Wer sich selbst verleugnet, überwindet die Welt. Teil 2

 

 

Teil 2

Die Besiegung des weltlichen

Genusssuchtwillens

 

 

14. Die Versuchungen

 

In dem Gebet, das Jesus die Menschen zu beten lehrte, heißt es in einer Bitte: „Führe uns nicht in Versuchung.“ Darüber sind schon so manche nachdenklich geworden und haben gemeint: „Diese Bitte ist falsch überliefert worden, denn Gott führt nicht in Versuchung.“ – Natürlich führt Gott nicht in der Weise in Versuchung, wie Satan die Menschen versucht, indem er sie reizt, eine Sünde zu begehen, sondern Gott führt einen Menschen in Versuchung, indem Er über ihn eine Lebensbürde kommen lässt. Da steht dann der Mensch in der Versuchung, schwach zu werden im Glauben, Vertrauen, in der Geduld und Ergebung in Gottes Willen. Doch Gott will mit der Versuchung nicht bezwecken, dass der Mensch schwach wird, sondern stark, indem er sich im Glauben, Vertrauen, in der Geduld und Ergebung in Gottes Willen üben kann.

 

Darum habe du nur ja keine Scheu vor den mannigfachen Lebensbürden“, sagt Jesus, „die dir auf diesem irdischen Lebenswege hie und da begegnen werden; denn Ich werde sie zu dir senden zur Stärkung deiner Seele und deines Geistes! Wenn dann und wann etwas über dich kommen wird, dann denke, dass Ich es bin, der dir eine solche Stärkung zukommen lässt! Denn je mehr Ich einen Menschen liebe, desto mehr auch wird er versucht von Mir. Denn ein jeder soll Mir gleich vollkommen werden; dazu aber wird viel Selbstverleugnung, Geduld, Sanftmut und vollste Ergebung in Meinen Willen erfordert.“ (3.GEJ 120,6-7)

 

Wie leicht aber kann eine Lebensbürde für einen Menschen zu schwer werden. Deshalb lautet die Bitte im Vaterunser richtig: „Lasse nicht Versuchungen über uns kommen, denen wir nicht widerstehen könnten.“ (10.GEJ 32,6) Auch der Reichtum ist eine Versuchung für den Menschen, die darin besteht, wie er den Reichtum verwendet, ob er ihn nur für sich gebraucht oder auch für seine notleidenden Nächsten.

 

Jesus sagt: „So ihr denn zu Gott betet und im Herzen saget: ,Vater im Himmel, führe uns nicht in die Versuchung!‘, so saget, denket und wünschet, dass Er euch nicht mit vielen irdischen Gütern und Schätzen wohl versehe, sondern bittet Ihn nur um das tägliche Brot, und Er wird es euch nicht vorenthalten, da Er es wohl am besten weiß, wessen ihr bedürfet.“ (9.GEJ 210,3)

 

Die Versuchung kann aber auch darin bestehen, dass ein Mensch eine Möglichkeit sieht, sich auf unrechtmäßige Weise Reichtum beschaffen zu können. Da wird der Mensch von Gott an die Versuchung herangeführt, damit er Gelegenheit erhält, sich in der Selbstverleugnung üben zu können.

 

Wenn nun an einen Menschen eine Versuchung herantritt, indem er etwas für ihn Begehrenswertes sieht oder in die Hände bekommt, (3.GEJ 120,7) so macht sich in seinem Innern, je nachdem wie stark noch seine eigenliebige Begierde ist, der Trieb des Haben- oder Genießenwollens bemerkbar. Er ersieht für sich einen Vorteil darin, wenn er nach dem Trieb handeln würde. Daraufhin verstärkt oft ein Fleischteufel seine sinnliche Lust, der er dann nur noch schwer widerstehen kann. Wird dann sein Wille schwach, so handelt der Mensch nach dem Triebe. Da die Erfüllung des Triebes dem Fleische wohlgetan hat, so will die eigenliebige Begierde auch weiterhin dem Fleische wohltun. So wird dann aus dem Trieb und der Begierde gar leicht eine Leidenschaft.

 

 

15. Leidenschaften, die Stürme der Seele

 

Nun fragt es sich: Was sind denn die Leidenschaften, die den Menschen so viele Schwierigkeiten bereiten? – Und Jesus erklärt uns: „Die Leidenschaften sind Stürme der Seele; sie wühlen ihr Lebenswasser auf, und Gottes Ebenmaß wird dann in der Seele also zerrissen, wie das Ebenmaß der Sonne auf den Wogen des Meeres zerrissen wird. Es blitzt wohl das Bild der Sonne aus den Wogen, aber in welcher Verzerrtheit! Und so der Sturm lange währt, (d.h. wenn die Leidenschaften lange anhalten) so entsteigen dem bewegten Meere bald schwere Dünste und füllen die Himmelsluft der Seele mit schweren (dichten) Wolken; diese hindern dann das Licht der Geistessonne völlig, an das Lebensgewässer der Seele zu gelangen, – und die Seele wird finster, kann nicht mehr unterscheiden Wahres vom Falschen und hält das Blendwerk der Hölle für ein Himmelslicht.“ (2.GEJ 148,13)

 

Diese Leidenschaften, die im Fleisch des Menschen (6.GEJ 225,19) wie auch in aller Materie als rohe und unlautere Naturgeister weilen, befinden sich zunächst in einem Schlummerzustand. Sie reizen aber die Seele und wenn sie den Reizen nachgibt, so können sie einen starken Sturm in ihr verursachen. Ist solch ein Sturm erst einmal am Toben, so ist er nur schwer wieder zu bändigen.

 

Jesus sagt: „Sind diese (die Naturgeister des Fleisches) einmal zu wach, so gesellen sich dann auch bald die sich sehr häufig noch in dieser unteren Erdregion aufhaltenden noch unreinen Seelen verstorbener Menschen zu ihnen; und geschieht das, dann ist ein solcher Mensch im vollsten Ernste besessen.“ (6.GEJ 187,8) (Diese unreinen Seelen verstorbener Menschen) „sind bemüht, einen argen Einfluss auf das Diesseits auszuüben... durch gewisse geheime Einflüsterungen, Anreizungen und Verlockungen. Sie merken bei den Menschen gar wohl die verschiedenen Schwächen und Anlagen zu denselben, bemächtigen sich derselben und fachen sie zu glühenden Leidenschaften an. Ist aber eines Menschen Schwäche einmal zur glühenden Leidenschaft geworden, dann befindet er sich schon ganz in dem Zustande des Gerichtes der Materie und ihrer argen Geister, und es ist für ihn dann schwer, sich davon loszumachen.“ (8.GEJ 35,12-13)

 

 

16. Die Befreiung von den Leidenschaften

 

Nun stellt sich die wohl wichtigste Lebensfrage und die lautet: „Was muss denn ein Mensch tun, um seine Seele von den Leidenschaften zu befreien und vollständig von dem Gericht der Materie loszumachen?“ – Die Antwort lautet: Da muss der Mensch zunächst alles, was seine Eigenliebe stärkt, als ein Übel für seine Seele erkennen und es mit den von Gott ihm gegebenen Mitteln so lange fort bekämpfen, bis er ein vollendeter Meister über alle seine leiblichen Leidenschaften geworden ist. (7.GEJ 193,2-3) In den Versuchungen, die an einen Menschen herantreten, nimmt er in sich einen Trieb wahr, durch den die Seele gereizt wird, nach diesem Trieb tätig zu werden. Durch diesen Trieb, kommt er nun von den Naturgeistern seines Fleisches oder von Seelen verstorbener Menschen, erfährt er dann, welche Schwächen er noch in sich hat und womit sein Geist noch geknebelt ist. Wenn er sich dann gerade in diesen Punkten selbst verleugnet, so nimmt er dem Geiste die Fesseln ab und stärkt dadurch seine Seele. (JJ 299,10-11) Deshalb soll sich der Mensch von Zeit zu Zeit selbst prüfen, inwieweit er in aller Selbstverleugnung, was die Lustreizdinge dieser Welt betrifft, vorgedrungen ist und inwieweit er den Willen Gottes befolgt hat. (10.GEJ 17,11)

 

Jesus sagt: „Wahrlich Ich sage euch: Nichts ist dem ganzen Menschen heilsamer als eine zeitweilige innere Sichselbstbeschauung! Wer sich und seine Kräfte erforschen will, der muss sich zu öfteren Malen selbst erforschen und innerlich beschauen.“

 

Es wissen aber einige nicht, wie sie das mit der inneren Selbstbeschauung anfangen sollen, und fragen Jesus darum. Jesus aber sagt: „Ruhet und denket im Stillen lebendig nach über euer Tun und Lassen, über den euch wohlbekannten Willen Gottes, und ob ihr demselben nachgekommen seid zu den verschiedenen Zeiten eures Lebens, so habt ihr euch innerlich selbst beschaut und dadurch stets mehr und mehr dem Eindringen des Satans in euch den Weg erschwert... Denn hat der Mensch einmal durch Übung irgendeine Fertigkeit in der Beschauung seines Innern erreicht, so findet er in sich auch nur zu leicht und zu bald, welche Fallen ihm der Satan gelegt hat, und kann dann diese weidlichst zerstören und zunichte machen und aller künftigen Arglist desselben Feindes auf das energischste vorbauen.“ (1.GEJ 224,8+10-11)

 

In solchen Selbstprüfungen wird der Mensch entdecken, dass an ihn schon verschiedene Versuchungen herangetreten sind und er mancher von ihnen auch schon erlegen war. An den Versuchungen, denen er erlegen war, kann er seine Schwächen erkennen und an den Schwächen kann er erkennen, welche argen Geister sich bei ihm befinden und ihn zur Sünde reizen.

 

Der böse Geist ruhet nie“, sagt Jesus, „weder bei Tag noch bei der Nacht; er läuft herum wie ein hungriger Löwe und fällt in seinem großen Hunger alles an, was ihm nur im geringsten irgendwo unterkommt.

 

So er sich aber niemandem zeigen kann und darf, und jeder Mensch seine bösen Einflüsterungen mit leichter Mühe erkennt, da diese die Seele allzeit hartherzig, unkeusch, ehebrecherisch, selbstsüchtig, herrschgierig, meineidig, geizig, unbarmherzig, gegen alles Wahre und Göttliche gleichgültig, gegen Arme und Leidende gefühllos und für allen Wohlgenuss auf der Welt gierig stimmen, so kann er solchen argen Bestrebungen des Satans (oder seiner Spießgesellen) auch allzeit eine offene Stirne bieten, indem der Satan nur in die Sinne der Seele, nie aber in ihren Willen einwirken kann.“ (1.GEJ 217,3-4)

 

Die Frage ist nun: Wie kann der Mensch den Einflüsterungen, Anreizungen und Verlockungen seines Fleisches und der bösen Geister widerstehen? –

 

Darauf antwortet Jesus: „Ich habe euch denn nun auch die Merkmale angezeigt, aus denen, so sie eure Seelen beschleichen, ihr leicht erkennen möget, welch ein Geist sich in eurer Nähe befindet, und was er mit euch vorhat.

 

Wenn ihr so was an euch merket, da gedenket dieser Meiner Lehre und Worte; richtet eure Seelen auf und tut gerade das Gegenteil davon, als wonach es euch zu gelüsten anfängt, so werdet ihr Meister des bösen Geistes! Und so ihr ihn in allen den angezeigten Stücken werdet besiegt haben, dann wird er euch fürderhin in aller Ruhe lassen, und ihr werdet mit ihm keinen Kampf mehr zu bestehen haben. Aber so ihr nur in einem oder dem andern Stücke euch fangen lasset oder zum wenigsten in irgendetwas leichten Sinnes nachgebet, so werdet ihr seiner bis an euer irdisch Lebensende nicht leichtlich wieder völlig los.

 

Daher habt ja wohl acht auf alle die Stücke, auf die Ich euch nun aufmerksam gemacht habe! Denn wo der Arge es in irgendeiner Seele nur einmal dahin gebracht hat – was eben keine so große Mühe für ihn ist –, dass sie in einem oder dem andern Stücke ihren Willen hinzugab, woraus dann natürlich eine Sünde erzeugt wurde, dann kostet es schon einen schweren Kampf, um diesen Schaden an der Seele wieder völlig gutzumachen.

 

Aber wer da ist eines ernsten Willens und selbst soviel tut, als er kann, und seine Schwäche Mir überträgt im Geiste, dem wird dann der volle Sieg über den Satan auch ein leichter sein; aber, wohl gemerkt, nur unter lebendig gläubiger Anrufung Meines Namens.“ (1.GEJ 217,5-8)

 

 

17. Der schwere Kampf gegen sich selbst

 

Der Kampf gegen die verstorbenen weltsüchtigen Geister und gegen die Geister des Fleisches ist kein Kampf gegen einen Feind außerhalb des Menschen, sondern ein ganz gewaltiger Kampf des inneren Menschen gegen den äußeren. (3.GEJ 61,5) Hätten die Menschen gegen einen sichtbaren, ihnen gegenüberstehenden Feind zu kämpfen, so würden viele Mutige den Kampf aufnehmen. Aber es ist ein Kampf gegen sich selbst, gegen das, was dem Menschen so viel Lust und Vergnügen bereitet, was ihm eine Begierde und oft eine Sucht ist, und das ist es, was den Kampf so schwer macht. Wie schwer dieser Kampf ist, zeigt uns Jesus an einem Beispiel.

 

Er sagt: „Ein solcher Mensch muss dann durch eine oft mehrere Jahre lange allereifrigste Selbstverleugnung aller seiner alten Leidenschaften und Gewohnheiten die erstorbenen Lebenskräfte in sich neu beleben und so erst nach und nach in die höchst möglichste Liebe zu Gott übergehen, was natürlich für einen schon sehr verweltlichten Menschen keine leichte Aufgabe ist!

 

Denn wenn schon ein ganz gesunder Mensch beim Besteigen eines hohen Gebirges sich sehr abmüht und ihm die Sache sehr beschwerlich vorkommen muss, um wieviel mehr einem Gichtbrüchigen, der noch kaum die Fähigkeit besitzt, sich in der Ebene auf Krücken fortzuschleppen! Wenn es aber ein gichtiger Mensch dennoch sehr ernst wollte, einen hohen Berg zu ersteigen, so müsste er sich vor allem nach einem sehr gesunden und starken Führer umsehen, der ihm gehörig unter die Arme greifen könnte; der Gichtbrüchige würde die Besteigung des hohen Berges sicher dann mit vielem Nutzen durchmachen.

 

Er würde zwar dabei in einen starken Schweiß geraten, und das, je höher, desto stärker; aber dadurch würde er seine alten Glieder vom Gichtstoffe befreien und die abgestorbenen Teile wieder beleben und so am Ende die höchste Spitze des Berges, freilich nach einer mehrtägigen, mühevollen Reise, schon völlig gesund erklimmen. Aber welch ein fabelhafter Entschluss für einen Gichtbrüchigen gehörete dazu, sich zum Beispiel nach der höchsten Kuppe des Ararat zu begeben! Dieses aber wäre immer noch leichter als für einen recht verweltlichten Menschen die Besteigung des geistigen Gebirges, das da heißet: vollkommene Demut und gänzliche Selbstverleugnung!“ (5.GEJ 83,5-7)

 

An diesem Beispiel hat uns Jesus deutlich vor Augen geführt, wie schwer, ja wie fast unmöglich es für einen Weltmenschen ist, sich in allen Dingen der Welt selbst zu verleugnen. Und doch sind bei Gott alle Dinge möglich, denn Er weiß immer wieder einen Menschen so zu führen, dass Er ihn Schritt für Schritt weiter bringt und schließlich zum Ziel mit ihm kommt.

 

Jesus sagt: „Es ist auch dem noch so verstockten Weltmenschen und Sünder möglich, sich bald und wirksam zu ändern, wenn er ernstlich im vollen Glauben und Vertrauen auf Gott das tut, was die göttliche Weisheit ihm rät. Er muss da an sich selbst durch einen plötzlichen Umschwung seines Willens ein wahres Wunder wirken, und zwar in der gänzlichen Selbstverleugnung bezüglich aller seiner früheren Schwächen, Gewohnheiten, Gelüste und argen Leidenschaften, die aus ungegorenen und sehr unlauteren Naturgeistern seines Fleisches in die Seele aufsteigen und sie verunreinigen und verunstalten.

 

Nun zählet aber nach, mit wie vielen allerartigen Leidenschaften ihr behaftet seid! Fasset den ernstesten Willen, sie alle zu verlassen und dann Mir nachzufolgen! Könnet ihr das, so könnet ihr auch bald zu einer inneren Lebensvollendung gelangen; aber ohne das ist es sehr schwer und sehr mühevoll.“ (7.GEJ 155,2-3)

 

Die Leidenschaften und Gelüste zu überwinden ist nicht so leicht, besonders wenn sie schon alte Gewohnheiten geworden sind. Da muss der Mensch Buße tun. Buße tun heißt aber nicht, sich eine Strafe aufzuerlegen, sondern umzukehren von der breiten Straße, die sanft abwärts führt und leicht zu gehen ist, aber ins Verderben führt und den schmalen, steinigen und steil nach oben führenden Weg zu betreten, der zum Leben führt. Dazu muss der Mensch seinen Willen herumreißen, was einem wahren Wunder gleichkommt und in diesem Willen fest bleiben.

 

Jesus sagt: „Du wirst aus deiner eigenen Kraft der argen Welt und ihren Gelüsten widerstehen müssen, um dadurch nach Meiner für alle Wesen gestellten unwandelbaren Ordnung aus dir selbst den festen Boden zu gewinnen, auf dem du dich Mir erst wahrhaft im Geiste und in aller Wahrheit wirst nahen können. Und sieh, da hat die Welt eine starke Macht über den Menschen, weil die Welt von der Hölle aus zum größten Teile beherrscht wird, und es kostet da der Seele manch harten Kampf, um nicht von ihrem eigenen Fleisch und Blut und dadurch dann auch von der Welt verschlungen zu werden!“ (2.GEJ 137,13)

 

 

18. Der dreifache Wille des Menschen

 

Geistig gesehen hat der Mensch erst dann einen festen Boden unter seinen Füßen, wenn er die Welt mit ihren Gelüsten überwunden hat. Erst auf diesem festen Boden kann er sich Jesus nahen. Doch um das zu erreichen, kostet es der Seele einen harten Kampf, weil die Welt eine starke Macht über sie hat. Doch wird der Mensch nur in den Sinnen seiner Seele versucht, aber seinen Willen kann niemand anders bestimmen, als nur er selbst. Die Seele ist es, an welche die Versuchung herantritt, und die Seele ist es, die sich entscheidet, ob sie der Versuchung nachgibt oder ihr widersteht. Der Mensch, weil er aus Körper, Seele und Geist besteht, hat einen dreifachen Willen. Dem Geist, der im Herzen der Seele wohnt, ist der Wille zur Erkenntnis der Wahrheit eigen. Durch ihn kann die Seele die Wahrheit erkennen. Doch ist der Einfluss des Geistes auf die Seele nur ein schwacher, weil die Seele durch ihn wohl die Wahrheit erkennen kann, aber erst dann die himmlische Seligkeit fühlt, wenn sie schon eine Zeitlang mit vollem Ernst nach der Wahrheit tätig war. Die Geister des Fleisches haben ebenfalls einen eigenen Willen. Das ist der weltliche Genusswille. Dieser hat einen starken Einfluss auf die Seele, denn er lässt sie schon bei der ersten Tat einen sinnlichen Genuss fühlen. Die Seele mit ihrem Willen muss sich entscheiden, mit welchem Willen sie sich vereinigen will. Es fällt ihr äußerst leicht, sich mit dem Genusswillen des Fleisches zu vereinigen, da sie selbst aus der Materie hervorgegangen und deshalb von Natur aus noch sehr eigenliebig ist. Es kostet sie aber eine starke Überwindungskraft, sich mit dem Wahrheitserkenntniswillen zu vereinigen. Kann die Seele das, so vergeistigt sich die Seele in dem Maße, wie sie die stets reiner und reiner werdenden geistigen Wege begeht und in demselben Maße eint sich dann auch ihr innerer, reiner und jenseitiger Geist mit ihr. (7.GEJ 69,7) Ist die Seele einmal mit ihrem Geiste verbunden, so nimmt dann auch der Leib nach und nach eine geistigere Richtung an. (2.GEJ 226,6)

 

Der Apostel Johannes sagt: „Der Wille, der wirken soll, muss entschieden ernst auftreten und vor nichts irgendeine Furcht haben. Mit der stoischsten Gleichgültigkeit muss er all den Vorteilen der Welt ins Angesicht lachen können und sogar auf Kosten seines Leibeslebens den lichten Weg der Wahrheit verfolgen. Dann ist der sonst schwache Erkenntniswille zum starken und mächtigen geworden und hat sich den rein weltlichen Gefühls- und Genusswillen vollends untertänig gemacht. Dieser geht endlich selbst ganz ins Licht des Erkenntniswillens über, und so ist der Mensch endlich eins in sich geworden, was zur inneren Vollendung des menschlich unsterblichen Wesens von der allerunerlässlichsten Wichtigkeit ist. Nur der Mensch, der durch seinen energischen lichtvollen Erkenntniswillen den weltlichen Genusssuchtswillen gänzlich besiegt hat und also im Lichte und in aller Wahrheit in sich eins geworden, ist dadurch ganz Licht und Wahrheit und sohin auch das Leben selbst.“ (4.GEJ 73,3+7)

 

Paulus schreibt: „Ich sterbe täglich.“ (1.Kor. 15,31) – Wie konnte Paulus täglich sterben? Da hätte ja doch sein toter Körper täglich wieder neu belebt werden müssen. – Aber Paulus meinte mit dem Sterben nicht das Sterben des Leibes, sondern der Eigenliebe, der wir täglich mehr und mehr absterben sollen, denn die Eigenliebe der Seele ist es, die den Versuchungen des Fleisches erliegt. „Denn das Fleisch gelüstet wider den Geist“, schreibt Paulus, „und den Geist wider das Fleisch; diese widerstreben einander.“ (Gal. 5,17)

 

Adam und Eva erlagen der Versuchung der Fleischeslust und „versanken dadurch um einen Grad tiefer in ihr gerichtetes Materielles“, sagt Jesus, „das dem freien Geistleben gegenüber auch ,der Tod‘ genannt werden kann. Sie erkannten darauf wohl, dass in ihrem Fleische das Mussgericht und der Tod daheim ist, der bei der steigenden Weltliebe auch die freie Seele in sein Gericht und in seine Unfreiheit begraben kann, und so verloren sie denn auch das reine Paradies, das in der vollen Einung der Seele mit ihrem Geiste bestand, und mochten aus sich heraus dasselbe wohl nicht völlig wiederfinden; denn ihre Seele war vom Stachel der Materie verletzt worden und hatte dann viel zu tun, um sich noch so frei als möglich über dem Gerichte des geschaffenen Muss zu erhalten, wie das nun bei allen Menschen der Fall ist, – und Ich bin darum in diese Welt gekommen, um den Menschen wieder den wahren Lebensweg zu zeigen und das verlorene Paradies durch Meine Lehre wiederzugeben.“ (8.GEJ 34,14-15)

 

Wer die weltlichen Begierden und Gelüste, die im Fleische toben, im freien Willen unterjocht und nach dem Reiche Gottes trachtet, der verkehrt seinen Naturmenschen nach und nach in den geistigen, (3.Hi. Seite 248,16) der zieht den alten Adam aus und zieht den neuen an. (9.GEJ 100,9)

 

Jesus sagt: „Zwei Lebenswege gibt es, einen aus der Materie und einen in die Materie. Folge du dem erstern und streife tagtäglich mehr das Materielle ab. Je mehr du dich von selbem los machst, desto mehr wirst du mit Geistigem, Unverwesbarem angetan werden.“ (LGL Seite 65) Je leidenschaftlicher ein Mensch wird, umso materieller wird er. Je materieller er aber wird, umso mehr entfernt er sich von Gott, denn alle Materie ist am weitesten von Ihm entfernt. Deshalb muss der Mensch an dem Willen, das Materielle abzustreifen, festhalten und das Streben nach dem Geistigen sogleich ins Werk setzen, „ansonst der Wille mit der Zeit sich abkühlt, seine Spannkraft verliert und am Ende zur Vollbringung eines guten Werkes zu schwach und ohnmächtig wird.“ (3.GEJ 43,1-2)

 

 

19. Wann eine Seele rein ist

 

Nun kann sich ein Mensch in seiner Seele schon ganz gereinigt haben, so dauert es aber doch noch eine geraume Zeit, bis er die noch unlauteren Geister seines Leibes mitgereinigt hat. Er kann den festen Willen haben, keine Sünde zu begehen, handelt aber dennoch nicht seinem Willen zufolge, (Röm. 7,14-25) sondern des Fleisches Begierden bestimmen dann und wann wider den Willen seines Geistes die Handlung. (3.GEJ 170,9) Das demütigt ihn und er sagt dann stets: „O Herr, sei mir Sünder gnädig.“ Weil er aber über niemand Arges urteilt, für seine Feinde betet und sogar denen allzeit Gutes tut, die Übles über ihn reden und ihm möglicherweise auch noch Übles zufügen, so ist seine Seele dennoch rein. „Wahrlich, wer das ist und tut“, sagt Jesus, „der ist nicht nur rein vor Mir – und hätte er auch noch so manche Sünde auf sich, die ihn sein Fleisch dann und wann zu begehen nötigte –, sondern er ist dabei vollauf Mein Bruder und mit Mir ein König der Himmel und aller ihrer Herrlichkeiten! Denn wird eines Menschen Fleisch oft auch von argen Dämonen gereizt, so wandelt aber dennoch seine Seele gleichfort in Meinem Geiste.“ (2.GEJ 209,4)

 

Bei solchen schon reinen Seelen geschieht es denn auch, dass sie dennoch dann und wann, so ihre Hölle, das heißt der Leib, nicht selten noch sehr begehrend auftritt, auf eine kurze Zeit in solche ihre eigene Hölle treten, mit andern Worten gesagt, in das Begehren des Leibes und seiner Geister eingehen. Solche Seelen aber können dann nicht mehr völlig unrein gemacht werden, sondern sind nur für so lange unrein, als sie sich im Pfuhle ihrer Leibesgeister aufhalten; sie aber können es darinnen nimmer lange aushalten und kehren sonach gar bald in ihren ganz reinen Zustand zurück, in dem sie dann wieder ebenso rein sind, als wären sie nie unrein gewesen. Dabei aber haben sie in ihrer Hölle auf eine Zeitlang Ruhe und Ordnung hergestellt und können sich hernach wieder desto ungestörter im Lichte ihres Geistes bewegen und stärken.“ (2.GEJ 210,17)

 

Kurz, den die Sünde fein demütig macht wie unsern Zöllner, der ist durch die Sünde als ein Engel nur auf einen Augenblick zur Hölle gestiegen, um daselbst Ruhe und Ordnung zu schaffen; sowie er aber zurückgekehrt ist, so ekelt es ihn davor, und seine Seele ist rein wie zuvor. Den als Sünder aber seine Sünden nur zum Hochmute treiben, und so der Sünder im Hochmute verbleibt, der ist schon ein Teufel, ob er äußerlich noch so rein schiene vor den Menschen.“ (2.GEJ 209,6)

 

Eine schon sehr demütige und in der Nächstenliebe tätige Seele, die noch manchmal den Reizen ihres Fleisches erliegt, verharrt nicht mit Liebe und köstlichem Behagen in der Sünde, sondern rafft sich nach der Sünde, durch die sie für kurze Zeit unrein geworden ist, sofort wieder auf und ist dann wieder rein wie zuvor. Wenn solch eine Seele auch schon rein ist, so muss sie dann aber doch noch so weit kommen, vollständig Sieger über die unlauteren und argen Geister ihres Fleisches zu werden. Wenn sie von den Geistern gereizt wird, so muss sie einen festen Willen fassen und genau das Gegenteil von dem tun, als wonach es sie zu gelüsten anfängt und das heißt, sie muss sich ein wahres Fasten auferlegen.

 

 

20. Sich nicht vor der Welt verschließen

 

Aber worin besteht das wahre Fasten? - Zunächst wollen wir einmal hören, worin es nicht besteht. Wenn die Menschen vernehmen, dass sie allen Freuden dieser Welt entsagen sollen, so reagieren sie darauf manchmal mit der Antwort: „Dann kann ich auch als Einsiedler oder in ein Kloster gehen.“ – Es entschließen sich ja auch manche Christen dazu, in ein Kloster zu gehen, aber Jesus sagt:

 

Der Mensch kann sich auf der Welt freilich von der Welt ganz abziehen gleich den Einsiedlern des Karmel und Sion, die da kein Weib ansehen und sich kümmerlich von Wurzeln und allerlei Beeren, wildem Honig und Johannisbrot ernähren. Auch verschneiden sie sich sogar des Reiches Gottes wegen, weil sie dann in keine Versuchung geraten können, in der sie irgendein Gebot Mosis übertreten könnten. Sie haben darum kein Eigentum, haben keine Eltern, haben keine Weiber und Kinder, haben selbst keine Männlichkeit. Sie bewohnen wilde Bergschluchten, damit die Schönheit der üppigen Erdfluren sie nicht reizt; sie reden nicht miteinander, damit nicht jemandem ein Wort aus dem Munde fahre, das ihn oder seinen Nachbarn ärgern könnte.

 

Unter solchen höchst dummen Lebensabstraktionsverhältnissen und unter solchen Verwahrungen vor der Möglichkeit, eine Sünde zu begehen, halten sie freilich wohl die Gesetze Mosis; aber zu wessen Nutzen und Frommen? Ich sage es euch: Das nützt ihnen nichts und den anderen Menschen auch nichts! Denn Gott hat dem Menschen die verschiedenen Kräfte, Anlagen und Fähigkeiten nicht darum gegeben, dass er sie in irgendeiner Klause als Einsiedler verschlafen soll, sondern dass er nach dem geoffenbarten Willen Gottes tätig sei und dadurch sich und seinem Nächsten nütze.

 

Also hat Gott zu den Menschen auch niemals gesagt: ,Verstümmle und verschneide dich, auf dass dich das Fleisch des Weibes nicht reize und du dich enthaltest der Hurerei und des Ehebruchs!‘, sondern Gott hat zu Adam, als Er ihm das Weib gab, nur gesagt: ,Gehet hin, vermehret euch und bevölkert die Erde!‘ Und bei Moses heißt es: ,Du sollst nicht Unzucht und Hurerei treiben, sollst nicht begehren deines Nächsten Weib und sollst nicht ehebrechen!‘

 

Der Mensch muss also in der Welt wirken und freiwillig den bösen Verlockungen der Welt widerstehen. Dadurch wird stark seine Seele, und die Kraft des Geistes Gottes wird sie durchdringen. Aber durch ein Leben des Faultieres kommt kein Mensch je zum wahren, ewigen Leben, das in sich die höchste und vollendetste Tätigkeit in all den zahllos vielen Lebensschichten und Sphären bedingt.

 

Solche Menschen sündigen freilich so wenig, wie irgendein Stein sündigt; aber ist das etwa ein Verdienst für den Stein? Es wird aber die Seele ihren verstümmelten Leib ablegen müssen; was wird sie dann jenseits machen in ihrer vollsten Schwäche und gänzlichen Untätigkeit?

 

Dort werden dann doch die Prüfungen aller Art über sie kommen, die sie zur vollen und wahren Lebenstätigkeit aneifern sollen, und diese Prüfungen werden für die mit ihren schon diesirdischen Fähigkeiten ausgestattete Seele ganz entsprechend dieselben sein, die sie hier waren, aber für die pure Seele sicher notwendig stärker denn hier, weil jenseits das, was eine Seele denkt und will, sich auch schon wie in der Wirklichkeit vor sie hinstellt.

 

Hier hat sie nur mit ihren unsichtbaren Gedanken und Ideen zu tun, die sie leichter bekämpfen und sich auch deren entschlagen kann; aber wo die Gedanken und Ideen zu einer wohl sichtbaren Realität werden – frage –, wie wird die schwache Seele da wohl ihre eigengeschaffene Welt bekämpfen? Wen hier der pure Gedanke zum Beispiel an seines Nachbarn schönes, junges Weib schon mit allen brennenden Leidenschaften erfüllt, wie wird es dem dann ergehen, so ihm der Gedanke des Nachbarn Weib ganz nach seinem Wunsche und Willen in der vollsten, wennschon nur scheinbaren Wirklichkeit darstellen wird?!

 

Darum also wird es drüben mit den Versuchungen wohl um vieles schlimmer sich gestalten denn hier. Und was wird die Seele wohl geben können, um sich aus der harten Gefangenschaft ihrer eigenen bösen Leidenschaften zu befreien? Und doch wird sie drüben um gar vieles selbsttätiger werden müssen, um sich aus dem Irrsal ihrer eigenen Gedanken, Ideen und Bilder zu befreien; denn bevor sie nicht zuerst selbst Hand ans Werk legen wird, wird ihr keine Hilfe durch irgendein unvermitteltes Erbarmen Gottes oder irgendeines andern Geistes zugutekommen, wie solches auch schon hier auf Erden zum größten Teil der Fall ist.“ (7.GEJ 156,4-11)

 

Jesus ist hier auf die Verhältnisse des Einsiedler- und Klosterlebens Seiner Zeit eingegangen. Heute haben sich die Verhältnisse zum Teil geändert, weil sich heute wohl niemand mehr verschneidet, und es auch in einem Kloster manches zu überwinden gibt, doch das Prinzip ist noch gleich. Deshalb: Nicht vor der Welt verschließen, sondern in der Welt den Verlockungen widerstehen, ist im Sinne Jesu. Wie man das macht, erfahren wir von Ihm.

 

 

21. Das wahre Fasten

 

Wer also einen guten und ernsten Willen hat, Jesus in der Weltüberwindung nachzufolgen, dem empfiehlt Er ein wahres Fasten oder die Diät des Geistigen in der Selbstverleugnung (1.Hi. Seite 275,14) und sagt: „Verstündet ihr in euren Herzen gerecht zu fasten, wahrlich, ...(da) wäre Ich euch schon lange ein sichtbarer Vater geworden, allda Ich euch dann mit dem leisesten Hauche mehr geben könnte, denn sonst mit tausend Worten.“ (1.Hi. Seite 326,4)

 

Aber es ist ein Unterschied zwischen Fasten und Fasten! Ein völlig rechtes Fasten besteht darin, dass man sich enthalte von aller Sünde und sich in allen Dingen der Welt aus allen Kräften selbst verleugne, sein Kreuz auf seine Schultern nehme und also Mir nachfolge, ohne darum gar zu ängstlich im Essen und Trinken zu sein, aber auch nicht über die Notdurft hinaus ins Schwelgen überzugehen; alles andere Fasten hat entweder wenig oder gar keinen Wert.“ (1.GEJ 207,8)

 

Der Leib braucht seines zeitweiligen Fortbestandes wegen ebenso eine Nahrung und Stärkung wie die Seele, wenn sie in der Erkenntnis und in der Kraft des Willens wachsen soll. …Ein übertriebenes und grundloses Fasten ist ebenso eine Torheit und kann sogar zur Sünde werden wie ein übertriebenes Schwelgen. Wer denn in einer wahren Ordnung leben will, der sei mäßig in allem; denn jedes Unmaß muss mit der Zeit für Leib, Seele und Geist nachteilige Folgen haben!“ (4.GEJ 167,12;14)

 

Wer da ist ein Schwelger, der wird versucht durch gute Bissen. Solange ihm aber diese überaus gut schmecken und er stets einen starken Appetit nach ihnen hat, wird es mit ihm auf keinen Fall besser. – Er muss freiwillig sein Kreuz nehmen, welches besteht aus tüchtigem Fasten, (das heißt: Er muss mäßig im Essen und Trinken sein und sich der Leckerbissen enthalten.) und muss unter diesem für ihn sehr schweren Kreuze aus Liebe zu Mir eine gänzliche Abneigung gegen die guten und wohlschmeckenden Bissen bekommen, wenn es mit ihm besser werden soll.“ (2.Hi. Seite 221,5)

 

Wer da gleich den Pharisäern und anderen Reichen Fraß und Völlerei treibt und für die Stimme der Armen taub ist, der sündigt gegen das Fastengebot, also auch ein jeder Hurer und Ehebrecher.“ (7.GEJ 85,8)

 

Wer da schwach ist hinsichtlich der Fleischliebe – sei es Mann oder Weib – der wird so lange in dieser Schwäche versucht werden, bis er den letzten Tropfen solch unreiner Liebe aus sich verbannt hat. Und solange solches nicht erfolgt ist, kann er nicht eingehen in sein Innerstes, allda das Reich Gottes seiner harret.“ (2.Hi. Seite 221,4)

 

Wenn dich das üppige Fleisch einer Jungfrau oder gar des Weibes eines andern anzieht und verlockt, so wende deine Augen ab und enthalte dich der Lust des Fleisches, und du hast dadurch wahrhaft gefastet!“ (7.GEJ 85,9)

 

Daher bezähmet allzeit eure Begierden, so es nicht Zeit ist, dass ihr Mir zeugetet eine lebendige Frucht; wenn es aber Zeit ist, dann rufet zu Mir, damit Ich euch halte, wenn ihr der Sünde ein Opfer bringet, und ihr darum nicht fallet, sondern bleibet in Meiner Gnade. Denn wer da fällt, der steht schwer auf, und bei jedem Falle wird der Geist mit einem neuen Totengefängnisse umgeben.

 

Wenn er dann erstehen möchte aus der Gefangenschaft des Fleisches, welches ist die alte Sünde und der alte Tod des Geistes, - wie wird es ihm dann ergehen, wenn er statt einer Rinde mehrere hunderte wird zu durchbrechen haben, da immer eine um die andere hartnäckiger wird?!

 

Daher sorget euch nur um das, was des Geistes ist; das Fleisch aber übergebet Mir und tuet im selben Meinen Willen, auf dass es kraftlos werde, so werdet ihr im Geiste allzeit in dem Grade wachsen und zunehmen, in welchem euer Tod abnimmt, welcher da ist die Sünde oder das Fleisch.“ (2.HG 89,4-7)

 

Wer irgendeinen Überfluss hat und übt wahrhaft die Nächstenliebe, der fastet wahrhaft, und solch ein Fasten ist Gott wohlgefällig und dem Menschen zum ewigen Leben dienlich. Wer viel hat, der gebe auch viel, und wer wenig hat, der teile auch das wenige mit seinem noch ärmeren Nächsten, so wird er sich dadurch Schätze im Himmel sammeln! Geben aber ist schon für sich seliger als Nehmen.“ (7.GEJ 85,6)

 

Wie ist der doch ein Tor, der hier um ein Stückchen Erde streitet, ...da er doch eine ganze, wahrhaft lebendige Erde, die für ihn ewig nimmer vergehen wird und auch ewig nimmer vergehen kann, ...in sich birgt und trägt. Daher seid künftighin keine Toren mehr, und fliehet die Welt, und suchet euch selbst und Mich in euch!

 

Habt ihr mit eurem Liebelichte da alles gefunden, so werdet ihr wohl einsehen, wie viel die ganze Erde wert ist gegen den geringsten inneren Schatz des Lebens aus Mir.“ (2.HG 86,9+13-14)

 

(Es) „ist auch gesagt, dass es einem Kamele leichter ist, durch ein Nadelöhr zu gehen, als einem geisttoten Reichen zum Leben! – Wahrlich sage Ich dir: Wenn der Reiche nicht tun wird, wie Ich es geraten habe dereinst dem reichen Jünglinge, so wird er das Leben nicht überkommen.“ (2.Hi. Seite 98,7)

 

Ich sage dir nicht, als solltest du darob dein großes überprachtvollstes Haus niederreißen und an dessen Stelle unansehnliche Wohnhütten setzen; aber reiße es in deinem Herzen nieder, und besitze es also, als besäßest du es gar nicht... Suche allen Reichtum zu fliehen; gib alles mit der größten Liebe der unendlichen Liebe des Herrn wieder zurück und suche im Besitze Seiner Selbst, und nichts anderem dazu, den allerhöchsten Reichtum, dann wirst du das allerhöchste Gut besitzen in unendlicher Fülle!“ (2.GS 60,21-23)

 

Nun muss ein Reicher nicht seinen gesamten Besitz weggeben und so arm werden, dass er zu einem Bettler würde, (obwohl das immer noch viel besser wäre, als mit dem Reichtum vollständig dem geistigen Tode zu verfallen) aber er soll nicht mit seinem Herzen an all seinem Besitz hängen. Ein Reicher hängt dann nicht an seinem Reichtum, wenn er leichten Herzens einen beträchtlichen Teil den Armen davon abgeben kann. Der reiche Jüngling hing an seinem Reichtum und deshalb sagte Jesus zu ihm, dass er alles verkaufen, den Erlös den Armen geben und Ihm nachfolgen solle. Dem Lazarus sagte Er das nicht, denn er folgte Jesus bereits nach. Er besaß seinen Reichtum also, als besäße er ihn gar nicht und gab alles, was er besaß, dem Herrn wieder zurück, indem er ein Wohltäter der Armen war. Reichtum ist dann kein Hindernis zur Erreichung des rein geistigen Zustandes, wenn er hauptsächlich nicht für sich und seine Familie, sondern freigebig für arme Nächste verwendet wird. (7.GEJ 223,7)

 

Den Armen aber sagt Jesus: „Sei allezeit heiter in deiner Dürftigkeit! Denn je geringeren Anteil jemand hat an der Welt und ihren toten Götzen, desto mehr ist er bei Mir und desto mehr hat er in Mir seinen ewigen, unvergänglichen Anteil zu überaus hohen Wucherinteressen angelegt“ (1.Hi. Seite 409,8)

 

Wenn dich jemand beleidigt und erzürnt hat, dem vergib; gehe hin und vergleiche dich mit ihm, und du hast dadurch gültig gefastet. Wenn du dem, der dir Böses zugefügt hat, Gutes erweisest, und den segnest, der dir flucht, so fastest du wahrhaft.

 

Was zum Munde hineingeht zur Ernährung und Kräftigung des Leibes, (vorausgesetzt, die Speisen sind rein und gut genießbar, Vers 14) das verunreinigt den Menschen nicht; aber was oft aus dem Munde kommt, wie als Verleumdung, Ehrabschneidung, unflätige Worte und Reden, böser Leumund, Fluch, falsches Zeugnis und allerlei Lüge und Gotteslästerung, das verunreinigt den Menschen, und wer solches tut, der ist es, der wahrhaft das wahre Fasten bricht.

 

Denn wahrhaft fasten heißt, sich selbst in allem verleugnen, seine ihm zugewiesene Bürde geduldig auf seine Schultern legen und Mir nachfolgen; denn Ich Selbst bin von ganzem Herzen sanftmütig und geduldig.“ (7.GEJ 85,10-13)

 

Wer sehr redselig ist und den ganzen Tag hindurch viel unnützes Zeug schwätzt und wer dem Nächsten die Ehre immer wieder abschneidet, der sollte mit der Zunge fasten und sich ein Schweigen auferlegen, indem er nur noch das Notwendigste redet.

 

Wer sich gern in Gesellschaften aufhält, in denen viele weltliche Verlustigungen und Erheiterungen vorkommen und diese ihm noch sehr am Herzen liegen, (2.Hi. Seite 268,4) der faste, indem er die Gesellschaften meide.

 

Ist jemand streitsüchtig, ungefähr solcher Gemütsart, dass er gern recht hat und seine Meinung als die beste anerkannt wissen will, der faste in der Art, dass er allen anderen unangefochten ihr Recht belässt.

 

So kann ein jeder, je nach seiner Schwäche, die er an sich bemerkt hat, sich ein entsprechendes Fasten auferlegen. (NS 24,8-12) Weitere solcher Schwächen sind z.B. sich immer nach der neusten Mode zu kleiden oder zu frisieren, (die Kleider und die Frisur sollten nicht eine hoffärtige Zierde des Körpers, sondern nach der Tracht des Landes einfach und zweckdienlich sein. 6.GEJ 123,17-18) alle weltlichen Belustigungen und Vergnügungen, (wobei Erholung von oft nervenaufreibender Arbeit nicht dazu gehört) das Fernsehen, (bei dem es allerdings auch gute, informative Sendungen gibt) das Tanzen, das Rauchen, das Kaffeetrinken und dergleichen mehr.

 

Der Mensch sieht in der heutigen Wohlstandsgesellschaft, in der alles im Überfluss vorhanden ist, den Verzicht auf etwas Weltliches nicht mehr als eine Tugend an. Er wird nicht mehr von Jugend an zum Verzichten angeleitet und deshalb übt er sich auch nicht mehr darin. Der Mensch muss wieder anfangen, um der Liebe Jesu willen, allem Weltlichen abzusagen und nur soviel für sich zu gebrauchen, was ihm von Natur aus nach Gottes Ordnung gebührt. (8.GEJ 12,16) Sobald er bemerkt, dass sein Herz von etwas Weltlichem eingenommen ist oder sich einnehmen lassen will, so muss er sich davon losreißen und sich selbst überwinden. Er muss sich wieder dazu aufraffen, von Zeit zu Zeit ganz bewusst auf einen Wunsch, auf einen Genuss oder auf eine ihm lieb gewordene Gewohnheit zu verzichten. Wem z.B. Unterhaltungssendungen im Fernsehen, das zu viele Essen oder das Essen genussreicher Speisen und Getränke zur Gewohnheit geworden sind, der nehme sich vor, eine bestimmte Zeit oder, was noch besser ist, ganz darauf zu verzichten. Denn wer auf Weltliches verzichtet, der gewinnt an geistiger Kraft.

 

Jesus sagt: „Und was das Fasten ist, das ist auch die Armut. Denn wahrlich, wer nicht arm geworden ist an allem, was der `Welt` ist, der wird nicht eher in Mein Reich eingehen, als bis er der Welt den letzten Heller zurückgegeben hat. – Sehet, das ist also die wahre Armut im Geiste und in der Wahrheit! Dass da aber die freiwillige Armut einen unendlichen Vorzug hat vor der genötigten, versteht sich so sehr von selbst, dass eine nähere Erörterung darüber im höchsten Grade überflüssig wäre. Denn es kann die genötigte Armut nur durch die gänzliche Ergebung in Meinen Willen und in Meine Liebe der freiwilligen gleichkommen.“ (1.Hi. Seite 329,19-20)

 

Es versteht sich ja von selbst, dass da ein jeder nur durch die freiwillige, völlige Beschränkung seiner äußeren Weltfreiheit, also durch eine völlige Selbstverleugnung, zur inneren Freiheit des Geistes gelangen kann, darinnen begründet ist das ewige Leben. – Denn was immer der Mensch tut vergnüglich nach seinem äußeren freien Willen, das zieht ihn ab vom Geiste und verrammet ihm den stillen und allzeit schmalen Pfad in den geistigen freien Willen.“ (2.Hi. Seite 232,3)

 

Das wahre Fasten hat nur Sinn, wenn es ein Mensch im völlig freien Willen durchführt, mit dem klaren Wissen, warum er es sich auferlegt hat. Wenn ein Mensch alles haben kann, was sein Herz begehrt, für den ist es auf dieser Erde schwer, ein Gott wohlgefälliges Leben zu führen. Denn wer so mächtig den Reizen seines äußeren Lebens nachgeht und sich alle möglichen Annehmlichkeiten und Lüste dieser Welt verschafft und so sein Leben eigenliebig gestaltet, da denkt der Mensch nicht daran, sich freiwillig eine Entbehrung aufzuerlegen, durch die er seinen unsterblichen Geist erwecken, mit Gott eins werden und die innere Seligkeit erlangen kann. Wer die Lehre Jesu von der Selbstverleugnung kennt, folgt ihr aber nicht, sondern folgt nur dem, was seine äußeren Augen besticht und dadurch seinen sinnlichen Willen reizt, der gibt mit jeder Handlung, die er ausführt und mit jedem Wort, das er spricht, ein falsches Zeugnis. Wenn er auch die reine Wahrheit des Wortes Gottes redet, so lügt er aber doch und gibt dem Herrn ein falsches Zeugnis, weil er nicht nach dem Worte und der Wahrheit handelt. (2.GS 86,17)

 

Etwas anderes ist es, wenn jemand die Lehre Jesu kennt, danach handelt, aber noch manches Mal schwach wird. Wer schon bei sich festgestellt hat, wenn er in dem einen oder anderen Punkt in wahrer Weise gefastet oder sich selbst verleugnet hat, dass er nicht immer standhaft war und manchmal oder auch öfter schwach wurde, zu dem sagt Jesus: „Wer da kämpfet in seiner Schwäche und sieget, ist Mir ums Tausendfache lieber als ein Starker, dem der Sieg ein leichtes ist. – Wenn der Schwache (das ist jemand, der Mühe hat, seine Schwächen zu überwinden und dadurch demütig geworden ist) fällt, da will Ich ihn aufrichten, wie oft er auch immer fällt. Aber der Starke (das ist jemand, der einige seiner Schwächen leicht überwunden hat und meint, deshalb schon weit fortgeschritten zu sein) mag sich selbst aufrichten, so er gefallen ist.“ (2.Hi. Seite 191,18)

 

So jemand die Werke der wahren Buße gewirkt hat, der komme zu Mir, damit Ich ihn aufnehme wie einen verlorenen Sohn und ihn behalte in Meiner Kraft.“ (1.HG 2,6)

 

Denn wahrlich, Ich sage es dir, dass im Himmel mehr Freude ist über einen Sünder, der seine Sünden als solche erkennt, sie verabscheut, wahrhaft bereut, eine rechte und vernunftgemäße Buße übt und sich vom Grunde aus bessert und nicht mehr sündigt, denn über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nie bedurft haben!“ (6.GEJ 68,11)

 

 

22. Die Gedanken beherrschen lernen

 

Wer vollständig die Welt in sich besiegen will, der muss seine Gedanken überwachen. Jesus sagt: „Solange ein Mensch nicht völlig Herr seiner Gedanken wird, so lange wird er auch nicht Herr seiner Leidenschaften und der daraus hervorgehenden Tätlichkeiten. Wer aber da nicht Herr und Meister in sich und über sich ist, der ist noch ferne vom Reiche Gottes und ist und bleibt ein Knecht der Sünde, die aus seinen unordentlichen Gedanken und daraus hervorgehenden Begierden geboren wird und den ganzen Menschen verunreinigt.“ (7.GEJ 37,6)

 

Die Menschen sagen: „Gedanken sind frei.“ – Und sie haben Recht. Nicht in der Tat, sondern in den Gedanken hat der Mensch einen völlig freien Willen. Doch das erkennen sie nicht, dass die Gedanken, wenn sie vom Herzen belebt sind, die Ursache von allem sind, was der Mensch in die Tat umsetzt.

 

Du kannst denken, was du willst“, sagt Jesus, „so kannst du dadurch nicht sündigen, so dein Herz an einem unordentlichen Gedanken kein Wohlgefallen findet. Findest du aber an einem schlechten Gedanken ein Wohlgefallen, so verbindest du auch schon deinen Willen mit dem schlechten, aller Nächstenliebe baren Gedanken und bist nicht ferne davon, solchen Gedanken, der einmal schon von deinem Wohlgefallen und von deinem Willen belebt worden ist, in die Tat übergehen zu lassen, wenn dir die Umstände günstig erscheinen und die Tat ohne äußere Gefahr zulassen. Daher ist die weise Überwachung der im Menschenherzen vorkommenden Gedanken durch das geläuterte Licht des Verstandes und der reinen Vernunft ja doch von der höchsten Wichtigkeit, weil der Gedanke der Same zur Tat ist, und es könnte die notwendige und weise Überwachung der Gedanken wahrlich nicht trefflicher ausgedrückt sein als eben dadurch, dass da Moses sagt: ,Lass dich nicht gelüsten nach diesem und jenem!‘ Denn so es dich einmal stark zu gelüsten anfängt, so ist dein Gedanke schon belebt durch dein Wohlgefallen und durch deinen Willen, und du wirst dann deine Not haben, solch einen belebten Gedanken in dir völlig zu ersticken. Der Gedanke, und die Idee, ist ja, wie früher gesagt, der Same zur Tat, die da die Frucht des Samens ist. Wie aber der Same, so dann auch die Frucht!

 

Du kannst daher denken, was du willst; aber belebe keinen Gedanken und keine Idee eher zur Frucht, als bis du ihn vor dem Richterstuhle deines Verstandes und deiner Vernunft gehörig durchgeprüft hast! Hat der Gedanke da die Licht- und Feuerprobe bestanden, dann erst kannst du ihn zur Frucht oder Tat beleben, und es kann dich da dann schon gelüsten nach etwas Gutem und Wahrem; aber nach etwas Unordentlichem, das offenbar wider die Nächstenliebe geht, soll es dich nicht gelüsten! ...Was soll, ja was kann aus einem Menschen werden, wenn er nicht schon frühzeitig lernt, seine Gedanken zu prüfen, zu ordnen und alles Unreine, Böse und Falsche aus ihnen zu scheiden? Ich sage es dir, solch ein Mensch würde schlechter und böser werden denn ein allerreißendstes und bösestes Tier! In der guten und weisen Ordnung der Gedanken liegt ja der ganze Lebenswert eines Menschen.“ (7.GEJ 36,2-4)

 

Die Gedanken steigen aus dem Herzen in das Gehirn auf und werden dort dem Menschen bewusst. Dort kann er sie überwachen und alles Unreine, Böse und Falsche aus ihnen scheiden. Aus den ordentlichen Gedanken gehen die guten Werke der Liebe und aus den unordentlichen Gedanken die schlechten Werke der Welt hervor. An seinen Gedanken kann der Mensch erkennen, welche Begierden er noch hat, denn wo das Herz ist, da sind auch die Gedanken. In seinen Gedanken kann er alles tun, was sein Herz begehrt, ohne Mensch und Gesetz fürchten zu müssen. Da kann er Kaiser oder Papst oder ein großer Held sein, kann große Besitztümer haben, seine Lüste ausleben, sich alle Wünsche erfüllen oder sich an Menschen rächen. In seinen Gedanken ist der Mensch frei und kein Mensch kann ihm da etwas anhaben. Aber vor ihm selbst und vor Gott liegt der ganze Lebenswert eines Menschen in seinen guten oder schlechten Gedanken. Wer seine Gedanken überwacht und in Ordnung bringt, der kann seine Begierden und die aus ihnen hervorgehenden Leidenschaften beherrschen. Deshalb ist es überaus notwendig, dass ein jeder Mensch seine weltlichen, begierlichen und bösen Gedanken überprüft und nach ihnen Jagd macht und diese wie ein böses Wild erlegt. (EM 57,7)

 

 

23. Der neue Weg, um Rückfälle zu vermeiden

 

Jesus sagt: „Aber so ein Mensch sich auch dann und wann recht ernst vornimmt und sagt: ,Herr, von nun an werde ich unerschütterlich verharren bei meinem Vorsatze!‘, geht aber dann hinaus, und es kommen ihm wieder so reizende Dinge in der Welt vor, dass er seine Sinne nicht davon abwenden kann und er von neuem wieder schwach, wenn auch nicht böse wird, – ja, solch ein Mensch kommt nicht weiter, bleibt stets auf dem gleichen Flecke stehen und gelangt dadurch auch nicht zu einer Viertelsmeisterschaft über seiner Sinne Begierden.

 

In diesem Falle, wo seine Liebe zwischen den Reizen der Welt und Mir hin und her schwankt und nicht zu einer halben Stärke auf Meiner Seite gelangt, ja, da kann Ich solch einer Windfahne von einem Menschen noch nicht unter die Arme greifen und ihm eine volle Festigkeit geben.“ „Aber so du es gegen deine Fleischsinne einmal nur zu einer halben Meisterschaft wirst gebracht haben, so werde Ich dich dann schon auch ehest in die ganze setzen, dessen du ganz versichert sein kannst.“ „Denn den guten Anfang muss der Mensch infolge des ihm zu dem Lebensbehufe verliehenen freien Willens selbst machen; die volle Vollendung ist dann erst Meine Sache! Wenn du das so recht aufgefasst hast, dann tue danach, und Meine Hilfe wird nicht unterm Wege verbleiben!“ (8.GEJ 151,4-6)

 

Wegen seines freien Willens muss der Mensch zuerst so viel an sich arbeiten, als er kann, dann wird ihm auch weitergeholfen. Denn würde Gott den Menschen völlig alleine vollenden, so wäre er nur wie ein Automat aber kein freies Kind Gottes. Er muss es bis zur halben Meisterschaft bringen, dann wird ihn Gott in die ganze setzen.

 

Jesus sagt: „Mache du mit deinen Sinnen eine festen Bund wider die Welt, so werde Ich mit dir alsbald einen neuen, himmlischen Bund errichten!“ (2.Hi. Seite 401,10) (Denn) „darum bin Ich gekommen in die Welt, um euch zu zeigen die rechte Umkehr zu Meiner Ordnung zurück und den rechten Weg, fortzuwandeln in derselben bis zur Erreichung der wahren Wiedergeburt des Geistes in die Seele, nach der kein böser Rückfall mehr denkbar und möglich ist.

 

Dieses muss bei euch nun angebahnt werden, da denen, die einmal verkehrt worden sind, mit der alleinigen geflickten Umkehr der Seele wenig geholfen wäre. Die Seele muss zwar vorher ganz umkehren, bevor die Wiedergeburt des Geistes in die Seele zu erlangen ist; aber der ausgestopfte und ausgeflickte, also auf den rechten Weg gebrachte bessere Seelenzustand ist nicht haltbar, weil durch die Macht der Welt und ihre zeitlichen Vorteile eine pur ausgeflickte Seele nur zu leicht bei der nächsten, etwas stärker lockenden Gelegenheit wieder in ihre alt angewohnte Verkehrtheit verfällt.

 

Um das aber möglichst zu verhüten, habe Ich nun den neuen Weg also angebahnt, dass Mein Geist, den Ich nun als einen Funken Meiner Vaterliebe in das Herz einer jeden Seele lege und gelegt habe, durch eure Liebe zu Mir, und daraus wahrhaft und tätig zum Nächsten, genährt werde, in eurer Seele wachse und nach Erreichung der rechten Größe und Kraft sich völlig mit der gebesserten Seele vereine und eins werde mit ihr, – welcher Akt dann die Wiedergeburt des Geistes heißen soll und auch heißen wird.“ (4.GEJ 220,6-8)

 

Ist die Wiedergeburt des Geistes in die Seele erfolgt, so ist kein Rückfall in die Materie mehr möglich. Das garantiert die volle Vereinigung des Funkens der Vaterliebe mit der Seele. „Welche aber Christus angehören“, schreibt Paulus, „die haben das Fleisch gekreuzigt samt den Leidenschaften und Begierden.“ (Gal. 5,24)

 

 

24. Achtgeben auf die leisesten

weltlichen Wünsche des Herzens

 

Woran kann nun der Mensch erkennen, dass das Gericht und der Tod aus seiner Seele entwichen sind? – Ein sicheres und untrügliches Zeichen ist es, wenn das Gefühl der Todesfurcht völlig die Seele verlassen hat und das Gefühl der Unsterblichkeit in der Seele erwacht ist. Aber allein der Glaube an Jesus Christus kann das Gefühl der Unsterblichkeit in der Seele noch nicht erwecken, sondern erst das Umsetzen in die Tat dessen, was Er uns gelehrt hat. (8.GEJ 183,1-9)

 

Jesus sagt: „Wer demnach Mein Wort und Meine Lehre hat und tut festwillig danach, der muss sein Ziel erreichen, und nichts kann ihn daran hindern; aber wer da wohl etwas nach Meinem Worte und daneben aber auch das tut, was die lose Welt begehrt, der gleicht einem Menschen, der einen halben Weg an einen Ort hin macht, so er aber kommt auf den halben Weg, gleichfort umkehrt und den schon begangenen Weg wieder zurückmacht.“ (4.GEJ 199,12)

 

Da fragt jemand: „Jetzt bin ich schon so alt geworden, lebe schon lange enthaltsam und verspüre manchmal immer noch Fleischeslust. Ich möchte doch einmal wissen, wann das vollständig überwunden ist?“ – Vollständig überwunden ist das Fleisch erst dann, wenn sich der Mensch von allen Begierdefäden und –fasern seines Fleisches losgemacht hat. (2.HG 131,23) Da darf nicht nur die Pflanze aus dem Boden der Seele herausgerissen werden, sondern da müssen auch alle Keime abgetötet werden, die sich noch im Boden befinden, und die Keime sind die weltlichen Wünsche. Wenn die Seele auch nur noch den leisesten Wunsch nach etwas Fleischlichem, Materiellem oder Weltlichem hat, außer was ihr nach der Ordnung Gottes zusteht, so sind immer noch Begierdefäden des Fleisches da und die Eigenliebe ist noch nicht ganz abgestorben. „Es ist kein Mensch so vollkommen und niemand so heilig,“ sagt Thomas von Kempen, „dass er nicht noch einmal versucht werden könnte. Aber gerade die Versuchungen, sind sie auch noch so lästig und beschwerlich, können dem Menschen oft sehr heilsam und nützlich werden; denn Versuchungen sind es eben, die den Menschen demütigen, reinigen und belehren.“ (NCH) Der Mensch wird so lange versucht, bis alle Begierden des Fleisches überwunden sind und er allem Weltlichen abgestorben ist.

 

Jesus sagt: „Ihr könnet nicht wach genug sein und nicht genug achten auf jeden Zug eines noch so leisen Anregungswindes! Hat solch eine Anregung den Menschen in seinem Gemüte nur um ein Haarbreit auf ihre Seite gebracht, so wird er sich schon eine recht große Willensgewalt antun müssen, um auf seinen früheren Stand zu gelangen. Merket euch das alle wohl; denn solange der Mensch in dieser Welt lebt, denkt, will und handelt, wiegt sein Fleisch schwerer denn seine Seele.“ (6.GEJ 52,6)

 

Viele Christen liebäugeln noch mit der Welt, nehmen die Selbstverleugnung nicht sehr ernst und sind dabei der Meinung, doch nichts Schlechtes zu tun. Selbst von Jesus und Seinem Wort begeisterten Menschen ist die Besteigung des Hochgebirges der vollkommenen Demut und gänzlichen Selbstverleugnung zu beschwerlich. Die Schätze der Welt sind ihnen noch immer lieber als die geistigen Schätze des Himmels. Nicht dass sie diese nicht haben wollten, sie würden sie sicher gerne in Empfang nehmen und manche verstehen nicht, warum sie noch nichts von den Schätzen des inneren Geisteslebens in sich verspüren, aber sie haben eben die Welt noch nicht vollständig hintan gesetzt.

 

Jesus sagt: „Es ist nicht möglich, dass jemand, der mit Wohlgefallen in was immer an der Welt hängt, zu gleicher Zeit stehen könnte in der segnenden Verbindung mit dem Himmel. Denn ein jeder Mensch ist also erschaffen und eingerichtet, dass er Böses und Gutes, Falsches und Wahres nicht in einem Herzen nebeneinander ertragen könnte, entweder das eine oder das andere, aber ewig nie beides zugleich! Ja, er kann und muss beides erkennen in seinem Verstande; aber im Herzen kann nur entweder das eine oder das andere als Lebensgrund weilen.“ (1.GEJ 167,16-18)

 

 

25. Alle seine Begierden auf einen Punkt vereinen

 

Ein Beispiel, wie die Welt überwunden werden sollte, geben uns die sieben Ägypter, die im „großen Evangelium“ in Erscheinung treten. Von ihnen berichtet Jesus: „Sie kennen alle inneren, verborgenen großen Schätze der Erde und könnten dieselben auch in großen Massen ausbeuten; aber sie verachten das, leben lieber höchst einfach und suchen nur die Schätze des Geistes, und so haben sie aber auch noch unverrückt jene wahren, urmenschlichen Eigenschaften, durch die sie als wahre Herren und Gebieter über die gesamte Natur dastehen, was sicher nicht der Fall wäre, wenn sie sich von den Reizen der Natur je hätten irgend gefangennehmen lassen.“ (8.GEJ 12,12)

 

Wer könnte in der heutigen Zeit, in der die Liebe zur Welt riesengroß geworden ist, noch so handeln wie diese sieben Ägypter? Ich glaube, da wäre für die meisten die Versuchung, reich zu werden, doch zu groß.

 

Jesus sagt: „Wer sich auf einmal so weit selbst verleugnen könnte, von aller Welt ganz abzulassen, seine Schätze – im rechten Maße – nur den Armen widmete aus purer Liebe zu Gott, und kein Wesen triebe mit dem Fleische der Weiber, der würde wahrlich in einer kürzesten Zeit schon als vollendet dastehen! Wer aber offenbar eine längere Zeit dazu vonnöten hat, um sich von allen irdischen Schlacken und Anhängseln zu reinigen, bei dem muss der allerbeseligendste Zustand der wahren geistigen Vollendung auch länger auf sich warten lassen.“ (7.GEJ 223,4)

 

Je mehr der Mensch fest bleibt und seine Begierden und Leidenschaften überwindet, umso mehr nähert er sich Gott und umso mehr wächst sein innerer Geist. Solch ein „Mensch fängt an“, sagt der Apostel Johannes, „seine Erkenntnisse und seine Begierden fortwährend mehr und mehr auf einen Punkt zu vereinen, und dieser Punkt ist Gott in der Höhe! Je mehr er dahin aufblickt zu Dem, der ihn erschaffen hat zu einem freien Leben, in desto enger werdende Kreise werden seine Erkenntnisse und Begierden getrieben und gezogen; und das so lange fort, bis der Mensch die Spitze oder den Kulminationspunkt der Demut aus seiner völligen Selbstverleugnung in all seinen weltlichen Begierlichkeiten erreicht hat.“ (2.GS 37,8)

 

Ist der Mensch Meister seiner Begierden geworden und hat statt vieler Weltbegierden nur noch ein Verlangen in seinem Herzen, nämlich die Liebe zu Jesus und Seinen Willen zu tun, dann hat er Ihm die ganze Welt zum Opfer gebracht (3.GEJ 112,3) und ist unfähig, eine Sünde zu begehen. (2.HG 215,6) Und dann hat er das größte, heiligste und vollkommenste Ziel seines Lebens erreicht.

 

(Mit Genehmigung des Verfassers 9/20)

 

Quellenverzeichnis

GEJ   Das große Evangelium Johannes, Jakob Lorber, 10 Bände, 1981

HG     Die Haushaltung Gottes, Jakob Lorber, 3 Bände, 1981

GS     Die geistige Sonne, Jakob Lorber, 2 Bände, 1955

JJ       Die Jugend Jesu, Jakob Lorber, 1996

Hi.      Himmelsgaben, Jakob Lorber, 3 Bände

NS      Die natürliche Sonne, Jakob Lorber, 1956

EM     Erde und Mond, Der Mond, Jakob Lorber

LGL    Liebe, das Grundgesetz alles Lebens, Gottfried Mayerhofer, 1930

Lorber Verlag, 74308 Bietigheim/Württ.

NCH   Die Nachfolge Christi, Thomas von Kempen