…Somit unterliegen wir der Beeinflussung durch gute Geister und auch Engel, aber auch durch noch unreife Geister, die nicht selten Wege suchen mit der Erdenwelt in Verbindung zu treten.



Offenbarung und Offenbarungen

Peter Keune


Da der Mensch aus sich selbst nichts über Gott wissen kann, muss Er sich den Menschen offenbaren. Dies war von alters her Praxis und die ganze Bibel ist ein Buch aufeinander folgender Offenbarungen Gottes. Der
Mensch ist so angelegt, dass er das Wort Gottes aufnehmen kann.

In der Urzeit des Goldenen Zeitalters war dies die Fähigkeit des „Innewerdens“ göttlicher Wahrheiten. Dieses unmittelbare Innewerden ging allerdings in Folge fortschreitender Verweltlichung immer mehr verloren und musste durch äußere Offenbarungen (vermittels Propheten) ersetzt werden, damit die geistige Verbindung mit den Himmeln erhalten blieb. Als gleichzeitige Bewohner zweier Welten (der irdischen und geistigen) sind wir ständig unbewusst für jenseitige Einflüsse geöffnet, da wir sonst nicht leben könnten (Swedenborg). Somit unterliegen wir der Beeinflussung durch gute Geister und auch Engel, aber auch durch noch unreife Geister, die nicht selten Wege suchen mit der Erdenwelt in Verbindung zu treten.

Das Kommen des Herrn als Mensch auf dieser Erde bedeutete für die Menschen das größte Licht - aber eben auch eine äußere Offenbarung. Dabei war es unbedingt nötig, dass Er als Menschensohn Seine Gottheit so verhüllte, dass diese nicht zwingend erkannt würde, um die Freiheit der noch (geistig) unwiedergeborenen Menschen in keiner Weise zu gefährden. Daher erschien Er äußerlich wie ein rein irdischer Mensch und konnte sogar von Seinen Gegnern (körperlich) getötet werden.*) Seine außerordentlichen Wundertaten wurden dadurch relativiert, dass in der Vorstellungswelt jener Zeit die römische und griechische Mythologie sehr verbreitet war. In dieser wandelten die Götter oftmals auf Erden und waren gerade so wie Menschen den Menschen nahe. Außerdem vollbrachten Magier zuhauf falsche Wunder, deren Echtheit oder Falschheit von dem Publikum meist nicht unterschieden werden konnte. All das trug dazu bei, dass die Menschen in ihrer Meinungsfreiheit unangetastet blieben. Dazu kam die Vorstellung vom Teufel, der nach allgemeiner Auffassung auch durch irdische Menschen Scheinwunder erzeugen konnte. Allerdings war die Fähigkeit des Innewerdens als seelische Anlage nicht gänzlich versiegt.**) Insofern konnte der Herr auf dem Weg der inneren Wahrnehmung von Seinen Jüngern und Anhängern (gemäß ihrer spirituellen Reife) Seinem Wesen nach durchaus erkannt werden.

*) Nach mohammedanischem Glauben konnte Jesus nicht Gott sein, sondern nur ein Prophet, weil man einen Gott nicht töten kann.
**) Denn durch die zunehmende Liebe zu Jesus wird das geistige Erkennen angeregt und damit kann die äußere und innere Offenbarung zusammen wirken.

Da Menschen in ihrer geistigen Entwicklung sehr unterschiedlich sind, müssen die an sie gerichteten Offenbarungen Gottes ihren Zuständen angepasst sein. Dies regelt sich durch innere Wahrnehmung nach dem Grad, wie der Mensch in der Gottes- und Nächstenliebe tätig wird. Zunächst werden Offenbarungen nur in Vater-Medien soweit von Menschen aufgenommen, wie sie ihrer innersten Liebe entsprechen. Die höheren, gewissermaßen über dem eigenen Horizont liegenden Sphären, können dann (noch) nicht erkannt werden.

Dies lässt sich bildlich mit einem Alpenpanorama vergleichen, wobei die verschiedenen Gipfelhöhen die unterschiedlichen Grade von Offenbarungen darstellen. Der Wanderer befindet sich gleichsam noch im Nebel, was seine über ihm liegenden Erkenntnis-Sphären betrifft, so wie wir auch die Zukunft nicht überblicken können. Aber er erfreut sich der Ausblicke aus seiner jeweilig gegenwärtigen Position, die für ihn natürlich die höchsten Erfahrungen darstellen. Die unterschiedlichen Höhen vom Kleinhügelland bis zu den höchsten Gipfeln entsprechen den Graden der Gotterkenntnis. Da sich in der jenseitigen Welt die Entwicklung der Geist-Menschen gemäß ihrem Zustand in Graden vollzieht und sie damit in voneinander separierten Gemeinschaften leben, besteht auch für jeden irdischen Menschen die Möglichkeit, geistig mit seiner ihm entsprechenden jenseitigen Sphäre in Verbindung zu sein. Dies führt dazu, dass wir auf Erden von vielen unterschiedlichen Lebenszuständen beeinflusst werden können, weil auch wir uns ständig verändern.

Bei den inneren Offenbarungen stellt sich die Frage, was echte Wahrheiten sind oder welche Botschaften sich nur als solche ausgeben. Denn viele Geister nehmen sich heraus, ihre Weisheit als göttlich zu „verkaufen. Dem ist zwar in der Regel ein Riegel vorgeschoben, aber mediale Menschen, die für Geistereinflüsse welcher Art auch immer offen sind und ihrerseits den Weg zur Geisterwelt suchen, finden dann in jenseitigen Geistern willkommene Offenbarungsquellen, allerdings aus deren eigener, mehr oder weniger unlauterer Sphäre. Nach Aussagen Swedenborgs lügen niedere Geister so gut wie immer.

In der gegenwärtigen Zeit ist demgegenüber insofern ein Novum eingetreten, als der Herr in einer bisher nie dagewesenen Weise die Zusammenhänge und Verhältnisse der ganzen Schöpfung mit allen Lebensverhältnissen, in die die Menschen gestellt sind, geoffenbart hat. Dafür hat Er einen hoch medialen Menschen erweckt (Jakob Lorber), der nach Aussagen Swedenborgs (wie auch manche andere) durch das innere Wort „eine redende Erleuchtung haben würde“.*) Jakob Lorber wurde ebenso wie Swedenborg zu einem Übermittler aus der geistigen in die natürliche Welt. Diese Großoffenbarung ist als persönliche Offenbarung Gottes im Ich-Stil gehalten und soll die ganze Menschheit, die fast vor einer Selbstvernichtung steht, aufrütteln. Aber aus besagten Gründen muss auch diese Offenbarung wieder so verhüllt werden, dass sie sich nur für geistig reife Menschen erkennen lässt, anderen gegenüber aber nicht als zwingend wirkt. Die Verhüllung besteht einerseits in einer dem Medium angepassten Sprache. Dadurch ist es immer möglich, den subjektiven Charakter der Offenbarung zu betonen. Außerdem gibt es in unserer Zeit besonders viele sogenannte Vater-Medien. Auch sie übermittlen, wie Lorber, ihr geistiges Gedankengut (von welcher Quelle auch immer) unter dem Namen des Vaters und vielleicht erreichen sie damit eine höhere Glaubwürdigkeit. Dies ist eine ähnlich notwendige Zulassung, wie die bereits geschilderten Vorstellungen griechisch-römischer Mythologien zur Zeit Jesu. Oder modern ausgedrückt, es ist ein Datenstrom riesigen Ausmaßes aus der geistigen in die natürliche Welt freigegeben mit der besonderen Absicht, dass Sich der Herr damit eine unauffällige Bahn zur Übermittlung bereite, ohne die noch unwiedergeborenen Menschen zum Glauben zu nötigen.

*) Swedenborg an den Prälaten Oetinger am 11. November 1766 auf die Frage, ob es heute noch Zeichen gebe: „Zeichen und Wunder werden heutzutage nicht gegeben, weil sie das Äußere nötigen, ohne das Innere zu überzeugen . . . Das Zeichen wird heutzutage die Erleuchtung und die daraus kommende Anerkennung und Aufnahme der Wahrheiten der Neuen Kirche sein. Bei einigen wird auch eine redende Erleuchtung gegeben werden und diese ist mehr als ein Zeichen. Doch vielleicht wird gleichwohl noch eines gegeben.“

Ein mächtiger Umstand der Verhüllung ist auch der Tatsache zuzuschreiben, dass der allgemeine Glaube an einen Schöpfergott fast erloschen und somit eine göttliche Offenbarung als solche nicht von allgemeinem Interesse ist oder sogar als ausgeschlossen gilt. So ist es auch zu verstehen, dass diese so unglaublich umfassenden und welterklärenden Ausführungen derart wenig Beachtung in der Öffentlichkeit finden. Denn jeder Einzelne muss sich zum Aufnehmen und Verstehen erst innerlich entwickeln und durch die Phasen der (geistigen) Wiedergeburt dahin geführt werden.

Der Schlüssel des Erkennens ist wie immer die Gottesliebe, die das Suchen ermöglichen und anregen muss. „Wer Mich liebt, wie eine zarte Braut ihren Bräutigam, mit dem werde Ich Arm in Arm wandeln . . .“ so heißt es am Beginn der „Haushaltung Gottes“, welche vom Herrn durch Jakob Lorber geoffenbart wurde.*)

*) Lorber Verlag, Bietigheim-Bissingen

Allerdings ist die bloße Anführung des Wortes Liebe“, auch wenn es oft genug gebraucht wird, kein Zeichen für göttliche Offenbarung. Denn auch falsche spirituelle Kundgaben schmücken sich gerne damit.

Bei jedem Menschen geht es letztlich um ein gelebtes Verhältnis, ähnlich wie die des Bräutigams zur Braut. Der auf diesem Weg schreitende Wanderer ahnt die höchsten Gipfel, um bei diesem Bild zu bleiben, und lässt sich bei seinem Aufstieg zielsicher durch sein liebendes Herz ziehen. Er sieht durch das zunehmende Licht in sich immer klarer und tritt aus dem Nebel der Täuschungen.

Dass bei diesem Weg alles auf den einen Herrn und ewigen Gott hinausläuft, der Selbst in der Gestalt Jesu uns allen nahe gekommen ist, bedarf keiner Erläuterung. Es ist die Grundlage der Neuoffenbarung des Herrn durch Jakob Lorber und der Offenbarung nach Emanuel Swedenborg.

Jede Offenbarung muss sich am Gottesbild messen lassen. Nach Lorber und Swedenborg ist Gott-Vater die ewige Liebe, Gott als Sohn Seine ewige Weisheit und der Heilige Geist Seine wirkende Kraft oder Sein unwandelbarer Wille. Eine Trennung dieser göttlichen Kräfte in unterschiedliche göttliche Personen ist ganz und gar unmöglich und falsch. Der Menschensohn war die menschliche Hülle, in der Gott Sein Erlösungswerk an den Menschen begonnen und vollendet hat.

(Mit Genehmigung des Verfassers aus: DAS PROGRAMM, Oktober bis Dezember 2018, Swedenborg-Zentrum Berlin)

Siehe auch linke Randspalte unter „Einführende Texte“, Thema „Echte und falsche Propheten“ sowie unter „Kritik an der Neuoffenbarung“, Thema „Auch jede echte Offenbarung enthält etwas Falsches“ (Wilfried Schlätz)