:


Siehe Freund, das ist das älteste und allerrechteste Haus Gottes; aber es ist sehr verwahrlost, darum will Ich es nun wieder aufrichten, wie Ich das der Irhael aufgerichtet habe! Dazu aber bedarf es des alten Hauses nicht, und es genügt diese Gegend am Fuße des Berges. Zugleich sind hier mehrere Bänke und Tische, die den Schreibern gut dienen werden. Öffnet sonach eure Ohren, Augen und Herzen und bereitet euch; denn nun geschieht das vor euren Augen, wovon der Prophet Jesajas geweissagt hat!“

 

Sagt Matthäus: „Herr, wir sind bereit, Dich zu vernehmen!“

 

Nun beginnt die bekannte Bergpredigt, die im Matthäus Kap.5,6 und 7 ganz wohl zu lesen ist. – Es dauerte aber diese Predigt bei drei Stunden; denn Ich redete diesmal langsam der Schreiber wegen.

 

Als aber die Predigt zu Ende war, da entsetzten sich viele, und vorzüglich die Priester, und einige aus ihnen sagten:

 

Wer kann da selig werden?! Wir Schriftgelehrten predigen doch auch recht und gerecht, so wie einst Moses vom Berge herab die Gesetze dem Volke verkündete! Aber alles das ist Tau und ein sanfter Abendhauch gegen diese strenge Lehre und allergewaltigste Predigt! Man kann da freilich wohl kaum etwas Haltbares erwidern auf solch eine Lehre; aber sie ist einmal zu scharf, und es wird sie schwer je ein Mensch bei sich in die Ausübung zu bringen imstande sein.

 

Wer kann seinen Feind lieben, wer dem Gutes tun, der einem Böses tut, und wer kann jene segnen, die einen hassen und nichts als nur Übles über ihn reden?! Und so jemand von mir etwas borgen will, so soll ich mich nicht abwenden von ihm und mein Ohr und Herz nicht verschließen vor seiner Rede, wenn ich auch klar sehe, dass der Borger mir das Geborgte nie wieder wird erstatten können?! Ah, das ist ja eine alberne Sache!

 

So das die Trägen und Arbeitsscheuen erfahren werden, werden sie nicht alsbald zu den Wohlhabenden kommen und von ihnen so lange borgen, als diese etwas haben werden? Haben diese auf die Art, und zwar nichts leichter denn das, alles an die Armen, die das Geborgte nie wieder erstatten können, verborgt und haben am Ende selbst nichts mehr. So fragt sich´s, wer in der Zukunft denn etwas arbeiten wird, und von wem dann die Armen etwas zur Leihe erhalten werden! Es ist nur zu klar, dass mit der Beachtung solch einer Lehre, die wider alle Natur der menschlichen Einrichtungen gestellt ist, die Welt in kurzer Zeit zu einer barsten Wüste werden müsste.

 

Ist aber die Welt eine Wüste, woher werden dann die Menschen irgend eine Bildung nehmen, so alle Bildungsanstalten notwendig werden eingehen müssen, wenn niemand ein Vermögen hat, diese zu gründen und zu unterhalten?!

 

Mit dieser Lehre tut es sich daher auf keinen Fall! Die schlechten Menschen und Feinde der guten Menschen und ihrer guten Sache müssen gezüchtigt werden, und wer mir eine Ohrfeige gibt, der muß wenigstens zwei wohlgemessen wieder zurückerhalten, auf dass ihm in der Folge die Lust vergehe, mich abermals mit einer Ohrfeige zu bedienen! Der liederliche Borger werde in einen Arbeitsturm gesperrt, auf dass er arbeiten lerne und fürder als ein arbeitsamer Mensch sich mit dem Fleiße seiner Hände sein Brot erwerbe, und der ganz Arme aber flehe um ein Almosen, und es wird ihm nicht vorenthalten werden!

 

Das ist ein altes, aber gutes Gesetz, unter dem eine Menschengesellschaft bestehen kann. Aber diese Gesetze, die dieser sein sollende Christus nun gegeben hat, sind fürs menschliche Leben zu unpraktisch und können daher unmöglich angenommen werden.

 

Ich wollte aber noch von allem andern nichts sagen, so unsinnig es auch klang, aber die gebotene Selbstverstümmelung bei möglichen Ärgernissen durch höchst eigene Glieder, und dazu aber auch der augenscheinlich anbefohlene Müßiggang, laut dem sich niemand um etwas sorgen, sondern allein fort und fort suchen solle das Gottesreich, alles andere werde gegeben von oben!? –

 

Lassen wir die Sache nur auf eine kleine Probe von ein paar Monaten ankommen, die Menschen sollen solche Zeit hindurch nicht anrühren und arbeiten, und es soll sich zeigen, ob ihnen gebratene Fische in den Mund hineinschwimmen werden!

 

Und wie blöde ist endlich die anbefohlene Selbstverstümmelung bei Ärgerungen der Glieder! Lassen wir jemanden mit einer scharfen Axt in seiner rechten Hand sich seine Linke abhauen und wegwerfen; was wird er aber tun, so ihn nachher seine Rechte ärgern würde, - wie wird er sich diese dann abhauen, und wie die Augen ausreißen und am Ende ohne Hände die ihn möglich noch ärgernden Füße abhauen?! –

 

Ah, geht mir heim mit solch einer Lehre! Die wäre für ein Krokodil zu schlecht, geschweige für den Menschen! –

 

Nur ein wenig die Folgen kombiniert, und ihr müsst es mit Händen greifen, dass solch eine Lehre nichts als eine Folge eines altjüdischen Fanatismus sein kann! Und kämen alle Engel aus den Himmeln und lehrten die Menschen solche Wege zur Erreichung des ewigen Lebens und den Gebrauch solcher Mittel zur Gewinnung des Himmels, so sollen solch dumme Lehrer aus der Welt hinausgeprügelt werden und ihren dummen Himmel selbst fressen! – Nur die Inkonsequenz! - `Zahn um Zahn` und `Aug um Aug` findet Er ungerecht und grausam, predigt die größte Sanftmut und Duldsamkeit, öffnet sogar allen Dieben das Tor, indem Er sagt: `Wer von dir einen Rock verlangt, dem gib auch noch den Mantel hinzu!` Schöne Lehre!

 

Aber dafür sollen die Menschen sich selbst die Augen ausreißen und Hände und Füße abhauen! - Wer aus euch hat je schon einen größeren Unsinn vernommen?!“

 

Hier tritt der Priester näher zu Mir hin und sagt:

 

Meister! Deine Taten bezeugen, dass Du mehr vermagst als ein gewöhnlicher Mensch. Aber wenn Du irgend richtig zu denken vermagst, woran ich nicht zweifle, da ich Dich im Hause der Irhael ganz weise reden gehört habe, so widerrufe gewisse höchst unpraktische Lehrsätze dieser Deiner Predigt! Sonst sind wir, trotz aller Deiner sonst ganz eines Messias würdigen Taten, genötigt, Dich offenbar für einen in irgend einer altägyptischen Schule fanatisch gebildeten Magier anzusehen und Dich als einen barsten Messiasfrevler von uns hinauszuweisen! Betrachte Deine gewaltige Lehre nur Selbst ein wenig genauer, und Du musst es einsehen, dass Deine Lehre zur Gewinnung des ewigen Lebens völlig unbrauchbar und von niemandem je befolgt werden kann! Denn so jemand den Himmel sich also verdienen soll, da wird er wohl den Himmel stehen lassen! Denn da wäre es ja besser, nie geboren zu werden denn sich also zu verdienen einen Himmel, in den er nur als ein Verstümmelter eingehen kann! Sage mir aber vollends aufrichtig, ob Du das einsiehst, oder ob Deine Lehre Dir wirklich ernst ist!“

 

Sage Ich: „Du bist doch ein Oberpriester und bist blinder denn ein Maulwurf unter der Erde; was lässt sich von den anderen denken und erwarten?! Ich gab euch hier Bilder, und ihr verschlinget bloß nur ihre Materie, die euch zu ersticken droht; aber von dem Geiste, den Ich in diese Bilder gelegt habe, scheinet ihr keine Ahnung zu haben. Glaube es Mir: So weise ihr euch dünket, so weise sind auch wir und wissen es sehr wohl, ob sich ein Mensch verstümmeln könne und solle, um das ewige Leben zu erhalten! Aber wir wissen es auch, dass ihr den Geist dieser Lehre nicht fasset und noch lange nicht fassen werdet!

 

Wir aber werden darum unsere Worte nicht zurücknehmen. Du hast wohl Ohren, aber diese hören das Rechte nicht; also hast du auch Augen, die aber gleichfort geistig blind sind, und du hörst und siehst dennoch mit offenen Ohren und Augen nichts!“

 

Sagt der Oberpriester: „Ja, ja, Du sollst auch darin recht haben, und ich will und kann es vorderhand auch nicht bekämpfen, ob, wie und was für Geistiges sich innerhalb Deiner aufgestellten Lehrbilder birgt; aber das musst Du mir denn doch gelten lassen, dass, so zum Beispiel ich jemandem eine Lehre gebe, von der ich wünsche, dass sie von ihm als meinem Jünger verstanden und ausgeübt werden soll, ich die Lehre doch notwendig also stellen muß, dass sie von meinem Jünger ihrem wahren Geiste nach verstanden werde.

 

Weiß ich nun, dass mein Jünger meine Lehre dem Geiste der inneren Wahrheit nach vollends aufgefasst hat, so kann ich dann an meinen Jünger auch vollrechtlich die Forderung stellen, dass er ein Täter meiner Lehre werde. So ich aber jemandem eine Lehre gebe in solchen Bildern, die an und für sich unmöglich zu beachten sind, und so mich dann der Jünger fragte und sagte: `Was soll das? Wie soll ich mir das Leben nehmen, um das Leben zu gewinnen? Wie soll ich mich töten und dann als ein Toter aus dem Tode ein  neues, ja ewiges Leben nehmen?`, - da werde ich zu ihm sagen: `Sieh, Freund, dieses mußt du so und so verstehen und nehmen! Denn sieh, zwischen dem dir gegebenen Lehrbild und der in ihm enthaltenen Wahrheit besteht diese und diese geistige Entsprechung, und dieser Entsprechung, aber nicht dem äußeren Bilde zufolge musst du dein Leben einrichten!`

 

Siehe, Meister, dann wird es der Jünger verstehen, und ich kann, wie schon früher bemerkt, dann vollrechtlich von ihm verlangen, dass er nach dem Geiste der Wahrheit meiner Lehre tätig werde! Kann ich aber das auch verlangen, ohne ein Narr zu sein, dass er mein hartes Lehrbild zur Tat erhebe? Und forderte ich das im Ernste von meinem Jünger, da müsste ich doch vor allen denkenden Menschen mich also ausnehmen als wie einer, der in einem wohlverschlossenen Kruge Wasser trüge; ein Durstiger aber käme zu ihm und bäte ihn, dass er ihm gäbe zu trinken, der Wasserträger aber reichte ihm wohl sogleich den verschlossenen Krug und spräche: `Da hast du den Krug, - trinke!`, der versuchte aber nun zu trinken, fände aber keine Öffnung und fragte den Träger: Wie kann ich daraus trinken? Ist doch der Krug von allen Seiten verschlossen!; der Träger aber zu ihm sagte: `So du blind bist und die Öffnung nicht finden magst, da verschlinge den ganzen Krug, und du wirst also schon auch das Wasser mitverschlingen!`

 

Sage mir, Du sonst lieber und weiser Meister, was wohl müsste der Durstige solch einem Wasserträger sagen?!

 

Ich meine, dass der Durstige hier wohl das vollste Recht hätte, solch einen Wasserträger einen Narren zu schelten. Ich will Dich darob aber geradewegs keinen Narren schelten; aber so Du sagst, dass wir den Geist Deiner Lehre ob unserer geistigen Blind- und Taubheit nicht sehen und fassen können, so ist Deine Lehre dennoch gleich dem Wasser im verschlossenen Kruge, den der Durstige im Ernste samt dem Wasser verschlingen solle, ein Verlangen, das nur ein einem Tollhause entlaufener Prophet aufstellen könnte! –

 

Nimm Du nun die Sache wie Du willst! Solange Du Deiner Lehre, die in manchen Einzelsätzen viel Gutes und Wahres enthält, keine genügende Erklärung beifügest, bleibe ich und viele heller denkende bei diesem gemachten Ausspruche! Denn das wirst Du nie erleben, dass wir nun sogleich Deiner Lehre wegen werden anfangen, uns Hände und Füße abzuhauen und die Augen auszureißen! – Auch werden wir arbeiten wie zuvor und verdienen im Schweiße unseres Angesichtes unser Brot, und der sich arglistigerweise an uns vergreifen wird, der wird der gerechten Züchtigung nicht entgehen! Also werden wir auch dem Diebe, der uns einen Rock stiehlt, den Mantel nicht gratis hinzugeben, sondern den Dieb ergreifen und ins Gefängnis werfen, allwo ihm eine hinreichende Zeit belassen werden soll, seine schlechte Tat zu bereuen und sein Leben zu bessern!

 

Wenn Du ein wahrhaft aus Gott hervorgegangener Weiser bist, so musst Du auch von der heiligen Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Mosaischen Gesetzes, das Gott Selbst unter Blitz und Donner den Israeliten in der Wüste verkündet hat, durchdrungen sein! Willst Du aber mit Deiner Lehre das Gesetz brechen, dann magst Du zusehen, wie Du dabei mit Jehova auskommen wirst!“

 

Sagte Ich: „Ich aber bin der Meinung, dass es dem Gesetzgeber freistehe, das Gesetz zu belassen und es selbst dem Geiste und der Wahrheit nach zu erfüllen, oder es aber auch ganz aufzugeben unter gewissen Bedingungen!“

 

Sagte der Oberpriester: „Das klingt sehr sonderbar aus Deinem Munde nun! Heute morgen hätte ich solch ein Wort aus Deinem Munde geehrt, denn da kam es mir wahrlich stark vor, dass Du im Ernste der Verheißene wärest! Aber nach dieser Deiner nun an uns ergangenen Lehre bist Du in meinen Augen zu einem Tollhäusler geworden, dem es beliebt, uns seine fixen Ideen als eine Weisheit des verheißenen Messias aufzutischen. Darum rede nun lieber erklärend über Deine harte Lehre, die ohne genügende Erklärung wohl kein Mensch je fassen und danach tätig werden kann!“

 

Sage Ich: „So rede denn, was dich so sehr beirret in Meiner Lehre, und Ich will es dir lösen!“

 

Spricht der Oberpriester: „Ich habe es Dir zwar wohl schon etliche Male gesagt; aber damit Du siehst, dass ich gewiss sehr billig und mäßig bin, so sage ich Dir nun, dass ich alle andern Punkte Deiner Lehre als gute und weise Stücke zum Darnachhandeln annehme, aber das Augenausreißen und Hand und Fußabhauen kann ich doch unmöglich annehmen! Bedenke doch nur Selbst, ob es wohl in der Möglichkeit liege, sich ein Auge auszureißen! Wird derjenige, der sich selbst eine Hand oder einen Fuß abhaut, nicht alsbald sich verbluten und  sterben? Und so er tot ist, welche Früchte der Besserung wird er dann bringen können?! Sieh, das ist der unpraktischste Punkt Deiner Lehre, der unmöglich je vernünftigerweise befolgt werden kann! Und sollten sich wirklich je irgend Narren vorfinden, die solche Lehre an sich ausübten, so werden sie darob sicher nicht besser werden, denn so dabei jemand mit dem Leben davonkommt, so wird er Gott nicht loben des Elends wegen, in das ihn solche Gottes sein sollende Lehre gestürzt hat. Stirbt er aber, was am sichersten anzunehmen ist, so frage ich mit David: `Herr, wer wird Dich im Tode loben und wer Dich preisen im Grabe?!`

 

Also diesen Punkt wenigsten erkläre uns deutlicher, alles andere wollen wir als eine – freilich wohl auch auf die höchste Spitze getriebene – Humanitätslehre annehmen!“

 

Sage Ich: „Nun gut; dein Begehren ist billig, und Ich sage es dir: Unter allen Priestern nach Samuel bist du der weiseste, da du eines guten Herzens bist, Meine Lehre im Grunde nicht verwirfst, sondern sie nur beleuchtet haben willst; und Ich will dir darum auch ein Licht geben! Aber nicht aus Meinem Munde, sondern aus dem Munde eines Meiner Jünger soll dir Licht werden!

 

Wende dich daher an einen Meiner Jünger, auf dass dir daraus klar wird, dass Meine Lehre schon jetzt ohne Meine Erklärung den Menschen klar geworden!“

 

Hier wendet sich der Oberpriester an den Nathanael und sagt zu ihm: „Nach der Weisung eures Meisters wende ich mich zufällig an dich; erkläre mir daher wenigsten nur den härtesten Punkt der Lehre eures Meisters! Aber ich bitte dich, nur klare, reine Worte! Denn mit Dunst über Dunst wird kein Gemach erleuchtet! Und so wolle denn reden!“

 

Spricht Nathanael: „Seid ihr denn wohl gar so verschlagenen Gemütes, dass Ihr eine so klar gegebene Lehre nicht in ihrem wahren Sinne fassen möget? Haben denn nicht die Propheten nahe samt und sämtlich von Christus vorhergesagt, daß Er nur in Gleichnissen Seinen Mund auftun und nicht ohne Gleichnisse reden werde mit den Menschen?“

 

Sagt der Oberpriester: „Jawohl, da hast du recht; denn also steht es geschrieben.“

Spricht weiter Nathanael: „Nun gut, so du das als ein schriftkundiger weißt, warum schiltst du dann den Herrn einen Narren, so Er nach der Schrift Seinen Mund auftut in Gleichnissen, zu deren Verständnis du den Herrn wohl um ein Licht anflehen kannst, aber deshalb nicht den Herrn einen Narren schelten sollst, so dir Seine gleichnisweise Rede unverständlich ist, indem du selbst voll Unverstandes bist in solchen Dingen Gottes?!

 

Siehe, die Dinge der Natur haben ihre Ordnung und können nur in dieser ihrer eigentümlichen Ordnung bestehen; und so haben auch die Dinge des Geistes ihre höchst eigentümliche Ordnung und können außer solcher Ordnung nicht bestehen, nicht gedacht und nicht ausgesprochen werden. Aber zwischen den Naturdingen und den geistigen Dingen, weil jene aus diesen hervorgegangen sind, ist und besteht eine genaue Entsprechung, die freilich wohl nur der Herr allein am allerbesten kennt. Wenn nun der Herr uns rein Geistiges verkündet, die wir noch sämtlich in der starren Ordnung der Naturmäßigkeit uns befinden, so kann Er solches ja nur auf dem Wege der gleichnisweisen Entsprechungsbilder geschehen lassen. Um diese aber recht zu verstehen, müssen wir trachten, unsern Geist durch die Beachtung der Gottesgebote zu wecken. Erst in solcher Gewecktheit werden wir darüber ins klare kommen, was der Herr unter einem solchen entsprechenden Gleichnisbilde alles gesagt und geoffenbart hat, und eben darin wird sich Sein göttliches Wort ewig von unserem menschlichen unterscheiden.

 

Nun aber habe wohl acht! Was bei dem Naturmenschen das Auge ist, das ist beim Geiste das Schauvermögen in göttlichen und himmlischen Dingen, die allein dem Wesen des Geistes für seine glückseligste ewige Existenz zusagen. Da aber der Geist zufolge notwendigster göttlicher Ordnung eine bestimmte Zeit in die Materie des Fleisches dieser Welt versenkt werden muß, auf dass er fest werde in seiner Freiheit und nahe völligen Unabhängigkeit von Gott, ohne die er Gott nie schauen könnte und noch weniger bestehen in, neben und bei Gott – (So der Geist aber eben in der Materie reift und sich festet in der Freiheit und Unabhängigkeit von Gott, steht er aber in der unmöglich vermeidbaren Gefahr, von der Materie selbst verschlungen und mit getötet zu werden, aus welchem Tode eine Erweckung zum Leben in Gott eine höchst schwere und leidende ist und sein muß) -, so sagte der Herr, wohl verstanden nicht zum Fleischmenschen, sondern zum Geistmenschen:

`So dich das Auge ärgert, da reiße es aus und wirf es von dir; denn es ist besser, mit einem Auge in die Himmel zu gehen – als mit beiden in die Hölle!`, was soviel sagen will als:

 

Wenn dich das Licht der Welt zu sehr verlockt, so tue dir Gewalt an und kehre dich ab von solchem Lichte, das dich in den Tod der Materie zöge! Benimm also dir selbst als Geist den leeren Genuß der Weltanschuung und wende dich mit deiner Sehe den rein himmlischen Dingen zu! Denn es ist dir besser, ohne alle Weltkunde in das Reich des ewigen Lebens einzugehen, als wie zu weltkundig einerseits und zu wenig geistkundig andererseits von dem Tode der Materie verschlungen zu werden!

 

So der Herr hier von zwei Augen, Händen und Füßen sprach, da bezeichnete Er damit ja nicht die zwei Augen und die zwei Hände und Füße des Leibes, sondern nur das offenbar doppelte Seh-, Tätigkeits- und Fortschrittsvermögen des Geistes und warnt nicht das Fleisch, das kein Leben hat, sondern den Geist, sich mit der Welt lieber nicht zu befassen, so er merke, dass ihn diese zu sehr anzöge, da es in dem Falle besser sei, ohne alle Weltkundigkeit in das ewige Leben einzugehen, als durch zu viel Weltkenntnis am Ende von dem notwendigen Gerichte der Welt verschlungen zu werden.

 

Der Geist aber soll ja wohl die Welt auch schauen und weltkundig werden, aber er soll an ihr kein Wohlgefallen finden! Fängt er aber an, zu verspüren, dass ihn die Welt anreizt, so soll er sich sogleich von ihr abwenden, weil ihm da schon Gefahr droht! Und siehe, dieses nötige Abwenden drückt das entsprechende Bild des Augausreißens aus; und Der uns ein so treffend Bild geben kann, Der muß sicher wohlbewandert sein in allen geistigen und materiellen Verhältnissen des Menschen, was nach meiner Überzeugung nur Dem möglich sein kann, durch Dessen Kraft, Liebe und Weisheit alle Dinge geistig und materiell geschaffen worden sind!

 

Ich meine nun, du wirst mich denn doch verstanden haben und nun einsehen, wie grob du dich an Dem versündigt hast, Der dein wie unser aller Leben in Seiner allmächtigen Hand trägt!?“

 

Hier stutzt der Oberpriester und auch viele andere ganz gewaltig und sagte nach einer Weile: Ja, ja, nun verstehe ich es freilich wohl! – Aber warum redete der Herr denn nicht sogleich also verständlich, wie du nun geredest hast, so hätte ich mich an Ihm sicher nicht  versündigt!?“

 

Sagt Nathanael: „So mich also ein siebenjähriger Knabe fragen würde, da nähme mich`s nicht wunder, dass ein siebenjähriger Knabe also fragt; aber bei dir nimmt es mich hoch wunder, da du doch einer der ersten Weisen dieses Ortes bist! Möchtest du dem Herrn nicht auch die weise Preisfrage stellen, warum Er in die Samenkörner, die doch gar nichts gleichsehen, die Gestaltungs- und Entwicklungsfähigkeit des daraus hervorgehenden Baumes bis ins Endloseste hineingelegt hat?  Hätte er nicht lieber sollen alsogleich alle Früchte reif aus der Luft in den Schoß der Menschen regnen lassen?! Wozu die langweilige Entwicklung eines Baumes aus dem Samenkorne und hernach noch ein langes Warten auf die reife Frucht?!

 

Sieh, wie blöde du noch bist! Des Herrn Wort und Lehre ist gleich wie alle Seine Werke. Er gibt uns seine Lehre in Samenkapseln; diese müssen wir erst säen ins Erdreich unseres Geistes, welches Erdreich da heißet Liebe, da wird der Same dann aufgehen und zu einem Baume der wahren Erkenntnis Gottes und unserer selbst werden, und wir werden von diesem Baume dann zur rechten Zeit vollreife Früchte zum ewigen Leben sammeln können.

 

Liebe aber ist das Erste; ohne diese gedeiht keine Frucht des Geistes! Säe in die Luft den Weizen; siehe, ob er wachsen und dir eine Frucht bringen wird! So du aber das Weizenkorn legest in ein gutes Erdreich, da wird es wachsen und dir vielfache Frucht bringen. Die rechte Liebe aber ist ein rechtes Erdreich für das geistige Weizenkorn, das uns aus des Herrn Munde erteilt wird.

 

Deshalb aber hob der Herr vor euch allen nunmehr das harte Mosaische Gesetz der Strafe auf, auf dass ihr in aller Bälde reicher werden sollet an gutem Erdreich in euren Herzen. Denn der da strafet nach dem Gesetz, hat wenig oder oft wohl auch gar keine Liebe; bei ihm wird der göttliche Wortsame sonach ganz schlecht gedeihen! Der aber gestraft wird, der befindet sich ohnehin im Gerichte, in dem keine Liebe ist, da das Gericht der Tod der Liebe ist.

 

Daher sollet ihr lieber an euren Nächsten die Fehler gar nicht sogleich ersehen, sondern mit ihnen nachsichtig und geduldig sein! Und so sie in ihrer Schwäche etwas von euch verlangen, so sollet ihr ihnen nichts vorenthalten, auf dass sich die Liebe in euch selbst und gleicherweise in euren schwachen Brüdern mehre!

 

Wird diese einmal reichlich in euch wie in euren Brüdern vorhanden sein, so wird der göttliche Same wohl gedeihen in euch, und der Schwache wird dann in Seiner Stärke euch wohl ansehen und euch vielfach vergelten, was ihr ihm in  seiner Schwäche erwiesen habt. So ihr aber karg seid und hart gegen eure schwachen Brüder, so werdet ihr selbst nie zu einer Gottesfrucht in euch gelangen, und das Gericht der Schwachen wird am Ende auch euch ins Verderben ziehen.

 

So der Herr sagte: `Wer von dir verlangt den Rock, dem gib auch den Mantel hinzu!` da wollte Er bloß andeuten, dass ihr, die ihr reich seid und viel besitzet, den Armen, so sie zu euch kommen, auch reichlich und viel geben sollet! Denn dadurch werdet ihr dann auch sobald zu vielem Erdreich in euren Herzen kommen und sonach selig sein im Besitze solch wahren Erdreiches, und die Armen werden euch wahrhaft segnen; denn aus euren Herzen werden sie die tatkräftigste Predigt des wahren Evangeliums Gottes vernehmen und aus ihr stark werden euch zur ewigen Stütze!

 

Wann ihr aber karg gebet und rechnet, wann und wie viel ihr gebet, da nützet ihr damit weder euch noch den armen Brüdern, und diese werden euch darum nie zur Stütze werden.“

 

Sagt der Oberpriester, der diese Rede mit großer Aufmerksamkeit anhörte: "Es ist nun schon alles wohl und gut, und ich verstehe nun nach meinem Dafürhalten alles so ziemlich; nur eines muß ich dir noch bemerken, und das besteht darin, daß der Meister eigentlich nur vom Ausreißen des rechten Auges und vom Abhauen der rechten Hand geredet hat.

 

Ich habe dann in meinem forschenden Eifer so per Bausch und Bogen gleich auch die Füße dazugenommen, und sieh, du aber hast mir das Abhauen der Füße nun ebenso erklärt wie von Auge und Hand, von denen allein meines Wissens der Herr geredet hat.

 

Du aber sagtest, es bestehe Entsprechung nur im Worte des Herrn, der zum Geiste des Menschen spricht; wie kommt es denn, daß du auch in meinem Zusatz Entsprechung fandest?"

 

Sagt Nathanael: "Du irrst dich! Der Herr sprach auch vom rechten Fuße; nur den Schreibern gab er einen Wink, das vom Fuße auszulassen, weil bei denen, die einmal ihre innere Sehe dem Himmel zugewandt haben und ihren Liebewillen, der entsprechend unter dem linken Arm als der Hand des Herzens verstanden wird, nach dem Willen Gottes tätig machten, nachdem sie den rechten Arm oder die rechte Hand, unter der der rein weltliche Handlungstrieb verstanden wird, von sich geschafft haben, es nicht mehr nötig ist, auch den rechten Fuß eigens von sich zu schaffen.

 

Denn so einmal das Auge im rechten Lichte und die Hand, oder besser der Wille, im rechten Handeln sich befinden, so ist der Fortschritt in die Regionen des ewigen Lebens schon von selbst da, oder der rechte Fuß, der da bezeichnet den Fortschritt in der Welt, schon von selbst abgelöst, und es bedarf da keiner besonderen Mühe mehr.

 

Ihr Samariter aber könntet füglich beim Fuße anfangen; denn obschon eure Sehe nun dem Göttlichen zugewandt ist und eure Hände eine rechte Tat verrichten, so ist aber dennoch euer Fuß, oder eure Fortschrittsgier, rein in die Welt hinausgerichtet! Denn ihr erwartet vom Messias ganz etwas anderes, als was ihr nach der Voraussage aller Propheten von Ihm erwarten sollt! Und das ist, geistig genommen, euer rechter Fuß, den ihr abhauen wollt, um den rechten Weg zum Reiche Gotters einschlagen zu können.

 

Und darum hatte der Herr bloß nur euretwegen auch vom rechten Fuße gesprochen, aber solches nicht niederschreiben lassen, weil die späteren Anhänger der Lehre des Herrn wohl wissen werden, wo und worin das Reich des Messias besteht, und was man tun muß, um in dasselbe zu gelangen. Hast du nun noch irgend einen Anstand?"

 

Sagt der Oberpriester: "Nun ist mir wohl alles klar bis insoweit, als es mir überhaupt klar sein kann. Nur muß ich trotz allem meinem nunmaligen Verständnis hinzufügen, daß eure Lehre in der Art, wie sie gegeben wird, eine harte und schwer verständliche Lehre ist, und ihr werdet es erleben, daß sich an ihr gar viele stoßen werden!

 

Ich will euch zwar keinen schlechten Propheten machen; aber das sage ich euch dennoch, daß ihr damit bei den hochtrabenden Juden nicht das bewirken werdet, was ihr bei uns trotz unserer mannigfachen Dummheit bewirkt habt.

 

Wir glauben nun, wenn auch noch wie in einem Traume; die großen Juden aber werden euch nicht also glauben! Sie werden Zeichen verlangen und werden euch am Ende noch der Zeichen wegen verfolgen; wir aber verlangten keine Zeichen von euch; ihr wirket sie aber dennoch freiwillig.

 

Wir glauben euch nun nicht der Zeichen wegen, die auch die Menschen teilweise verrichten können, sondern rein der Lehre wegen, da ihr sie uns erläutert habt! Ihr sollt daher auch bei uns verbleiben, denn bei den hohen Juden und Griechen werdet ihr schlechte Geschäfte machen!" (GEJ.01_039,15 ff)

 

Siehe auch Randspalte: "Startseite: Die Neuoffenbarung zu...", "Kurztexte", Thema "Vom Recht auf Gegenwehr"