"Wenn ich dieses Zentrum Gottes als Urmensch leugne, lehne ich im Grunde diesen Jesus als wahren Gott ab. Jesus kann hier höchstens noch ein Engel sein!"


 

Über das Verhältnis

von Heiligkeit und Liebe in Gott

 

Wilfried Schlätz / Marianne Gies-Ruffing

 

 

1. Einführung

2. Das Verhältnis von Heiligkeit und Liebe in der Schöpfungs- und Menschheitsgeschichte

. Fall der Geister, Sündenfall

. Himmelsgaben: Der Sehr Schwache

. Die Taufe im Jordan

. Tabor

. Herberge des Lazarus

. Einschub: Das "Gotteszentrum" und "Gott als der ewige Urmensch" sind Schlüsselbegriffe

. Traum der Eudokia

. Gethsemane

. Kreuzestod

3. Zusammenfassung und Ausblick

 

 

1. Einführung

Eine gewisse Schwierigkeit im Lorberwerk ergibt sich daraus, dass viele Begriffe in unterschiedlichen Zusammenhängen eine unterschiedliche Bedeutung haben und daher leicht eine Begriffsverwirrung und damit eine Verwirrung des Gottesbildes entstehen kann, wenn man nicht genau hinschaut.

Was ist nun in den hier zu untersuchenden Texten jeweils genau mit „Heiligkeit“ und „Liebe“ gemeint, und wie ist ihre Beziehung zueinander?


In den ausgewählten Texten wird die unendliche Heiligkeit Gottes „Vater“ genannt und bezieht sich auf das unendliche, formlose, unbegrenzte Außenwesen Gottes. Gott in Seiner Allmacht, Unbegrenztheit, Unendlichkeit, Formlosigkeit, Heiligkeit können wir  in unserer menschlichen Begrenztheit nicht wirklich fassen und begreifen. (2HG 138,15)


Die unendliche Liebe Gottes wird hier „Sohn“ (1HG 9,26) genannt und bezieht sich auf das endliche, begrenzte Innenwesen Gottes, das personale Gotteszentrum. Die Begriffe „endlich“, „begrenzt“ sollen hier nur andeuten, dass Gott in seinem Zentrum von Ewigkeit Urmensch war und in und als Jesus für uns schaubar wurde. Nur Seinem unendlichen Außenwesen nach ist Gott formlos, unbegreifbar, unfassbar. Seinem Innenwesen nach aber ist Er von Ewigkeit her ein Mensch, der Urmensch. Nur als solchen können wir ihn fassen, so weit das menschenmöglich ist, und auch lieben. Dazu später mehr.

Für die hier zu untersuchenden Texte gilt also: Die unendliche Heiligkeit Gottes = „Vater“ = unendliches, formloses Außenwesen Gottes.
Die unendliche Liebe Gottes = „Sohn“ = endliches, begrenztes Innenwesen = personales Gotteszentrum, Urmensch. Beide zusammen bilden erst die Gesamtheit Gottes, der in Jesus seit der gegenwärtigen Schöpfungsperiode für uns schaubar und erlebbar wurde!
1HG 5,2: „Die Gottheit war von Ewigkeit her die alle Unendlichkeit der Unendlichkeit durchdringende Kraft und war und ist und wird ewig sein die Unendlichkeit Selbst. [Außenwesen] In der Mitte ihrer Tiefe war Ich von Ewigkeit die Liebe und das Leben Selbst in Ihr.“ [Innenwesen, Zentrum]
Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass sich die unendliche Heiligkeit selbst erst dann „Vater“ nennt, als ihre Geschöpfe gefallen waren, ihre Liebe aber sich der Gefallenen erbarmt hatte. Dann wird ihre Liebe auch zum „Sohn“. (1HG,5, 24 -26)

Es stellt sich die Frage: Wie ist nun die Beziehung zwischen Heiligkeit und Liebe in Gott? Ist dieses Verhältnis ein starres, unveränderbares? Gibt es einen unlösbaren Widerspruch zwischen der unendlichen Hoheit, Heiligkeit Gottes, die keine Auflehnung oder Beschmutzung ihrer Heiligkeit dulden darf, um die Ordnung nicht zu gefährden, und der alles verzeihenden, allerbarmenden Liebe?


Es soll im Verlauf des Aufsatzes gezeigt werden, dass Heiligkeit und Liebe in Gott kein starres, abgegrenztes Nebeneinander oder gar Gegeneinander bilden, sondern dass keine ohne die andere sein kann, dass sie untrennbar zusammengehören, dass sie sich gegenseitig ergänzen, stützen, befruchten und dass so letztlich in Gott auch eine Fortentwicklung, Vertiefung, Erweiterung stattfindet. Und diese Entwicklung geschieht auch durch die Beziehung mit seinen Geschöpfen, mit uns – seinen Kindern. (4GEJ 255,2-5)

In einem Ausblick soll abschließend auf die Frage eingegangen werden: Was bedeutet das alles für uns? Wie können wir die gewonnenen Erkenntnisse für unser Alltagsleben fruchtbar machen?


2. Das Verhältnis von Heiligkeit und Liebe in der Schöpfungs- und Menschheitsgeschichte

In entscheidenden Situationen, sowohl der Schöpfungsgeschichte als auch während des Erdenlebens Jesu hat die Liebe im Gotteszentrum (Sohn) immer mit ihrer Heiligkeit (Vater) gerungen. Was aber auch wieder zeigt, dass das unendliche Außenwesen Gottes, seine unendliche Macht, Kraft und Heiligkeit, und das personale Innenwesen, seine unendliche Liebe und Weisheit, untrennbar zusammengehören und nur wegen des besseren Verstehens vorübergehend getrennt betrachtet werden.
Beispiele sind: Fall der Geister, Sündenfall, die Taufe Jesu im Jordan, Tabor, Traum der Eudokia, Gethsemane und schließlich der Kreuzestod.


Fall der Geister, Sündenfall

In der Haushaltung Gottes lesen wir: Die Schöpfung entstand aus der Verbindung der Gottheit, dem unendlichen, formlosen Außenwesen Gottes (= „Vater“ = Kraft = Heiligkeit) mit ihrer Liebe, dem „endlichen“, menschlich geformten Innenwesen Gottes (= „Sohn“ = personales Gotteszentrum). Wir erfahren, wie die Liebe gestärkt wird mit der Kraft der Gottheit und wie die Liebe wiederum die Gottheit bestärkt.
„Und Gott sah in sich die große Herrlichkeit Seiner Liebe, und die Liebe ward gestärkt mit der Kraft der Gottheit, und so verband sich die Gottheit mit der Liebe ewiglich.“ (1HG 5,4)
„Da ging das Wort [der Liebe] in die Gottheit über und Sie ward überall Liebe. Und siehe, da sprach die Gottheit zum ersten Male: „Es werde!“ Und es ward ein Heer der Geister aus Gott frei.“ (1HG 5,7)


Aus dieser gegenseitigen Verbindung und Befruchtung von Heiligkeit und Liebe wurde die Schöpfung geboren. Ein Teil der ersten Geister (ein Siebtel) aber lehnte sich auf und wollte „sein wie Gott“. Dies rief den ersten scheinbaren Konflikt zwischen der Heiligkeit Gottes und seiner Liebe hervor.
„Und es dauerte die Liebe [„Sohn“, unendliche Liebe Gottes] der Verlorenen; aber die Gottheit [„Vater“, unendliche Heiligkeit Gottes] erbebte in ihrem Grimme.“ (1HG 5,21)


Die Heiligkeit kann nicht zulassen, dass die Ordnung verletzt werde.  Der Grimm der Gottheit wird zum Donner, aber er zerstört nicht, sondern wendet sich an seine Liebe, übergibt seiner Liebe die gesamte Macht und überlässt ihr das Weitere: “und der Donner ward in Ihr [der Gottheit] zum Worte und sprach: „Alle Macht sei Dir [Liebe] untertan; tue nach Deinem Gefallen und sprich „Es werde!“, und es wird sein!“(1HG 5,21)


Diese Hinwendung der Gottheit zu ihrer Liebe verändert und vertieft die Liebe und wird zur Erbarmung:
„Und siehe, die Liebe wurde gerührt bis ins Innerste, und es floss die erste Träne aus dem Auge der ewigen Liebe, und diese Träne floß aus dem Herzen der Gottheit [aus ihrem Zentrum!] und hieß und heißt und wird ewig heißen die Erbarmung [1HG 5,23] und milderte das Feuer des Grimmes Gottes.“(1HG 5,22f) „Und nun siehe: Dieser letzte Tropfen [der Erbarmung] ward geschaffen zur Erde.“ (1HG 5,26)

Gott erbarmte sich der Gefallenen und schuf die Erde, Gestirne, Planeten und den Menschen. Es kommt zum Sündenfall des ersten Menschenpaares, und wieder steht die Schöpfung in Gefahr, wieder kommt es zum innergöttlichen Konflikt. Die Liebe in Gott will die Geschöpfe retten, die Heiligkeit in Gott will alles zerstören, damit die Liebe sich wieder mit ihr verbinden solle, statt mit den Gefallenen (1HG 9,14), denn die Liebe hatte sich zu ihren reuevollen Kindern auf die Erde begeben und sich dadurch von ihrer Heiligkeit getrennt.
„Und die Zornflammen Gottes, des Unendlichen wälzten sich furchtbar durch alle endlosen Räume zur Erde hinab, auf welcher die große Liebe nun weilte bei ihren reuigen und trauernden gefallenen Kindern.“ (1HG  9,8)
„Und siehe, da gab es einen heißen Kampf zwischen der durch die Reue und Trauer der Geschaffenen sich wieder erbarmenden ewigen Liebe und zwischen der alles zerstören wollenden, ergrimmten Gottheit zur Sühnung ihrer unbestechbaren Heiligkeit“. (1HG 9,9)


Die „unbestechbare“ Heiligkeit Gottes („Vater“) verlangt die Aufrechterhaltung der gegebenen Ordnung, die „Zornflammen der ergrimmten Gottheit“ (1HG 9,10) sind im Begriff, ihre gesamte Schöpfung zu zerstören. Da aber tritt ihr ihre Liebe („Sohn“) mäßigend entgegen  und spricht:
„Großer, erhabener Gott, besänftige Deinen großen Zorn und lösche die vernichtenden Flammen Deines übergerechten Grimmes denn Deines [der Gottheit] Zornes Feuergrimm wird zerstören die Gerechten und wird vernichten die ewige Liebe in Dir und wird Dich Selbst gefangen nehmen in Deiner übergroßen Macht und Kraft der Heiligkeit“. (1HG 9,11)


Dieser Einwand genügt der Heiligkeit aber noch nicht. Sie fürchtet die Trennung von ihrer „schwach gewordenen Liebe“ (1 HG 9,14) und will daher ihre Schöpfung zerstören. Die Liebe muss mehr tun als nur argumentieren und appellieren. Sie muss selber eintreten und selber Genugtuung für die Taten der Gefallenen leisten:
„Und nun siehe und höre weiter, was die erbarmende Liebe da sprach und tat: [1HG 9, 17]
Großer, allmächtiger Gott aller Macht, aller Kraft und aller Heiligkeit! Ziehe zurück deinen großen Zorn und lösche aus das Feuer deines alles zerstörenden Grimmes, und höre in der Ruhe Deiner Heiligkeit die Worte Deiner ewigen Liebe, welche das alleinige Leben ist in Dir
[ …] und wolle nicht vernichten das Leben in ihr [der Liebe] und Dich [die Heiligkeit] durch Sie [die Liebe], sondern lasse Gnade für Recht ergehen, und lasse genugtun die Liebe Dir und fordere Sühnung für Deine verletzte und gekränkte Heiligkeit, und Deiner Liebe wird kein Opfer zu groß sein, das Du von ihr fordern möchtest zur ewigen Sühnung Deiner Heiligkeit!“ (1HG 9,18)
1HG 9,19: „Es dämpfte sich das Feuer
[…] Und die Liebe verstand den Donner Gottes, welcher heftig sprach: [9,20] „Ich will alle Schuld auf Dich legen […] und Du sollst tilgen die Schmach meiner Heiligkeit […], welche das ewige Band ist zwischen Mir und Dir.“

Diese ersten Kapitel der HG zeigen: Nicht nur die Heiligkeit Gottes setzt der Liebe einen Rahmen, wie oben gezeigt („unbestechbar“). Die Liebe ihrerseits begrenzt auch die Heiligkeit, die Allmacht, damit diese sich nicht selbst zerstört („übergerecht“, „übergroß“). Es ist eine gegenseitige Begrenzung und damit aber auch eine gegenseitige Stütze.


Die Liebe aber gibt sich ganz hin, kein Opfer ist ihr zu groß, denn sie weiß, dass die Heiligkeit Sühnung verlangt, damit die Ordnung in der Schöpfung erhalten bleibt.


Die Heiligkeit kann vergeben, weil die Liebe stark war. Sie muss aber auch vergeben, will sie ihre Liebe und damit sich selbst nicht verlieren. Hier zeigt sich aber auch, wie das Außenwesen Gottes in seiner unendlichen Macht, Kraft und Heiligkeit notwendig auf sein Innenwesen angewiesen ist. Würde Gott sein Zentrum, seine Liebe „als das alleinige Leben“ in ihm (1HG 9,18), vernichten, würde Gott sich selbst zerstören.     
Hier wird schon der Liebestod Jesu auf Golgatha vorbereitet.
Es wird auch deutlich, dass Liebe und Heiligkeit unzertrennlich zusammengehören. Der Begriff „ewiges Band“ (1HG 9,20) zeigt, dass es keine wirkliche Trennung zwischen Liebe und Heiligkeit bei Gott gibt. Gäbe es diese vollständige Trennung von Liebe und Heiligkeit in Gott, hätten wir im Grunde zwei Götter nebeneinander.

Die gedankliche Trennung zwischen dem Außenwesen Gottes (Heiligkeit) und seinem Innenwesen (Liebe, personales Gotteszentrum) hat bei manchem dazu geführt, dass er/sie den Gott des AT ablehnt, weil er angeblich ein Rache-, Straf- und Richtergott ohne jedes Erbarmen sei, während Jesus als der Liebegott des Neuen Testamentes angesehen wird, im Grunde ein Rückfall in die Zwei-Götter-Lehre: Der strenge „Vater“ bleibt oben, der liebende „Sohn“ kommt alleine auf die Erde.

1HG 9,24ff: „Als nun die ewige Liebe die Anforderungen annahm und dadurch schon im Voraus der großen Heiligkeit Gottes Genüge tat, da ließ die Gottheit […] ihren heiligen Willen vernehmen und sprach […] wie folgt: [25]: „Siehe, Deine große Barmherzigkeit ist in Mir aufgestiegen [26] „und siehe, daher will ich meine Gerichte zurückziehen […] und will den Schaden […] wieder gutmachen. Und außer mir kann niemand etwas gut machen, denn ich allein, da niemand gut ist, denn Ich, der heilige Vater denn das sei mein Name fürder ewiglich. Und Du, meine Liebe bist Mein Sohn; und die Heiligkeit, als das mächtig allwirkende Band der Kraft zwischen uns, sei der heilige Geist.“ (1HG 9,24 – 26)

Im Grunde ist dies die Darstellung einer Trinität, aber nicht in 3 Personen, sondern in 3 unterschiedlichen Aspekten der einen Gottheit („einpersönliche Dreieinigkeit“, Thomas Noack).    
Wir sehen aber auch: Erst wenn Gottes unantastbare Heiligkeit (Außenwesen) und Seine versöhnende Liebe (Innenwesen, Liebezentrum) zusammenkommen und daraus die alles wirkende Kraft (Heiliger Geist) ausströmt, ist die Gottheit vollkommen – und sie ist immer vollkommen! Die Liebe musste sich von der Heiligkeit trennen, als ihre Geschöpfe gefallen waren, um diese zu beschützen vor dem Grimm der Heiligkeit. Aber die Heiligkeit hat sich doch auch wieder gebeugt, sie wäre sonst alleine geblieben. Und sie ließ sich auch von der Liebe „erweichen“: „Siehe, Deine große Barmherzigkeit ist in Mir aufgestiegen“.
Mit der Anerkennung seiner Vaterschaft verändert sich eigentlich auch der Stellenwert seiner Heiligkeit. Sie ist nicht mehr nur unantastbar, nur außen, sie wird in die Beziehung mit hereingenommen, sie wird das Verbindungselement zwischen „Vater“ und „Sohn“. Die Liebe des „Sohnes“ strömt in den „Vater“ über („da niemand gut ist, denn Ich, der heilige Vater“), die Kraft der Heiligkeit des „Vaters“ kommt nun auch der Liebe, dem „Sohn“ zugute („Die Heiligkeit als das allmächtig wirkende Band zwischen uns“).

Wichtig: Der Herr bezeichnet sich hier zum ersten Mal selbst als Vater – in einem Augenblick, als seine Geschöpfe ungehorsam waren und sich gegen seine Gebote vergangen hatten. Welch ein Vorbild!!! An dieser Stelle wird eigentlich auch schon die „Heimkehr des verlorenen Sohnes“ (Luzifer) vorbereitet.

Mit der Erschaffung Seiner Geschöpfe und der Vertiefung seiner Liebe zur Erbarmung geht also eine Veränderung im Wesen Gottes einher. Die (scheinbare) Trennung zwischen dem formlosen, unendlich heiligen, allmächtigen, unerreichbaren Außenwesen der Gottheit und ihrem Innenwesen, der Liebe und Erbarmung, wird wie „aufgeweicht“. Durch die Erschaffung der Geschöpfe  und vor allem durch die erbarmende Liebe wird die Gottheit zum „Vater“, die Liebe zum „Sohn“ und die unendliche Heiligkeit, Hoheit, ist nun nicht mehr das Trennende, sondern wird zum Verbindungselement zwischen Außen – und Innenwesen, zwischen Gottheit und Gotteszentrum: „und die Heiligkeit als das allmächtig wirkende Band der Kraft zwischen uns“. (1HG 9,26)
Die Liebe hat die Heiligkeit von ihrer schweren Bürde der Unnahbarkeit, der Abgeschiedenheit erlöst, die Heiligkeit kann zum „Vater“ werden, ohne die unabdingbare Heiligkeit der Gottheit aufgeben zu müssen.

Schon die Betrachtung dieser wenigen Textstellen des ersten Offenbarungswerks des Herrn durch J.L. zeigt: Gott ist kein starres, statisches Wesen. Mit der Entwicklung Seiner Schöpfung verändert auch Er, der Schöpfer sich. Es gibt ein gegenseitiges Sich - Beeinflussen von Außen - und Innenwesen, von Heiligkeit und Liebe, von „Vater“ und „Sohn“, eine Vertiefung, menschlich gesprochen: fast „Verinnerlichung“. (4GEJ 252, Fliege 7,23)


Himmelsgaben: Der Sehr Schwache

Eine weitere wichtige Quelle für das Verhältnis von Liebe und Heiligkeit in Gott finden wir in den Himmelsgaben 3, S.75 ff: „Der Sehr Schwache“.
Hier wird in einzigartiger Weise und noch wesentlich tiefer als in der Haushaltung Gottes beschrieben, worin die Erlösung durch Jesus bestand und warum sie notwendig war.
Es stellte sich die Frage: Wie konnte sich die Liebe in Jesus von der Heiligkeit Gottes trennen?
„Ja, wie konntest Du [Jesus] zum größten Verächter der Heiligkeit Gottes werden? Ja, wie konntest Du alle großen und kleinen Sünden auf Dich nehmen vom Anfange der Welt bis ans Ende derselben, da Du doch die Liebe Gottes selbst warst, und der Vater in Dir, wie Du im Vater, und der Gott in Dir, wie Du in Gott?“
Der Herr sagt: „Sehet, die Welt war also tot in ihrer Bosheit und konnte sich somit unmöglich mehr selbst richten nach der unantastbaren Heiligkeit Gottes. Sie musste daher beständig aus der Barmliebe Gottes gerichtet
[geordnet] werden, als das wenigstens, was sie war; aber saget ihr selbst, wie ist ein gerichtetes Ding, ist es tot oder lebendig?“ (3HIGA, S.76,3)

Die Menschen waren vor der Erlösungstat bloß noch wie tote Automaten, die nur von der erbarmenden Liebe Gottes lebten, aber nicht wirklich frei waren.
Wir erfahren hier, dass es der Liebe nicht nur darum zu tun war, durch die Opfertat auf Golgatha der Heiligkeit Genüge zu tun, sondern dass sie sich in unfassbarer Liebe und Demut auch zu ihren Geschöpfen senkte, um aus „toten Automaten“ wieder lebendige, freie Menschen zu machen.
„Sehet, wie war es denn nun da zu tun, da Ich nur allein das Leben bin und das Leben habe in und aus Mir, um der beständig zu richtenden Welt ein wahres, freies und nicht bloß mechanisches Leben zu geben?“ (S.77,8)
„Sehet, da musste die Liebe sich trennen von Gott oder der urewigen heiligen Kraft, aus der sie ewig geboren ward und die Kraft Gottes ewig aus ihr. Also dieses ewige Leben aus sich selbst oder aus der urewigen Kraft Gottes musste einen Bruch machen mit Gott, musste sich nieder senken zur toten Welt und anziehen das Sterbliche derselben, damit das Sterbliche dadurch die Sterblichkeit verliere und wieder frei lebendig werde.“ (3HIGA, S.77,9)


Einen Bruch machen“ heißt: Die unendliche Liebe in Jesus musste freiwillig auf ihre Allmacht, ihre unendliche Kraft verzichten, in die tiefste Demut gehen, um den Rückweg frei zu machen, ohne die göttliche Ordnung zu verletzen.
Und diese Befreiung war nur möglich, wenn Gott auch wahrer Mensch wurde mit geschaffenem Leib, geschaffener Seele und menschlichem Geist. Das ist mit „anziehen das Sterbliche“ gemeint. Ein Teil-Mensch wäre eine Lüge gewesen, denn der Herr fordert von uns: „Folget mir nach“. Also musste er auch als Voll-Mensch uns vorausgehen.



Die Taufe im Jordan

Der Vater (die unendliche Heiligkeit Gottes) sprach bei der Taufe Jesu durch Johannes aus den Himmeln: „Du [Meine Liebe] bist mein lieber Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe.“ (Mark 1,11) Und bei Mark 9,7 heißt es: „Das ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören“.
Hier sieht man wieder, wie die Heiligkeit von der Liebe durchdrungen ist und sich selbst als Liebe versteht.
„Dies ist Mein geliebter Sohn, oder dies ist Mein Licht, Mein eigenes Urgrundsein [= Liebe], an Dem ich als die urewige wesenhafte Liebe Mein Wohlgefallen habe. Diesen sollet ihr hören.“ (1GEJ 6,3)
Johannes der Täufer bezeugt: „Dieser ist wahrhaft Gottes Sohn, das heißt das urewige eigentliche Grundsein Gottes in Gott!“ (1GEJ 6,5) Und dieses Grundsein ist die Liebe, die ihre Heiligkeit durchdrungen hat. (4GEJ 253,3-4)
Hier ist nicht nur Jesus als Mensch, sondern auch als Gott, Gotteszentrum, Liebezentrum angesprochen.


Tabor

In 3HIGA, S.268, 1 erfahren wir vom Herrn: „Meine Verklärung auf dem Berge Tabor wird von vielen als etwas Ergötzliches gelesen, aber von gar überaus wenigen verstanden.“ (3HIGA,268,1) „Die Ursache von solchem Unverstand aber liegt wie allzeit lediglich in der Welt und ihrer zerstückelten Dreieinigkeitslehre. Denn wer da nicht glaubt in der Fülle an den alleinigen Sohn [Gotteszentrum, Innenwesen, Liebezentrum], der da vollkommen Eins ist mit dem Vater [Außenwesen, Allmacht, Heiligkeit, Unendlichkeit], der in Ihm ist, wie Er im Vater, gleichwie der Geist im Menschen und der Mensch im Geiste, der den ganzen Menschen durchdringt und der eigentliche Mensch selbst ist, - der ist zertragen in seinem Gemüte und ist gleich einem trüben Wasser.“ (HIGA 3, 268, 2)
“Daher aber ertönt auch alsbald aus einer Wolke, die da ein Bild ist der allerhöchsten himmlische Erkenntnis: “Dieser allein ist mein geliebter Sohn, diesen allein müsst ihr hören!“ – was soviel heißt als: Dieser allein ist der einige Gott; nicht in drei, sondern in Ihm allein
[in der Liebe] müsst ihr wohnen, wollt ihr das ewige Leben haben!“ (3HIGA, 268,8)

Auch hier sehen wir wieder die Liebe = „Sohn“ als das Zentrum in Gott, als alles in allem. Die Liebe, der Gottessohn, hat sich aus Liebe zu uns mit dem Menschensohn umkleidet, damit wir ihn schauen und fassen können.


Herberge des Lazarus

Das stärkste Zeugnis für Jesus als wahrer geschaffener Gott und als wahrer geschaffener Mensch zugleich gibt der Herr seinen engsten Leuten in der Herberge des Lazarus auf dem Ölberg. Dort redet er Klartext zu den Reifsten:
„Ich bin, als nun ein Mensch im Fleische vor euch, der Sohn und bin niemals von einem anderen als nur von mir selbst gezeugt worden und bin eben darum mein höchsteigener Vater von Ewigkeit. Wo anders könnte da der Vater [Außenwesen] sein als nur im Sohne [Innenwesen, Gotteszentrum] und wo anders der Sohn als nur im Vater, also nur ein Gott und Vater in einer Person?“ (8GEJ 27,2)
„Ich, wie ihr mich nun als Gottmenschen unter euch sehet, bin mit meiner ganzen Urzentralwesenheit sicher vollkommen und ungeteilt unter euch hier in diesem Speisesaale auf dem Ölberg und befinde mich darum als ein wahrster Gott und Mensch zugleich nirgends anderswo
[…] aber durch die von mir ausgehende Kraft, die da ist der Heilige Geist, erfülle ich dennoch wirkend alle Himmel und den irdisch materiellen und endlosen Raum. Ich sehe da alles vom Größten bis zum Kleinsten, kenne alles, weiß um alles, verordne alles und schaffe, leite und regiere alles.“ (8 GEJ 27,4)


Der Herr bekennt dies vor seinen eigenen Jüngern, seinen jüdischen Freunden, wie Lazarus, vor Pharisäern, Römern, wie Agricola, vor indischen Magiern, Ägyptern, im Grunde vor allen Vertretern der damals bekannten Welt. Es erscheint wie ein Vorzeichen, wie ein tröstliches Versprechen für uns heute: „Kommet alle her zu Mir!“


Einschub: Das „Gotteszentrum“

und „Gott als der ewige Urmensch“ sind Schlüsselbegriffe

Schon die Alten grübelten über den Zusammenhang zwischen unendlicher und endlicher Wesenheit Gottes. Im großen Gespräch zwischen Jared und Abedam (Jehova) klärt der Herr auf: „Was ihr des Raumes Unendlichkeit [Außenwesen] benennet, ist der Geist Meines Willens, der von Ewigkeiten her eben diese endlose Räumlichkeit gestellt hatte und hat sie erfüllt allenthalben mit Wesen aller Art. Dieser Geist aber hat einen Mittelpunkt wesenhaft gestaltlich [Innenwesen, personales Gotteszentrum], in dem alle Macht dieses unendlichen Geistes vereinigt ist zu einem Wirken, und dieses Machtzentrum des unendlichen Gottgeisteswesens ist die Liebe als das Leben eben dieses Geistes; und diese Liebe bin Ich von Ewigkeit.“ (2HG 139,20)

In Seiner Unendlichkeit und Vollkommenheit ist Gott von niemandem erreichbar. Aber ER kann uns erreichen! Der hohe Abedam zu Jared in HG 2, 138, 3: „Da zwar ein jeder Geist stets vollkommener werden kann und Mir ähnlicher, aber Meine Vollkommenheit nie völlig erreichen kann, welche unendlich ist in allem, wer wird der [Vollkommenheit] je näher kommen in der Wahrheit und vollen Wirklichkeit?! [4] Wohl aber kann Ich Mich jedermann nahen und Mich also stellen, dass sich Mir jedermann nahen kann" [nämlich in der Menschenform!].


26. „Die Liebe allein ist der Maßstab für Meine Göttlichkeit, und mit keinem anderen Maßstabe bin Ich ermesslich; denn Ich bin wahrhaft ein unendlicher Gott. Was aber jedoch Meine räumliche Unendlichkeit betrifft, so ist diese nur eine für die Zeit bedingte Erscheinlichkeit, - im Geiste aber ist das nur die Machtvollkommenheit Meines Willens und Meiner Liebe und Weisheit; die gestaltliche Wesenheit aber ist eine und dieselbe, nach der ihr alle seid gemacht worden zu Meinen wesenhaften Ebenbildern!27.[...] „Niemand wird Mich je in einer anderen Form sehen, denn in der, in welcher ihr Mich jetzt alle sehet im Geiste! Amen.“


Eine schöne Parallele zu dieser Aussage finden wir in GS 1, Kap. 60.


1. “Da sieh einmal empor und betrachte diese von hier aus gar nieder stehende Sonne. In dieser Sonne bin Ich ureigentümlich vollkommen zu Hause. […] Sie [die Sonne] muß ewig in einem unzugänglichen Zentrum stehen, dem sich kein Wesen über die bestimmte Ordnung nahen kann; denn jede Annäherung über das bestimmte Maß würde jedem Wesen die völlige Vernichtung bringen.“ [14]
Diese Textstelle nahmen manche als Beweis, dass Gott unschaubar sei. Dabei wurde aber, wie leider so oft, der Kontext völlig außer Acht gelassen. Es heißt schon im folgenden Vers 15:
„Siehe nun, wenn ich aber Einer und Derselbe bin, wie Ich bin in der Sonne, und bin aber vor dir also, daß du dich Mir vollkommen nahen kannst, wie ein Bruder dem andern.“ [Und gleich darauf fährt der Herr fort:] 16. „Ferner, wie unvollkommen glücklich wärest du und Ich, wenn es Mir nicht möglich wäre, Mich selbst als Vater überall hin in Meiner ganzen Fülle persönlich wesenhaft zu versetzen, wo immer nur Meine Kinder sind.“ 17.[ …] “wie verwaist wären da Meine Kinder und wie allein dastehend wäre Ich Selbst mitten unter ihnen?“


Jesus ist der Vater, Er ist das Zentrum, Er hat Menschengestalt, auch, weil Er als Vater geschaut und geliebt sein will!
So bekennt auch der Apostel Johannes seinen Begleitern: GS 2,13, 2: „Ich sage euch: Jesus ist etwas so ungeheuer Großes, daß, so dieser Name ausgesprochen wird, die ganze Unendlichkeit von zu großer Ehrfurcht erbebt. Saget ihr: Gott, so nennt ihr zwar auch das allerhöchste Wesen; aber ihr nennt Es in Seiner Unendlichkeit, da es ist erfüllend das unendliche All und wirkt mit Seiner unendlichen Kraft von Ewigkeit zu Ewigkeit. Aber in dem Namen Jesus bezeichnet ihr das vollkommene, mächtige, wesenhafte Zentrum Gottes, oder noch deutlicher gesprochen: 3. Jesus ist der wahrhaftige, allereigentlichste, wesenhafte Gott als Mensch, aus dem erst alle Gottheit, welche die Unendlichkeit erfüllt, als der Geist Seiner unendlichen Macht, Kraft und Gewalt gleich den Strahlen aus der Sonne hervorgeht. – Jesus ist demnach der Inbegriff der gänzlichen Fülle der Gottheit oder: In Jesus wohnt die Gottheit in Ihrer allerunendlichsten Fülle wahrhaft körperlich wesenhaft“.


Die These, Gott sei nicht personifizierbar, da er nur eine ewige, unendliche, ungeschaffene und formlose Kraft sei, räumt dem Gotteszentrum als Urmensch („Mittelpunkt wesenhaft gestaltlich“, „diese Liebe bin Ich von Ewigkeit“) keinen Platz ein. Es wird bei dieser falschen Vorstellung nicht unterschieden zwischen dem formlosen unendlichen Außenwesen der Gottheit und dem inneren Gotteszentrum, das ein Mensch ist (Urmensch als Gestalt und Wesen) und nur deshalb als Mensch erscheinen und mit uns Menschen in Beziehung treten kann. Bedenken wir: Begreifen, fassen und vor allem lieben können wir Gott nur in seinem Innenwesen als Urmensch. Dieser ist das personale Zentrum der Gottheit. Gott wurde also nicht erst Mensch in Jesus, sondern Er war in seinem Innenwesen der ewige Urmensch von Anbeginn, allerdings für uns schaubar erst seit Seiner Inkarnation. 7GEJ 72,9: „Gott selbst aber ist der ewige Urgeist und der ewige Urmensch in Seinem Zentrum“. (Siehe auch: Zorel in  4GEJ 56,1, Gespräch zwischen Jared und Jehova in 2HG 138,9ff)


Eines der stärksten Zeugnisse, dass Gott nicht nur ein „Flammenmeer“, „ein Kraftfeld“, das „keine Form besitzt und namenlos ist“ (G. Kujoth in Bulletin International, Nr. 19) ist, sondern dass Er von Urbeginn an Menschengestalt hat und Seine Geschöpfe nach Seinem Vorbild geschaffen sind, haben wir schon zu Beginn der Haushaltung Gottes, denn der Herr will von Anfang an, dass wir Menschen unsere meist falschen Vorstellungen über Sein Wesen korrigieren. Er spricht zu Jakob Lorber:
„Du fragst mich, ob wohl überall auch Menschen seien, wie hier auf der Erde, die du bewohnst, und Ich sage dir: Ja, es gibt überall Menschen, die aus Meinen Eingeweiden hervorgehen und Mich erkennen nach der Art der Eingeweide; und die aus Meinen Händen hervorgehen und […] aus Meinen Füßen […] und […] aus  Meinem Kopfe […] und […] aus Meinen Haaren […] und […] aus Meinen Lenden; und überhaupt die aus allen und jeden Einzelteilen Meines Leibeswesens hervorgehen und Mich danach erkennen.“ (1HG,3,2)
„Aber die Menschen dieser Erde rief ich aus dem Zentrum Meines Herzens hervor und schuf sie vollkommen nach Meinem Ebenbilde, und sie sollen nicht nur Meine Geschöpfe, sondern Meine lieben Kinder sein, die Mich nicht als Gott und Schöpfer, sondern nur als ihren guten Vater erkennen sollen.“ (1HG 3,3)
Diese zentrale Aussage über Seine innere Wesenheit als Urmensch bekräftigt der Herr nachdrücklich durch die Nennung Seines Namens JEHOVA und ein zweifaches „Amen“. „Das sage Ich dir als einem schlechten, faulen Knechte. Amen. Ich Jehova, Amen.“ (1HG 3,20)
So lesen wir es auch schon im Alten Testament: „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn“. (1Mose 1,27; 1HG 138,26)
Wenn das Ab-Bild Menschengestalt hat, kann das Vor-Bild nicht nur ein formloses Wesen sein.
Viele weitere Stellen in den Lorberschriften beschreiben dieses Gotteszentrum als Urmensch (zum Beispiel: Erzengel Raphael: 7 GEJ, 72,9; Zorel: 4GEJ, 56,1; Mathael: 4GEJ, 255,1; Der Herr: 4GEJ, 255,2 und 4; 6GEJ, 88,3; SA 39,3; 1HG 5,2; Johannes: 2GS 13, 2 und 3; Gespräch zwischen dem Herrn und Jared: 1HG, 138,26 und 2HG, 139,20)

"Gotteszentrum“ und Gott als ewiger „Urmensch“ sind also unverzichtbare Schlüsselbegriffe.

Wenn der „Vater“ nur eine formlose, körperlose Unendlichkeit sein soll, ohne Zentrum, ohne menschliche Form, so kann er mit dem „Sohn“ niemals eine Einheit bilden.
Genau dies sagt der Herr in der Herberge am Ölberg:
„Wie aber kann da eine vollkommene, göttliche Verwandtschaft oder eine wesentliche Einheit zwischen einem Geiste ohne Leib und Form und einem Geiste mit Leib und Form bestehen? Kann von dem Sohne, der eine leibliche Person ist und, wie ihr sehet, einen Körper hat, gesagt werden, dass er in dem Vater sei, wenn der Vater keinen Leib, keine Gestalt und keine Form hat? Oder kann der leib-, gestalt- und formlose unendliche Vater im Sohne sein?“(8GEJ 26,13)

Wenn ich dieses Zentrum Gottes als Urmensch leugne, lehne ich im Grunde diesen Jesus als wahren Gott ab. Jesus kann hier höchstens noch ein Engel sein.


Traum der Eudokia

Ein weiteres herrliches Zeugnis vom wahren Wesen des Herrn, vom Hiersein in seiner ganzen Urzentralwesenheit schon als Kind, gibt uns Eudokia, eine griechische Sklavin und die 1. Frau des Cyrenius in der Jugend Jesu.
Erst bezeugt Jakobus, die „Kindsmagd“ Jesu: „Was ich von diesem Kinde nun weiß, so kann es unmöglich je irgend einen größeren und wahrhaftigeren Gott geben, wie dieses Kindlein.“ (JJ Kap 160,13)
Dann bestätigt es Eudokia:
[160,19]: „Bei diesen Worten trat, höchster Entzückung voll, die Eudokia aus ihrem Gemache […] und fiel vor der Wiege nieder und betete das Kindlein an: „Ja, - ja, Du allein bist es, und außer Dir ist keiner mehr. [21] Ich habe heute Nacht im Traume gesehen eine Sonne am Himmel, und die war leer und hatte wenig Licht. [22] Dann aber ersah ich auf der Erde dies Kindlein, und es glänzte wie tausend Sonnen, und von ihm aus ging ein mächtiger Strahl hin zu jener leeren Sonne [Gnadenthron] und erleuchtete sie durch und durch. [23] In diesem Strahle sah ich die Engel, die hier waren, auf- und abschweben, ihre Zahl war endlos, aber ihre Angesichter waren unablässig auf das Kindlein gerichtet! Ach, welch eine Herrlichkeit war das!“.

Hier wird man unwillkürlich an Psalm 8,3 erinnert: „Aus dem Mund der Kinder und Säuglinge schaffst Du Dir Lob.“
Und an das Weihnachtslied „Still, still, still, weil's Kindlein schlafen will“ mit der Zeile: „Gott hat den Himmelssaal verlassen“….

Dieses Licht des kleinen Kindleins in der Wiege, als wahrer Gott und wahrer Mensch erleuchtete sogar den Gnadenthron. Warum? Weil der Gnadenthron nur der Aufenthaltsort des Herrn ist, das göttliche Zentrum aber im Kindlein als wahrer Gott und Mensch!

Diese Textstelle könnte auf den ersten Blick einen gewissen Gegensatz zu einer Aussage in Kap. 60, 1GS sein, wo gesagt wird, dass Gott in seiner Sonne „ureigentümlich“ zuhause ist: „Da sieh einmal empor und betrachte diese von hier aus gar nieder stehende Sonne. In dieser Sonne bin ich ureigentümlich zu Hause. Diese Sonne befindet sich im ewigen unverrückbaren Zentrum meines göttlichen Seins.“ (1GS 60,1)


Man könnte daraus schließen, dass es einen unendlichen, unüberwindlichen Abstand zwischen Gott und uns Menschen gebe. Aber schauen wir genauer hin: Es muss immer unterschieden werden zwischen dem Gotteszentrum, das ein Mensch ist und in Jesus Christus schaubar wurde, und dem unendlichen, nicht schaubaren Außenwesen Gottes. Der Herr zu einem Zöllner: „Diese Gnadensonne aber ist nicht Gott selbst, sondern nur das  Auswirkende Seiner Liebe und Weisheit.“ (6GEJ 88,3)


Die Gnadensonne ist also nicht Gott selbst, sondern nur das „Auswirkende“ seiner Liebe und Weisheit – und diese Liebe und Weisheit ist Jesus als Gott und Mensch.


Da Gott vollständig als Gott in seinem ganzen Gotteszentrum (Liebe und Weisheit) zur Erde kam, kann er auch als „Kindlein in der Wiege“ „glänzen wie tausend Sonnen“ und die „leere Sonne“, die leer ist, weil er sich in seiner ganzen Urzentralwesenheit auf der Erde befindet, erleuchten.


Gethsemane

In Gethsemane stand Sein oder Nicht - Sein der ganzen Schöpfung auf Messers Schneide. Im Sehr Schwachen lesen wir (3HIGA, S.78f): [1] „Sehet […] so will ich euch auch ein wenig mit den Vorwürfen bekannt machen, die mir [der unendlichen Liebe] da notwendigerweise von der [unendlichen] Heiligkeit Gottes gemacht wurden, damit ihr etwas erfahret, was die Welt bis zur gegenwärtigen Minute noch nicht erfahren hat. – [12] Ihr wisst, dass alles, was da erschaffen wurde in der ganzen Unendlichkeit […] durch Mich [= die unendliche Liebe] gemacht und erschaffen wurde. Nun nehmt aber die böse gewordene Welt, die dadurch von der Heiligkeit Gottes immer verdammt ward, dass Ich [die Liebe] als der Hervorbringer solcher Verdammlichkeit somit auch von der Heiligkeit Gottes diesen Vorwurf notwendig teilen musste, da die Welt und alles, was in ihr ist, nicht durch sich, sondern durch Mich [die Liebe] einzig und allein ins Dasein gerufen wurde. Da also die Welt schnurgerade entgegen war der Heiligkeit Gottes, wie war hernach das Bestreben der Liebe, die solches hervorgerufen hatte, das die Heiligkeit Gottes verdammen musste, anders als ein selbstverdammliches? – Seht aller dieser Taten wegen musste Ich [die unendliche Liebe] verdammt sein vor der [unendlichen] Heiligkeit Gottes, weil die Taten selbst verdammt waren als Erscheinungen in der Welt, die aus Mir hervorgegangen ist. Was war da zu tun?
[13] Sehet, nur zwei Wege standen Mir offen, nämlich der Weg nach oben und der Weg nach unten, das heißt: Ich kehre zu Gott zurück, werde eins mit Ihm und vernichte durch die Kraft Seiner Heiligkeit alles das, was aus Mir hervorgegangen ist – oder aber – ich trenne Mich mit allem Vorwurf beladen [ ...] von Gott, belebe und heilige da meine Werke und tue in Meiner unendlichen Demütigung Genüge der ebenso unendlichen Heiligkeit Gottes. – Sehet, wenn ich nicht die ebenso unendliche Liebe selbst wäre, wie Gott die unendliche Heiligkeit selbst ist, so hätte ich freilich das erste getan. Allein Meine Liebe vermochte das Unaussprechliche aussprechlich zu machen, verleugnete ihre Heiligkeit und machte sich unheilig, da sie sich belastete mit aller Schuld, und somit auch mit des Todes schwerster Bürde.“

Hier sehen wir in vertiefter Weise, dass es ein (scheinbarer) Konflikt in Jehova, im Liebezentrum selber ist. Er, der Schöpfer aller Dinge aus Liebe hat seine Geschöpfe so geschaffen, dass sie frei sind, zu sündigen und sich so gegen seine Heiligkeit zu vergehen. Es demütigt sich aber die Liebe aufs Tiefste, verleugnet ihre Heiligkeit, trennt sich von ihrer Allmacht und rettet so ihre Schöpfung.

Im Garten Gethsemane erlebt Jesus seine dunkelste Stunde. Er erkennt, was auf ihn wartet. Seine Jünger lassen ihn allein und schlafen, und er (das Liebezentrum, Sohn) hat sich des Opfers wegen von seiner unendlichen Heiligkeit (Vater) getrennt, um durch die unendliche Selbstdemütigung auf Golgatha seine Geschöpfe zu retten. Nun ist er völlig alleine.
[14] „Allein, ihr wisst die Begebenheit, als ich in dem Garten Gethsemani an dem so genannten Ölberge zu Gott, von dem ich mich der Welt wegen getrennt habe, betete. Sehet, da erwachte erst vollends die große Blindheit Meiner Liebe und sah mit dem entsetzlichsten Grauen zwischen sich und Gott [der unendlichen Heiligkeit Gottes] die unendliche Kluft. Allda bereute Ich im Ernste, dass Ich Gott [die unendliche Heiligkeit] verließ und zum toten Werke meiner eitlen Lust Mich gewendet habe, - und damals stand die ganze Schöpfung in der großen Schwebe zwischen Sein und dem ewigen Nichtmehrsein. Denn entweder trinke ich den Kelch, so besteht die Welt und alles, was auf ihr ist – oder ich setze den Kelch zur Seite und die Welt und alles unter ihr wird zunichte in dem Augenblick, da Ich den Kelch zur Seite setze.“

Und nun erfahren wir etwas sehr Erstaunliches, nie Dagewesenes: Die Heiligkeit erbarmt sich der Liebe! Wir in unserem eng begrenzten Denken meinen ja doch, das Erbarmen sei nur in der Liebe Gottes zuhause, nicht in Seiner Heiligkeit. Dies zeigt aber auch, dass Heiligkeit und Liebe in Gott einander bedingen, beeinflussen, ergänzen und untrennbar miteinander verbunden sind:
[15] „Aber sehet, eben da, wo die Liebe und das Leben in der unendlichen Entfernung von Gott schwach geworden ist, da erbarmte sich Gott Seiner Liebe selbst, stärkte sie und gebot ihr, den vorgesetzten Kelch zu leeren und sprach insgeheim zu ihr: „Noch sind zwischen Mir und Dir die Extreme der Unendlichkeit nicht berührt; daher senke Dich hinab in die äußerste Tiefe des Todes, welcher ist die äußerste Grenze im Gegensatze zu Meiner Heiligkeit, damit ich Dich da wieder erfassen kann, da der ewige Kreis Meiner Heiligkeit sich schließt.“

Als die Liebe sehr schwach werden wollte, kam die Heiligkeit und hat ihre Liebe gestärkt, so dass die Liebe den bitteren Weg zu Ende gehen konnte. Das hat alles die Liebe getan, getrennt von ihrer Kraft und Heiligkeit, aber gestützt von ihr und gestärkt durch sie.
„Sehet, so ging ich dann geduldig diesem Ziele entgegen, allwo Ich in dieser unendlichen Entfernung von Gott [der Heiligkeit] am Kreuze ausrief: „Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen?“ – und ferner: „Es ist vollbracht!“ und „In Deine Hände [der Heiligkeit Gottes] empfehle ich Meine Seele“ – oder die Seele alles Lebens [= Liebe], oder die Seele, aus der alles, was da ist, hervorgegangen ist.“ [= Gotteszentrum]


Kreuzestod

Wenn Jesus am Kreuz ausrief: „Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen?“ (Mt 27,46), dann war dies zweifach gesprochen:
Einmal gesprochen vom geschaffenen Menschensohn, dem geschaffenen menschlichen Ich in Jesus. Er fühlte, wie Jehova sich vor ihm zurückzog.
Zum anderen rief die göttliche Liebe selbst, das ungeschaffene Liebezentrum Gottes. Mit „Gott“ meinte sie ihre  unendliche Heiligkeit, die sie verlassen habe.

Es ist vollbracht“.

Mit dem Opfertod Jesu sind zwei Dinge vollbracht. Einmal hat sich das menschliche Ich Jesu vergöttlicht und uns Menschen den Rückweg ins Vaterhaus freigemacht. Damit war die Einswerdung des Menschen Jesus mit dem ungeschaffenen Gotteszentrum erreicht. Zum anderen hat sich die unendliche Liebe in Gott durch ihre tiefste Demütigung wieder mit ihrer unendlichen Heiligkeit vereinigt. Tiefer, inniger und reicher, als es vorher der Fall war.


3. Zusammenfassung und Ausblick

Auf Golgatha hat der Herr bleibend seine Liebe mit seiner Heiligkeit versöhnt und der Menschheit den Rückweg ins Vaterhaus freigemacht, indem Er eine Brücke gebaut hat von der tiefsten Materie bis in den höchsten Himmel.


Durch die Betrachtung der Begriffe von Heiligkeit und Liebe durften wir einen tiefen, tief ergreifenden  Blick in das Innerste unseres Himmlischen Vaters tun. Es hat sich immer wieder gezeigt, dass Heiligkeit und Liebe erst den Gesamtgottesbegriff bilden, und dies vom Anfang der Schöpfung an. Diese beiden Eigenschaften stehen aber nicht unverbunden nebeneinander oder bilden gar unversöhnliche Gegensätze. Nein, sie ergänzen, stärken, befruchten einander, ohne den jeweils eigenen Wesenskern von Heiligkeit und Liebe beschädigen oder beherrschen zu wollen.
In Gott gibt es keinen Stillstand. Es ist ein lebendiges Hin- und Herschwingen und in diesem Dialog auch eine Fort - und Weiterentwicklung in Gott.

Was können wir aus dieser Betrachtung für unser Leben, unseren Alltag lernen?
Ein Beispiel ist die Beziehung zwischen Mann und Frau. Wo der eine schwach wird, kann der andere stützen.


Auch wir kennen ja Konflikte. Sei es in uns selbst oder in der Beziehung zu anderen.
Was beim Herrn die Heiligkeit ist, könnten wir bei uns als Ehrgefühl, als Sinn für Gerechtigkeit ansehen.
Wenn es uns gelingt, bei einem Konflikt die reine, selbstlose Liebe siegen zu lassen, können wir vielleicht erleben, dass unsere „Ehre“, die „Gerechtigkeit“ dabei gar nicht beschädigt werden, im Gegenteil: Sie können gereinigt und veredelt werden.
Vieles können wir noch für unsere eigenen Beziehungen fruchtbar machen. Die Entdeckerfreude wollen wir aber dem Leser nicht nehmen!

Eine große Hilfe dabei kann die Entsprechungslehre sein, wie sie von Peter und Saskia Keune  (Berlin), auch Thomas Noack (Schweiz) schon vielfach auf das Lorberwerk angewendet wurde.*)

 

*) Siehe linke Randspalte unter "Kommentare / Dokumentationen"


(Mit Genehmigung der Verfasser, 1/18)