Es sei nochmals wiederholt, was die wichtigste Wahrheit auf dem Wege der Wiedergeburt ist: Dass wir alle Dinge der Welt für nichtig achten, Gott allein über alles lieben und diese Liebe auf unsere Mitmenschen übertragen sollen.



Anwendungen der Entsprechungslehre

am Beispiel von

Anfechtungen in der Wiedergeburt

 

Peter Keune

Nach einem freien Vortrag bearbeitet von Saskia Keune

 


Teil I:

Anfechtungen auf dem Wege zur Wiedergeburt,
dargestellt nach Emanuel Swedenborg

Teil II:

Anfechtungen in der Wiedergeburt, dargestellt nach Jakob Lorber: "Die Haushaltung Gottes", Band 2, Seite 387 ff


 

Teil I:

Anfechtungen auf dem Wege zur Wiedergeburt,
dargestellt nach Emanuel Swedenborg


Das Thema über die Anfechtung in der Wiedergeburt oder die Versuchungen, wie es bei Swedenborg heißt, ist für uns alle von großer Bedeutung.


Leider ist es nicht so, dass, wenn wir uns zum Herrn bekennen, damit alle Probleme aus dem Weg geräumt sind. Wir tragen den alten Adam weiter in uns und es dauert lange, bis wir aus diesen Banden befreit werden. Und dieses Befreien, das sind die Kämpfe und die Anfechtungen, die wir ein ganzes Leben lang durchzustehen haben. Bei Swedenborg heißt es, dass die Anfechtungen, oder die Versuchungen erst mit der Wiedergeburt beginnen. Um dies zu verdeutlichen, müssen wir zurückgehen auf den Ursprung der Dinge, nämlich auf Gott, der in Seiner Schöpfungsordnung Wesen aus sich herausgestellt hat. Er wollte Ebenbilder Seines eigenen Wesens schaffen und diese Ebenbilder sollten keine Roboter, sondern freie Kinder Seiner Liebe sein. Dabei musste Er als Schöpfer eine bestimmte Ordnung einhalten und diese Ordnung besagt, dass Er zwar alle Anlagen in Seine Geschöpfe hineinlegen kann, aber diese müssen selbsttätig von jedem einzelnen weiter entwickelt werden. Er hat in Seine Geschöpfe auch einen eigenen, freien Willen hineingelegt und ihnen Seine Göttliche Ordnung offenbart. Der freie Wille erst ist es, der die Ebenbildlichkeit des Geschöpfes zu Gott ausmacht, der in sich Selbst die vollste Freiheit ist. Dies schließt aber auch die Möglichkeit ein, dass sich das Geschöpf gegen die erkannte Ordnung Gottes stellt. Es kann sich zwischen den zwei Wegen entscheiden: Dem der Ordnung und dem der Widerordnung. Gott muss uns völlig frei lassen und zwar soweit, dass es den Anschein hat, als ob Er nicht mehr da wäre, damit wir frei sind und uns von Seiner Gegenwart nicht in unserem Denken und Tun genötigt fühlen. Wohl ist Er bemüht, uns zu leiten und zu führen. Wir können aber trotz dieser Führung von unserer Freiheit vollsten Gebrauch machen und gehen diesen oder jenen Weg, wie es unseren Neigungen, Wünschen und Erkenntnissen entspricht. So kommt es, dass wir uns meist nicht in, sondern mehr oder weniger außerhalb der Göttlichen Ordnung bewegen. Aus dem natürlichen Leben in der Welt, wie Swedenborg es ausdrückt, sollen wir jedoch allmählich zu einem geistigeren Leben in der Göttlichen Ordnung gelangen. Auch im natürlichen Zustand hat der Mensch gewisse „Anfechtungen“, aber anderer Art. Es sind eigentlich mehr Misshelligkeiten, die uns in der Welt begegnen, weil dieses oder jenes nicht nach unseren Vorstellungen geht, während die geistigen Anfechtungen mehr mit dem inneren Menschen zu tun haben; eigentlich sind es innere Angriffe auf unserem neu eingeschlagenen Weg.


Dies soll im Folgenden systematischer aufgeschlüsselt werden. Anfangs gehe ich kurz auf die entsprechenden Aussagen Swedenborgs ein und dann werde ich sie im zweiten Teil umkleiden mit Entsprechungsbildern, die uns der Herr durch Jakob Lorber gegeben hat. Diese Bilder finden wir in der „Haushaltung Gottes“ und sie bestätigen überzeugend die Lehre Swedenborgs. So sagt er beispielsweise, dass der Mensch nicht leben kann, wenn er nicht ständig mit der geistigen, jenseitigen Welt verbunden ist. Die Verbindung geschieht, indem jedem Menschen gute und böse Geister beigesellt sind. Sie fließen in Form von Gedanken und Anregungen ein. Der Mensch selbst aber hat die Freiheit, diesen oder jenen Gedanken aufzunehmen und ihm nachzugeben, denn er ist darin vom Herrn völlig freigestellt. Es ist den bösen Geistern vom Herrn verboten, vom Willen des Menschen Besitz zu ergreifen, wenngleich es auch „Besessenheiten“ gibt, die unter bestimmten Umständen zugelassen werden. Nichts wird aber im Normalfall vom Herrn mehr geachtet und mehr behütet als der freie Wille des Menschen. Böse Gedanken an sich schaden noch nicht, solange sie nicht mit unserem Willen verbunden sind. Der Mensch ist aufgrund der Gebote Gottes und der bürgerlichen Moralgesetze in der Lage zu unterscheiden, inwieweit er den negativen Gedanken nachgeben möchte oder nicht. Es fließt somit Wahres und Falsches aus der geistigen Welt in den Menschen ein und hält ihn im Gleichgewicht zwischen Gut und Böse. Im Allgemeinen ist es so, dass der natürliche Mensch, der den Weltverlockungen nachgegeben hat, zu denjenigen falschen Einflüsterungen neigt, die seinen anererbten und gelebten Neigungen entsprechen. In diesem Stadium wird noch alles Mögliche aufgenommen. Da ist noch ein „Kauderwelsch“ in uns und muss allmählich durch Anfechtungen und Versuchungen geordnet werden. Es werden, wie schon gesagt, vor der Wiedergeburt keine geistigen Versuchungen vom Herrn zugelassen, weil der Mensch ihnen erliegen würde. Das heißt, wenn die bösen Neigungen und falschen Gedanken Macht über uns gewönnen, wären wir ihnen schutzlos ausgeliefert. Wir hätten nichts entgegenzusetzen, denn die himmlische Lehre wäre uns dann noch keine Realität. Insofern wäre dies von vornherein ein ungleicher Kampf zwischen Gut und Böse in uns. Deswegen werden die destruktiven Gedanken (oder die höllischen Geister) weitgehend zurückgehalten, damit sie ihre Macht über den natürlichen Menschen nicht ungehindert ausüben können - es sei denn, der Mensch entscheidet sich ganz bewusst für den höllischen Weg. Normalerweise wird er aber so lange in einem Gleichgewicht der positiven und negativen Kräfte gehalten, bis er sich durch Begründungen und Taten für eine Richtung völlig ausgebildet hat. Während dieses Lebensprozesses arbeitet der Herr unablässig daran, das Himmlische im Menschen zu stärken, was als Kampf der polaren Gegensätze wie „Gut/Böse/Wahr/Falsch“ in Erscheinung tritt. Wir wissen, dass dies ein ganzes Leben andauert und in der geistigen Welt weitergeht. Das sind dann die Entwicklungsgrade, die ewig nie zu einem Abschluss kommen und die sich in aufsteigenden Vollendungsstufen bei dem werdenden Engel ausbilden.


Am Anfang der Wiedergeburt sind die groben Unreinheiten noch offensichtlich. Als erste Schritte beginnen wir unsere falschen Gedanken und bösen Neigungen zu bekämpfen.


Das ganze Innenleben ist ja Empfindungsleben, das Wahrnehmen der Gedanken und Gefühle wird im Laufe der Wiedergeburt immer intensiver und feinfühliger. Anfangs haben wir unsere äußeren Fehler erkannt und sie allmählich abgelegt. Aber dann kommen immer neue Schichten hoch. Der See erscheint erst klar, aber auf dem Grunde hat er noch viel Schlamm. Der Herr rührt diesen Schlamm auf, damit die Verunreinigungen erkannt werden und herausgeschafft werden können.


Swedenborg betont dabei, dass der Mensch aus sich selbst nichts vermag, sondern allein der Herr der Kämpfer ist, der das Böse im Menschen besiegt. Das geschieht nur dann, wenn wir uns zum Herrn wenden und Ihn um Seinen Beistand bitten. Wollen wir es aus uns selbst machen und wenden uns nicht an den Herrn, dann müssen wir unterliegen. Weil das so ist, ist der Mensch nur dann zur Wiedergeburt zugelassen, wenn er Glauben und Liebe zum Herrn hat. Unterläge der Mensch in den Versuchungen, wäre sein Zustand schlimmer als vorher, die Höllen hätten über das Gute gesiegt und gewisserart eine Landnahme in der Seelenwelt vorgenommen. Der Mensch wäre ein Stück zurückgeworfen und es bedürfte wieder großer Arbeit, ihn an die Ausgangsstelle zurückzubringen. Deshalb ist der Herr mit den Versuchungen sehr vorsichtig und lässt sie nur unter bestimmten Voraussetzungen über uns ergehen.


Nun wird schon mehr und mehr deutlich, warum Versuchungen sein müssen. Weil unsere Schwächen von uns erkannt und - wie aus uns selbst, eigentlich aber vom Herrn - ausgemerzt werden müssen! Aus der Verblendung unserer Eigenliebe würden wir unsere Schwächen nicht für voll nehmen und sie als banal und nicht weiter beachtenswert abtun.


Aber geistig gesehen kann jede Schwäche uns ohne göttliche Hilfe völlig einnehmen und zerstören. Deshalb beginnt der himmlische Vater uns das wahre Gesicht dieser sogenannten „Schwächen“ vor Augen zu führen und lässt durch diese Schwachstellen die falschen und bösen Gedanken der Geister in uns einfließen, um vermittels der nachfolgenden Anfechtungen und Versuchungen das Feld für den göttlichen Einfluss zu bereiten. Ziel ist, dass der Mensch das Böse und Falsche in sich erkennt, davon bewusst Abstand nimmt und für das Himmlische aufgeschlossen wird. Das kann er nur, indem er die Lehre kennt und weiß, was er zu tun hat.


Merkwürdig ist, dass wir in der Versuchung oder Anfechtung nicht mehr beten können. Warum? Weil dann die höllischen Geister eine gewisse Macht über uns haben, wir zwar wissen, was geschieht, aber nicht handeln können. Wir sind wie Ohnmächtige in diesem Kampf. Wir wissen in solchen Zuständen zwar genau, dass wir gerade jetzt zum Herrn beten müssten, können es aber nicht, weil wir einen förmlichen Widerwillen dagegen haben. Deshalb müssen wir, wann immer möglich, mit dem Herrn im Herzen verbunden sein, um in den eigentlichen Phasen der Versuchungen im Vertrauen auf Gott gestärkt zu sein. Wir müssen uns ganz dem Herrn zuwenden und Ihn bitten: „führe uns nicht in Versuchung“ - oder „führe uns in der Versuchung“, weil wir wissen, dass jeder Mensch versucht werden muss, damit er geistig gereinigt und vollendet werden kann.


Swedenborg sagt dazu: Der Herr führt niemals in Versuchung, sondern er lässt sie nur zu! Die Versuchung bewirken die bösen Geister. Aber er benutzt sie, um dem Menschen die Schwächen, die er hat, aufzuzeigen und ihn dann zu stärken, damit er sie überwinden kann. Ein weiterer interessanter Gesichtspunkt ist, dass die Anfechtungen in der Wiedergeburt im Grunde Versuchungen gegen den Herrn Selbst sind. Das heißt, gegen das Wahre des Göttlichen oder gegen die Lehre.


Nehmen wir das Beispiel wir befänden uns auf dem geistigen Weg und es kämen Menschen, die uns diesen ausreden wollten. Dies würde uns gar nicht so sehr anfechten, wenn es nicht gerade die liebsten Menschen wären, die uns unter Druck setzten. Nicht selten stellt ein Ehepartner den anderen vor die Entscheidung: entweder dieser Weg oder ich. Das ist eine schwere geistige Anfechtung, denn was macht der Mensch nun? Ist er so stark zu sagen, ich gebe mein äußeres Glück für Jesus? Die bösen Kräfte versuchen immer, einen Keil zwischen den Menschen und dem Himmlischen zu treiben, damit er von dem Weg, den er begonnen hat, abgeht und wieder das wird, was er war, nämlich Weltmensch und damit offen für die Eigen- und Weltliebe mit all ihren bösen Folgen. Deshalb muss man auf der Hut sein und sich Jesus auch im täglichen Leben ganz hingeben.


Ein Erkennungszeichen der Versuchung ist immer die Beängstigung, das Gefühl, im Glauben und in der inneren Verbindung zum Herrn nicht mehr fest zu stehen. Man beginnt zu zweifeln und mit diesen Bedenken geht auch die Angst einher, verdammt zu sein.

Dieser Gemütszustand kommt durch die negativen Geister, die in uns sind und die nun ihren Einfluss ausüben können. Böse Geister bewirken immer Angst, himmlische Geister Kraft, Zufriedenheit und Geborgenheit. Es gibt verschiedene Grade von Anfechtungen: eher einfacher Art, aber auch solche, die sich bis in körperliche Krankheiten steigern können.


Wie weit beim Einzelnen auch immer diese Anfechtungen zugelassen werden, es kommt doch nie so weit, dass jemand zwangsläufig versagen muss. Der Vater weiß um die Dosierungen. In den Anfechtungen geht es darum zu erkennen, wo die Schwächen liegen und dass sie überwunden werden müssen. Die Anfechtungen geistiger Art in Verbindung mit körperlichen Leiden sind die allerschwersten, die der Mensch durchzustehen hat.


Es wirken vielerlei Kräfte auf den Menschen ein. Von innen ist es der Herr vermittels Engel und guter Geister, der aber auch höllische Einflüsse zulässt. Von außen sind es die Einflüsse der Welt. Überwiegt meine Eigen- und Weltliebe, so sind auch die höllischen Geister in der Nähe und fließen ein. Dass sie nicht mit Gesundheit und großem Trost und innerer Festigkeit einfließen, sondern mit Unsicherheit, Angst und mit Falschem, ist ganz klar. In diesem Kraftfeld steht der Mensch und wird nach dieser und nach jener Seite beeinflusst. Wir müssen, um in der Wiedergeburt voranzuschreiten, uns von den negativen Kräften losreißen und den positiven Kräften zuwenden. Die Bezeichnung „positive Kraft“ klingt eher neutral und wird gerne in New Age Kreisen verwendet. Wir wissen aber, dass es nur eine positive Kraft gibt und die ist der Herr, unser himmlischer Vater Jesus Christus. Die Bezeichnung „Herr“ zeigt eher das Verhältnis Herr und Knecht an. In einem höheren Zustand der Wiedergeburt erkennen wir, dass Er ein Vater der Liebe ist. Dann können wir ein noch innigeres Verhältnis zu Ihm haben. Aber auch ein inniges Verhältnis befreit uns nicht von den Anfechtungen.


Swedenborg gibt nun folgende Dreiteilung: Wenn der Mensch in die Wiedergeburt eintritt, das heißt, wenn er erkennt, dass ein Gott ist und er sein Leben diesem Gott übergeben möchte, tritt ein Zustand der himmlischen Ruhe in ihm ein. Es ist das Gefühl endlich gefunden zu haben. Aber dieser Zustand bleibt nicht, sondern wird abgelöst von Anfechtungen. Der Vater sieht - wie schon ausgeführt - im Menschen dessen Schwächen und weiß, was alles heraus muss, damit dieser wahrhaft wiedergeboren wird. Deshalb lässt er nun den Kampf zu.


Dieser Prozess wird auch als die „Kriege Jehovas“ bezeichnet. Diese Kriege sind ein Kampf des Herrn gegen das Falsche und Böse im Menschen. Hier sehen wir schon, wer eigentlich der Kämpfer ist. Das heißt aber auch, dass Er diesen Krieg immer gewinnt, solange wir uns auf Seine Seite schlagen und uns Ihm ganz und gar hingeben. Nach jeder Versuchung tritt eine himmlische Freude in den Menschen, da, wenn sie bestanden ist, die himmlischen Geister wieder die Oberhand gewinnen und uns innerlich stärken.


Sind die Versuchungen insgesamt abgeschlossen, geht der Mensch über in einen bleibenden inneren Frieden und in eine himmlische Freude. Dies ist dann der himmlische Zustand, den der Herr verheißen hat. Aber bis zu diesem müssen wir alle vorangehenden Misshelligkeiten durchlaufen, unabhängig davon, ob sie schon auf der Erde abgeschlossen werden oder erst in der geistigen Welt. Wie lange es dauert, hängt von dem Ernst ab, mit dem wir den geistigen Weg gehen. Es kann beispielsweise Versuchungen geben, die ein neutrales Ergebnis haben, da sie zu keiner Änderung führen. Die Schwäche wird vielleicht in ihrer Bedeutung nicht erkannt und kann damit auch nicht behoben werden und es muss zu einer stärkeren Versuchung kommen. Auf der anderen Seite gibt es auch Menschen, die schneller vorwärtskommen, da ihre Seelen nicht so viel Ballast mitschleppen müssen.


Zusammenfassung nach Swedenborg:


Ohne Versuchungen kann der Mensch nicht wiedergeboren werden, denn die, welche wiedergeboren werden, werden zuerst in einen Zustand der Ruhe versetzt, dann in den der Versuchungen und schließlich in den der „Friedensruhe“, wo es dann endgültig keine Versuchungen mehr gibt.


Menschen, die nicht im Glauben und in der Liebe zu Gott und dem Nächsten sind, werden nicht zu den Versuchungen zugelassen, da sie ihnen von vornherein unterliegen würden. Nur wer in der Anerkennung des Wahren und Guten ist, das heißt also des Herrn, der das Wahre und Gute Selbst ist, wer Gewissen hat und in der Liebe lebt, kann versucht werden“. Deswegen sagt Swedenborg, „dass heutzutage wenige eine geistige Versuchung haben, wohl aber Bangigkeiten wegen gewisser Umstände in der Welt. Diese sind aber keine geistige Versuchung. Weil der Mensch, solange er in Versuchung ist, sich in einer Verdammnis wähnt, ist sein Zustand sehr niedergedrückt. Schwere Anfechtungen bestehen bei denen, die schon ein inneres Leben haben und ein geistiges Wahrnehmen“.

 

Die Versuchungen haben gute Folgen, sagt Swedenborg. Durch sie wird die geistige Herrschaft über den natürlichen Menschen erlangt. Das heißt, die Versuchungen, die uns begegnen, sind Schwächen des natürlichen Menschen und wenn sie positiv beendet werden, dann bewirkt dies eine Stärkung des geistigen Menschen über den natürlichen. Es werden dabei Gutes und Wahres verbunden und Falsches zerstreut und es werden Selbstliebe und Weltliebe gebrochen. Der Mensch wird gedemütigt, es wird Böses und Falsches beseitigt, aber nicht vernichtet. Der Herr vernichtet nie. Er hat die ewige Erhaltung aller Dinge im Auge und letztlich auch des Falschen und Bösen bei uns. Es wird zur Seite gestellt und im Laufe der Wiedergeburt umgewandelt.


Der Zustand nach der Versuchung, wenn der Mensch gesiegt hat, ist Freude aus Gutem und Wahrem, Erleuchtung aus dem Glauben und ein Innesein aus der Liebe. Innigkeit, Einsicht und Weisheit wächst in einem unermesslich. Der entscheidende Punkt ist, dass die erste Stelle nun das Gute einnimmt und die zweite das Wahre. Die Liebe ist dann das Vorherrschende unseres Wesens und die Weisheit steht an zweiter Stelle. Der Mensch wird nach den Versuchungen in die Engelsvereine aufgenommen und somit in den Himmel. Auch wenn er hier auf der Erde ist, ist er doch geistig mit den Himmeln verbunden.“


(Freie Zitate aus Emanuel Swedenborg: „Die wahre christliche Religion“, Abschnitte über die Wiedergeburt und Auszüge aus „Leben und Lehre“)

 


Teil II

Anfechtungen in der Wiedergeburt,

dargestellt nach Jakob Lorber: „Die Haushaltung Gottes“,

(Band 2, Seite 387 ff)


Ja, liebe Freunde, nach der kleinen Pause wollen wir wieder zur Ruhe kommen mit der Bitte zum Vater, dass Er innerlich wieder bei uns ist, denn wir können nur hören, wenn wir aus Ihm heraus hören und nur wahrhaftig sehen, wenn wir aus Ihm sehen. Das ist letztlich das ganze Geheimnis zur Erkenntnis, auch der Schriften des Herrn durch Jakob Lorber.


Die „Haushaltung Gottes“ ist das erste Werk, das Jakob Lorber schreiben durfte. Es zeigt die Grundzüge der geistigen und natürlichen Ordnung und der inneren und äußeren Kirche. Äußerlich gesehen ist dieses Buch ein Geschichtenbuch. Anfänglich wird man es auch äußerlich lesen. Je mehr man sich aber verinnerlicht, desto stärker erkennt man die tieferen geistigen Sinnebenen. Am Ende der „Haushaltung“ sagt der Herr Selbst: „Wer es nur lesen wird wie ein anderes märchenhaftes Geschichtsbuch, der wird eine sehr magere Ernte bekommen für seinen Geist!“ (3. Band, 365. Kapitel, Vers 21)*) Dieses Werk ist ein Buch voller geistiger Entsprechungen. Wir wollen sehen, was es uns zu dem Thema „Anfechtungen“ zu sagen hat.

*) Näheres über die "Haushaltung Gottes" ist meiner gleichnamigen Schrift zu entnehmen.


Darstellung eines Entsprechungsbildes:


In einer historisch erscheinenden Geschichte wird das veranschaulicht, was wir im ersten Teil vernommen haben.


Hauptpersonen sind der König Lamech aus der Tiefe und die Boten Gottes aus der Höhe. Lamech repräsentiert den Willen des äußeren, natürlichen oder auch gefallenen Menschen und die Boten der Höhe den inneren oder geistigen Menschen. Im Folgenden geht es also um die Auseinandersetzung zwischen diesen Ebenen in uns, die in der „Haushaltung Gottes“ bildlich vor Augen geführt werden. Es versteht sich damit von selbst, dass all jene Geschichten Darstellungen von Entwicklungsprozessen in uns sind. König Lamech repräsentiert, wie gesagt, als Herrscher seines Landes unseren Willen, so wie auch der Wille in uns tonangebend ist.


In der Vorgeschichte werden nun die Boten der Höhe vom Herrn in die Tiefe geschickt, um Lamech zu bekehren. Die Boten, als der geistige Mensch oder die geistige Einflusssphäre in uns, müssen sich den äußeren, natürlichen Menschen untertan machen, wogegen dieser sich anfangs heftig wehrt. In der Haushaltung Gottes wird dargelegt, wie Lamech nach langen Kämpfen zu Gott zurückfindet. In den folgenden Bildern spielen auch seine beiden Kinder eine wichtige Rolle. Er hat eine Tochter (Naeme) und einen Sohn (Thubalkain), seines Zeichens ein Meister des Bergwerkhandwerks, also ein Mann, der Erze aus den Bergen gewinnt und diese verarbeitet. Als „Sohn“ stellt er die Neigung zu den (hier: noch natürlichen) Wahrheiten dar. Jeder Mensch hat Neigungen nach Wahrheit und Erkenntnis. Anfangs sind es noch mehr die natürlichen Wahrheiten, z.B. Wissenschaften, die uns interessieren. Erst im Laufe der Entwicklung und der beginnenden Wiedergeburt vom natürlichen zum geistigen Menschen erkennen wir dann auch den Wert geistiger Wahrheiten und haben eine große Freude daran.


Lassen wir nun Thubalkain zu Wort kommen, der sich an den Boten der Höhe wendet: „Jetzt aber erwacht mein freier Wille und so bin ich kein genötigter Bekenner mehr alles dessen, was ihr uns schon gelehrt habt und sicher noch ferner lehren werdet, sondern jetzt will ich frei aus mir heraus, was ihr wollet aus dem allerheiligsten Willen des allmächtigen Gottes heraus! Daher lasset auch nun mich hingehen zum Throne und allda tun, was also erbaulichst nun mein Vater Lamech tut! Euer Wille in Gott geschehe!“ -


Kisehel, einer der Boten, der sich ganz besonders um die Heilung Lamechs und Thubalkains bemüht hatte, erwiderte: „Bruder, solches ist recht und billig von dir! Gehe hin und stärke dich für die kommende Versuchung; denn wem der heilige Vater durch ein Wunder hilft, den prüft Er dann auch stärker denn einen, der da allein durch das Wort zu Ihm bekehrt worden ist. Ich sage dir: Es muss zuvor alles durch das Feuer gehen, bis es sich Gott nahen kann im Herzen und im Geiste! Du bist zwar bekehrt und der Lamech ist es auch und das auf eine wunderbarste Art; aber in diesem Bekehrungszustand gleicht ihr noch einem Erze, das da roh in der Erde gefunden wird und gewisserart als ein Unrat desselben zu betrachten ist. Soll das Erz fest und brauchbar werden, so muss es durch das Feuer wandern. Siehe, also wirst auch du und der Lamech noch vorher müssen durch das Feuer wandern und vom selben ganz geschmolzen werden, bevor ihr die wahre Festigkeit im Glauben, in der Liebe und in der Treue zu Gott erlangen werdet! Darum also magst du wohl auch hingehen und dich mit deinem Vater stärken für jede möglicherweise kommende und auch sicher zu erwartende Prüfung von oben.' Diese Worte erschreckten den Thubalkain so sehr, dass er darob zu beben anfing und am Ende kaum die Frage stotternd herausbrachte: 'O Freund! Werde ich und der Vater Lamech denn müssen im Feuer verbrannt werden?‘ Und der Kisehel erwiderte: 'Oh, was Törichtes denkst du?! Nicht ein Funke wird euren Leib berühren; aber das Feuer eurer Liebe zu Gott wird euch müssen zuvor in allem eurem noch in euch verborgen haftenden Welttume verzehren! Alsdann erst werdet ihr euch, wie schon gesagt, Gott nahen können und alle eure Sünde wird dadurch von euch genommen werden also wie sie von mir genommen ward, da auch ich ein Sünder war vor Gott.“ (197. Kap., Vers 9-18)


Die erste Versuchung begann damit, dass Naeme, die ihrem Vater, dem früher überaus grausamen Tyrannen Lamech, auf die Höhe entflohen war, wie verzweifelnd zur Tür hineinstürzte, lange Zeit mit den Händen rang und mit der Stimme einer Verzweifelten rief: „Vater Lamech, du bist verraten und verloren! - Ich habe auf der Höhe alles vernommen, welche Falle man dir gelegt hat! Ich eilte darauf, mein Leben nicht achtend, von Löwen und Tigern und den Bewohnern der Berge verfolgt, um dir noch frühzeitig den verruchten Plan mitzuteilen. Allein, - ich kam zu spät! Denn, wie ich sehe, bist du schon eine Beute der schrecklichen Zauberer der Berge!“


Die Berge bezeichnen die Höhen, wo der Herr ist. Heute wird nicht selten gesagt: Wer Religion hat, ist verraten und verkauft, da diese nur falscher Zauber oder „Opium für das Volk“ ist. -


Fahren wir aber in unserer Geschichte fort. Naeme ruft verzweifelt weiter: „Aber hattest du in deiner Weisheit das nicht eingesehen, dass von den Bergen noch allzeit das Unheil zu uns und über uns gekommen ist und doch hast du dich diesmal so grausamlichst berücken lassen und ziehen in die schrecklichste Falle deines Verderbens?!‘ Hier wandte sie sich, erblickte den Thubalkain und tat einen heftigsten Schrei: 'Thubalkain, mein Bruder, mein Gemahl, - auch du ein Opfer des schändlichsten Verrates?!. - Ja, - auch du! - Jetzt ist alles verloren! Tötet mich, tötet mich, - damit ich nicht mit euch Zeugin sein muss von eurem schrecklichsten Untergange!‘ Hier verwandelte sich Lamechs Blick und der Thubalkain ballte vor erwachtem Grimme seine Fäuste und schrie endlich mit donnerähnlicher imme: ,Solche Jehovasboten seid ihr?! O ihr Auswürfe der Hölle! - Ja, - auf die Berge wollet ihr uns bringen, da ihr nach eurer Teufelswissenschaft unser hier nicht völlig Meister zu werden wähnet! Nein, nimmermehr! Dank dir, mein teures Weib, für diese Nachricht! Der Thubalkain wird sich solcher Büberei entgegenzusetzen wissen!‘ Der Lamech aber sagte zum Thubalkain: ,Mein Sohn, bevor wir handeln wollen, werden wir auch den andern Teil anhören! Daher beruhige dich; denn wer weiß, ob das nicht etwa eine Versuchung ist! Und so denn frage ich euch, ihr Boten, - wie verhält sich diese Sache?“ (199. Kapitel, Vers 16-25)


Entsprechungsmäßig interpretiert ist es der Versuch, bei aufsteigenden Zweifeln an den Wahrheiten aus der bisher als göttlich geglaubten Lehre, diese zu überprüfen, ob sie tatsächlich echt sind oder nur Täuschungen darstellen. - Aber nun weiter: „Und Kisehel sagte darauf zum Lamech, wie auch zum Thubalkain ,Gut, so ihr sie für die rechte Naeme haltet, so bleibet bei eurem Glauben! Die Berge aber werden dann wieder abgesperrt werden (die innere Verbindung zum Himmel wird wieder unterbrochen)*) und keiner von euch wird je die wahre Naeme zu sehen bekommen (die geistigen Wahrheiten werden euch wieder vorenthalten), der Tempelbau wird unterbleiben (die innere Verbindung zum Herrn wird nicht aufgebaut) und jene überheilige Tafel dort wird sogleich von mir selbst aus diesem eurem Hause geschafft und mitgenommen werden auf die Höhe (es handelt sich hier um eine goldene Tafel mit dem Namen Gottes. Der Name Gottes entspricht Seinem Wesen. Wenn wir Seinen Namen in Gold besitzen, heißt das soviel wie in der Liebe zu Jehova sein, aus Seiner Kraft nach Seiner Ordnung handelnd). Glaubet nun entweder uns - oder dieser Naeme! Wie ihr aber glaubet, also wird es euch auch geschehen! Nun stehen euch die Pforten des Lebens und des Todes in gleichem Maße offen: Bleiben wir bei euch, so bleibt das Leben auch bei euch; bleibt aber diese Naeme bei euch, so ist der ewige Tod euer unausbleiblicher Teil!“ (200. Kapitel, Vers 4-6).

*) Alle Anmerkungen in den Klammern sind vom Verfasser.


Man sieht, wie wir in der Versuchung in eine Lage gebracht werden, die uns vor eine Entscheidungssituation stellt: Entweder so oder so! Das ist so ganz eigentlich auch der Sinn der Versuchung. Wir müssen uns ganz bewusst für Gott entscheiden. Es darf kein Zufall sein, ob wir diesen oder jenen Weg gehen.


Lamech bedenkt sich also und will diese Naeme prüfen. Er will herausbekommen, wessen Geistes Kind sie ist. Das erste, was er nun von ihr verlangt, ist, dass sie die Tafel mit dem Namen des Herrn holen und ihm bringen soll. Und wir können uns vorstellen, dass einem bösen Geist so etwas völlig unmöglich ist.


Naeme windet sich vor Angst, kann den Namen des Herrn nicht anfassen und damit den Auftrag nicht erfüllen. Stattdessen wirft sie sich zu Boden und jammert und fleht, doch ja auf sie zu hören. Und da fordert der Lamech natürlich, nun etwas bestärkt durch die Warnung Kisehels, sie solle sich gefälligst aufrichten und ihr Antlitz zeigen. Wir wissen, das Antlitz ist der Spiegel der Seele. Oder mit anderen Worten: Lass mich dein Inneres schauen! Und, was geschieht? Sie sträubt sich zunächst, fügt sich zwar endlich, weil sie gezwungen wird, aber es entlarvt sich ein völlig anderes Gesicht. Heulend stürzt sie schließlich davon.


Was bedeutet nun dieser Vorgang? Wir sind auf unserem geistigen Weg durch die innere Liebe zum Herrn erhoben. Von Zeit zu Zeit tauchen Zweifel auf, ob dieser Weg der richtige ist. Die natürlichen Neigungen rebellieren gegen die Zustandsveränderung, sie werden nun sozusagen aufgestachelt. Wir haben zwar den guten Willen, aber welche Gedanken und Zweifel kommen uns in diesen Versuchungssituationen hoch? Wir können dann auch nicht unterscheiden, ob diese Gedanken wahr oder falsch sind. Nur durch die Überprüfung am Worte Gottes ist das möglich. Damals gab es noch kein geschriebenes Wort Gottes. Das kam erst später. Der Name Gottes auf der goldenen Tafel bildet hier das Wort Gottes vor und dieses konnte die falsche Naeme nicht ertragen, nicht einmal berühren.


Nach Beendigung dieser Versuchung herrschte große Freude. Swedenborg hat diesen Zustand beschrieben, der folgt, wenn der innere über den äußeren Menschen gesiegt hat. So unterhielten sie sich alle fröhlich miteinander über die Führungen Gottes und so manches, was sich an Wunderbarem zugetragen hatte und wie der Herr Seine Kinder belehrt über das ewige Leben des Geistes und wie die Liebe zu Gott im Herzen des Menschen einzig und allein das ewige Leben ausmacht. Das heißt, sie schwelgten gerade in einem Zustand, wo wir sagen würden, na, jetzt sind wir ganz mit dem Vater verbunden. Jetzt kann uns gar nichts mehr passieren.


Doch noch während dieses Hochgefühls schließt sich eine weitere, noch schwierigere Versuchungssituation an, die durch folgende Geschichte in der „Haushaltung Gottes“ dargestellt wird:


„. . . siehe, da entstand auf einmal in den Gassen der großen Stadt Hanoch ein gewaltiger Tumult! Gar bald vernahm man Stimmen und diese lauteten: ,Fluch dem Lamech, Fluch allem seinem Anhange! Tod und Verderben seinem ganzen Hause; denn er hat sich auf schändlichste Weise berücken lassen und hat uns alle verraten an diese Gebirgsbestien! Darum soll er sterben eher als wir! Schon entstürzen Scharen riesenhafter Streiter von allen Seiten her den Bergen; sie kommen, um uns zu vertilgen! - Ja, ja, um uns alle auszurotten, kommen sie erschrecklich herbei! Darum aber sollst du, elender Lamech, auch eher noch unter unseren Händen büßen, dieweil du uns also schändlichst in die Hände der Mörder überantwortet hast.“


- Hier haben wir die Reflexion der Zustandsveränderung, die im natürlichen Menschen aufsteigt. Der Wille hat eine neue Position eingenommen, nämlich zum Herrn. Aber Teile in uns, beispielsweise schlechte Gewohnheiten und festgefügte falsche Ansichten etc., lehnen das Neue noch ab und sehen die willensmäßige Hinwendung zum Religiösen als Verrat an. -


Deine Gebirgsleibwache soll dir nun wenig mehr helfen; vernichtet musst du sein samt deinem Anhange und samt deiner neuen Leibwache!‘ Auf solch eine löbliche Proklamation ward der Tumult noch stärker und eine große Menge von Rebellen fing an, in den Palast Lamechs mit Keulen und anderen Waffen zu dringen. Bald vernahm man ein starkes, vielfaches Traben, Schelten und Fluchen und Schlagen über die Treppen des Palastes; näher und näher drang solcher todbringende Tumult und Lärm. Der Lamech und der Thubalkain erschraken darüber so sehr, dass sie darob beinahe aller Besinnung ledig wurden; auch die Weiber und Mägde samt dem neuen Weibe Thubalkains - (bezeichnenderweise erhielt der Thubalkain vor seinen Versuchungen ein neues Weib, d.h. entsprechungsmäßig eine neue Liebe zu geistigen Wahrheiten) - erschraken so gewaltigst darüber, dass sie darob schrien und bebten. Der Kisehel aber sagte darauf mit starker Stimme zum Lamech: ,Bruder Lamech, was ist dir, darum du so dastehst und zagst wie einer, dem das Messer schon an die Kehle gelegt wäre? O du törichter Mensch! Hast du denn nicht erfahren, wieviel dir alle deine Macht, gegen mich gehalten, genützt hat?! Mussten nicht Hunderte vor unseren Blicken wie erstarrt ihre Waffen von sich werfen, mussten sich fügen unseren Worten?! So du die göttliche Kraft an uns also erfahren hast, wie magst du dich denn da so entsetzen vor diesem Tumulte?! Daher ermanne dich und sei heiteren Mutes! Lass die Rebellen erst heranrücken, und wenn sie dich samt uns werden im Ernste überwältigt haben, dann erst entsetze dich! Solange aber solches mitnichten der Fall ist, solange auch sei ruhig und vertraue auf Gott lebendigst; denn Seine Macht ist größer, denn die Macht aller blinden Rebellen der Erde! - Also ermannet ihr euch alle! Amen.‘ Nach dieser Rede fing der Lamech samt den übrigen wieder an, freier um sich zu blicken und sagte endlich: 'O Freunde! Zürnet mir nicht, darum ich mich in eurer Gegenwart so entsetzen mochte; es hat aber ja solch ein plötzlich entstandener Lärm schon an und für sich etwas Erschreckliches - und sicher Erschrecklicheres noch, so er begleitet ist mit solchen Drohungen!‘ Und der Kisehel erwidert ihm: ,Bruder, also erst gefällst du mir ganz; denn also bist du ein vollkommener Bruder zu mir! Siehe aber, die Rebellen kommen; mache dich daher auf, und ziehe allein gegen sie (unser Wille zum neuen Leben muss fest bleiben) und du sollst ihnen ein gewaltiger Sieger sein! Denn sie sollen nun vor dir wie Staub und Spreu auseinanderfliehen; und so denn erhebe dich! Amen.‘“ (203. Kapitel, Vers 1-16). Das heißt also, wir sind aufgerufen, in diesen Versuchungen zu kämpfen und mit unserem Willen gegenzuhalten. — „Es hatte aber der Kisehel kaum noch den Lamech darauf aufmerksam gemacht, dass er merken solle auf die Rebellen, wann sie zur Tür hereinbrechen würden, so waren sie auch schon da, in aller Wut entbrannt. Als der Lamech solche grimmsprühenden Gesichter sah und ihr furchtbares Geheul vernahm, da entsetzte er sich abermals so heftig, dass er darob bewusstlos auf den Boden dahinfiel und kaum noch während seines Hinstürzens ausrief: ,Wehe mir! Ich bin verloren!‘“


Hier wird im Bild aufgezeigt, dass wir während der eigentlichen Versuchung letztlich aus uns nichts tun können und der Herr allein für uns kämpft, wie es Swedenborg ausführte. — Hören wir aber weiter: „Nur der Thubalkain blieb diesmal standhaft, stellte sich der eindringenden Masse entgegen und schob sie kräftig zu mehreren Malen zurück. - Da sich aber die Masse durchaus nicht besiegen ließ, so fragte sie der Thubalkain ganz donnerernstlich und sagte: ,Was wollet ihr denn haben von uns? Warum dringet ihr also auf uns ein?‘ Und die Masse schrie: ,Nichts - als euch und euer verfluchtes, schändliches Leben!‘


Nach solcher Äußerung erhob der Thubalkain seine Hände, wie sein Herz, empor zu Gott und sprach: ,O du allmächtiger, gerechter, heiliger Gott, Vater und Schöpfer aller Dinge! Verleihe mir jetzt die rechte Kraft und Stärke, auf dass ich dadurch vermöchte, diese Ruhestörer wieder zur gerechten Ordnung zurücktreiben!‘“ (204. Kapitel, Vers 1-6)


- Das heißt mit anderen Worten, der äußere Mensch vermag wohl in seinem Denken zu reflektieren und sich zum himmlischen Vater zu wenden, obgleich der Wille wie gelähmt ist. In solchen Momenten rettet uns unser Denken aus dem Verstand, indem wir den Ernst der Situation erkennen und flehen: Jetzt musst Du mich retten! Komm, mein Gott und Vater, hilf mir! — Aber weiter mit der Darstellung: „Nach solchem gewaltigen Ausrufe trat alsbald der Kisehel an die Seite des Thubalkain und sprach zu ihm: 'Thubalkain, mein Bruder! Höre, der liebevollste, heilige Vater hat wohl vernommen dein Flehen und hat erhört deine Bitte! Darum sei voll Trostes und Mutes; denn bald wirst du die Kraft Gottes in uns und in dir erfahren! Nun aber ziehe aus gegen die argen Meuterer und schlage sie mit deinem Worte aufs Haupt! Amen!‘


Der Thubalkain aber hatte gar wohl gemerkt, wie die Kraft aus Gott über ihn gekommen ist; und so denn richtete er sich auf und sprach mit starker Stimme zu den Rebellen: 'Höret, ihr Meuterer an den heiligen Rechten Gottes! Gegen wen habt ihr euch entboten zu kämpfen? - Gegen GOTT ist euer böses Herz gerichtet; gegen IHN seid ihr mit Keulen, Spießen und Knitteln ausgezogen! O ihr armseligsten Kämpfer! Habt ihr je schon erfahren die Macht des allerhöchsten, allmächtigen Gottes? Ihr schreiet: Nein, was haben wir damit zu tun?! Wir wollen nur euch und euer Leben! Ich aber sage euch: Jetzt habet ihr es mit der Kraft und Macht Gottes zu tun; darum bedenket euch wohl, bevor ihr vollends eure Mordwerkzeuge gegen uns und über uns erhebet! Denn wahrlich, wahrlich, sage ich euch im Namen des allmächtigen Gottes, so ihr nicht alsbald euch umkehret, da wird es euch ergehen wie jemandem, der da gefallen wäre in den Trichter eines wütendst stark brennenden Berges; zu Staub und Asche soll der werden, der als erster wagen wird, seine Keule gegen uns zu erheben! Nun wisset ihr, gegen wen ihr zum Kampfe gezogen seid und was für ein Los euer harrt! Tuet nun, was ihr wollet, - ihr habt den freien Willen; nach der Tat aber wird auch genau euer Kampfpreis bemessen sein!‘


Nach diesen Worten fingen die Rebellen erst recht an zu toben und zu fluchen, so dass solcher Lärm den Lamech wieder erweckte. Als er aber wieder zu sich kam, da erst ergrimmte er über die Rebellen und schrie laut: ,Mächtige Brüder und Freunde! Vernichtet sie, diese Wüteriche gegen Gott!‘ Der Kisehel aber sagte ganz gelassen darauf zum Lamech: ,Bruder, ereifere dich nicht vergeblich; denn Gott ist nicht wie ein Mensch, dass Er möchte alsbald vernichten Seine Werke, - sondern das ewige Gesetz Seiner ewigen Ordnung lautet und heißt: Ewige Erhaltung aller geschaffenen Dinge! Diese aber haben nun vom Thubalkain ein Gesetz empfangen und solches wurde geheiligt von oben. Wer von ihnen dem zuwiderhandeln wird, der wird auch alsbald sein Gericht finden; daher magst du ja ruhig sein! Amen.‘ Ein Meuterer aber schwang alsbald seine Keule über den Kisehel; aber im Augenblicke ergriff ihn ein Feuer und verzehrte ihn im Angesicht aller zu Asche. Dieses machte alsbald alle die anderen stutzen und einer um den andern fing an, sich ganz bescheiden zurückzuziehen. Einige fluchten noch; andere aber ermahnten sie zur Reue. Und so hatte dieser Aufstand bald ein Ende und Ruhe trat wieder an seine Stelle.“ (204. Kapitel, Vers 7-20)


- Etwas später führt der Bote Kisehel aus: - „. . . Doch, glaubet es uns, solange wir Menschen dieses sterbliche Fleisch umhertragen, solange auch tragen wir unsere sich stets erneuernden Versuchungen umher und sind darum nicht sicher also, dass wir sagen könnten: Nun hat es ein Ende mit den Versuchungen! Ja, je mehr wir uns der Vollendung nähern, desto mehr werden wir auch stets gewahr, dass unser Fleisch, die Welt und der Ehrgeiz unseres fleischlichen Herzens dem lebendig wach werden wollenden Geiste stets neue Steine unter die Füße legen, damit er nur wieder fallen möchte zurück in seinen ursprünglichen Todeschlaf! - Allein, sollen wir darum etwa ängstlich und kleinmütig werden? O mitnichten, meine lieben Freunde und Brüder! Denn eben darinnen liegt ja die große erbarmende Liebe des heiligen, überguten Vaters in den Himmeln; denn durch solche Prüfungen werden wir ja fürs erste geweckt in unserem Geiste und sodann wach erhalten bis zur gerechten Zeit, in welcher dem Geiste ein neuer, ewiger Tag werden wird, an dem er von keinem Schlafe und somit auch von keiner Versuchung mehr belastet wird! Dieser glückliche Zustand wird einst nach dem Abfalle des Leibes sicher erfolgen, kann aber auch schon bei Leibesleben des Menschen gerechter Anteil werden, der da sich in allem den göttlichen Willen zur ausschließend alleinigen Richtschnur genommen hat. Wie aber kann solches geschehen? Auf die leichteste Art von der Welt! Man achte nur alle Welt für nichts, Gott aber allein über alles; man liebe nichts, was nur immer der Welt ist, sondern Gott allein über alles und erfasse aus dieser heiligen Liebe heraus alle seine Nebenmenschen als Brüder und Schwestern - und die ganze, schwer scheinende Lebensaufgabe ist völlig gelöst!“ (205. Kapitel, Vers 4-9) Soweit die sehr plastische Schilderung in der Haushaltung Gottes.


Wir können daraus lernen, dass man innerhalb der Versuchung zwar leicht ängstlich wird, aber andererseits auch weiß, was kommt! Insofern kann man seine Situation gedächtnismäßig beurteilen und sich wie in der Geschichte sagen: Der Herr kämpft für mich, wenn ich mich Ihm unterstelle und gegen Ihn können alle Höllen nichts ausrichten. Wir haben ja gesehen, Kisehel, der die Macht und Kraft des Herrn symbolisierte, kämpfte durch Thubalkain und gewann die Oberhand. Lamech, als der Wille des Menschen, war dieser Situation nicht gewachsen und wurde ohnmächtig. Wenn der Wille kampfunfähig ist, kann der Verstand immerhin über sein Gedächtniswissen (durch die Kenntnis der Lehre) Verbindung zum Herrn herstellen.


Später fragte der Lamech, warum ihm gerade das geschehen sei, wo er sich doch allen Ernstes zum Herrn bekehrt habe. Die Antwort haben wir schon gehört, weil nämlich die Anfechtungen Ansporn sind, den geistigen Weg gefestigter weiterzugehen. Alle, die wir hier sind, mich eingeschlossen, unterliegen diesen Anfechtungen. Ich kann nur sagen, dass sie immer diffiziler werden, indem wir zunehmend auch auf unsere innersten Regungen achten. Es müssen nicht immer so grobe Geschütze sein, wie sie die Rebellen mit den Keulen darstellen. Solange unser äußerer Mensch nicht ganz geläutert ist, wird immer noch eine Rotte übrigbleiben, die sich auf den Weg macht mit der Absicht, eine Umkehr zu erzwingen. Alle Neigungen, die der Eigen- und Weltliebe entspringen, bezwecken immer eine Willensumkehr vom Geistigen zum Weltlichen. Wenn man allerdings die Gefahr erkennt, ist sie eigentlich schon entlarvt und fast gebannt. Wir durchschauen die Dinge, die auf uns zukommen und erkennen, wer die echte und die falsche Naeme ist. Sie begehrt zwar Einlass und schreit, dass wir bei Gott in die falschen Hände gefallen sind, aber wir wissen es besser. Welche Stimme sie erhebt und wodurch sie wirkt, das ist bei jedem Menschen verschieden. Die Möglichkeit zur Prüfung hat uns der Herr durch Sein Wort gegeben. Wir haben die Wahrheiten, die mit dem Bösen und Falschen unvereinbar sind. Sie können nicht von diesen Kräften „angefasst“ werden, diese fliehen sie. Deshalb wissen wir nun, womit man ihnen entgegentreten kann.

 

Es sei nochmals wiederholt, was die wichtigste Wahrheit auf dem Wege der Wiedergeburt ist: Dass wir alle Dinge der Welt für nichtig achten, Gott allein über alles lieben und diese Liebe auf unsere Mitmenschen übertragen sollen. Das ist etwas, was uns schwer erscheint und doch leicht sein könnte. Ein bisschen hat unser Bruder Walter Floreani von solchen Kämpfen und Anfechtungen erzählt und auch davon, wie er von Gott durchströmt war und wie er das Gefühl hatte, mit dieser Kraft alles tun zu können. Und so müssen auch wir versuchen, in diesen inneren Zustand zu kommen. Der ist hauptsächlich in der Liebe zu finden, in der wir alles, was wir anzweifeln und mit dem wir Probleme haben, Gott übergeben können.


Ich will jetzt nicht darüber sprechen, ob man meditieren und wie lange man beten soll. Ob das nun sieben Viertelstunden sein müssen oder nicht. Das muss jeder selbst wissen. Ich bin keiner, der das in dieser Weise macht, weil meine Gedanken immer zu Jesus hingehen. Das ist die Verbindung, die ich habe. Ich habe mir von Kindheit an angewöhnt, wenn irgendeine Not ist, Ihn sofort zu rufen. Jesus ist der erste Gedanke und soll auch der letzte sein. Und ich hoffe, wenn ich in die geistige Welt gehe, dass Er auch dort wieder mein erster Gedanke sein wird. Solange ich hier lebe, möchte ich Jesus bekennen in der Liebe. Er gibt uns Liebe in dem Maße, wie wir es ertragen können. In dieser Liebe ist es manchmal schwer, die Welt nicht zu fliehen. Wir wissen aber, dass uns kein Einsiedlerleben zum Heil bringt und wir auch nichts Wunderbares verrichten müssen, sondern nur in Einfachheit und Demut aus Liebe dienen. Dann sind wir da, wo alle wahren Menschen sind und wo Jesus uns als liebender Vater Seiner Kinder haben will. -

 

(Mit Genehmigung des Verfassers / 4/18)