Die »Wiedergeburt der Seele« ist »ein Hindurchdringen des Geistes in die Seele.« (Ev XI.52). Aber das »gemeinschaftliche, ewige Zusammenwohnen Gottes mit Seinen Kindern ist die Wiedergeburt des Geistes.« (Ev XI.52).

 

 

Die Wiedergeburt

bei Swedenborg und Lorber


Thomas Noack

 

1. Besonderheiten bei Swedenborg und Lorber

2. Gemeinsamkeiten mit der Heiligen Schrift

3. Wiedergeburt: Leben aus Liebe

4. Die Buße

5. Wiedergeburt aus dem Licht

6. Glaube und tätige Liebe

7. Ein Evangelium der Tätigkeit

8. Der grundlose Grund unseres Wirkens

9. Der Geistfunke bei Lorber und seine Beziehungen zu Swedenborg

 


Vorbemerkung der Schriftleitung: Der nachstehende Aufsatz ist älteren Datums. Er stammt aus dem Jahre 1995. Damals ging es mir vor allem um die Herausarbeitung der Gemeinsamkeiten in den Offenbarungen durch Swedenborg und Lorber. Später arbeitete ich auch ihr je eigenes Profil stärker heraus und wandte mich ferner historischen Fragestellungen zu.


1. Besonderheiten bei Swedenborg und Lorber


Wenn die Lorberschriften von Wiedergeburt reden, dann geschieht dies mit Hilfe eines Begriffes, den Swedenborg nicht kennt, nämlich mit Hilfe des Geistfunkens. Dieser Umstand erschwert es, die gemeinsame Sicht der Wiedergeburt bei Swedenborg und Lorber darzustellen. Auf der anderen Seite hat auch Swedenborg einen Begriff, den wiederum Lorber nicht kennt. Noch in seinem abschließenden Hauptwerk »Die wahre christliche Religion« überschreibt Swedenborg das Kapitel über die Wiedergeburt mit »Umbildung und Wiedergeburt«. Die »Umbildung« (reformatio) ist eine Vorstellung, die in den Lorberschriften fehlt, die aber für Swedenborg ganz wesentlich ist. Obwohl nun also Swedenborg und Lorber je eigene Schwerpunkte haben, gibt es selbstverständlich gemeinsame Sichtweisen. Denn erstens muß man sehen, daß beide auf dem Boden der Heiligen Schrift stehen und daher eine grundsätzliche Verwandschaft besteht. Und zweitens ist weder die Umbildung (Swedenborg) den Lorberschriften, noch der Geistfunke (Lorber) den Swedenborgwerken völlig fremd. Ich werde auf die Beziehungen zu sprechen kommen.



2. Gemeinsamkeiten mit der Heiligen Schrift


Swedenborg und Lorber stehen auf dem Boden der christlichen Überlieferung. Das zeigt sich zunächst daran, daß beide im christlichen Sinne von »Wiedergeburt« sprechen. Dieser Begriff spielt zwar in der Heiligen Schrift aufs Ganze gesehen eine eher untergeordnete Rolle, aber für das johanneische Schrifttum ist er überaus bezeichnend.1) Swedenborg und Lorber knüpfen also an die johanneische Geisteswelt an. Das ist nicht selbstverständlich, denn es gibt im NT auch andere Heilsbegriffe, z.B. den paulinischen Begriff der Rechtfertigung. Er hatte sogar eine größere Wirkung (Reformation!); Swedenborg und Lorber aber sprechen von »Wiedergeburt«. Ferner muß man sehen, daß die christlichen Grundbegriffe, die den Lebensweg und die Lebensgestaltung betreffen, in beiden Neuoffenbarungen zu finden sind. Ich denke an die Gottes- und Nächstenliebe, den Glauben, die guten Werke und die Buße. Dieses gemeinsame Erbe begründet natürlich eine Verwandtschaft, die man nicht übersehen darf.

1) Im AT gibt es kein Wort für »Wiedergeburt«; und im NT kommt die »pallingenesia « (= Wiedergeburt) nur an zwei unbedeutenden Stellen vor, nämlich Titus 3,5 und Matthäus 19,28, wobei nur die Titusstelle diesen Begriff im Sinne der individuellen Lebenserneuerung verwendet. Nimmt man noch das Verb »anagennao« (= von neuem gebären) hinzu, dann findet man noch zwei weitere Stellen im 1. Petrusbrief (1,3 und 23). Das ist alles; zumindest alles außerhalb des johanneischen Schrifttums. Dort ist die Geburt aus Gott (Joh 1,12f) eine häufige Bezeichnung für den Vollendungszustand des Menschen. Allein im 1. Johannesbrief wird sie zwischen 2,29 und 5,18 zehnmal gebraucht; und im Johannesevangelium ist besonders auf das Nikodemusgespräch hinzuweisen: »Wenn jemand nicht von neuem (oder: von oben) geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen« (Joh 3,3). »Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen.« (Joh 3,5).


Für die Lebenslehre des NT sind die genannten Begriffe wesentlich. Ich möchte das in aller Kürze zeigen. In WCR 528 bietet Swedenborg eine gute Zusammenstellung neutestamentlicher Aussagen über die Buße: »Johannes predigte die Taufe der Buße … und sprach: So bringet nun würdige Früchte der Buße … (Lk 3,3.8; Mk 1,4). Jesus begann zu predigen und zu sprechen: Tut Buße … (Mt 4,17), und er sprach: Weil das Reich Gottes nahe herbei gekommen ist, so tut Buße (Mk 1,14f). Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle ebenso umkommen (Lk 13,5). Jesus befahl den Jüngern, in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden zu predigen unter allen Völkerschaften (Lk 24,47; Mk 6,12).« (WCR 528). • Der Glaube als Heilsweg ist bei so unterschiedlichen Persönlichkeiten wie Johannes und Paulus bezeugt. Bei Johannes ist er zwar mit dem Leben, bei Paulus hingegen mit der Gerechtigkeit verbunden; doch für beide ist der Glaube das zentrale Heilsereignis. Bei Johannes lesen wir: »Wer an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben« (Joh 3,36; vgl. auch Joh 20,31). Und bei Paulus: »Denn wir sind der Überzeugung, daß der Mensch gerecht wird durch Glauben, unabhängig von Werken des Gesetzes.« (Röm 3,28). • Auch für das doppelte Liebesgebot gibt es zahlreiche Belege. Auf die Frage nach dem wichtigsten Gebot antwortete Jesus: »Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.« (Mk 12.29-31). Jesus zitiert hier das Alte Testament (Dtn 6,4f; Lev 19,18). »Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.« (Joh 13,34f). Selbst Paulus, der zum Hauptzeugen der sola-fide-Lehre gemacht wurde, sieht nicht im Glauben, sondern in der Liebe die Erfüllung des Gesetzes: »Bleibt niemand etwas schuldig; nur die Liebe schuldet ihr einander immer. Wer den andern liebt, hat das Gesetz erfüllt. Denn die Gebote: Du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren!, und alle anderen Gebote sind in dem einen Satz zusammengefaßt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.« (Röm 13,8-10). • Und daß schließlich sogar unser ewiges Schicksal von den Werken abhängig ist, hat wiederum Swedenborg anhand der Heiligen Schrift gezeigt (HH 471): »Des Menschen Sohn wird kommen in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln und dann einem jeden vergelten nach seinen Werken« (Mt 16,27). »Selig sind die Toten, die im Herrn sterben … Ja, spricht der Geist, sie sollen ruhen von ihren Arbeiten; … ihre Werke aber folgen ihnen nach« (Offb 14,13). »Ich werde einem jeglichen unter euch nach seinen Werken geben« (Offb 2,23).



3. Wiedergeburt: Leben aus Liebe


Die Wiedergeburt ist das neue Leben aus Liebe; aus der Liebe zu Gott und zum Nächsten. Mit diesem Verständnis stehen Swedenborg und Lorber im Zentrum der Botschaft Jesu. Die Liebe ist das Leben des Menschen (GLW 1; GS I.34.18). Daher ist eine neue Liebe wie ein neues Leben. Wer sein Kind mit Liebesentzug bestraft, raubt ihm die Grundlage seines jungen Lebens. Selbst unser himmlischer Vater »läßt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und läßt regnen über Gerechte und Ungerechte.« (Mt 5.45). Das Bewußtwerden dieser allumfassenden Liebe in der Seele eines Menschen ist die Wiedergeburt.


SWEDENBORG: Umbildung und Wiedergeburt »geschehen durch die Aufnahme der Liebe und Weisheit vom Herrn« (GLW 187). »Allgemein muß man wissen, daß der Mensch erst dann wiedergeboren ist, wenn er aus der Neigung zum Guten handelt« (HG 8701).


LORBER: »Geist, der allein lebendige im Menschen, ist pur Liebe und ihr zartestes und ewig wohlwollendstes2) Gefühl. Wer demnach solche seine Liebe und ihr zartestes und ewig wohlwollendstes Gefühl in seine eigenliebige Seele stets mehr und mehr aufzunehmen bemüht ist und in selben auch stets stärker, kräftiger, mutiger und gefügiger wird, der fördert dadurch die volle Einung des Geistes mit der Seele; und wird dann die Seele zu purer Liebe und Weisheit ihrem zartesten und wohlwollendsten Gefühle nach, so ist solch eine Seele denn auch schon völlig eins mit ihrem Geiste …« (Ev VIII.150.15).

2) Ein Wort, bei dem man an Swedenborg erinnert wird, denn er definierte die charitas als benevolentia (= Wohlwollen; WCR 374): »Liebtätigkeit ist nämlich dem Nächsten wohlwollen …« (WCR 444).


Oben war von fünf Grundbegriffen im NT die Rede (Gottes- und Nächstenliebe, Glaube, gute Werke und Buße). Mit Swedenborg und Lorber können wir erkennen, wie sie miteinander verbunden sind. Die Buße ist die Vorbedingung des inneren Weges. Der innere Weg selbst gipfelt in der Gottesliebe; diese ist das innere Leben des Glaubens und der tätigen Liebe; der Glaube und die tätige Liebe wiederum wollen sich in guten Werken verwirklichen. Swedenborg hat hierfür den Begriff der Nutzwirkung geprägt. Das ist die Ordnung des inneren Lebens, die in den fünf neutestamentlichen Heilsbegriffen angedeutet ist. Den Zusammenhang dieser alten Begriffe kann man bei Swedenborg und Lorber studieren. An dieser Stelle mögen zwei Hinweise genügen, die aber natürlich nicht die Fülle dessen darstellen, was zu sagen wäre. Dem Swedenborgzitat läßt sich sehr schön der untrennbare Zusammenhang von Glaube, Liebtätigkeit, Gottesliebe und gute Werke entnehmen; und auch das Lorberzitat zeigt, daß Jesus seine Lehre mit den Stichworten Glaube, Gottes- und Nächstenliebe zusammenfassen konnte.


SWEDENBORG: »Der Glaube ohne tätige Liebe ist kein Glaube und die tätige Liebe ohne Glauben keine tätige Liebe, und wenn sie nicht beide im Herrn ihren Ursprung haben, so sind sie nicht lebendig.« (WCR 336). »Tätige Liebe und Glaube sind in den guten Werken beisammen.« (WCR 336).


LORBER: »Meine Lehre aber ist in sich ganz kurz und leicht zu fassen; denn sie verlangt vom Menschen nichts, als daß er an einen wahren Gott glaube und Ihn als den guten Vater und Schöpfer über alles liebe und seinen Nebenmenschen wie sich selbst, …« (Ev VII.140.3).



4. Die Buße


Das griechische Originalwort für Buße im NT ist me-tavnoia; es bedeutet eigentlich Sinnesänderung oder Umkehr. In diesem Sinne wird es auch in der NO verstanden: Die »Buße« ist an und für sich nichts anderes »als die lebendige Umkehr des Menschen von der Welt hin zu Gott.« (Suppl. 315). Diese Umkehr ist der Anfang der Besserung3). Ein wesentlicher Bestandteil der metanoia ist die Selbsterforschung:

3) Buße bedeutet etymologisch gesehen Besserung, Wiedergutmachung etc.


SWEDENBORG: »Die Buße beginnt mit der Erkenntnis der Sünde und dem Ausfindigmachen irgendeines bestimmten Bösen bei sich selbst.« (WCR 525-527).


LORBER: »Die Sünde verläßt die Seele in dem Maße, in welchem die Seele die Sünde als Sünde erkennt, sie bereut, verabscheut und sie hinfort nicht mehr begeht.« (Ev VII.163.19).


Solange immer nur die böse Umwelt an meinem Unglück schuld ist, kann von einer Umkehr noch lange keine Rede sein. Damit ist nicht gesagt, daß man seine Augen vor dem Bösen in der Welt verschließen soll; aber wem nützt die permanente Anklagehaltung? Solange ich meine eigene Negativität nicht in den Griff bekommen habe, werde ich es bei meinen Mitmenschen erst recht nicht schaffen. Daher sagte Jesus: »Was siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, den Balken aber in deinem Auge nimmst du nicht wahr? Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Laß mich den Splitter aus deinem Auge ziehen; und siehe, der Balken ist in deinem Auge? Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge! Und dann wirst du klar sehen, um den Splitter aus deines Bruders Auge zu ziehen.« (Mt 7,3-5).


Um nun den Balken aus dem eigenen Auge ziehen zu können, wird uns die Selbsterforschung empfohlen. Denn ein allgemeines Sündenbekenntnis, das ein Bischof Martin in der Geisterwelt mit den Worten »Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa« (BM 4.1) ablegt, hat keinen Wert. Dazu Swedenborg: »Das bloße Lippenbekenntnis, daß man ein Sünder sei, ist nicht die Buße.« (WCR 516ff). Vielmehr beginnt die tatsächliche Sinnesänderung »mit der Erkenntnis der Sünde und dem Ausfindigmachen irgendeines bestimmten Bösen bei sich selbst.« (WCR 525ff). Wer das Böse nicht bei sich in seiner konkreten Gestalt erkennt, hat es überhaupt nicht erkannt. Dieser Blick in die eigene Hölle tut freilich weh, weswegen man, wie es in der Psychoanalyse heißt, Widerstände überwinden muß, denn das Böse ist eine Kraft in der Seele, die unentdeckt bleiben will. Auch im äußeren Leben wollen die Verbrecher unentdeckt bleiben. Wer sich allerdings auf diese Verdunklung der Motive seines Tuns einläßt, wird immer unbewußter, immer lediger aller Selbstreflektion handeln und schließlich ein Gefangener seiner selbst werden. »Daher lautet die Frage: wie ist die Buße durchzuführen? Und die Antwort: werktätig, d.h. man soll sich prüfen, seine Sünden erkennen und anerkennen, zum Herrn beten und ein neues Leben anfangen. Wie … gezeigt wurde, ist die Buße ohne Selbstprüfung (exploratione) nicht möglich.« (WCR 530). Zur Selbstprüfung heißt es:


SWEDENBORG: »Das Böse kann nicht entfernt werden, wenn es nicht zur Erscheinung kommt. Das heißt nicht, daß man das Böse tun soll, damit es erscheint, sondern daß man sich erforschen soll, und zwar nicht nur seine Taten, sondern auch seine Gedanken, und was man tun würde, wenn man nicht Gesetz und Schande fürchtete, vor allem, welches Böses man in seinem Geist zu Erlaubtem macht und nicht für Sünde hält, denn das tut man irgendwann auch.« (GV 278). »Da der Mensch ein Inneres und ein Äußeres hat und beides umgebildet werden muß, damit er (wirklich) umgebildet ist, und da niemand umgebildet werden kann, wenn er sich nicht erforscht, sein Böses sieht und anerkennt und dann davon absteht, so folgt, daß man nicht nur das Äußere erforschen soll, sondern auch das Innere. Wenn man nur das Äußere erforscht, sieht man nur, was man mit der Tat (actualiter) begangen hat … Man erforscht somit nur das Böse seines Körpers und nicht das Böse seines Geistes; und dennoch ist gerade dieses zu erforschen, um umgebildet werden zu können. Denn der Mensch lebt nach dem Tod als Geist weiter und das dort vorhandene Böse bleibt erhalten. Der Geist wird aber nur dadurch erforscht, daß man auf seine Gedanken achtet, vor allem auf die Absichten, denn sie sind die Gedanken aus dem Willen; dort ist das Böse in seinem Ursprung und in seiner Wurzel, d.h. in seinen Begierden und Lüsten. Wenn man diese (Ursprünge) nicht sieht und anerkennt, dann ist man im Bösen, auch wenn man es äußerlich nicht begangen hat.« (GV 152).


LORBER: »Nichts ist dem ganzen Menschen heilsamer als eine zeitweilige innere Sichselbstbeschauung … Ruhet und denket im stillen lebendig nach über euer Tun und Lassen, über den euch wohlbekannten Willen Gottes, und ob ihr demselben nachgekommen seid zu den verschiedenen Zeiten eures Lebens, so habt ihr euch innerlich selbst beschaut und dadurch stets mehr und mehr dem Eindringen des Satans in euch den Weg erschwert.« (Ev I.224.8 und 10). »… nehmt euch alle Mühe und prüfet euch, ob ihr nichts unterlasset, auf daß ihr am Ende nicht sagen müsset: Da, sieh her, nun habe ich volle 10-20 Jahre hindurch alles getan, was mir die neue Lehre vorschrieb, und dennoch stehe ich stets gleich auf einem und demselben Flecke, verspüre noch immer nichts von einer besonderen Erleuchtung in mir, und vom sogenannten ewigen Leben empfinde ich auch noch ganz blutwenig in mir! Woran fehlt es denn noch? Ich aber sage zu euch darum: Prüfet euch sorgfältig, ob nicht noch irgend starke weltliche Vorteilsgedanken euer Herz beschleichen, ob nicht zeitweiliger Hochmut, eine gewisse, zu überspannte Sparsamkeit, eine jüngste Schwester des Geizes, die Ehrsucht, richterlicher Sinn, Rechthabelust, fleischlicher Wollustsinn und dergleichen mehreres euer Herz und somit auch eure Seele gefangenhalten4)! Solange das bei dem einen oder dem andern der Fall ist, wird er zu der Verheißung, d.h. zu ihrer vollen Erfüllung an ihm, nicht gelangen.« (Ev V.125.1f).

4) Die »Schwächen« sind »die gewöhnlichen Fesseln des Geistes«. (JJ 298.8)


Die Wichtigkeit der Selbsterforschung wird oft unterschätzt; man meint, das Gute tun zu können, ohne vorher das Negative beseitigt zu haben. Doch das Gute der Liebe kann eigentlich nur der Herr in der Seele wirken; von uns wird lediglich verlangt, das Böse nicht mehr zu praktizieren. Deswegen heißt es in den Zehn Geboten überwiegend »Du sollst nicht …«.


SWEDENBORG: »In der andern Tafel, welche für den Menschen ist, wird nicht gesagt, daß der Mensch dies oder jenes Gute tun soll, sondern es wird gesagt, daß er dies und jenes Böse nicht tun soll, als: Du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht stehlen, du sollst kein falsches Zeugnis reden, du sollst dich nicht gelüsten lassen. Die Ursache ist, weil der Mensch nichts Gutes aus sich tun kann, sondern wenn er das Böse nicht tut, dann das Gute nicht aus sich, sondern aus dem Herrn tut.« (LL 58).


Das ist der negative Weg zu Gott. Er geht von der Erkenntnis aus, daß das Gute als Schatz im Acker unserer Seele ruht. Unsere Aufgabe ist es nicht, den Schatz in die Seele hineinzulegen; unsere Aufgabe besteht vielmehr darin, das verdeckende Erdreich zu entfernen. Meister Eckehart hat hierfür ein schönes Bild gebraucht: »Wenn ein Meister ein Bild macht aus Holz oder Stein, so trägt er das Bild nicht in das Holz hinein, sondern er schnitzt die Späne ab, die das Bild verborgen und verdeckt hatten; er gibt dem Holze nichts, sondern er benimmt und gräbt ihm die Decke ab und nimmt den Rost weg, und dann erglänzt, was darunter verborgen lag.« (EQ 144,2ff). Auch Swedenborg und Lorber kennen den negativen Weg zu Gott:


SWEDENBORG: »Wir haben oben festgestellt, daß der Mensch in dem Maße das Gute wolle, als er das Böse flieht.« (WCR 330). »Hieraus ergibt sich das allgemeine Gesetz: daß man insoweit das Gute tut, als man das Böse flieht.« (LL 21).


LORBER: »Darum ist es auch nötiger, den Ort des Schmutzes genauer zu kennen als den Ort der Reinheit selbst. Denn nur der erste [also der Ort des Schmutzes] muß bearbeitet werden; ist er einmal im reinen, so kommt der Himmel von selbst.« (EM 57,6). »Sieh, solange der neue Wein nicht gehörig ausgegoren hat, bleibt er trübe, und so du ihn tust in einen krystallenen Becher und hältst dann den Becher auch gegen die Sonne, so wird ihr mächtigstes Licht aber dennoch nicht durch die Trübe des Neuweines zu dringen vermögen, und gerade also geht es auch mit dem Menschen. Bevor er nicht gehörig durchgegoren ist und durch den Gärungsprozeß alles Unreine aus sich geschafft hat, kann das Licht der Himmel sein Wesen nicht durchdringen.« (Ev I.19.12).



5. Wiedergeburt aus dem Licht


Ich habe schon eingangs darauf hingewiesen, daß Swedenborg das Konzept der Umbildung (reformatio) kennt, das wir in den Lorberschriften so nicht finden. Obwohl Lorber ja viele swedenborgsche Begriffe ebenfalls verwendet, ist dies bei der »Umbildung« nicht der Fall. Dennoch werden wir im folgenden sehen, daß der Gedanke Swedenborgs durchaus im Lorberwerk vorhanden ist. Es ist der Gedanke der Wiedergeburt aus dem Licht. Swedenborg kann sich auf den Schöpfungsbericht stützen. Dort ist bekanntlich von der Wiedergeburt die Rede; und das gesamte Geschehen wird durch die Worte: »Es werde Licht!« (Gen 1,3) in Gang gebracht. Die neue Geburt geschieht also durch die Erkenntnis des Wahren (= das Licht), durch das fiat lux! Diesen ersten Akt nannte Swedenborg »Umbildung« (reformatio):


SWEDENBORG: »Der Mensch muß während seiner Umwandlung vom natürlichen zum geistigen Wesen zwei Zustände erreichen und durchlaufen: Der erste wird als Umbildung, der zweite als Wiedergeburt bezeichnet. Im ersten Zustand blickt der Mensch aus seinem Natürlichen auf das Geistige und sehnt sich danach, im zweiten Zustand wird er zu einem geistig-natürlichen Menschen. Die Wahrheiten, die den Gegenstand des Glaubens darstellen sollen und mit deren Hilfe er auf die Nächstenliebe hinblickt, bilden den ersten Zustand, das Gute der Nächstenliebe, von dem aus er in die Wahrheiten des Glaubens eingeht, den zweiten. Mit anderen Worten: ersterer ist ein Zustand des Denkens aus dem Verstand, lezterer ein Zustand des Liebens aus dem Willen.« (WCR 571).


Die Umbildung ist die Einübung eines neuen Denkens, das sich am göttlichen Wort orientiert. Natürlich soll das neue Denken auch zu einem neuen Tun führen. Doch das ist der zweite Schritt. Swedenborg geht davon aus, daß der Mensch leichter zum Verstehen des Wahren angeleitet werden kann, als zum Tun des Guten. Da das Wollen des Guten völlig untergegangen ist (vgl. Swedenborgs Auslegung der Sintflut), hat Gott für eine Neuschöpfung des menschlichen Geistes (mens) gesorgt, die darin besteht, daß das Verstehen des Wahren auch ohne das Wollen des Guten möglich ist. Diese relative Selbständigkeit des Verstandes soll dazu führen, daß ein neuer Wille5) gebildet wird, der nun freilich nicht mehr aus der Unmittelbarkeit der Herzensliebe hervorgehen kann, wohl aber aus dem Verständnis des Wahren. Etwas von diesem Modell ist bei Lorber vorhanden, wenn er den »Erkenntniswillen« vom »rein weltlichen Gefühls- und Genußwillen« (Ev IV.73.3ff) unterscheidet. Abgesehen von dieser singulären Stelle ist aber auch sonst bei Lorber das Konzept der Umbildung (reformatio) vorhanden, wenn auch dieses Wort selbst nicht verwendet wird. In der Haushaltung Gottes finden wir eine lichtvolle Rede über das Wesen des Wortes; darin wird es als Weckmittel der Liebe beschrieben. Henochs gotterleuchtetes Herz erschaut in der Natur ein großes Gleichnis, denn dort gilt: »… in der Höhe ist Gott das Licht alles Lichtes und in Seiner Tiefe das Leben alles Lebens.« (HGt I.64.3). Das Licht der göttlichen Offenbarung erleuchtet von oben die Erde, um dort, in der Tiefe, das schlafende Leben zu wecken. Es heißt dann weiter:

5) Der neue Wille bezeichnet bei Swedenborg den aus der Erkenntnis des Wahren geformten Willen: »Im Menschen sind zwei Leben: das des Willens und das des Verstandes. Zu zwei Leben werden sie, wenn kein Wille, sondern stattdessen Begierde vorhanden ist. Der andere oder verständige Teil (des Gemüts) ist es, der dann umgebildet und durch den danach ein neuer Wille gegeben werden kann, so daß sie dennoch ein Leben ausmachen, nämlich Liebtätigkeit und Glaube.« (HG 652).


LORBER: »Sehet, es ist aber die Wärme [= Liebe] das verborgene, schlafende Leben selbst in der Tiefe und kann sich selbst nicht frei machen; wenn aber das Licht lange genug geleuchtet hat über den Tiefen der Erde [= des äußeren Menschen], sehet, da erweckt es die Wärme aus dem Schlafe. Diese zerreißt dann ihre frostigen Behälter und tritt dann frei tätig heraus, verbindet sich dann mit dem Lichte und bildet dann ein Wesen, das seine Wurzeln noch im Urschoße des Lebens ausbreitet und darin seine Nahrung sucht, aber den lichtverwandten Teil über die Erde frei erhebt, um sein einmal gewecktes Leben fortwährend wach zu erhalten« (HGt I.64.8).


Nach diesem Wort scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, wann das Licht von oben (= Offenbarung) die Liebe erweckt, denn es heißt: Wenn das Licht »lange genug« geleuchtet hat, erweckt es die Wärme. Auch andere Worte der NO durch Lorber stellen das Licht oder die Erkenntnis an den Anfang des geistigen Weges.


LORBER: »Wer könnte wohl Gott lieben, wenn er Ihn nicht zuvor erkennete? Also das Erkennen geht der Liebe doch notwendig voraus!« (GS II.12.16).6) • »Darin eben liegt das große Geheimnis der Selbstgestaltung des Menschen! Alles kann Ich dem Menschen tun, und er bleibt Mensch; aber das Herz ist sein eigen, das er vollkommen selbst bearbeiten muß, so er das ewige Leben sich selbst bereiten will. Denn würde Ich Selbst zuerst die Feile an des Menschen Herz legen, so würde der Mensch zur Maschine und gelangte nie zur freien Selbständigkeit; wenn aber der Mensch die Lehre bekommt, was er zu tun hat, um sein Herz für Gott zu bilden, so muß er diese auch frei befolgen und sein Herz nach ihr bilden! Hat er sein Herz danach gebildet und es gereinigt und gefegt, sodann erst ziehe Ich im Geiste in dasselbe und nehme Wohnung darin, und der ganze Mensch ist dann im Geiste wiedergeboren …« (Ev II.75.7-8). Auch nach diesem Wort muß der Mensch zunächst die Lehre, also das Wahre annehmen und befolgen. • »Dieser Funke Meiner Liebe (vgl. Vers 8) aber wird in das Herz einer Menschenseele erst dann gelegt in der Fülle, wenn ein Mensch Mein Wort vernommen und es in seinem Gemüt gläubig und mit aller Liebe zur Wahrheit7) angenommen hat; solange dies nicht der Fall ist, kann kein noch so seelenvollkommener Mensch zur Wiedergeburt des Geistes gelangen. Denn ohne Mein Wort, das Ich nun zu euch rede, kommt der Funke Meiner Liebe nicht in das Herz eurer Seele, und wo er nicht ist, kann er auch nicht wachsen und gedeihen in einer Seele und kann somit in derselben auch nicht wiedergeboren werden.« (Ev IV.220.10). Dem Worte Gottes wird hier die Kraft zugesprochen, den Funken der Liebe in das Herz der Seele zu legen. • »Es ist aber alles leicht und sicher zu bewirken, so man nur das rechte Mittel dazu hat und es auch recht anwendet! Ebenso kann ein Mensch denn auch den Geist in sich bald und leicht völlig erwecken, so er das rechte Mittel dazu besitzt und es aber dann auch recht anwendet. Das rechte Mittel aber ist die wahre, reine und tätige Liebe zu Gott und so auch zum Nächsten. Wer aber Gott lieben will, der muß ja zuerst glauben, daß es einen Gott gibt, der, als Selbst ganz Liebe, der ewige Urgrund aller Dinge in der ganzen Unendlichkeit ist. Wie kann aber ein Mensch zu solch einem Glauben gelangen? Am sichersten durch die Offenbarung, durch das Anhören des Wortes Gottes und durch die Erkenntnis des Willens der ewigen Liebe. Hat der Mensch solchen Willen erkannt, so ordne er seinen Willen ganz dem Willen der ewigen Liebe und der höchsten Weisheit in Gott unter und lasse sich von dem Willen Gottes gleich diesen Fischen als ein wohlzubereitetes Gericht verzehren, so wird er dadurch vom Geiste Gottes ganz durchdrungen werden und aus demselben als eine neue Kreatur zum ewigen Leben hervorgehen. Wer das an sich bewerkstelligt, der hat auf dem rechten Wege und durch das rechte Mittel den Geist des Lebens und der Weisheit in sich erweckt …« (Ev IX.116.21-25). Das Liebesgebot wird auf den Glauben und dieser auf die Offenbarung zurückgeführt. Diese ist somit der Ausgangspunkt der Wiedergeburt. Alle diese Worte zeigen, daß die Wiedergeburt auf das Wort und somit auf das Wahre zurückgeführt wird.

6) Andere Worte aus demselben Zusammenhang: »Dieses Mittel [zur Erweckung der Liebe] besteht in der klaren Vorstellung dessen, was man so ganz eigentlich mit der Fülle der Liebe erfassen will.« (GS II.50.6). »Die Erkenntnis des Herrn ist die mächtige Triebfeder, welche die Funken im Herzen zusammenzieht, und dann durch dieselben das ganze Herz in eine helle Flamme versetzt.« (GS II.50.12).

7) Vgl. Swedenborgs affectio veri (= Neigung zum Wahren).


Allerdings findet sich bei Lorber auch eine gegenteilige und höchst bedenkenswerte These.


LORBER: »Wer Gott liebt schon vor der Erkenntnis, der wird des Lebens Fülle überkommen; wer aber Gott liebt nach der Erkenntnis, der wird auch leben, - aber nicht im Herzen, sondern im Reiche der Gnade als ein wohlbelohnter Diener.« (HGt II.215.27). Unter der Gnade wird im Lorberwerk das Licht verstanden (vgl. JJ 298.15; HGt I.4.7; Ev I.2.15f).


Dieser Gedanke ist auch Swedenborg nicht fremd, denn er weiß zu berichten, daß man »seit den ältesten Zeiten« erörtert hat, »was das Erstgeborene der Kirchesei, die Liebtätigkeit oder der Glaube« (HG 2435), also das Gute oder das Wahre. Swedenborgs Lösungsvorschlag lautet: »Der Glaube …, unter dem man auch das Wahre versteht, ist zwar das erste der Zeit nach (Primum tempore), die Liebe aber, unter der man auch das Gute versteht, ist es dem Endzweck nach (Primum fine). Sie ist also das Vorzüglichere und damit in Wirklichkeit das erste und Erstgeborene.« (WCR 336). Interessant ist, daß die oben zitierte Lorberstelle aus der »Haushaltung Gottes« stammt, also aus dem Werk, das die Zeit der Ältesten Kirche8) beschreibt; somit haben wir hier eine Bestätigung der Aussage Sweden-borgs, wonach der Streit »seit den ältesten Zeiten« (HG 2435) besteht.

8) Swedenborg spricht von der »Ältesten Kirche« (HG 49); bei Lorber ist von »der ersten Kirche« (HGt II.172.1) bzw. der »Urkiche« (GS II.7.6) die Rede.



6. Glaube und tätige Liebe


Seitenweise könnte man Swedenborgs Aussagen über die Verbindung von Glauben und tätiger Liebe zitieren; ich begnüge mich mit einem einzigen Satz: »Der Glaube ohne tätige Liebe ist kein Glaube.« (HG 2325). Hierin sind Swedenborg und Lorber völlig eins, denn bei Lorber kann man lesen: »Wenn Ich aber vom Glauben sprach, so verstand Ich darunter allezeit den lebendigen, also mit der Liebe gepaarten Glauben; aber einen Glauben für sich allein verwarf Ich allezeit.« (Sch. 34,21). Dies ist tatsächlich auch die echte Jesuslehre und selbst noch die Überzeugung des Paulus, denn auch er kannte nur »den Glauben, der durch die Liebe wirksam ist« (Gal 5,6) und predigte auch sonst die Nächstenliebe als die Erfüllung des Gesetzes (Röm 13,10; Gal 5,14). Und dennoch neigt jede Religion, wenn sie an ihr Ende gekommen ist, dazu, das Heil im bloßen Glauben zu sehen. Für diesen Zustand verwenden Swedenborg und Lorber das Bild der winterlichen Landschaft:


SWEDENBORG: »Das Glaubensleben ohne Liebe ist wie das Sonnenlicht ohne Wärme, wie im Winter, wo nichts wächst, sondern alles erstarrt und erstirbt; aber der Glaube aus Liebe ist wie das Sonnenlicht im Frühling, wo alles wächst und blüht, denn die Sonnenwärme bringt es hervor.« (HG 34). • »Die Bösen nehmen das göttlich Gute nicht auf … aber das göttlich Wahre kann auch von ihnen aufgenommen werden … Das ist wie mit der Wärme und dem Licht, die von der Sonne ausgehen. Die geistige Wärme ist die Liebe, also das Gute; das geistige Licht aber ist der Glaube, also das Wahre. Wenn die Sonnenwärme aufgenommen wird, dann wachsen die Bäume und Blumen und bringen Blätter, Blüten, Früchte oder Samen hervor. Das geschieht im Frühling und Sommer. Wenn jedoch die Sonnenwärme nicht aufgenommen wird, sondern nur das Licht, dann wächst nichts, dann erstarrt alles Wachstum wie im Herbst und Winter. So ist es auch mit der geistigen Wärme und dem geistigen Licht vom Herrn. Wenn ein Mensch wie Frühling und Sommer ist, dann nimmt er das Gute der Liebe und Liebtätigkeit auf und bringt Früchte hervor. Ist er aber wie Herbst und Winter, dann nimmt er das Gute der Liebe und Liebtätigkeit nicht auf und bringt keine Früchte hervor; gleichwohl kann er aber Licht aufnehmen, das heißt die Glaubensdinge und das Wahre wissen. Das Winterlicht ist ähnlich, denn es stellt die Farben und Schönheiten (der äußeren Formen) dar und macht sie sichtbar, doch mit dem Unterschied, daß es nicht ins Innere eindringt, weil dort keine Wärme, also auch keine Lebenskraft (ve-getatio) vorhanden ist. Wenn somit das Gute nicht aufgenommen wird, sondern nur das Licht, dann entsteht - wie bei den Gegenständen, die keine Wärme aufnehmen - nur das Bildnis einer Form und eine schöne Gestalt (formositas), vom Licht erzeugt.« (HG 4180).9)

9) Das Bild der winterlichen Landschaft verwendet Swedenborg oft: HG 365, 1577, 2231, 146, 4416, 4802, 5194, 5232, 5482, 6405, 7084, 8301, HH 136, 482, NJ 114, LL 86, EO 875, WCR 385.


LORBER: »Aber was soll Ich denn von einer Sekte sagen, die nichts als den Glauben lehrt und die Werke verwirft? … Was nützt der Erde das Licht der Sonne, wenn es nicht mit der tatkräftigen Wärme verbunden ist? Was nützen einem Menschen alle Kenntnisse und Wissenschaften, wenn er sie nicht anwendet? Oder was nützt es, im kalten Winter bloß zu glauben, daß ein brennendes Holz im Ofen das Zimmer erwärmen kann? Wird das Zimmer durch den Glauben warm? Ich glaube es nicht.« (EM 73). »Sehen wir aber nicht Sommers und Winters dasselbe Licht die Erde erleuchten - und doch nicht dieselbe Wärme die Furchen der Erde durchwärmen?! So aber das Licht die Wärme brächte, sehet, da müßte es ja allzeit warm sein unter denselben Strahlen der Sonne; daß es aber nicht also ist, lehrt uns der frostige, oft ganz starrkalte Winter.« (HGt I.64.6). Vgl. auch GS I.21.14ff


Die Gotteswahrheit ist nur dann der tragende Grund unseres Lebens, wenn wir uns als tätige Wesen auf diesen Grund begeben. Es kann ja niemand glaubhaft sagen, daß die Brücke vor seinen Augen stabil sei, wenn er sich nicht getraut, über diese Brücke zu gehen. Deswegen erweist es sich in unseren Taten, ob wir der Gotteswahrheit tatsächlich unser Vertrauen schenken oder nicht.



7. Ein Evangelium der Tätigkeit


Swedenborg und Lorber lehren ein Christentum der Tätigkeit.10) Seine »Lebenslehre für das Neue Jerusalem« beginnt Swedenborg mit den Worten: »Alle Religion ist eine Sache des Lebens, und das Leben der Religion besteht im Tun des Guten.« (LL 1). Daher ist die Tätigkeit die Wiege der Gottesgeburt; denn durch unsere Tätigkeit bestimmen wir, wieviel des Göttlichen wir zulassen wollen. Swedenborg hat diesen Zusammenhang als das Gesetz von Ausfluß und Einfluß beschrieben:

10) Das bedeutet aber nicht, daß sie eine Selbsterlösungsreligion lehren. Dies wird allerdings immer wieder behauptet.


SWEDENBORG: »Ein allgemeines Gesetz ist es, daß der Einfluß sich nach dem Ausfluß richtet und daß, wenn der Ausfluß gehemmt wird, auch der Einfluß gehemmt wird. Durch den inneren Menschen geschieht der Einfluß des Guten und Wahren vom Herrn; durch den äußeren soll der Ausfluß geschehen, nämlich ins Leben, d.h. in die Übung der Liebtätigkeit (exercitio charitatis).« (HG 5828).


Die göttliche Liebe und Weisheit kann nur soweit in die Seele einfließen, als der Mensch es durch sein Tun zuläßt. Er kann die Gottesgeburt verhindern; er kann aber auch seinem Leben eine Form geben, in der sich diese Geburt ereignen kann; diese Form ist die exercitio charitatis (= die Übung der tätigen Liebe). Daher ist die Nächstenliebe der Weg zur Gottesliebe.11) Die Rolle des äußeren Lebens als Wiege des inneren Lebens ist auch in der Idee Swedenborgs ausgedrückt, wonach das Äußere der Behälter des Inneren ist: »Der letzte (oder äußerste) Grad ist die Zusammenfassung, der Behälter (continens = das Zusammenhaltende) und die Grundlage der vorhergehenden Grade.« (GLW 209). Das heißt, das innere Leben des Geistes kann nur dann eine Realität in der Seele werden, wenn diese durch ihr äußeres Leben ein taugliches Gefäß bildet. Wie Flüssigkeiten nur in einem Gefäß gesammelt werden können, so auch die göttlichen Essenzen der Liebe und Weisheit. Ohne Gefäß bleiben sie gedankliche Gebilde ohne Realität. Zwar sind sie für sich genommen vorhanden, aber für die Seele sind sie so gut wie nicht vorhanden, weil sie es versäumt hat, dem Göttlichen ein Gefäß entgegenzureichen. Die Lebensform, die das göttliche Wesen aufnehmen kann, ist die tätige Liebe, oder genauer die werktätige Liebe, denn: »Die tätige Liebe und der Glaube sind in den guten Werken beisammen.« (WCR 336). Die »guten Werke« sind die »Nutzwirkungen« (siehe GLW 220). Und daher kann Swedenborg sagen: »Das Leben der tätigen Liebe besteht darin, Nutzen zu schaffen.« (HG 8253)12). Nutzwirkung (usus) ist ein typisch swedenborgscher Begriff, der bei Lorber eher selten begegnet (GS I.28.3; Gr.4). Dieses sinnvolle, am allgemeinen Nutzen orientierte Tun, ist dasjenige Gefäß, in dem die Liebe und Weisheit real werden und unseren Charakter prägen können. »Liebe und Weisheit ohne Nutzwirkung sind kein Etwas, sondern sind nur ein gedachtes Sein (entia idealia13); und sie werden auch erst dann real, wenn sie in einer Nutzwirkung (verwirklicht) sind.« (EO 875). Das sinnvolle Tun (usus) ist »der Behälter der Liebe und Weisheit« (GLW 297). Einen Nutzen kann man immer nur für andere schaffen14) ; d.h. man braucht neben dem guten Willen (= Liebe) auch eine große Kenntnis der Zusammenhänge, um wirklich einen sinnvollen Beitrag leisten zu können. So gesehen ist die echte »Tätigkeit zum allgemeinen Wohle der Menschen« (Lorber: Ev I.221.6) nur aus der göttlichen Inspiration, d.h. aus der Gottesliebe möglich, denn nur der Herr überschaut das Ganze und kann daher in Wahrheit entscheiden, was wirklich sinnvoll und nützlich ist. Daher ist also nicht nur die Nächstenliebe der Weg zur Gottesliebe, sondern auch umgekehrt die Gottesliebe der Weg zur (echten) Nächstenliebe.15) Das ist ein Kreis; und bekanntlich hat ein solcher keinen Anfang und kein Ende; es sei denn man zeichnet den Kreis, dann muß man irgendwo beginnen. Als äußere Wesen ist der wahrscheinlichste Einstieg die Nächstenliebe. Deswegen sagte Jesus: »Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.« (Joh 13,34f). Hier ist von der Gottesliebe keine Rede, obwohl sie doch das eigentlich Wesentliche sein sollte. Daher erblicke ich in der Nächstenliebe die Wiege der Gottesgeburt. Auch in den Lorberschriften finden wir ein köstliches Evangelium der Tätigkeit; es erhielt sich noch nach Jesu Tod und Auferstehung eine Zeitlang als »Nachtpredigt«16) (Ev I.221.25). Darin heißt es:

11) »Die Nächstenliebe ist der Weg zur Gottesliebe.« (Ev XI.75). »… die Nächstenliebe, die da kommt aus der Liebe zu Gott!« (Ev IV.220.5). »Gottesliebe von seiten des Menschen ist bedingt durch die Liebe zum Nächsten.« (Ev X.140.4). Vgl. auch Ev I.125.20; Ev III.207.13; Ev IX.132.8.

12) Vgl. auch LG 14.

13) Wörtlich: Seiendes, das (nur) in der Idee oder Vorstellung besteht.

14) »Für Andere leben heißt Nutzen schaffen. Die Nutzwirkungen sind die Bande der Gesellschaft.« (EL 18). »Um aber nützlich zu sein, muß es um anderer willen sein, und auch eine Nutzwirkung, die man für sich selbst vollbringt, muß für andere nützlich sein, d.h. sie muß darauf abzielen, daß man sich dadurch instand setzt, anderen nützlich sein zu können.« (GLW 308).

15) »Daher ist die wahre Ordnung der Nächstenliebe nur diejenige, so jemand seinen Bruder aus dem Herrn liebt.« (GS II.5.9).

16) Die Bezeichnung »Nachtpredigt« hat auch einen Entsprechungssinn; denn mit der Tätigkeit sind wir im Äußeren und somit in der Nacht der Welt.


LORBER: »Nur Tätigkeit über Tätigkeit zum allgemeinen Wohle der Menschen! Denn alles Leben ist eine Frucht der beständigen und nie zu ermüdenden Tätigkeit Gottes und kann daher nur durch die wahre Tätigkeit erhalten und für eine ewige Dauer bewahrt werden, während aus der Untätigkeit nichts als der Tod zum Vorscheine kommt und kommen muß. Leget eure Hände auf euer Herz und merket es, wie es in einem fort Tag und Nacht tätig ist! Von solcher Tätigkeit aber hängt ja das Leben des Leibes alleinig ab; so das Herz aber einmal stillzustehen anfängt, da - meine Ich - dürfte es etwa mit dem natürlichen Leben des Leibes wohl gar sein! Wie aber die Ruhe des leiblichen Herzens offenbar der volle Tod des Leibes ist, also ist auch die gleiche Ruhe des Seelenherzens der Tod der Seele! Das Herz der Seele aber heißt Liebe, und das Pulsen desselben spricht sich in wahrer und voller Liebtätigkeit [Swedenborg: charitas] aus. Die unausgesetzte Liebtätigkeit ist demnach der nie zu ermüdende Pulsschlag des Seelenherzens. Je emsiger aber das Herz der Seele pulst, desto mehr Leben erzeugt sich in der Seele, und so dadurch ein hinreichend hoher Lebensgrad in der Seele sich erzeugt hat, so daß er dem göttlichen, allerhöchsten Lebensgrade gleichkommt, so weckt solch ein Lebensgrad der Seele das Leben des göttlichen Geistes in ihr. Dieser - als pur Leben, weil die unermüdete höchste Tätigkeit selbst - ergießt sich dann in die ihm durch die Liebtätigkeit gleichgewordene Seele, und das ewig unverwüstbare Leben hat in der Seele seinen vollen Anfang genommen! Und sehet, das kommt alles von der Tätigkeit, nie aber von einer faulen Ruhe her!« (Ev I.221.6-12).


Die Berührungspunkte mit Swedenborg sind offenkundig. Die »Tätigkeit zum allgemeinen Wohle der Menschen« ist Swedenborgs »Nutzwirkung«. Aber auch andernorts kann Lorber schreiben: »Ist das Seelenleben einmal ganz und gar in die Menschenform übergegangen, so ist Dienen seine erste Bestimmung.« (Ev IV.94.14). »'Dienen' heißt demnach das große Losungswort durch alle Sphären der Unendlichkeit, im großen Reiche der Natur sowohl, als im endlosen Reiche der Geister!« (Ev IV.99.1). Und der untrennbare Zusammenhang zwischen der Liebe (amor) und ihrer Liebtätigkeit (charitas) ist in den Worten ausgedrückt: »Das Herz der Seele aber heißt Liebe, und das Pulsen desselben spricht sich in wahrer und voller Liebtätigkeit aus.«



8. Der grundlose Grund unseres Wirkens


Die echte Vollkommenheit besteht darin, daß sich das Gute und Wahre frei auswirken kann, ohne den Interessen des äußeren Menschen dienstbar gemacht zu werden. Mit anderen Worten: Das Gute und Wahre darf nicht instrumentalisiert werden. Deswegen findet sich bei den großen Mystikern ein Gedanke, den Meister Eckehart als das Wirken ohne Warum17) bezeichnet hat und den wir anders formuliert auch bei Swedenborg und Lorber finden. Das Gute und Wahre verdirbt, wenn es nicht um seiner selbst willen getan wird. Es darf noch nicht einmal als Mittel zur Erreichung der Wiedergeburt oder des Himmels getan werden. Das freie Wirken der Liebe und Weisheit ist der Sinn unseres Lebens und darf daher keinem anderen, vermeintlich höheren Sinn untergeordnet werden. Gott selbst ist im Guten und Wahren wirksam und weiß, warum er dieses oder jenes durch uns wirken will; deswegen brauchen wir es nicht durch unsere eigenen, guten Absichten begrenzen.

17) Meister Eckehart: »Der Gerechte sucht nichts mit seinen Werken, denn diejenigen, die mit ihren Werken irgend etwas suchen, oder auch solche, die um eines Warum willen wirken, die sind Knechte und Mietlinge. Darum, willst du eingebildet und überbildet werden in die Gerechtigkeit, so beabsichtige nichts mit deinen Werken und ziele auf nichts ab weder in Zeit noch in Ewigkeit, weder auf Lohn noch auf Seligkeit noch auf dies oder das, denn solche Werke sind wahrlich alle tot. Ja, ich sage: Selbst, wenn du dir Gott zum Ziel nimmst, so sind alle Werke, die du (selbst) darum wirken magst, tot, und du verdirbst (damit) gute Werke.« (EQ 267.17-26).


SWEDENBORG: »Den Herrn und den Nächsten lieben heißt, das Gute und Wahre tun um des Guten und Wahren willen.« (NJ 25). »Das Geistige besteht seinem Wesen nach beim Menschen in der Neigung zum Guten und Wahren um des Guten und Wahren und nicht um des Ichs willen.« (HG 5639).


LORBER: »Ja, warum konnte denn dieser [zuvor beschriebene] recht ehrlich strebende Mensch nicht zur Wiedergeburt des Geistes gelangen? - Eben darum, weil er alles Gute nur darum tat, um sie zu erreichen! Wer Gott und den Nächsten eines anderen Motives wegen als Gott um Gottes und den Nächsten um des Nächsten willen liebt, der kommt nicht zur völligen Wiedergeburt …« (Ev V.160.4-5). »… du tatest jedoch das Gute der Lehre nur der vorteilbringenden Verheißung, nicht aber des Guten willen! Du warst nur tätig aus deinem Verstande, nie aber noch aus deinem Herzen! Dieses blieb in sich hart und kalt wie vor dem Empfange der rein göttlichen Lehre … Erwecke nun dein Herz! Tue alles, was du tust, aus dem wahren Lebensgrunde! Liebe Gott Seiner Selbst willen über alles und ebenso deinen Nächsten! Tue das Gute des Guten willen aus deinem Lebensgrunde heraus, und frage nicht ob deines Glaubens und ob deiner Tat nach der Erfüllung der Verheißung, ob sie wohl kommen werde oder nicht! Denn die Erfüllung ist eine Folge dessen, daß du lebendig im Herzen glaubst, fühlst und aus dem lebendigsten Liebesdrange heraus tätig wirst.« (Ev III.243.3-5). Charakteristisch für die Lorberschriften ist, daß die Forderung, das Gute und Wahre um des Guten und Wahren willen zu tun, auf die Alternative Verstand oder Herz bezogen wird. Nur das Herz kennt kein Warum; der Verstand hingegen macht sich alles dienstbar.



9. Der Geistfunke bei Lorber

und seine Beziehungen zu Swedenborg


Die Beschreibung der Wiedergeburt hängt naturgemäß sehr vom Menschenbild ab, denn dieser Prozeß vollzieht sich ja im Menschen und paßt sich somit den Gegebenheiten dort an. Daher ist es nicht verwunderlich, daß die Lehre von der Wiedergeburt bei Swedenborg und Lorber nicht völlig identisch ist, denn das Menschenbild der beiden ist ja auch unterschiedlich. Zwar haben beide ein dreischichtiges Bild vom Menschen, aber der Geist ist anders positioniert. Bei Swedenborg finden wir die Reihenfolge: Körper - (menschlicher) Geist (mens) - Seele. Und bei Lorber: Körper - Seele - (göttlicher) Geist. Man kann allerdings diese beiden Reihen zusammenschieben und erhält dann: Körper - (menschlicher) Geist - Seele - (göttlicher) Geist. Dieses Modell zeigt die Doppelstruktur des Geistes, die im Lorberwerk als Kopf- und Herzverstand zur Sprache kommt. Das bedeutet, daß die unterschiedliche Positionierung des Geistes auch einem unterschiedlichen Verständnis desselben entspricht. Tatsächlich ist der Sitz des menschlichen Geistes (mens) bei Swedenborg das Gehirn.18) Damit ist Swedenborgs »mens« zwar nicht mit Lorbers Kopfverstand völlig identisch, denn der Seher definiert den menschlichen oder bewußten Geist als Wille und Verstand, also nicht nur als Verstand, aber gewisse Beziehungen zu Lorbers Unterscheidung von Gehirn und Herz sind dennoch zu sehen. Der Sitz des göttlichen und vorerst unbewußten Geistes bei Lorber ist das Herz. Diesen hier nur angedeuteten, unterschiedlichen Menschenbildern entsprechend wird die Wiedergeburt bei Swedenborg im mens-anima-Schema und bei Lorber im Seele-Geist-Schema gesehen. Diese verschiedenen Blickweisen schließen sich aber keineswegs aus; im Gegenteil, sie ergänzen sich problemlos. Die Beziehungen zwischen dem Geistfunken bei Lorber und den Ideen Swedenborgs sollen im folgenden gezeigt werden.

18) Das Gehirn als Sitz des menschlichen Geistes (= mens): »cerebrum … ubi mens hominis« (HG 4054). »Der Mensch aber wurde durch das Göttliche Wahre gebildet, weil sich bei ihm alles auf Verstand und Wille bezieht … Folglich ist das menschliche Gemüt … nichts anderes als eine geistig und natürlich organisierte Form des Göttlichen Wahren und Guten. Das menschliche Gehirn ist diese Form.« (WCR 224). »Hieraus kann man erkennen, daß Verstand und Wille, die mit einem Wort das Gemüt (mens) genannt werden, und somit auch Einsicht und Weisheit in den Gehirnen ihren Sitz haben « (O.E. 775).


Die Wiedergeburt kann als Prozeß der Vereinigung beschrieben werden. Bei Lorber ist damit die Vereinigung der Seele mit ihrem Geist19) gemeint; d.h. die Wiedergeburt ist im Seele-Geist-Schema beschrieben. Auch Swedenborg kann die Wiedergeburt als eine Vereinigung darstellen. Allerdings spricht er von der Verbindnung des Guten und Wahren, die das Gemüt (mens) betrifft, und von der Verbindung des nunmehr ganzheitlichen Gemüts mit der Seele und dem Herrn. Swedenborg beschreibt also die Wiedergeburt im mens-anima-Schema.

19) Belegstellen: Im Menschen soll die Seele »zur vollen Vereinigung mit ihrem jenseitigen Geiste gelangen«, »welche Vereinigung wir die Neu- oder Wiedergeburt im Geiste nennen.« (Ev VI.133.4). »… welche Einswerdung [von Seele und Geist] wir die geistige Wiedergeburt nennen.« (Ev VII.69.7). »… die volle Einung des Geistes mit der Seele« (Ev VIII.150.15).


SWEDENBORG: »Die Wiedergeburt ist die Verbindung des Guten und Wahren.« (HG 8983). »Wenn Wille und Verstand nicht soweit übereinstimmen, daß sie eins ausmachen, ist der Mensch nicht wie-dergeboren.« (HG 2975). »Die Verbindung mit dem Herrn und die Wiedergeburt sind eins.« (GV 92). »Die Verbindung des Guten mit dem Wahren, welche die Wiedergeburt bewirkt, schreitet immer weiter nach innen fort, d.h. das Wahre wird allmählich immer innerlicher mit dem Guten verbunden. Das Endziel der Wiedergeburt ist nämlich die Verbindung des inneren mit dem äußeren Menschen … Diese Verbindung kann aber erst dann geschehen, wenn das Gute mit dem Wahren im Natürlichen verbunden ist, denn das Natürliche soll die Grundlage sein.« (HG 4353). Swedenborg unterscheidet hier eine horizontale und eine vertikale Verbindung, wobei die horizontale die Voraussetzung der vertikalen Verbindung ist. Mit einfacheren Worten: Erst wenn das Religionswissen zur Anwendung kommt (= horizontale Verbindung des Wahren und Guten), wird es verinnerlicht und schafft die Voraussetzung der inneren und lebendigen Gotteserfahrung (= vertikale Verbindung). In Gott und sogar noch in der Anima sind Liebe und Weisheit eins; erst im menschlichen Geist (mens) wird diese Einheit aufgehoben. Das bedeutet aber, wenn der bewußte Geist (mens) die Reunion von Wollen und Denken anstrebt, dann nähert er sich den Gegebenheiten im Göttlichen und in seiner Anima, so daß diese Schichten erfahrbar werden. Bei Swedenborg liest sich das so: Weisheit und Liebe »gehen vereint vom Herrn aus und fließen ebenso vereint in die Seelen der Engel und Menschen ein; doch werden sie in ihren Gemütern (mentibus) nicht vereint aufgenommen, sondern zuerst das Licht, das den Verstand bildet, und nach und nach die Liebe, die den Willen bildet.« (SK 14) 20)

20) In WCR 41 schreibt Swedenborg: Liebe und Weisheit sind in Gott eins. »An den Gegenständen aber zeigt sich, daß Wärme und Licht im Hervorströmen geteilt werden … Dies ist besonders beim Menschen der Fall. In ihm werden Licht und Wärme des Lebens, Einsicht und Liebe geteilt, und zwar darum, weil er umgebildet und wiedergeboren werden soll.«


Die folgende Stelle bei LORBER ließe sich im Sinne des swedenborgschen mens-anima-Schema verstehen: »Wenn erst die Liebe [= Einfluß in die anima; SK 14], der Wille und der von aller Wahrheit erfüllte Verstand [= mens] in aller Tat eins geworden sind [= Einheit von Wille und Verstand in den Werken; WCR 336], so ist der Mensch auch in die Wiedergeburt des Geistes aus Gott in seiner Seele eingegangen …« (Ev IX.103.6).


Der Geist ist das Ebenbild des Herrn im Menschen: »Ihr wisset, daß der Geist des Menschen ein vollkommenes lebendiges Abbild des Herrn ist und hat in sich den Funken oder Brennpunkt des göttlichen Wesens.« (GS II.10.14). Daß der Geist das lebendige Abbild des Herrn im Menschen ist, wird uns auch in Oalims Gesicht offenbart (HGt II.72.9-25). Diese Vision gehört zu den tiefsten Stellen der NO, weil sie zeigt, daß sogar in dem, was bei Lorber normalerweise »Geist« heißt, Unterschiede zu machen sind. Für uns wichtig ist, daß Oalim den innersten Geist als »Sonnenherz« erschaut, in dem er ein dem Vater »vollkommen ähnliches, lebendiges Abbild« entdeckte; und diese innerseelische Wirklichkeit entspricht der großen, außerseelischen Wirklichkeit Gottes, denn es heißt weiter:


LORBER: »Und ich richtete alsbald meine Augen aufwärts und erschaute sogleich in einer endlosen Tiefe der Tiefen der Unendlichkeit ebenfalls eine unermeßlich große Sonne und in der Mitte dieser Sonne aber dann bald Dich Selbst, o heiliger Vater! Von Dir aus aber gingen endlos viele überlichte Strahlen, und einer dieser Strahlen fiel in das Sonnenherz im neuen Menschen in mir und bildete also Dich Selbst lebendig in mir.« (HGt II.72.21f).21)

21) Weitere Belege: »… das Ebenbild Gottes im Menschen ist ein vollkommenstes Ebenmaß eines und desselben Gottes von Ewigkeit.« (Ev IV.110.10). »Was aber eigentlich das Leben in dir ist, so ist es nichts anderes als Mein Odem in dir oder Mein vollkommenes Ebenbild in jeglichem Menschen.« (HGt I.185.19).


Damit ist deutlich gesagt, daß der Geist im Menschen das lebendige Abbild des Herrn ist und daß beide nicht zu trennen sind. Im Blick auf Swedenborg bedeutet das: Es besteht eine enge Beziehung zwischen dem Geist bei Lorber und dem Begriff »der Herr« bei Swedenborg. Diese Beziehung kann mit dem Bild der Sonne veranschaulicht werden, deren Lichtstrahlen überall ihr Abbild erzeugen können. Der Herr ist zugleich außerhalb und innerhalb der Seele. Swedenborg scheint die erste, Lorber die zweite Sicht stärker hervorzuheben; denn der Herr wird bei Swedenborg eher außerhalb der Seele, der Geistfunke bei Lorber hingegen eher innerhalb der Seele gedacht. Doch beide haben auch den komplementären Gedanken; denn Swedenborg spricht vom Einfluß, und was einfließt muß ja anschließend irgendwie in der Seele sein; und andererseits drückt Lorbers Vorstellung vom »Funken oder Brennpunkt des göttlichen Wesens« (GS II.10.14) aus, daß die Fülle des eigentlichen Gottwesens außerhalb der Seele ist. Schon Meister Eckehart veranschaulichte beide Vorstellungen, den Gott innerhalb und außerhalb der Seele, mit dem Verhältnis zwischen der Sonne und ihrem Spiegelbild:


»Ich nehme ein Becken mit Wasser und lege einen Spiegel hinein und setze es unter den Sonnenball; dann wirft die Sonne ihren lichten Glanz aus der Scheibe und aus dem Grunde der Sonne aus und vergeht darum doch nicht. Das Rückstrahlen des Spiegels in der Sonne ist in der Sonne (selbst) Sonne, und doch ist er (= der Spiegel) das, was er ist. So auch ist es mit Gott. Gott ist in der Seele mit seiner Natur, mit seinem Sein und mit seiner Gottheit, und doch ist er nicht die Seele. Das Rückstrahlen der Seele, das ist in Gott Gott, und doch ist sie (= die Seele) das, was sie ist.« (EQ 273,1-9).


Dieses Bild erscheint, wie wir gesehen haben, auch im Lorberwerk; es sagt aber nicht nur den Unterschied zwischen Gott und dem Geist, sondern zugleich auch das Einssein der beiden aus: Der Geist ist »allzeit eins … mit Gott, wie das Licht der Sonne eins ist mit ihr.« (Ev II.132.8). Der Geist ist nicht von seinem Urgrund zu trennen; doch wie das Licht als Welle und Teilchen zu denken ist, so ist auch der Geist als Einfluß (Swedenborg) und als Fünklein (Lorber) vorstellbar. Der göttliche Einfluß realisiert sich in der Seele zu einem eigenen Sein.


LORBER: »… der reine Geist ist … der von Gott ausgehende Wille, der da das Feuer der reinsten Liebe in Gott ist. Der reine Geist ist ein Gedanke Gottes, hervorgehend aus seiner Liebe und Weisheit, und wird zum wahren Sein durch den Willen Gottes. Da aber Gott in Sich ein Feuer aus Seiner Liebe und Weisheit ist, so ist das gleiche auch der in ein eigenes Sein realisierte und gewisserart aus Gott getretene Gedanke« (Ev VII.66.5f).


Diese Überlegungen zeigen, wie man Swedenborg und Lorber zusammendenken kann. Eine weitere Annäherung der beiden Vorstellungswelten ergibt sich aus der Beobachtung, daß der Geist (Lorber) seinem Wesen nach Liebe und Weisheit ist, was an Swedenborgs Definition der divina essentia (= des göttlichen Wesens) erinnert (vgl. WCR 36-48).


LORBER: »Der lebendige Geist im Menschen ist eben Meine ewige Liebe und Weisheit« (Ev IX.85.10). Der Geist »ist das Licht, welches aus seiner eigenen Wärme sich von Ewigkeiten zu Ewigkeiten erzeugt, und ist gleich der Wärme die Liebe und gleich dem Lichte die Weisheit.« (EM 52). »Der reine Geist in sich als Stoff und Element ist ein Feuer und ein Licht oder in sich die Liebe und Weisheit selbst.« (Ev VII.71.11).


Der »Geist Gottes« kann auch als »pur Liebe« (Ev X.144.11) charakterisiert werden. Für Swedenborg sind Liebe und Wille Begriffe, die er synonym gebrauchen kann. Demnach müßte der Geist der eigentliche Ursprung des menschlichen Willens sein; tatsächlich findet man einen solchen Hinweis im Lorberwerk, was wiederum die enge Verzahnung der beiden Gedankenwelten belegt: »… der Wille ist kein Angehör des Fleisches und Blutes und der Seele … sondern ein Angehör der Liebe, die da ist Mein Geist in euch« (Ev III.170.9; vgl. auch GS II.79.15). Auch nach Swedenborg ist der Wille streng genommen keine Eigenschaft des natürlichen Menschen. Swedenborg hat einen sehr hohen Begriff von der Fähigkeit zu wollen; einen so hohen Begriff, daß er die Triebleistungen des natürlichen Menschen genau genommen gar nicht als »voluntas« (Wille) bezeichnen kann: »Der (echte) Wille … ist keine Eigenschaft des Menschen …; die Eigenschaft des Menschen ist die Begierde (Triebleistung), die man (gemeinhin) ›Wille‹ nennt.« (HG 105; vgl. auch 568). Zu diesem Ergebnis gelangt man auch, wenn man Swedenborgs Willensdefinition genau liest: »Der Wille ist das Aufnahmegefäß und die Grundlage für alles, was mit dem Guten zusammenhängt« (NJ 29). Unser eigener Wille ist sicher nicht das Organ des Gu-ten. Daher kann Swedenborg schreiben: »Die Göttliche Vorsehung [= das Walten der göttlichen Liebe und Weisheit] wirkt niemals mit der willentlichen Liebe des Menschen zusammen, sondern ständig ihr entgegen« (GV 183). Die Fähigkeit zu wollen (in diesem hohen Sinne) ist weitgehend zerstört. Wir sind nicht mehr Menschen, die als Ebenbilder Gottes etwas bewegen können, denn wir werden selbst ständig nur von irgendwelchen Kräften bewegt. Zum echten Wollen gehört aber die Freiwilligkeit, gehört die Souveränität des Geistes. Alle Bewegung kommt aus der Ruhe des Geistes (Sabbat); nicht aus dem Getriebensein im Getriebe der Zeit. Daher ist unser »Wollen« genau genommen »cupiditas« (Gier und Leidenschaft). Das echte Wollen ist eine Fähigkeit, die der Mensch aus dem göttlichen Geist hat. Jedes eigene sogenannte Wollen verstrickt sich früher oder später in Unfreiheit.


Der Geist (Lorber) ist, wie wir gesehen haben, seinem Wesen nach Liebe und Weisheit (Swedenborg). Man kann nun mit Swedenborg noch einen Schritt weiter gehen, und erkennen, daß Liebe und Weisheit nicht formlos sind, sondern in der vollkommensten Form, der Menschenform, erscheinen. Das ist das Personifikationsprinzip. Es besagt, daß sich der göttliche Einfluß in einer Menschenform, nämlich in der des göttlichen Geistes, realisiert.


SWEDENBORG: »Die Liebe zusammen mit der Weisheit ist in ihrer Gestaltung Mensch, weil Gott, der die Liebe und Weisheit selbst ist, Mensch ist.« (GLW 179). »Das Göttlich Hervorgehende ist im größten und kleinsten Mensch.« (Ath. 178).


Dieses Verständnis findet in den Jenseitswerken eine zusätzliche Stütze. Dazu muß man freilich wissen, daß das sogenannte Jenseits keine äußere Welt ist, sondern die Darstellung unserer Innen- oder Seelenwelt. Vor diesem Verstehenshintergrund ist es nun aufschlußreich, was Swedenborg und Lorber über die persönliche Gegenwart des Herrn in unserem Jenseits sagen:


SWEDENBORG: »Wenn aber der Herr im Himmel erscheint … so zeigt er sich nicht umgeben von der Sonne, sondern in engelhafter Gestalt, von den Engeln durch das Göttliche unterschieden, das aus seinem Angesicht hervorstrahlt. Denn er ist dort nicht in Person - als Person ist der Herr nämlich stets von der Sonne umgeben -, sondern durch den Anblick22) gegenwärtig.« (HH 121).

22) Andere Übersetzungsmöglichkeit von »per aspectum«: durch das Sichtbarwerden.


LORBER: »In dieser Sonne bin Ich ureigentümlich vollkommen zu Hause. Diese Sonne befindet sich im ewigen unverrückten Zentrum Meines göttlichen Seins. Die Strahlen, die aus dieser Sonne ausgehen, erfüllen in ihrer Art die ganze Unendlichkeit und sind in sich selbst nichts anderes als Mein Liebewille und die aus demselben ewig gleichfort ausgehende Weisheit. Diese Strahlen sind demnach allenthalben vollkommen lebendig und sind allenthalben vollkommen gleich Meiner Wesenheit. Wo immer demnach ein solcher Strahl hinfällt, da bin Ich Selbst also wie in der Sonne ganz vollkommen gegenwärtig, nicht nur allein wirkend, sondern auch persönlich; und diese Persönlichkeit ist demnach auch allenthalben eine und dieselbe.« (GS I.60.1-2).


Das bedeutet, daß das urgöttliche Wesen streng genommen kein Teil unserer Seelenwelt ist. Dennoch kann es sich dort persönlich offenbaren und zeigen, weil das von der göttlichen Sonne ausgehende Licht überall das Urbild ihres Wesens erzeugen kann, d.h. Jesus Christus, den persönlichen Gott.


Schließlich sollte man wissen das die Rede vom »Funken« nicht wörtlich zu nehmen ist, was schon die Tatsache zeigt, daß der »Funke« Menschenform hat. Wenn dieser innerste Mensch in der Seele als »Funke« bezeichnet wird, dann soll damit nur zum Ausdruck gebracht werden, daß er die ganze Seele in den Liebesbrand versetzen kann. »Der lebendige Geist im Menschen ist eben Meine ewige Liebe und Weisheit … und dieser Geist ist der eigentliche wahre und in sich schon ewige Mensch im Menschen …« (Ev IX.85.10).


Alle diese Überlegungen zeigen, daß der Herr, der Einfluß und der Geist sehr leicht zusammenzudenken sind und daß sich somit Swedenborg und Lorber wunderbar ergänzen. Swedenborg verwendet die Begriffe »Herr« und »Einfluß«; Lorber überwiegend »Herr« und »Geist«, obgleich ihm auch die Vorstellung des Einflußes nicht fremd ist.


Die NO durch Lorber unterscheidet die »Wiedergeburt der Seele« von der »Wiedergeburt des Geistes«. Diese Differenzierung ist möglich, weil auch im Geistfunken eine Unterscheidung erkennbar ist. Das habe ich hier nicht ausgeführt, weil es das Verhältnis Swedenborg und Lorber nicht betrifft. Dennoch möchte ich abschließend wenigstens auf die Unterscheidung der beiden Wiedergeburten bei Lorber hinweisen, weil sie in gewisser Hinsicht auch bei Swedenborg auftaucht.


LORBER: »Dieser Wiedergeburt der Seele seid ihr alle nahe. Drüben in Meinem Reiche jedoch gibt es, wenn Ich aufgefahren sein werde, noch eine andere Wiedergeburt; das ist die des Geistes, die sodann in unauflöslicher Gemeinschaft mit Mir besteht.« (Ev XI.50).23) Die »Wiedergeburt der Seele« ist »ein Hindurchdringen des Geistes in die Seele.« (Ev XI.52). Aber das »gemeinschaftliche, ewige Zusammenwohnen Gottes mit Seinen Kindern ist die Wiedergeburt des Geistes.« (Ev XI.52).

23) Weitere Stellen zur »Wiedergeburt des Geistes«: »Aber bevor Ich aufgefahren sein werde, wird niemand die vollkommene Wiedergeburt des Geistes in seine Seele zu erlangen imstande sein, - aber nach Meiner Auffahrt ein jeder, der an Mich glauben und nach Meiner Lehre leben wird.« (Ev VI.158.13). »Um das aber möglichst zu verhüten, habe Ich nun den neuen Weg also angebahnt, daß Mein Geist, den Ich nun als einen Funken Meiner Vaterliebe in das Herz einer jeden Seele lege und gelegt habe, durch eure Liebe zu Mir, und daraus wahrhaft und tätig zum Nächsten, genährt werde, in eurer Seele wachse und nach Erreichung der rechten Größe und Kraft sich völlig mit der gebesserten Seele vereine und eins werde mit ihr, - welcher Akt dann die Wiedergeburt des Geistes heißen soll und auch heißen wird.« (Ev IV.220.8).


Wichtig im Blick auf Swedenborg ist, daß die Wiedergeburt des Geistes nur durch den schaubaren (= persönlichen) Gott möglich ist:


LORBER: Die Wiedergeburt des Geistes wird als »Gemeinschaft mit dem persönlich wirkenden Gottgeiste« (Ev XI.52) beschrieben. Im Hinblick auf diese Gemeinschaft heißt es weiter: »Ja, bis jetzt war das überhaupt noch nicht möglich, weil außer in Mir die Gottheit überhaupt noch nicht persönlich anschaubar vorhanden war!« (Ev XI.52). Erst im Zuge der Verherrlichung ist es möglich, »durch Anschauung der nun persönlichen Gottheit in ewiger Gemeinschaft mit Dieser zu leben« (Ev XI.52). Es ergibt sich also ein Zusammenhang zwischen Person, Anschauung und Gemeinschaft.


Auch für SWEDENBORG ist der schaubare Gott die Voraussetzung für die Verbindung mit Gott: »Aus diesem Grunde kam Er selbst in die Welt, um sich schaubar, zugänglich und verbindbar zu machen, was einzig und allein zu dem Zweck geschah, damit der Mensch gerettet werden könnte.« (WCR 538). »Bis jetzt wissen sie noch nicht, daß der eine Gott, der unschaubar ist, in die Welt kam und ein Menschliches annahm, nicht allein um die Menschen zu erlösen, sondern auch um schaubar und damit verbindbar zu werden« (WCR 786). Vgl. auch WCR 647.


Die Wiedergeburt der Seele vollzieht sich durch den Glauben und die Nächstenliebe. Denn bei Lorber heißt es: »Die Mittel, um zum Ziele [= Wiedergeburt der Seele] zu gelangen, heißen Glaube und wahre Liebe zum Nächsten.« (Ev XI.52). Es gibt also einen Zusammenhang zwischen dem Begriff »Wiedergeburt der Seele« bei Lorber und der von Swedenborg so sehr in den Mittelpunkt gestellten Verbindung von Glaube und Liebtätigkeit. Wenn sich zu dieser Einheit nun auch noch der Herr gesellt, dann ist im Sinne Lorbers die »Wiedergeburt des Geistes« und im Sinne Swedenborgs die Ganzheit von Gottesliebe, Nächstenliebe und Glaube erreicht.


SWEDENBORG: »Der Herr, die Nächstenliebe und der Glaube bilden ein Ganzes, ebenso wie das Leben, der Wille und der Verstand im Menschen; werden sie getrennt, so gehen sie alle drei zugrunde, wie eine Perle, die zu Staub zerfällt.« (WCR 362-367).


Außerdem kann die Wiedergeburt der Seele als Erleuchtung oder Weisheitserwachen beschrieben werden. Denn durch die Wiedergeburt der Seele wird diese fähig, »in alle höhere Weisheit der Himmel einzudringen« (Ex XI.52). »Viele Abgesandte Meines Geistes kamen zur Erde nieder und zeigten den verirrten Menschen die Wege, wie sie zum Frieden und zur innern Erleuchtung gelangen konnten« (Ev XI.52). »Diese Abgesandten lehrten aber vor allen Dingen das Versenken in das Innere des Geistes, so daß jeder, der in sich die Weisheit finden wollte, diese auch finden konnte; das ist aber, wie ihr wißt, die Wiedergeburt der Seele.« (Ev XI.52). Die Wiedergeburt des Geistes hingegen ist das Entflammen in der Gottesliebe. Die beiden Wiedergeburten lassen sich also im Liebe-Weisheit-Dualismus darstellen, d.h. in einer Sprache, die von Swedenborg bevorzugt wird.


(Mit Genehmigung des Verfassers / 11/18)