Lazarus von Bethanien der Auferweckte Teil 2



34. Kapitel –

Die Ankunft in Bethanien.

[GEJ.11_034,01] Als wir uns nun Bethanien näherten, kam uns auch derselbe Knecht, der Mich bereits gesprochen hatte, entgegen und erzählte tränenden Auges, dass sein Herr bereits an demselben Tage, an dem er ausgesandt worden, gestorben sei und schon seit vier Tagen im Grabe ruhe.

[GEJ.11_034,02] Es war, zumal in Palästina, Sitte der Juden, einen Toten nie über Sonnenuntergang hinaus im Hause zu behalten, sondern sogleich nach festgestelltem Tode in die eigens hergerichteten Grabkammern niederzulegen, – eine Sitte, die durch die schnelle Verwesung ihre Berechtigung hatte.

[GEJ.11_034,03] Der Knecht eilte, nachdem er Mich getroffen hatte, in das nicht mehr sehr fern liegende Haus, um den Schwestern Meine Ankunft mitzuteilen, die nach damaliger Sitte von einem großen Bekannten- und Freundeskreis tagelang besucht wurden, um sie über die schmerzliche Trennung zu trösten und ihnen die nunmehrige Einsamkeit leichter zu machen; denn trauernde Weiber durften in der ersten Zeit das Haus gar nicht verlassen, sondern es forderte der Anstand der damaligen Zeit, dass sie möglichst sichtbar nur der Trauer lebten, die sich auch durch recht vieles Wehklagen bemerkbar machen musste.

[GEJ.11_034,04] Maria und Martha hatten, obgleich sie ja nicht frei waren von den eingefleischten Gebräuchen ihres Volkes, wenig Neigung zu dem bedrückenden Formelkram, zudem sie von dem geistigen Fortleben innigst überzeugt waren. Sie erwarteten sehnsüchtigst Mein Kommen, um den rechten Trost an Meinem Wort zu finden. Wenn auch der Gedanke, Ich würde ihnen den Bruder erwecken, nicht in ihren Seelen aufgestiegen war, so hofften sie aber doch, bei Mir Rat und Hilfe vor den sich sofort breitmachenden Pharisäern zu finden, die bereits mit lüsternen Augen das fette Erbe betrachteten und sich mit der Tempelwache schon eingefunden hatten, um sich das Erbe zu sichern.

[GEJ.11_034,05] Als der Knecht, der Mich zuerst gesprochen hatte, in das Haus trat, fand er zunächst Martha, welche in ihrer gewohnten Art sich des Hauswesens annahm und auch trotz ihrer Trauer, soweit es eben der anwesenden Juden wegen anging, dafür sorgte, dass alles in Ordnung verblieb wie bei Lebzeiten ihres Bruders, der bei der Verteilung der Arbeitskräfte stets eine mustergültige Ordnung und Übersicht der auf einem so großen Besitztum notwendigen Einrichtungen bewiesen hatte.

[GEJ.11_034,06] Ich war aber mit den Meinen noch nicht nahe zum Hause getreten, sondern befand Mich noch außerhalb des kleinen Ortes, um vorläufig noch kein Aufsehen zu erregen. Martha aber kam nun eilends uns entgegen, die wir eine kleine Rast am Wege hielten, und als sie Mich sah, stürzte sie laut weinend auf Mich zu.

[GEJ.11_034,07] Ich stärkte sie in ihrer Seele, und nun sprach sie zu Mir die bekannten Worte (Martha): „Herr, wärest Du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben!“

[GEJ.11_034,08] Damit meinte sie, es wäre Mir ein leichtes gewesen, ihn wieder gesund zu machen, wie so viele andere.

[GEJ.11_034,09] Darum setzte sie hinzu (Martha): „Denn ich weiß es noch sehr wohl, dass alles, um was Du Gott bittest, Dir von Ihm gegeben wird.“

[GEJ.11_034,10] Diese Worte waren aber nur eine Wiederholung der Meinen, da Ich öfter in Meinen Belehrungen gesagt hatte: ‚Um was der Sohn den Vater bittet, das wird Ihm gegeben!‘, – nicht aber waren diese Worte eine feste Überzeugung dessen, dass Ich Selbst der Vater sei, trotzdem doch so viele Beweise vorlagen, die den Mir Nächststehenden hätten schon längst gründlich die Augen öffnen müssen, wer in Mir lebte.

[GEJ.11_034,11] Ich sprach daher, um ihr Herz weiter dem Glauben und der Erkenntnis zu öffnen, mit großer Überzeugungskraft: „Dein Bruder wird auferstehen!“

[GEJ.11_034,12] Martha aber, wie auch ihre Schwester Maria hatten über den ihnen fast unüberwindlich scheinenden Schicksalsschlag eine solche Zagheit der Seele erhalten, dass nur die große Trübsal, in der sie sich befanden, vorläufig vor ihren Augen stand und der frühere feste Glaube zu Mir und Meiner Sendung völlig in den Hintergrund trat, – wie denn meistens die Menschen sich scheinbar recht stark im Glauben bekunden, solange die äußeren Lebensverhältnisse recht günstige sind, sofort aber wieder in Zagheit, ja Unglauben verfallen, sobald eine kleine Prüfung an sie herantritt, die sodann nach ihrer Meinung Gott hätte schon darum abwenden müssen, weil sie sich doch zu den Gläubigen zählen, – daher Gott geradezu die Verpflichtung habe, sie vor jedem Übel zu schützen.

[GEJ.11_034,13] Wie lange werden noch die unmündigen Kinder dem Lehrer Anweisungen zu geben sich erdreisten, wie er sie erziehen soll?! Ich, der Lehrer, erziehe aber Meine Kinder nicht, wie sie wollen, sondern wie es für sie zum Besten ist. –

[GEJ.11_034,14] Auch Martha, anstatt durch Meine Worte erweckt zu werden und sich zuerst den Bruder der Liebe, den gestorbenen Glauben zu erwecken, antwortete daher: „Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird in der Auferstehung am Jüngsten Tage!“

[GEJ.11_034,15] Antwortete Ich ihr: „Weißt du nicht, dass jeder Tag der ‚jüngste‘ ist, und dass Ich die Auferstehung und das Leben bin?! Wer aber an Mich glaubt, wird leben, auch wenn er leiblich stürbe. Wer aber da lebt und glaubt an Mich, der wird nimmermehr sterben. Wem aber Gewalt gegeben ist, die Seelen zu erwecken, damit sie in sich das wahrste und hellste und reinste Leben haben mögen, wie soll der da nicht die Leiber wieder beleben können, die doch erst von der Seele erschaffen werden?! – Glaubst du das?“

[GEJ.11_034,16] Sagte Martha, in der erst jetzt wieder ein Erinnerungsstrahl der früheren gehörten Totenerweckungen und damit die Hoffnung, Ich möchte hier ein Gleiches tun, erwachte, voll hoffnungsvoller Liebe zu Mir: „Herr, ja, ich glaube, dass Du bist Christus, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist, uns zu erlösen!“

[GEJ.11_034,17] Als sie das gesagt hatte, wollte sie vor Mir niederfallen. Ich aber verhinderte das und ermahnte sie, frohen Mutes zu sein und Maria herzusenden, selbst aber über das, was wir geredet hatten, zu schweigen.

[GEJ.11_034,18] Und Martha ging alsogleich, Meinem Wunsche zu willfahren.

35. Kapitel –

Der Herr und Maria.

[GEJ.11_035,01] Maria aber saß in dem Prunkzimmer, das in jedem jüdischen Hause vorhanden war, umgeben von den vielen Freunden und Bekannten des Lazarus, die ihr Trost zusprachen und die vielen Vorzüge des Verstorbenen rühmten. Maria verblieb in diesem Kreise um so lieber, als einige Pharisäer, die – wie bereits gesagt – sich hier ziemlich ungeniert als Herren gebärdeten, dadurch wenigstens von ihrer Person abgelenkt wurden und sich nicht mit allerhand bereits ziemlich frech vorgebrachten Anerbietungen ihr weiter nahen konnten.

[GEJ.11_035,02] Maria war, bevor sie Mich kennengelernt hatte, ein sehr lebensfrohes Geschöpf gewesen, das durch den Reichtum, den sie besaß, sich sorglos den Vergnügungen, die das damalige üppige Leben des Herodes Antipas heraufbeschworen hatte, hingab. Unabhängig war sie des Glaubens, unter dem Schutze ihres Bruders auch unverantwortlich zu sein gegenüber der Meinung der allerdings feilen Menge. Infolgedessen wurden ihr oftmals üble Erfahrungen zuteil, da sie den Glauben der Leichtfertigkeit bei den lüsternen Pharisäern erregt hatte.

[GEJ.11_035,03] Ihr früheres, mehr äußerliches Leben hatte sich jedoch völlig verinnerlicht und ihr den klaren Blick verliehen, Mich auch am meisten von ihren Geschwistern zu erkennen. Jetzt, nach dem Tode ihres Bruders, traten die Pharisäer um so unverschämter auf, da diese an eine wahre Umwandlung ihres Innern nicht glaubten und sogar Mich als den von Lazarus begünstigten Liebhaber auszuschreien versuchten und auch bereits hierüber, sowie über das Ausbleiben Meiner Wunderkraft, die doch den Freund hätte retten müssen, höhnische Bemerkungen gemacht hatten.

[GEJ.11_035,04] In dem Augenblick Meines Kommens waren die meisten Pharisäer nicht zugegen, sondern hatten sich nach der schon bekannten, dem Lazarus gehörigen Herberge am Ölberge begeben, um sich über die Pachtbedingungen zu orientieren. Diese Herberge war, wie bekannt, von den Pharisäern in Verruf gebracht worden, und sie berieten darüber, diese vor allen Dingen zu beanspruchen, da der Tempel nach Aufhebung des Makels mit derselben ein recht gutes Geschäft machen könnte, zumal sie früher der schönen Aussicht halber von den Juden als eine Art Vergnügungsort sehr besucht war.

[GEJ.11_035,05] Martha ging heimlich zu Maria, welche sich gerade etwas seitwärts von den anwesenden Juden hielt, und sagte ihr leise: „Der Meister ist da und ruft dich!“

[GEJ.11_035,06] Schnell fragte Maria, wo Ich sei, und Martha gab ihr auch darüber kurze und schnelle Auskunft. Als sie das gehört, stand Maria eilends auf und eilte hinaus.

[GEJ.11_035,07] Die Juden jedoch, als sie sahen, wie eilends sie sich entfernte, waren erst erstaunt; dann aber sagte Ephraim, ein Freund des Lazarus, der bereits seinen Vater genau gekannt hatte und auch Mich oftmals im Hause gesehen und gehört hatte, wodurch er so eine Art Halbgläubiger geworden war, der Mich mindestens für einen beachtenswerten Menschen, wenn auch nicht für den Messias hielt: „Sie geht gewisslich zum Grabe, um dort zu weinen und zu beten. Gehen wir, Freunde, sie aufzusuchen, damit sie in ihrem Schmerze sich nicht etwa ein Leid antue!“

[GEJ.11_035,08] Die übrigen Juden willigten ein, und so folgten sie langsam der dahin schreitenden Maria. Diese aber, als sie Mich in der Mitte der Meinen erblickte, eilte ungestüm auf Mich zu und fiel Mir laut weinend zu Füßen.

[GEJ.11_035,09] Schluchzend konnte sie in ihrem Schmerz und in ihrer Freude, Mich zu sehen, keine Worte finden, bis Ich sie liebevoll fragte: „Maria, warum weinst du? Weißt du nicht, dass dein Bruder lebt in Meinem Reiche?“

[GEJ.11_035,10] Schmerzvoll nickte sie mit dem Kopfe und wiederholte die Worte der Schwester (Maria): „Herr, wärest Du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben!“

[GEJ.11_035,11] Ich hob sie vom Boden auf und sprach: „Der Geist, der in Mir lebt, hätte, so ihr glaubtet, deinen Bruder auch schützen können, wenn Ich auch nicht anwesend war; aber ihr seid unmündige Kindlein und begreifet die Wege Gottes nicht!“

[GEJ.11_035,12] Unterdessen waren auch die Juden herangekommen, welche Maria gefolgt waren und eine Gesellschaft von etwa zwölf Personen ausmachten. Als diese sahen, wie Maria gar so heftig weinte und, von Mir gehalten, sich scheinbar nicht trösten lassen wollte, wurden auch sie tief ergriffen, ebenso wie die Meinen, welche dieser Szene beiwohnten, und auf beiden Seiten gab es reichlich Tränen des Mitgefühls.

[GEJ.11_035,13] Sagte nun Ephraim, der ein bereits ergrauter Mann war: „Meister, wie gar so grausam ist doch der Tod, der dieser den Hüter und besten Bruder von der Seite gerissen hat in der vollen Manneskraft! Warum musste nur so etwas geschehen?“

[GEJ.11_035,14] Und auch die andern Juden, die Mich und Mein Wort doch alle kannten – denn es waren das wahre Freunde des Lazarus, denen er bei Lebzeiten viel Gutes erwiesen hatte, und die ihm ein dankbares Herz entgegenbrachten, selbst aber arm waren –, stimmten dem Sprecher zu und haderten mit Gott. Maria aber fing an, um so heftiger zu weinen, und die Meinen sahen Mich mit Blicken an, die deutlich aussprachen, dass sie hier die Wege der Gottheit nicht begriffen.

[GEJ.11_035,15] Da erfasste Meine Seele eine tiefe Wehmut, dass in den Herzen derer, die Mir nun so lange zugehört und so viele herrliche Werke des in Mir wohnenden Gottesgeistes angesehen hatten, doch noch so wenig wahrhaft lebendigen Glaubens emporgewachsen sei. Und alle Kraft Meiner Seele als Menschensohn fasste sich zusammen in dem heißesten Wunsche, die Schlange, die da verhindere, dass die Kinder völlig klar sehen, gänzlich zu vernichten, damit der Lebensbaum in ihnen gedeihe und herrliche Früchte trage.

[GEJ.11_035,16] Diesen Vorgang in Mir bezeichnet der Evangelist mit den Worten: ‚Er ergrimmte im Geiste und betrübte sich selbst‘. Denn bevor Mein Leib nicht gestorben war, war, wie bei jedem Menschen, noch nicht die völlige Verschmelzung des Materiellen und Geistigen vor sich gegangen, sondern es forderte des Menschen Sohn ebenso sehr seine Rechte als Körpermensch wie jeder andere, war untertan den Bedürfnissen des Leibes wie auch den Seelenstimmungen, die nur durch den Glauben und festes Wollen sich aus Zweifeln zum Wissen emporhoben und so die völlige Einigung von Körper, Seele und Geist hervorriefen.

[GEJ.11_035,17] Von jenem Augenblick an, wo in dem einsamen Tal die Gottheit in Mir den letzten Versuch gemacht hatte, mit Luzifer zu rechten, trat auch der Menschensohn wieder mehr in den Vordergrund, der in Gethsemane schließlich alle Seelenängste und Vorkosten des Todes durchmachen musste, um alle Riegel des Todes, Unglaubens und Zweifels zu zerbrechen, unbeschadet der in ihm wohnenden allmächtigen Gottheit [des in ihm wohnenden allmächtigen Gotteszentrums], die mit einem Worte ihre Schöpfung hätte vernichten können, Sich aber Selbst tiefer als die niedrigste Kreatur demütigte, um sie zu retten. –

[GEJ.11_035,18] Diese Worte sind sehr notwendig, dass jeder sie wohl in sein Herz aufnehme und begreifen lerne, ansonst er nie verstehen wird, warum Ich ins Fleisch kam, litt und starb, und wodurch diese scheinbare Doppelnatur des Menschensohnes und Gottessohnes begründet wird.

36. Kapitel –

Die Auferweckung des Lazarus.

[GEJ.11_036,01] Ich fragte nun die Juden, da Maria noch immer weinend in Meinem Arme lag, um sie zu versuchen: „Wo habt ihr ihn hingelegt?“ Denn sie hätten wissen müssen, dass Mir der Ort wohlbekannt war.

[GEJ.11_036,02] Sie sprachen aber (die Juden): „Herr, komme und siehe es!“ und wandten sich, Mir den Weg zu zeigen.

[GEJ.11_036,03] Auch Maria trocknete die Tränen, entwand sich Meinem Arm und schritt voran, Mir den Weg zu zeigen.

[GEJ.11_036,04] Bedurfte der Kenner aller Wege wohl der Führer? – Und Mir gingen die Augen über.

[GEJ.11_036,05] Da sprachen die Juden untereinander: „Siehe, wie hat er ihn lieb gehabt!“

[GEJ.11_036,06] Notabene. Wüssten die Menschen, was in diesem Vorgang alles enthalten ist, und was in der geistigen Welt derselbe bedeutet, sie würden nie und nimmermehr zweifeln, dass Gott die alleinige Liebe ist!

[GEJ.11_036,07] Späteren Schreibern soll es aufbewahrt bleiben, wenn die Herzen noch empfänglicher und reiner geworden, diese innersten Herzensgeheimnisse des ewigen Gottesgeistes klarzulegen und in fassbaren Worten den gläubigen, kindlichen Gemütern darzustellen, damit sie erkennen, wie unendlich groß und unerschöpflich der Quell Meiner Liebe ist. Amen. –

[GEJ.11_036,08] Einige der Juden, die mit Ephraim gekommen waren, flüsterten nun unter sich, indem sie auf Meine Wundertat an jenem Blinden an der Straße nach Jericho hinwiesen: „Konnte der, der dem Blinden die Augen aufgetan hat, nicht schaffen, dass auch Lazarus nicht gestorben wäre?!“

[GEJ.11_036,09] Abermals erfasste Mich innerlich, da Mir alle diese Reden, wenn auch für die um Mich Stehenden unhörbar, dennoch klar hörbar waren, die tiefste Wehmut wegen des so wenig lebendigen Glaubens.

[GEJ.11_036,10] Und Ich wandte Mich an Meinen Jünger Johannes, der Mir zur Seite schritt und sagte zu ihm: „Johannes, wenn du berichtest über die Tat, die auszuführen Ich Mich jetzt zum Grabe begebe, so berichte auch über jene Zweifler, damit die Nachwelt ein deutliches Zeichen habe, wie wenig die Wunderwerke nützen, und dass alle Kraft nur im Worte lebt, das vom Glauben durchweht ist! Darum sollen aber auch in späteren Tagen die Meinen nur mit dieser schärfsten Waffe kämpfen; denn was da von Gott ist, sei untrügbar durch das innere, bleibende Wesen!“

[Aus dieser Stelle geht eindeutig hervor, dass der  noch lebende Lieblingsjünger und Apostel Johannes, mit dem hier Jesus sprach, eine andere Person ist als der verstorbene Lazarus, dessen Leiche schon stank!].

[GEJ.11_036,11] Wir kamen nun zum Grabe, das außerhalb Bethaniens auf einer freien Aussicht, umgeben von Ölbäumen und Büschen, in den Felsen vertieft eingehauen war. Lazarus hatte dasselbe bereits zu Lebzeiten herrichten lassen, weil es ihm früher ein Lieblingsgedanke war, inmitten seiner Besitzung zu ruhen und gleichsam auch nach dem Tode ein Schützer derselben zu sein. Dieses Grab, welches sogar jetzt noch vorhanden, keineswegs aber das den Fremden und Reisenden gezeigte ist, war nicht in der üblichen Art der jüdischen Gräber hergestellt, mit Vorkammer und Grabnische, sondern mehr nach Art der römischen Begräbnisstätten oder Kolumbarien.

[GEJ.11_036,12] Es war ein tiefer Gang in den Felsen gehauen, ziemlich hoch gewölbt, und an dessen Ende eine Vertiefung im Felsen, in die der Tote hineingelegt worden war, bedeckt von einem großen, viereckigen Stein, den fortzurollen ziemliche Mühe verursachte. Dieser Gang sollte rechts und links Nischen erhalten für die zukünftigen Gräber der Schwestern nach der Idee des Lazarus. Jedoch hatten diese nicht gewünscht, bereits zu Lebzeiten ihre einstigen Grabstätten kennen zu lernen, weswegen ihr Bruder dieses unterließ und ein Einzelgrab herstellte.

[GEJ.11_036,13] Als wir an diesem Grabe angelangt waren, sprach Ich zu einigen Knechten des Lazarus, welche beschäftigt waren, die Umgebung des Grabes herzurichten, und jetzt neugierig zusahen, was denn geschehen würde: „Hebet den Stein von dem Grabe ab!“

[GEJ.11_036,14] Ungläubig hörten diese den Ruf, und Martha, welche ihnen nicht zu verstehen gab, Meinem Befehl zu folgen, sagte zu Mir in besorgtem Ton: „Herr, er stinket schon; denn er ist vier Tage gelegen!“

[GEJ.11_036,15] Antwortete Ich ihr: „Martha, warum stellst du dich Meinem Wort entgegen? Habe Ich dir nicht gesagt, dass du die Herrlichkeit Gottes schauen wirst, so du glaubst?! – Tuet also, wie Ich euch gesagt habe!“

[GEJ.11_036,16] Da hoben sie mit großer Mühe den schweren Stein von dem Grabe, und also gleich entfernten sich die Arbeiter des gar so üblen Geruches wegen, der von dem Toten ausströmte. Es konnte daher auch niemand in nächster Nähe des Felsenganges bleiben, sondern die Mitfolgenden stellten sich seitwärts, verwundert und erwartungsvoll Meinem Beginnen zuschauend.

[GEJ.11_036,17] Ich aber stellte Mich an den Eingang des Felsenganges und sagte mit lauter Stimme: „Vater, Ich danke Dir, dass Du Mich, Deinen Sohn, erhört hast! Doch Ich weiß, dass Du Mich allzeit hörst; denn Deine Stimme lebt und tönt in Mir. Nicht um Meinetwillen, sondern um des Volkes willen, das umhersteht, sage Ich das, damit sie endlich völlig glauben und einsehen, Du habest Mich gesandt und Du lebest in Mir, wie Ich in Dir!“

[GEJ.11_036,18] Nach diesen Worten wandte Ich Mich zum Grabe und rief mit lauter Stimme: „Lazarus, komme heraus!“

[Mit Seiner Allmacht formte Jesus den Sauerstoff um zu allen anderen benötigten Elementen, Molekülen und Zellen um und erneuerte auf diese Weise eine jede verweste Zelle des Leichnams, so dass die Seele des Lazarus in einen völlig erneuerten und gesunden Leib zurück kehren konnte!]

[GEJ.11_036,19] Also gleich verschwand der üble Geruch, und der belebte Leichnam fing an, sich zu regen. Maria und Martha, die in ihrem Herzen gefühlt hatten, worauf Mein Beginnen beim Hinauswandern zum Grabe hinausging, jedoch den Zweifel des Gelingens in sich trugen – wie denn jeder immer lieber dann glaubt, wenn es sich um andere handelt, geht es aber um seine eigene Haut, weit schwergläubiger sich zeigt –, schrieen vor Freude laut auf und eilten hinein ins Grab.

[GEJ.11_036,20] Lazarus aber war völlig von den Leichentüchern eingehüllt, das Gesicht bedeckt von einem Schweißtuche. Er hatte sich erhoben und saß im Grabe wie einer, der vom tiefen Schlafe erwacht und seine Sinne noch nicht recht sammeln kann.

[GEJ.11_036,21] Ich sprach daher zu den Schwestern: „Löset ihm die Tücher auf und lasset ihn gehen!“

37. Kapitel –

Die Bekehrung vieler Juden.

[GEJ.11_037,01] Als dieses geschehen war, erkannte Mich Lazarus alsbald und eilte auf Mich zu. Sodann kniete er vor Mir nieder und rief laut aus: „Mein Herr und mein Gott!“

[GEJ.11_037,02] Ich aber hob ihn auf, drückte ihn an Meine Brust und sagte: „Lazarus, du hast den Tod durch Mich überwunden, – sorge, dass du dieses auch ohne Meine Hilfe könnest; denn wahrhaft frei ist der Mensch erst von allen Banden des Todes, wenn er aus sich heraus Meine Kraft an sich reißt und sodann als Sieger und Herrscher hervortritt aus der Grabeshöhle, in der seine Seele schlummerte! – Jetzt aber gehe hinein und stärke dich, damit dein Leib neue Kräfte sammle zum irdischen Leben!“

[GEJ.11_037,03] Lazarus sprach kein Wort weiter, sondern grüßte stumm und ging, gestützt von seinen Schwestern, langsam, angetan mit dem Grabgewande, dem Hause zu.

[GEJ.11_037,04] Alle anderen aber, die bei dieser Szene zugegen waren, wurden so von Staunen ergriffen, dass sie erst nach geraumer Zeit Worte fanden, dieses auszudrücken.

[GEJ.11_037,05] Namentlich die Juden, welche anfangs sich zweifelnd geäußert hatten über Meine Wunderkraft, sahen mit einer scheuen Furcht zu Mir herüber, so dass Ich zu ihnen sagte: „Fürchtet ihr euch vor Mir, da ihr sahet, dass Ich dem Tode gebieten kann? Sehet ihr denn nicht, dass Ich ein Herr des Lebens bin?! So ihr aber Den fürchtet, was soll dann geschehen, so ihr wüsstet, dass Ich den Tod als Begleiter mit Mir führe?! Habt ihr nicht alle Ursache zu jubeln? Was zaget ihr also?“

[GEJ.11_037,06] Sagte einer derselben, der schon früher für die andern einen Sprecher abgegeben hatte: „Herr, wir sehen nun wohl allerklarst ein, dass in Dir wahrhaft alle Kraft Gottes verkörpert ist; so wir das aber einsehen, sollen wir da nicht bangen, Dem gegenüberzustehen, dessen Hauch uns ins Leben gerufen, und der uns unserer vielen Sünden wegen eben wieder mit einem Hauche vernichten könnte? Denn siehe, wie gar so erbärmlich wir vor Dir sind und gar so unnütz in unserm Tun, das ist uns nun so recht klar geworden, nachdem unsere Augen die Werke Deiner Macht sehen durften! Wir bangen daher, wie wir vor Dir bestehen können!“

[GEJ.11_037,07] Sagte Ich: „So allein die Gerechtigkeit die einzige Eigenschaft Gottes wäre, wahrlich, ihr würdet nicht – und keiner dieser aller – vor Mir bestehen können; denn es ist kein Haar an euch, das nicht der Sünde und damit der Vernichtung verfallen wäre! Aber Gottes Liebe, Sanftmut und Barmherzigkeit ist ebenso unendlich, als da ist die Unendlichkeit des gesamten Weltenraumes, und daher vergisst Er auch nicht das geringste aller Geschöpfe, die Er jemals geschaffen hat.

[GEJ.11_037,08] Er aber will euch allen ein liebreichster Vater sein, – kein Gott, vor dessen Zorn ihr zittert und banget. Der Gott der Rache lebt nur in eurer Phantasie. Ihr habt Ihn erst dazu gemacht, weil nur ein rachsüchtiger, strenger Gott den Juden verehrungswürdig schien, weswegen auch von diesen auf die mannigfachen Strafgerichte so großes Gewicht gelegt wurde, die aber nie wahre Strafgerichte, sondern nur allein Folgen der Bosheit, Dummheit und Verstocktheit der Menschen waren.

[GEJ.11_037,09] Ich aber bin der Vater Selbst, der nun in Menschengestalt herabgekommen ist, den Menschen eine übergroße Liebe zu beweisen und ihnen die Pforten des Lebens zu öffnen, die sie sich selbst verrammelt haben. Was fürchtet ihr euch also, so ihr sehet, dass Ich die Pforten des Todes sprenge, damit das Leben in vollen Strömen einziehen kann?“

[GEJ.11_037,10] Sagte der Sprecher, der nun ganz zutraulich wurde und näher trat: „O Herr, wir fürchten uns auch nicht mehr! So Du uns annehmen wolltest, so würden wir gern ewiglich bei Dir bleiben!“

[GEJ.11_037,11] Sagte Ich: „Habt ihr schon jemals gehört, dass Ich jemand, der nach Mir verlangt hat, abgewiesen hätte? – Also kommet alle her zu Mir, damit Ich euch erquicke und nun völligst freimache von allen Banden des Todes!“

[GEJ.11_037,12] Nach diesen Worten eilten alle die so zaghaften Zuschauer zu Mir, und jeder suchte Meine Hände zu fassen oder Mein Gewand zu berühren. Dabei standen allen die Tränen in den Augen; denn sie wurden mächtig durchdrungen von Meinem Liebegeist, der ihnen die heftigste Sehnsucht nach Mir einflößte.

[GEJ.11_037,13] Ich ermahnte sie nun, sich zu fassen und mit Mir zu Lazarus zu gehen, der inzwischen das Haus erreicht hatte und von dem zahlreichen Gesinde seines Hauses anfangs wie ein Gespenst voller Furcht angestaunt, dann aber, nach den erklärenden Worten der Schwestern, mit größtem Jubel umringt wurde; denn Lazarus war ein sehr gerechter Mann, der von allen in seinem Hause sehr geliebt wurde. Durch seinen Tod war jedoch die Fortexistenz seiner Besitzungen sehr in Frage gestellt worden, da – wie schon erwähnt – Lazarus keine männlichen Erben hinterließ, so dass die vielen auf seinen Gütern beschäftigten Arbeiter, Mägde und Knechte um ihr ferneres Unterkommen und namentlich, wer ihr zukünftiger Herr sein würde, sehr besorgt waren. Jetzt war diese Sorge plötzlich eine überflüssige, und der Jubel war in zweifacher Hinsicht – des Lazarus wegen und der eigenen, freien Lebensaussicht wegen – ein äußerst freudiger.

[GEJ.11_037,14] Es ist leicht zu denken, wie Ich beim Betreten des Hauses, nachdem der erste Freudenrausch verflogen war, nun von allen bestürmt wurde, die Mich als den Retter aus schlimmer Not begrüßten. Ich nahm diese Danksagungen alle freundlichst entgegen und ermahnte die vor Freude geradezu Berauschten, ihren Dank dem Herrn darzubringen und Ihm zu danken, der im Menschensohne so Großes vollbringe. Ich musste dort also reden, weil viele von ihnen noch lange nicht reif dazu waren, zu wissen, dass Ich Selbst der Herr sei, dem ihr Dank zu gelten habe.

[GEJ.11_037,15] Es wurde von Lazarus, der sich inzwischen mit Speise und Trank gestärkt hatte und nun so frisch und munter wie jemals war, der Befehl zu einem großen Festmahl gegeben, das nach jüdischer Sitte bei keiner irgendwie frohen Gelegenheit fehlen durfte. Er bat Mich, dass Ich dasselbe mit den Seinen teilen möchte und fragte Mich, ob er auch seine Nachbarn dazu entbieten dürfe, die noch nicht zugegen waren. Ich gestattete ihm das gern; denn es war nach Meinem Willen, dass diese Tat in den weitesten Kreisen bekannt werde, da jetzt der letzte und größte Fischzug für Mein Reich eingeleitet werden sollte.

38. Kapitel –

Der Plan der Pharisäer.

[GEJ.11_038,01] Einige der Juden, die zu des Lazarus Freunden gehörten und sich über das unverschämte Auftreten der Pharisäer am meisten geärgert hatten, waren nun zu der Herberge auf dem Ölberg gegangen, wo sie die Pharisäer noch wussten, weil sie sich die geheime Schadenfreude nicht versagen wollten, diesen hungrigen Wölfen den fetten Bissen selbst aus dem Rachen zu ziehen. Man kann sich leicht denken, mit welchem Schrecken und Unglauben die Nachricht von diesen aufgenommen wurde, welche gerade in dem Gefühl schwelgten, schon Besitzer der Herberge zu sein, und mit dem ob dieser Aussicht sehr betrübten Wirte sehr herrisch verfuhren, sich auch sogleich den besten Wein hatten geben und ganz ungewohntermaßen auch die Schergen der Tempelwache hatten reichlich bewirten lassen. Die ganze Gesellschaft war bereits in recht weinseliger, fröhlichster Stimmung, als die Juden eintraten und mit ihrer Nachricht die schon etwas stark umnebelten Köpfe sehr ernüchterten.

[GEJ.11_038,02] Als sie nun hörten, dass Ich zugegen sei, meinten sie, nachdem sie sich zu einer Beratung zurückgezogen, es würde wohl in Bethanien ein großartiger essäischer Betrug von Mir ins Werk gesetzt, irgendein dem Lazarus sehr ähnlicher Mensch untergeschoben worden sein, damit der Tempel um seinen Anteil betrogen werde. Ich sei ja stets ein gemeinsamer Liebhaber der zwei Schwestern gewesen und würde natürlich alles versuchen, Meinen Geliebten dienstbar zu sein.

[GEJ.11_038,03] An die wahre Auferweckung glaubten sie keinesfalls. [Genau so wie die ev. Religionswissenschaftlerin in Frage (1.)] Und so war ihre nächste Sorge, wie sie Mich, den falschen Lazarus und die beiden Schwestern in ihre Gewalt bekommen könnten. Sie hatten auch einen ganz klugen Plan ausgedacht, dass nämlich zwei von ihnen Mich und den falschen Lazarus hinaus rufen sollten, dass diese gar keinen Zweifel zeigen dürften, sondern ihre Freude wegen der Erweckung beweisen und dabei suchen sollten, uns beide etwas abseits des Hauses zu locken. Sodann sollte die Tempelwache hervorstürzen und uns sofort in Gewahrsam bringen.

[GEJ.11_038,04] Dieser Plan war insofern ganz gut, als die beiden Pharisäer, welche ausgesucht waren, Mich und Lazarus zu begrüßen, in hohem Ansehen standen und es gegen allen Anstand und alle Sitte gewesen wäre, etwa diesen hohen Priestern nicht entgegenzukommen, falls sie ein Haus mit ihrer Gegenwart zu beehren dachten. Wären wir echte Juden der damaligen Zeit gewesen, so hätten wir sofort Haus und Gesinde diesen hohen Gästen gänzlich zur Verfügung stellen müssen, ansonst es dem Lazarus als eine höchste Missachtung des Tempels und seiner Vertreter angerechnet worden wäre.

[GEJ.11_038,05] Die Juden hatten sich mit dem Wirt, der bei Überbringung der den Pharisäern so unangenehmen Nachrichten sich vor Freude nicht zu fassen vermochte, sogleich wieder entfernt und kamen eilends zurück, um zu melden, was sie getan hatten, – im festen Vertrauen darauf, dass Derjenige, der dem Tode gebiete, auch sicherlich die Bosheit des Tempels vernichten könne.

[GEJ.11_038,06] Ich verwies ihnen aber mit sanften Worten ihr Tun, das wohl menschlich zu nennen, aber dennoch nicht in Meiner Ordnung sei, da Schadenfreude selbst bei so hartherzigen Bösewichtern nicht am Platze sei und das Herz dadurch dem Mitleid mit der Finsternis dieser Menschen unzugänglich würde. Sie waren über diesen Tadel ganz betrübt und beruhigten sich erst, als Ich ihnen versicherte, dass in diesem Falle zwar niemand geschädigt werden würde durch ihr Handeln, dass sie aber in Zukunft ähnliches unterlassen sollten. Das versprachen sie auch und wurden nun wieder ganz heiter.

[GEJ.11_038,07] Die Pharisäer waren unterdessen mit den Tempelschergen herangekommen und waren so weit vom Haus entfernt, um sich noch ungesehen ein Versteck als Hinterhalt auszusuchen. Nochmals berieten sie ihren Plan, und wie es ihnen hauptsächlich darum zu tun sei, Mich in die Gewalt zu bekommen, damit Mir sogleich als Betrüger und Volksaufwiegler der Prozess gemacht werden könne.

[GEJ.11_038,08] Sie waren etwa zehn Minuten von Bethanien entfernt bei einer Wegkrümmung, die ihnen die Häuser noch verbarg. Es wollten sich die beiden hohen Priester nun auf den Weg machen mit einem Diener, der ihre Ankunft im Hause melden sollte, – als ihre Rechnung einen garstigen Strich erhielt.

[GEJ.11_038,09] Mit einem wütenden Gebell stürzten nämlich die bekannten großen Schutzhunde hervor und umringten die ganze Schar in so furchterregender Weise, dass sich keiner zu rühren getraute. Diese Hunde, welche dem Lazarus von Mir gegeben worden waren, hatten seit seinem Tode sich völlig teilnahmslos verhalten und waren nicht mehr zu bewegen gewesen, ihr Schutz- und Wächteramt zu versehen, weswegen auch die Templer sich ganz ungehindert breitmachen konnten. Nun aber, da Lazarus lebte, war auch die alte Kraft und Lebendigkeit in sie zurückgekehrt, die sich in für die Pharisäer höchst unerfreulicher Weise bemerkbar machte. Die riesigen Tiere umkreisten die Schar zähnefletschend, und als einer der Knechte wagte, nach einem der Tiere zu schlagen, lag er auch sofort am Boden und lief Gefahr, zerrissen zu werden. Dieses eine Beispiel genügte, um die Schergen abzuhalten, von ihren Waffen Gebrauch zu machen, zumal die Tiere sich begnügten, die ganze Gesellschaft festzustellen, ohne sie anzugreifen, aber auch ohne sie vom Platze zu lassen.

39. Kapitel –

Die Vertreibung der Pharisäer.

[GEJ.11_039,01] Ich teilte dem Lazarus und den Anwesenden mit, was draußen geschehen war, und forderte sie auf, mit Mir hinauszugehen, damit sie sich von der Wahrheit überzeugten, und damit noch ein Versuch gemacht würde, die Pharisäer zu belehren, dass hier ihre Macht völlig ohnmächtig wäre. Wir taten also und gingen nun zu den Gefangenen.

[GEJ.11_039,02] Dort angekommen, forderte Ich die Schergen auf, freiwillig sich ihrer Waffen zu entledigen, was diese auch sofort taten. Ein Knecht des Lazarus nahm diese in Empfang, und alsbald legten sich auch die großen Hunde ringsherum ruhig nieder, immer aber ihre Feinde scharf beobachtend und bereit, auf einen Wink ihres Herrn sich auf diese zu stürzen.

[GEJ.11_039,03] Ich wandte Mich nun zu den Pharisäern, die zähneknirschend dastanden aus Scham und Wut, weil sie den ihnen sehr wohl bekannten Lazarus sogleich als den echten erkannt hatten, nun aber insgeheim meinten, dass er überhaupt nicht gestorben gewesen, sondern dass da nur ein sehr geschicktes, verabredetes Blendwerk mit seiner Krankheit, seinem Tode und seiner Auferweckung vor sich gegangen sei, das geeignet sei, Meine ebenfalls falsche Wunderkraft bei dem Volke recht ungeheuerlich darzustellen, die bei Ausübung an einer so bekannten Persönlichkeit, wie es Lazarus war, Mir ja sicherlich in ganz Judäa sehr viele Anhänger sichern musste.

[GEJ.11_039,04] Nachdem Ich ihnen erst haarscharf ihre Gedanken auseinandergesetzt hatte, fragte Ich die Templer: „Wie lange wollt ihr, dass Ich euch doch noch ertragen soll? Alle Zeichen, die Ich verrichte, und die so unzweifelhaft für Mich zeugen, verachtet ihr; Mein Wort aber erkläret ihr als Lüge. Wisset ihr nicht, dass es eine Grenze gibt, über die hinaus der Mensch nicht schreiten darf, wenn er nicht gänzlich dem geistigen Tode verfallen soll, und dass, wenn diese Grenze erreicht ist, Gottes Barmherzigkeit die Leiber vernichten muss, damit die Seelen durch den Missbrauch derselben nicht gänzlich verderbt werden?! Ihr aber seid alle dieser Grenze nahe gekommen!


[Jetzt hat wiederum die halbe Menschheit diese Grenze zum geistigen Tode erreicht, so dass Jesus es zulassen muss, dass die Materieleiber der halben Menschheit durch die von ihr selbst verursachte Klimakatastrophe verhungern, verdursten oder verbrennen, damit die Seelen der halben Menschheit nicht durch den weiteren Missbrauch ihrer Materieleiber gänzlich verdorben werden – also eine liebevollste Rettungs-Zulassung!]

[GEJ.11_039,05] Alles, was ihr durch eure Leiber euch nutzbar machen könnt zur Veredlung der Seele, verkehret ihr in euch zu deren Tötung. Habt ihr dazu eure Sinne? Ihr sehet nicht, um zu sehen; ihr höret nicht, um zu hören; ihr schmecket, fühlet, riechet nicht, um die Sinne als Vermittler zu gebrauchen, sondern nur, um eurer Sinnlichkeit zu frönen. Darum seid ihr aber auch schon ein stinkendes Aas geworden, das vertilgt werden muss, damit es nicht alles verpeste, und damit es wenigstens in seiner Asche noch zum Düngemittel des sonst guten, brauchbaren Bodens werde.

[GEJ.11_039,06] Wahrlich, Ich sage euch: Die Axt ist euch an den Stamm gelegt, dass der Giftbaum eures Lebens umgeschlagen werde! Aber nicht Gott klaget darum an, sondern lediglich euch selbst! Ihr sehet nun, was hier Großes geschehen ist, und viele untrügliche Zeugen stehen umher, die für die Wahrheit bürgen; in euch aber gärt dennoch der Hass und der Wunsch, Mich und die Meinen zu vernichten, was euch aber nimmer gelingen wird! So gehet denn von hinnen in eurem Zorn, – doch wisset, was ihr säet, werdet ihr selbst ernten!“

[GEJ.11_039,07] Nach diesen Worten erhoben sich die sieben großen Hunde und jagten mit Gebell die Templer und Schergen den Weg nach Jerusalem entlang, den diese springend und stürzend in äußerster Angst und Geschwindigkeit zurücklegten und nicht eher ruhten, bis die sicheren Stadtmauern Jerusalems sie bargen, bis zu denen die Tiere sie verfolgten, ehe sie zurückkehrten.

[GEJ.11_039,08] Von dem Tage an hatte Lazarus, trotz der bösen Anschläge des Rates, sowohl in Bethanien als auf dem Ölberg, völlige Ruhe; denn dort hinaus wagte sich der Hunde wegen kein feindlicher Priester noch Tempelscherge mehr.

40. Kapitel –

Die zukünftige Mission des Lazarus.

[GEJ.11_040,01] Wir kehrten nun, nachdem der Ölberg von den Pharisäern gesäubert war, nach Bethanien zurück in das Haus des Lazarus, wo alles zu einem Festmahl vorbereitet worden war, und begaben uns zunächst in des Lazarus großen Speisesaal, der uns schon oftmals aufgenommen hatte.

[GEJ.11_040,02] Es begann nun ein großes Gerede und Befragen des Lazarus, was er denn, während er im Grabe gelegen, getan habe, und ob ihm eine Erinnerung verblieben sei über das, was er in der Geisterwelt doch sicherlich erfahren und gesehen haben müsse. Er aber bekundete, dass ihm zumute sei, als habe er recht tief geschlafen und auch recht lebhaft geträumt, aber dass von dem Geträumten ihm nur dunkle Bilder verblieben seien. Er wisse wohl, dass er mit verschiedenen Verstorbenen, wie auch mit seinem Vater, gesprochen habe, ohne jedoch sich wesentlich des Gesprochenen erinnern zu können. Trotz alledem wisse er aber sehr genau, dass er wahrhaft gestorben sei und nicht etwa nur geträumt habe; denn die letzten Stunden seien ihm sehr lebhaft im Gedächtnis geblieben, zumal er die Todesfurcht sehr wohl empfunden habe, wie auch das langsame Erlöschen seiner Lebensgeister.

[GEJ.11_040,03] Auf Befragen, wie er denn erwacht sei, erklärte er: Er habe Meine Stimme gehört, die da befohlen habe, er solle herauskommen, und so sei er erwacht wie ein Mensch, der aus dem Schlafe erwacht sei, und habe Mir gehorcht, da er sofort wusste, wie und was mit ihm geschehen war.

[GEJ.11_040,04] Die anwesenden Freunde und Meine Jünger fragten noch gar mancherlei, was jedoch Lazarus ihnen nicht beantworten konnte, – so nach den Gesprächen, die er geführt, wo er sich befunden habe und so manches andere, was, wie sie vermeinten, ihnen noch nähere Aufschlüsse geben könne über das Leben in der Geisterwelt. Es zeigte sich jedoch, dass Lazarus nichts von alledem wusste.

[GEJ.11_040,05] Nun fragten sie Mich nach der Ursache dieses Vergessens, und Ich sagte ihnen: „Wenn ihr gefangen seid in einem Kerker, und es wird euch die Freiheit auf kurze Zeit gegeben, so dass ihr ungehindert umherstreifen und euch mit ebenso gänzlich freien Wesen auf das beste unterhalten könnet über viele Wunder der Natur, die in der lieblichsten Gegend euch ganz von selbst ins Auge fallen, und ihr werdet gezwungen, in den alten Kerker wieder einzutreten, der jedoch früher euch gar nicht einmal als Gefängnis erschien, solange ihr nichts Besseres kennen gelernt hattet, – wird sich nicht eure Seele dann verzehren nach Wiedererlangung der so kurz genossenen Freiheit? Ja, wird ihr das Zwangsleben nicht unerträglich werden, da sie stündlich sich die Herrlichkeit der genossenen Freiheit vormalt, wenn die Erinnerung die freudigen Stunden stets wieder belebt?

[GEJ.11_040,06] Seht, so ist es Lazarus ergangen! Ich habe ihm aber die Erinnerung für das, was mit ihm in den vier Tagen, da er im Grabe gelegen, geschehen ist, deswegen genommen, weil er berufen ist, noch viel auf dieser Erde für Mich zu wirken. Ihm würde aber die Sehnsucht nach Wiedererlangung der einmal genossenen vollen Freiheit hinderlich sein, falls diese verzehrende Sehnsucht in ihm wüchse.

[GEJ.11_040,07] Es ist daher schon ganz gut, so wie es ist, und ihr alle werdet es noch leicht einsehen, wenn auch ihr einst werdet die Leiber von euch geworfen haben. Außerdem habt ihr selbst in diesem Hause so viel schon erfahren von dem Leben nach dem Tode, dass eure Fragen mehr müßiges Geschwätz bedeuten als eine Ergründung des Lebens nach dem Tode, von dem ein jeder von euch denn doch nun schon zur Übergenüge überzeugt sein muss!“

[GEJ.11_040,08] Sagte Lazarus zu Mir: „Herr, Du sprichst von einem Amte, das mir zu wirken noch hier vergönnt sein wird. Darf ich wissen, wie denn da das Wirken für Dich gemeint ist?“

[GEJ.11_040,09] Sagte Ich: „Das ergibt sich alles in der Folge von selbst; denn Meine Hand leitet dich und alle, die für Mein Reich zu arbeiten berufen sind, in so sanfter Art, dass sie glauben könnten, es geschähe nur aus eigenem Antriebe. Und es geschieht das im Urgrunde auch; denn will Ich freie Wesen, so muss die freie Entschließung ihnen anheim gestellt bleiben. Nur die äußeren Vorkommnisse kann Ich so leiten, dass Meinen Dienern die Entscheidung zwischen zwei Wegen, die sie zu wandeln hätten, zufällt. Meine wahren Kinder werden dann aus Liebe zu Mir nie im Zweifel sein, welcher Weg der rechte ist. Immer aber muss der Willensimpuls von ihnen ausgehen.

[GEJ.11_040,10] So wirst auch du noch, wie ganz von selbst, in deinem Leben dich zu entschließen haben, ob du rechts oder links gehen sollst. Der eine Weg führt direkt zur Arbeit in Meinem Namen, der andere aber zur bequemeren Lebensweise des trägen Zuschauens. Je nachdem du wählst, wird dann auch dein Wirken sich gestalten. Ich weiß aber und sage es dir auch, dass du aus Liebe zu Mir schon recht wählen wirst. Und somit sei das genug; denn mehr zu sagen ist um deiner selbst willen vom Übel!“

[GEJ.11_040,11] Sagte Lazarus: „Herr, mir genügt das auch schon vollkommen; macht es mich doch überaus selig zu wissen, dass Du mich schwaches Werkzeug gebrauchen kannst und willst! Gib mir nur die rechte Kraft, dass ich das versprochene Amt dann auch völlig auszufüllen vermag!“

[GEJ.11_040,12] Sagte Ich: „Darüber mache dir keine Sorge, sondern vertraue nur recht gläubig, so kann Ich durch dich wirken und du durch Mich! Das rechte Verhältnis zwischen Vater und Sohn ist dann auch in euch, wie es sich jetzt in Mir zeigt!

[GEJ.11_040,13] Darum aber bin Ich ja in die Welt gekommen, euch zu zeigen und zu lehren, dass ihr noch weit mehr als Ich Selbst jetzt leisten könnet, so ihr nur guten Willens und voll Glaubens seid.

[GEJ.11_040,14] Wie weit die Menschen und vornehmlich die Juden aber voll Glaubens und guten Willens sind, wird sich gar bald zeigen; denn es naht die Zeit, wo die Ernte Meiner Lehrjahre eintreten soll und muss. Ist diese auch noch so klein, und sind der fruchtbaren Samenkörner auch noch so wenige, so wird doch jedes Korn hundertfältige Frucht tragen, die den ganzen Erdboden versorgen soll und wird, bis dann einstens eine große Ernte eintreten kann, die die Scheuern des Vaters mit reichlicherer Frucht füllen wird, so dass dann nie wieder eine solche große Hungersnot entstehen kann, wie sie jetzt zugelassen wird, damit der verlorene Sohn umkehre und sich sättige. Ihr verstehet zwar diese Meine Worte jetzt nicht; aber drüben in Meinem Reiche werdet ihr sie völlig verstehen lernen.

[GEJ.11_040,15] Du aber, Mein Lazarus, sieh dich jetzt vor und bereite dich, viele Gäste zu empfangen; denn der Ruf deiner Erweckung ist bereits hinab zur Stadt gedrungen, und gar viel Volk macht sich auf, dich und Mich zu sehen! Diese aber sollen alle erquickt werden, und Meine Diener, die dir schon bekannt sind, werden dir behilflich dabei sein!“

41. Kapitel –

Anschläge der Templer.

[GEJ.11_041,01] Als Ich diese Worte ausgesprochen hatte, stand der allen bekannte Raphael schon neben Mir und begrüßte Lazarus auf das freundlichste. Dieser wiederum war hoch erfreut, den Raphael zu sehen und sprach seine Freude in Worten lebhaft aus, ebenso Meine Jünger und verschiedene Freunde des Lazarus, die bereits früher Zeugen der außerordentlichen Wunderkraft des Erzengels gewesen waren.

[GEJ.11_041,02] Es wurde nun in äußerster Schnelle der Saal zum Empfang der angekündigten Gäste hergerichtet, und ein doppelt reges Leben äußerte sich im ganzen Hause, so dass ein Gespräch unter uns schwierig wurde und wir hinaus ins Freie traten, um den geschäftigen Dienern des Hauses, die den Anordnungen Raphaels eifrig und freudig folgten, nicht hinderlich zu sein.

[GEJ.11_041,03] Es ist notwendig, darauf hinzuweisen, dass aus schon angedeuteten Gründen – der freieren Geistesentwicklung der Meinen wegen – kein allzu fühlbares Eingreifen Meiner Kraft mehr stattfand, sondern alles, was nun als wunderbar und außergewöhnlich zu bezeichnen war, stets einen äußerlich mehr einfachen, menschlichen Anstrich erhielt.

[GEJ.11_041,04] Wenn Ich nun sage, dass innerhalb von etwa einer halben Stunde in dem großen Saale des Lazarus, sowie in den anstoßenden Gemächern, Tafeln aufgestellt wurden, an denen mehrere hundert Menschen gespeist werden sollten, dass in fast eben derselben Zeit für diese auch die Speisen bereitet wurden, so wird man einsehen, dass solche Arbeit auch von sehr emsigen Dienern nicht geleistet werden kann, deren etwa zwanzig zur Verfügung standen; denn die Bereitung der Speisen allein kostet nach natürlichem Gange mehr Zeit. Dennoch war alles zustande gekommen ohne sichtliche außergewöhnliche Hilfe, nur die Behändigkeit der Leute schien eine große.

[GEJ.11_041,05] Mit diesem Bemerken soll klargemacht werden, dass das Nahen des größten Ereignisses der Zeiten ohne außergewöhnliches Eingreifen vorbereitet wurde; denn selbst die Auferweckung des Lazarus erschien den Anwesenden wohl höchst wunderbar, jedoch nicht so überwältigend wie zum Beispiel das Verwandeln öder Gegenden in fruchtbares Land und anderes.

[GEJ.11_041,06] Diese Auferweckung bildete aber den Schluss-Stein Meines Lehramtes und leitete dessen Ernte ein.

[GEJ.11_041,07] Wer da Verständnis hat und bemüht ist, sich zu erwecken, der begreife! Wer da noch im Grabe liegt, der lasse den Stein von diesem abwälzen, damit der tote Lazarus erweckt werde und herauskomme. Amen!

[GEJ.11_041,08] Als wir draußen vor dem Hause standen, sahen wir schon auf dem Wege von Jerusalem her eine Menge Volkes heranziehen, das sich Bethanien als Ziel erwählt hatte. Es waren Juden, denen die Kunde gebracht worden war, Lazarus sei wieder lebendig geworden, und die sich davon überzeugen wollten. Diese kamen näher, und als sie Lazarus und Mich sahen, eilten sie schnellen Schrittes heran und staunten uns beide an, den Erweckten und den Erwecker.

[GEJ.11_041,09] Lazarus sprach nun recht freundlichen Tones zu ihnen: „Liebe Freunde, ihr staunet und begreifet nicht, dass ich lebe, der doch sichtlich und ganz gewiss gestorben war; aber ihr wisst, dass bei Gott kein Ding unmöglich ist, und Er, der alles belebt, wird doch auch diesen irdischen Staub wieder beleben können, wenn auch das Leben aus ihm entflohen war. Sehet, ich lebe wahrhaftig, und hier steht Der, der mich wiederum ins Leben rief! Könnet ihr nun noch zweifeln, dass alles das die Kraft Gottes bewirkt, die in Ihm, dem Messias, wahrhaft lebt und sich kundgibt? Wahrlich, wer da jetzt noch zweifelt, der gleicht einem härtesten Stein, der auch nicht gerührt werden kann als nur durch die äußerste Anwendung rohester Kräfte, dass er zergehe, – an dem das Wasser abfließt, ohne nur ein kleinstes Teilchen von ihm abzulösen.

[GEJ.11_041,10] Ihr seid gekommen, mich zu sehen. Da betrachtet mich nun, und überzeugt euch, dass ich wahrhaft lebe! Dann aber gehet hin zu diesem Meister alles Lebens und lasset auch euch erwecken zum wahren Leben und zum wahren Erkennen aller Geheimnisse Gottes, die Er im Menschensohne wirkt; denn die Zeit ist nahe herangekommen, wo die Guten und Schlechten getrennt werden und der Weizen von der Spreu gesäubert werden muss, auf dass dieser Weizen ausgesät werde zur Vervielfältigung einer reichlichen Frucht!“

[GEJ.11_041,11] Diese Worte sprach Lazarus aus begeistertem Herzen und in Meinem Namen, so dass die Juden tief ergriffen wurden und sich um Mich und die Meinen scharten und verlangten, belehrt zu werden. Dieses geschah auch.

[GEJ.11_041,12] Es kamen aber immer noch mehr aus der Stadt, so dass sich alsbald fast an tausend Personen einfanden, die sich alle überzeugten von der Wundertat und laut Gott priesen und lobten, der in Mir solche Dinge verrichte.

[GEJ.11_041,13] Als nun die Gemüter sich langsam beruhigten, gab Ich Lazarus einen Wink, und dieser forderte alle Anwesenden auf, mit ihm zu gehen. Und alle folgten in die Gemächer, in denen das große Festmahl vorbereitet worden war.

[GEJ.11_041,14] Dieses nahm keinen ungewöhnlichen Verlauf, so dass davon nichts Besonderes zu berichten ist. Nur ist zu erwähnen, dass nicht Meine nächsten Jünger, die zwölf Apostel, das Amt verwalteten, die vielen Juden, welche die Neugierde herauf getrieben hatte, zu unterrichten und zu belehren, sondern dass die andern Jünger und Anhänger, welche Mir bereits seit langem nachfolgten und ebenfalls wohlunterrichtet waren in Meiner Lehre, dieses Amt versahen.

[GEJ.11_041,15] Wir – das ist Lazarus mit seinen Schwestern und die Apostel, sowie selbstverständlich Ich – saßen an einem Ende des Saales etwas abseits. Lazarus warf jetzt die Frage auf, was denn die Pharisäer nun wohl zu tun gedächten, nachdem sie so übel von den großen Hunden bedient und nach Jerusalem zurückgejagt worden waren.

[GEJ.11_041,16] Sagte Ich ihnen: „Dieselben sind sofort in den Tempel geeilt und haben daselbst ihre Kollegen zusammengerufen. Sie halten jetzt einen großen Rat untereinander ab und tragen ihre Klagen vor, die darauf hinausgehen, dass hier ein großer Betrug vorliege.

[GEJ.11_041,17] Es ist ein Hin- und Widerreden unter den Mitgliedern des Rates; denn viele sind doch darunter, welche sich von den tatsächlichen Wunderwerken überzeugt haben. Auch ist Nachricht von den Pharisäern eingetroffen, die wir bei Mucius getroffen haben, und welche bezeugen, dass die Gegenden am Nebo wesentlich verändert seien, und dass sie eine Handelskarawane angetroffen haben, welche die bei Aphek geschehenen Wunder berichtete. Alles dieses aber habe nach Aussage unzweifelhaft glaubwürdiger Leute Ich getan, so dass, falls diese Dinge auf Wahrheit beruhten, es nicht unmöglich sei, dass Lazarus gestorben und auferweckt sei; denn ganze Gegenden zu verwandeln, sei denn doch wohl noch ein größeres Werk, als einen nur entseelten Körper wieder neu zu beleben.

[GEJ.11_041,18] Es erhebt sich jetzt ein großer Streit; denn die Mir feindlichen Pharisäer suchen auch diese Nachrichten so zu erklären, als wenn Betrug vorliege. Da kommen sie aber in Streit mit den Freunden der abgesandten Pharisäer, welche dafür einstehen wollen, dass diese sich nicht täuschen lassen, da sie als besonders nüchtern Denkende auch besonders geschickt zur Untersuchung seien und daher mit dem Auftrage betraut wurden.

[GEJ.11_041,19] Es erhebt sich jetzt einer von den ersten Schriftgelehrten und spricht: ‚Es ist zweifellos, dieser Mensch tut große Wunder, weswegen denn auch schon der Tempel sich viele Mühe gegeben hat, ihn für sich zu gewinnen, aber stets ohne Erfolg. Ebenso gewiss ist aber auch, dass er stets gegen die Diener geeifert und die Missachtung im Volke gegen uns, die Diener Gottes, bis auf das Höchste gefördert hat.

[GEJ.11_041,20] Wollen wir aber in Frieden mit den Römern leben, so ist unbedingt notwendig, dass uns das Volk blindlings gehorche; denn dieses zu lenken ist des Tempels Pflicht und Recht. Daher rate ich, dass wir diesen Jesus von Nazareth sobald als möglich als einen Volksaufwiegler zu ergreifen suchen und dem Gerichte der Römer unterstellen oder von diesen fordern, dass er nach unserem Tempelgesetz bestraft und unschädlich gemacht werde.‘

[GEJ.11_041,21] Sagt Kaiphas, der Hohepriester: ‚So die Römer nicht Herren im Lande wären, läge dieser Mensch schon längst in Ketten und Banden; aber er besitzt unter den höchsten Römern selbst mächtige Freunde, die ihn schützen werden. Daher muss eine Gelegenheit gefunden werden, dass er sich selbst uns durch irgendeine Tat überliefere, die uns das Recht gibt einzugreifen und das Recht der Strafe beantragt. Er ist aber klug genug, nicht gegen die Römer, sondern nur gegen uns zu eifern; daher ist er gefährlicher als jeder andere, den die Römer sonst also gleich als Volksaufwiegler ergreifen und richten würden.‘

[GEJ.11_041,22] Sagt Nikodemus, der auch zugegen ist, um etwa ein Wort für Mich einzulegen: ‚Liebe Freunde, ihr wisst doch, dass dem Jesus viel Volk anhanget; denn wie viele er gesund gemacht hat, davon ist vielleicht nur der kleinere Teil hier bekannt geworden. Sollte es nicht besser sein, ihn dem Volke zu lassen seiner Wunderkraft wegen, die doch einen großen Segen verbreitet?!‘

[GEJ.11_041,23] Jetzt erhebt sich ein großer Sturm der Entrüstung im Rate wegen solch einer schweren Zumutung, und unser Nikodemus muss gar viele Scheltworte und Verdächtigungen anhören, dass er dem Hohen Rate solchen Vorschlag vorlegen kann. Er hört aber alles ganz gelassen an; denn Ich gebiete ihm jetzt in seinem Herzen, zu schweigen und sich hierher zu begeben.

[GEJ.11_041,24] Kaiphas aber spricht jetzt wieder, nachdem Ruhe eingetreten ist: ‚Wahrlich, ihr wisst nichts und bedenket auch nichts! Es ist uns allen besser, der Mensch sterbe für das Volk, ehe das ganze Volk verderbt werde. Und so gebiete ich denn, dass ein jeder bedacht sei, die rechte Gelegenheit zu erforschen, von der ich sprach; denn was da geschehen soll, geschehe bald!‘

[GEJ.11_041,25] Die Mitglieder des Hohen Rates sind mit diesen Worten einverstanden und schließen ihre Sitzung. Nikodemus aber entfernt sich still und unbemerkt und wird bald hier eintreffen.

[GEJ.11_041,26] Seht, jetzt wisst ihr, wie es drunten im Tempel aussieht; aber seid ohne Sorge! Nicht eher können diese ihre Pläne ausführen, als bis Ich Selbst Mich in ihre Hände gebe!“

42. Kapitel –

Die Abreise von Bethanien.

[GEJ.11_042,01] Sagte Lazarus: „O Herr, Du wirst Dich dieser Brut doch nicht Selbst überliefern, die nur würdig ist, baldigst vernichtet zu werden?!“

[GEJ.11_042,02] Sagte Ich: „Was da zu geschehen hat, liegt im Willen des Vaters. Sein Wille geschehe; der Sohn aber hat zu gehorchen! Kümmere dich daher um nichts, was da nicht deines Amtes ist, sondern sorge, dass auch du fortschreitest im Erkennen des Willens deines und Meines Vaters!“

[GEJ.11_042,03] Fragte Mich Lazarus: „Herr, bist Du denn nicht der Vater?“

[GEJ.11_042,04] Sagte Ich: „Ich bin es, und doch kommt jetzt die Zeit, wo der Vater in Mir Sich zurückziehen muss, damit der Sohn frei entscheide. Was Ich euch soeben offenbarte, was drunten im Tempel vor sich geht, das ist der erste Schritt, damit der Sohn Sich entscheide. Und glaubet Mir, Er hat Sich bereits entschieden, damit das Volk nicht untergeht! Doch fraget jetzt nicht weiter, sondern sorget, dass alle diese Anwesenden keinerlei entbehren; denn sie sind zum letzten Male in Meiner irdischen Nähe als Kinder, für die Ich leiblich sorge!“

[GEJ.11_042,05] Fragte Lazarus besorgt: „Herr, willst Du uns denn wieder verlassen?“

[GEJ.11_042,06] Sagte Ich: „Ja, Ich werde dich morgen in aller Frühe wieder verlassen und nicht eher wiederkommen, als bis es gilt, das große Osterlamm zuzubereiten!“

[GEJ.11_042,07] Lazarus meinte nun, Ich möchte doch, wie schon früher, länger in der Winterszeit bei ihm bleiben.

[GEJ.11_042,08] Ich erwiderte ihm: „Du weißt doch, was der Tempel vorhat; Ich aber will nicht, dass die Meinen um Meinetwillen belästigt werden. Darum ziehe Ich fort von hier – dahin, wo Ich bis zur Osterzeit in Ruhe verbleiben kann; und so geschehe es denn!“

[GEJ.11_042,09] Darauf sagte Lazarus nichts mehr und beeilte sich, als Hauswirt nachzusehen, ob die vielen Gäste auch gut bedient würden.

[GEJ.11_042,10] In nicht langer Zeit kam denn auch Nikodemus bei uns an und berichtete, was drunten im Tempel geschehen sei, was natürlich mit Meinen Aussagen genauest übereinstimmte. Er fürchtete sich anfangs der vielen Anwesenden wegen, von denen ihn gar viele sehr genau kannten, jedoch beruhigte Ich ihn und gab ihm die Versicherung, dass niemand von diesen ihn verraten würde.

[GEJ.11_042,11] Es ist von diesem Abend, der sehr bedeutungsvoll wurde dadurch, dass alle Anwesenden sich zu Mir und Meiner Lehre bekannten, nichts weiter zu berichten, was nicht schon in ähnlicher Art bei früheren Gelegenheiten geschehen wäre, weswegen über diese ganze Angelegenheit hinweggegangen werden kann, nachdem das Wichtigste bereits gesagt worden ist.

[GEJ.11_042,12] Die ganze Gesellschaft blieb bis zum Sonnenuntergang bei Lazarus zusammen, worauf sie sich von ihm und von Mir mit Worten des herzlichsten Dankes verabschiedete und wieder nach Jerusalem zurückkehrte, um das Wunder dort noch weiter zu tragen, so dass Lazarus in den nächsten Tagen nichts anderes zu tun hatte, als nur durch Zeigen seiner Person der allgemeinen Neugierde und Bewunderung gerecht zu werden. Dabei unterließ er es nicht, eifrigst auf Mich und Mein Wort hinzuweisen und hielt auch – zum größten Verdruss des Tempels – mit der Erzählung, wie die Pharisäer sich auf seinen Gütern benommen hatten, und wie dieselben bedient worden waren, nicht hinter dem Berge, so dass der Spottlust der Juden völlig freier Lauf gelassen wurde. Dass auch diese ganze Angelegenheit sehr dazu diente, das Ansehen der Pharisäer zu untergraben und die Habsucht des Tempels recht augenfällig darzutun, liegt auf der Hand, weswegen denn auch langsam unter dem Rate der Entschluss reifte, ihn ebenfalls zu beseitigen, was auch sicherlich gelungen wäre, wenn Lazarus nicht durch seine Hunde so gut geschützt worden wäre, dass keine irdische Leibwache eines Fürsten bessere Wächter hätte abgeben können.

[GEJ.11_042,13] Als nun die Einwohner der Stadt uns verlassen hatten, richtete Ich an Lazarus das Verlangen, uns rechte Lagerstätten herzurichten, damit die Meinen, welche heute alle für Mich gut gearbeitet hatten, auch vorsorglich der Ruhe pflegen könnten und morgen frisch und gestärkt sein würden.

[GEJ.11_042,14] Ich sagte auch allen Mir nachfolgenden Jüngern, dass jeder, der da zu den Seinen zurückkehren wolle, dieses tun könne; denn Ich würde Mich jetzt von der Welt zurückziehen und Meine Gegenwart bis Ostern verheimlichen. Wer da also ein Geschäft habe, das ihm wichtig schiene, oder wer während des Winters, der jetzt eintreten würde, bei den Seinen verbleiben wolle, solle sich zu diesen begeben, begleitet von Meinem Segen.

[GEJ.11_042,15] Es meldeten sich da viele, als sie hörten, es sei mit Meinem Segen, wenn sie gingen. Nur die zwölf Apostel und noch etwa zwanzig Personen, welche sich nicht trennen wollten von Mir, blieben übrig, Mir auch dahin zu folgen, wohin Ich sie immer führen würde. Ich segnete denn auch diese, wie Ich versprochen, und ermahnte alle, fest an Meinem Worte zu hangen und dieses weiterzuverbreiten. Zum Osterfest würden sie Mich hier wieder finden, wo sie Mich verlassen.

[GEJ.11_042,16] Wir ruhten denn nun die Nacht in Frieden, und in aller Frühe versammelte Ich die Meinen nochmals um Mich und verabschiedete Mich kurz von den Zurückbleibenden: von Lazarus, den Schwestern und dem ganzen Hause, die Mich nur sehr ungern entließen, jedoch durch Meine Zusage, zu Ostern wieder bei ihnen zu sein, recht getröstet und beruhigt wurden.

[GEJ.11_042,17] Wir gingen nun schnell aus dem Orte Bethanien hinaus und schritten die Straße entlang nach Jericho zu.

[GEJ.11_042,18] Was nun in der Zeit bis zu der Rückkehr nach Bethanien geschehen ist, das macht die Periode aus, in der der Mensch Jesus von Nazareth sich in den Vordergrund stellte, in der nochmals die ganze Annehmlichkeit des Lebens sich herannahte, damit der Mensch Jesus sich frei zu dem nun notwendig gewordenen Opfertod entschließe. Diese Dinge jetzt aufzudecken, ist noch zu früh. Nur ein Geschlecht, das völlig eingedrungen sein wird in die Wesenhaftigkeit Meiner Liebe, wird das begreifen können. Jetzt würde es als unwahr bezeichnet werden. Darum übergehe Ich nun vorläufig diese Dinge und werde nur das mehr Historische berühren.

43. Kapitel –

Die Bedeutung der Auferweckung des Lazarus.

[GEJ.11_043,01] Als wir die Straße längere Zeit schweigend beschritten hatten, näherte sich Mir Johannes und sagte: „Herr, Du weißt, wie sehr ich stets aufgemerkt habe auf alles, was Du getan und gesprochen hast! Ich habe mir auch manche Anmerkungen gemacht, vorzüglich über Deine Lehre, und mir alle Deine Worte getreu ins Herz und dadurch auch ins Gedächtnis geprägt, so dass es mir nun jederzeit leicht sein würde, schriftlich niederzulegen, was hauptsächlich in unseren Herzen leben soll. Bis jetzt ist das aber nur teilweise geschehen. Diese Begebenheit mit Lazarus, von der wir alle nun die aufmerksamsten Zeugen gewesen sind, möchte ich denn aber doch ganz besonders aufzeichnen; denn sie scheint mir von einer besonderen Bedeutung, die doch wohl noch einen anderen Ursprung hat, als nur den, einen toten Körper wieder zu beleben.“

[GEJ.11_043,02] Sagte Ich: „Was für eine Bedeutung scheint dir denn noch dieser Begebenheit innezuwohnen?“

[GEJ.11_043,03] Antwortete Johannes: „Herr, Lazarus war Dir ganz besonders teuer wegen seines gerechten Lebenswandels vor Dir und musste doch sterben an einer Krankheit, die er sich selbst durch sein Verschulden zugezogen hatte. Ist das nicht ein deutliches Zeichen, dass der Mensch, sobald er nicht vor Deinen Augen bewusst wandelt, das heißt sich beobachtet glaubt von Deinen doch allwissenden Augen, trotz aller Gerechtigkeit dennoch nur zu leicht in allerhand Fehler verfallen kann, durch die er in einen geistigen Todesschlummer verfällt, aus dem nur Du allein ihn wieder erretten kannst?

[GEJ.11_043,04] Und wenn dann die leidtragenden Schwestern des Menschen – das sind seine werktätige Liebe und sein guter Wille – zu Dir kommen und sagen: ‚Siehe, Herr, den Du lieb hattest, aber der da dennoch fehlte, ist jetzt tot! Er wäre nicht gestorben, so Du hier gewesen wärest!‘ – das heißt also: wenn er unter Deinem Auge sich wandelnd gefühlt hätte, so hätte er nicht gesündigt –, wirst Du dann nicht aus Erbarmen ihn aus der Todesnacht befreien, die Binden ihm abnehmen lassen und ihn mit dem Lebenswasser wieder erquicken und so herstellen, als wäre er nie gestorben?

[GEJ.11_043,05] Siehe, Herr, diese und noch viele andere Gedanken sind mir gekommen, und ich glaube daher auch, dass noch vieles mehr in dieser Begebenheit verborgen ist, als die Zeugen derselben vermeinen!“

[GEJ.11_043,06] Sagte Ich: „Johannes, wohl dir, dass du im Geiste erkennst, was dieser allein dir offenbaren kann, und durch die äußere Begebenheit den inneren Sinn lasest! Ich sage dir daher auch, dass noch unendlich viel mehr in dieser Begebenheit verborgen liegt.

[GEJ.11_043,07] Dann, wenn erst der große Lazarus, um dessentwillen Ich ins Fleisch gekommen bin, wird auferweckt werden durch Meine Liebe, – dann erst ist der Augenblick gekommen, wo vor jedweder Kreatur die Liebe des Vaters so offenbar wird, dass die innere Liebe eurer Herzen euch zersprengen würde, wenn nicht eure Seelen durch viele Schulungen gefestet genug wären, diese ungeheure Liebeerkenntnis zu ertragen.

[GEJ.11_043,08] Jetzt allerdings sehen die Menschen nur eine gewöhnliche, wenn auch außerordentliche Totenerweckung in ihr, die sie mit Staunen wohl, aber noch nicht mit Liebe zu Gott erfüllt. Und auch spätere Geschlechter werden wenig von dem inneren Sinne spüren. Du aber, als der erste, der davon spürte, sollst auch darum Zeugnis darüber geben und in deinen Berichten diese wichtigste aller Begebenheiten nicht vergessen!

[GEJ.11_043,09] Nun aber schweige hiervon; denn was wir sprachen, ist nur für dich allein und noch nicht für die übrigen!“

[GEJ.11_043,10] Wir gingen nun wieder schweigend unseres Weges weiter. Nach einiger Zeit fiel es nun doch dem Judas auf, dass Ich so gar keine Anstalten machte, Mich über die Richtung des einzuschlagenden Weges zu äußern, und da es ihn juckte, womöglich in Jericho zu bleiben, das bekanntlich zu Meiner Zeit eine sehr blühende Stadt war, voll aller damaligen Vergnügungen eines Wohnsitzes der Reichen, weswegen sich auch dort leichter als irgendwo sonst ein kleines Geschäft als eine Art Wundertäter machen ließ, so fragte er Mich geradezu, ob Ich in Jericho längere Zeit zu bleiben gedächte.

[GEJ.11_043,11] Ich antwortete ihm: „Wer sagt dir, dass Ich überhaupt nach Jericho ziehen will?“

[GEJ.11_043,12] Judas, etwas verdutzt und enttäuscht über diese Gegenfrage, die ihm die Vereitelung seines Wunsches anzudeuten schien, beeilte sich, sich zu entschuldigen, dass er dieses nur vermutet hätte, da die Straße dahin führe.

[GEJ.11_043,13] Ich antwortete ihm: „Ein jeder geht die Straße, die ihn der Geist führt! Zieht es dich nach Jericho, so gehe dorthin! Ich halte dich nicht. Frage aber nicht, wohin Mein Weg geht; denn dieser ist nicht der deine!“

[GEJ.11_043,14] Meinte Judas, dem es doch allzu verlockend war, die Palmenstadt aufzusuchen, ob Ich zürnen würde, wenn er kurze Zeit dahin gehen würde.

[GEJ.11_043,15] Sagte Ich: „Habe Ich doch die andern alle ohne Unmut, ja mit Meinem Segen entlassen, warum sollte Ich dir zürnen? Jeder gehe, wohin der Geist ihn führt! So gehe auch du nach Jericho; denn deine Seele ist schon dorten!“

[GEJ.11_043,16] Daraufhin dankte Mir Judas für diese Erlaubnis und verschwand auch unbemerkt am nächsten Herbergshause, deren es auf der Straße nach Jericho viele gab, aus unseren Reihen. Er verbrachte die ganze Zeit, von der jetzt berichtet werden soll, in jener Stadt und machte dort als Erzähler und Augenzeuge der Auferweckung des Lazarus bei den wundersüchtigen Römern und Fremden, von denen Jericho angefüllt war, recht gute Geschäfte.

[GEJ.11_043,17] Nebenbei sei aber auch gesagt, dass er zur Kenntnisnahme Meiner Lehre nicht wenig beitrug, die er oftmals mit großem Feuer und viel Rednergabe vortrug, – immer aber mit einem gewissen Beigeschmack, auf sich selbst auch einen Teil der Bewunderung zu ziehen, der Meiner Weisheit galt. So wurde er dennoch gerade für diese Art Leute in Jericho ein ganz gutes Werkzeug, trotz aller seiner Nebenabsichten, – wie denn auch nicht oft genug betont werden kann, dass Judas keineswegs ein schlechter Mensch gewesen ist, sondern nur ein solcher, der gleichzeitig sich selbst und damit der Welt und dem Geiste dienen wollte, dadurch aber in gar argen Zwiespalt geriet, den dann andere, weit schlechtere Menschen später auszunutzen verstanden.

2.9.1.–4.

44. Kapitel – Der Herr in Ephrem (Joh.11,54).
[Fast drei Monate vom Winteranfang bis Ostern]

[GEJ.11_044,01] Als wir nun fast bis gegen Abend gegangen waren, nachdem wir eine längere Rast gehalten hatten, um unsere Leiber zu stärken, versammelte Ich die Meinen um Mich und sagte ihnen, dass Ich willens sei, nach Ephrem zu ziehen und dort längere Zeit zu verweilen; sie sollten jedoch gegen jedermann davon schweigen, da Ich diese Zeit zu ihrer und Meiner Kräftigung gebrauchen würde und auch zur Befestigung einiger schwacher Gemüter, die für die nun bald kommende Zeit der Erfüllung gestärkt werden müssten.

2.9.1.–5.

[GEJ.11_046,08] Eines Tages nun, nachdem wir etwa seit acht Tagen in unserer Burg wohnten, kam denn auch der Vorsteher wieder zu Mir und sagte: „Meister, ich habe von einem Einwohner Ephrems Deine letzte große Tat erfahren, aber auch, dass Dir darum der ganze Tempel nun sehr aufsässig ist und sich alle Mühe gibt, diese Erweckung als den allerbarsten Schwindel hinzustellen.

[GEJ.11_046,09] Ja, es ist sogar der Versuch gemacht worden, Lazarus vor den Rat zu bringen, damit er sich reinige durch Widerruf. Aber Lazarus ist nicht erschienen und sagt, was man von ihm hören wolle, könne man in seinem Hause auch erkunden. Die Priester haben jedoch sein Haus für unrein erklärt und weigern sich, zu ihm zu kommen, – wohl nur aus Furcht; denn er soll in ganz wunderbarer Weise geschützt werden.

[GEJ.11_046,10] Dir ist das jedenfalls alles längst bekannt. Jedoch fürchte ich um Deinetwegen sehr, daß durch die große Nähe Jerusalems irgendein Zufall Dich verrate und sie Dich etwa hier auszuheben versuchen könnten.“

[GEJ.11_046,11] Sagte Ich: „Mein lieber Vorsteher der Stadt, da habe keine Furcht; denn ehe Ich es nicht Selbst zulasse, hat alle Bosheit des Tempels keine Gewalt über Mich, und niemand kann es gelingen, Mich zu greifen. So wie Ich bis jetzt unbekannt geblieben bin, werde Ich es bleiben. Haben doch selbst die Einwohner dieser Stadt gar kein Arg und Verlangen, Mich näher kennenzulernen, nur weil Ich es so haben will! Sei also ganz unbesorgt! Du bist hier der einzige, der mit Mir und den Meinen verkehren will, und dem die Pforte des Hauses daher auch nicht verschlossen ist. Sonst aber wird keiner so leicht diese Schwelle übertreten, – außer der Geist führte ihn zu Mir.“

2.9.1.–6.

[GEJ.11_058,05] Als wir nun fast drei Monate in Ephrem zugebracht hatten, kam eines Tages ein Knecht des Lazarus, welcher heimlich abgesandt worden war, zu uns und verlangte Mich zu sprechen.

[GEJ.11_058,06] Ich ließ ihn zu Mir, und er sagte (der Knecht): „Herr und Meister! Lazarus, der von Dir Erweckte, sendet mich zu Dir und bittet Dich, Du wollest ihm Rat und Hilfe spenden! Die Priester des Tempels sind ihm jetzt aufsässiger denn je, seitdem er von den Toten auferstanden ist und drohen ihm mit Verfluchung, so er nicht gestehe, dass er nicht gestorben gewesen sei, da es noch nie in Wahrheit geschehen, dass ein Toter zurückgekehrt sei. Ihm wird gedroht, er solle das verfluchte Wasser trinken, um zu beweisen, wieweit Gott mit ihm sei. Lazarus aber kennt die Arglist und weiß sehr wohl, dass man ihm im letzten Falle ein ganz besonderes Wasser geben würde, das ihn mit Sicherheit zum zweiten Male sterben ließe. Er weiß jedoch nun nicht, ob er, im Vertrauen auf Dich, sich ihnen dennoch stellen oder dem Tempel, der doch von Gott gegründet worden ist, nun ganz entsagen soll.“

[GEJ.11_058,07] Sagte Ich ihm: „Sage Meinem lieben Lazarus, er solle Gott da suchen, wo er Ihn zu finden glaubt! Weiß er, dass Er im Tempel wohnt, so tue er, was der Tempel verlangt; weiß er aber, dass Jehova dort nicht wohnt, was fragt er da nach dem Tempel und dessen Priestern? Mir sind die Kinder am liebsten, welche sich mit dem Vater im Herzen einigen und dort lauschen, was Er ihnen zu tun gutheißt! – Geh und sage das deinem Herrn!“

[GEJ.11_058,08] Der Bote, der einer der Getreuesten des Lazarus war, ging sofort und brachte ihm diese Nachricht, worauf Lazarus sich keinen Augenblick besann und sich völlig vom Tempel lossagte und den Bedrängern drohte, er würde römischer Bürger werden und sich völlig unter den Schutz Roms stellen, wenn man ihn noch länger beunruhige. Die Priesterschaft ließ ihn denn nun auch ungestört, weil ihr durch die Ausführung dieser Drohung jede Aussicht auf einstmaligen Besitz seiner Güter verloren gegangen wäre, während sie so noch auf krummen Wegen zu ihrem Ziele zu gelangen hoffte.

[GEJ.11_058,09] Es war nun allmählich die Zeit herangekommen, in der die kalte Zeit aus Palästina wich und die ersten Vorbereitungen des Osterfestes sich bemerkbar machten. Zu dieser Zeit wallfahrten viele Juden nach Jerusalem, die sodann ihr Haus wohl bestellten, damit in ihrer Abwesenheit daselbst nichts in Unordnung geraten könne. Und so bemerkte man denn auch in Ephrem eine größere Rührigkeit der Einwohner, die sich rüsteten, einige Zeit in dem nahen Jerusalem zubringen zu können.

[GEJ.11_058,11] Wenige Tage hatten wir noch in Ephrem zuzubringen. Daher versammelte Ich die Meinen und sagte ihnen, sie sollten sich zur Reise bereitmachen, da wir zu Lazarus ziehen würden, um bei ihm Wohnung zu nehmen.

[GEJ.11_058,12] Petrus warnte Mich nochmals vor den Templern, und Ich sagte ihm: „Jetzt ist die Zeit gekommen, wo des Menschen Sohn als schwach befunden werden wird und es Seinen Feinden gelingen wird, Ihn zu überwältigen, ihnen zum Gericht, aber der Welt zum Heil.“

[GEJ.11_058,13] Petrus war darüber ganz bestürzt und sagte Meine Worte den Brüdern, die ebenfalls besorgt wurden um Mich. Petrus aber trug von jener Stunde an stets ein Schwert heimlich bei sich, bereit, sein Leben für Mich zu opfern, falls die Häscher kämen, Mich zu fangen.

[GEJ.11_058,14] Der Tag des Abschiedes nahte nun heran. Ich übergab dem Vorsteher der Stadt unsere Burg mit allem, segnete ihn und durch ihn die Gemeinde, berief die Jünger, und schnellstens begaben wir uns nun zur Landstraße, welche nach Jerusalem führte, da wir noch selben Tages bei Lazarus eintreffen wollten, um dort zum letzten Male einen Aufenthalt zu nehmen, bevor Meine irdische Laufbahn abgeschlossen werden sollte.

2.9.1.–7.

[GEJ.11_061,02] Nach kurzer Zeit näherten wir uns Bethanien, wo Lazarus wohnte, und dieser, welcher in seinem Innern getrieben, schon große Sehnsucht nach Mir hatte, weswegen er täglich nach seinem Lieblingsplatze hinaufstieg, um Umschau nach Mir zu halten, stand auch jetzt auf dem Aussichtspunkte. Sobald er nun unsern Trupp auf der Straße herankommen sah, fühlte er auch im Herzen, daß Ich es sei, und er eilte uns schnellstens entgegen, dabei nach seinen Knechten rufend, die es im Hause verkünden sollten, daß der Herr wieder ankomme.

[GEJ.11_061,03] Lazarus fand uns denn nun auch bald auf der Straße, und es ist überflüssig, von seiner sowie der Seinen Freude zu berichten als sie nach längerer Trennung uns wiedersahen und uns in ihrem Hause wieder aufnehmen konnten.

[GEJ.11_061,04] Es folgten nun sehr bedeutsame Tage, welche dazu angetan waren, sowohl Lazarus als auch Meine Jünger davon zu überzeugen, was Mein Endziel mit der Menschheit sei, weswegen ihnen noch vieles eröffnet wurde, was jetzt nochmals der Welt zu offenbaren nicht an der Zeit ist. Später jedoch wird dieses geschehen.

[GEJ.11_061,05] Wir saßen meistens abends in dem bekannten großen Saale der Herberge auf dem Ölberg, welche ebenfalls dem Lazarus gehörte, beisammen, weil hier viel Volk zusammenströmte und dieses ebenfalls Mich sehen und hören sollte.

[GEJ.11_061,06] Kaum war es denn auch offenkundig geworden, daß Ich Mich wieder öffentlich zeigte und Lazarus ebenfalls – der seit seiner Erweckung sich sehr zurückgezogen hatte und ein still-beschauliches, inneres Leben führte, wodurch er Mich weit mehr erkannte als früher und über Mein Handeln und Tun, sowie über Meine Lehre als auch Meine Person nun gar keine Zweifel oder Unklarheit empfand –, als auch ein überaus großer Zulauf von Jerusalemer Juden und noch mehr solcher aus den Landen, die des Festes wegen nach Jerusalem gekommen waren, stattfand. Hauptsächlich waren es die Nichteinheimischen, welche von der Wundertat und von Mir gehört hatten, die oft der Neugierde wegen, aber auch aus reineren Gründen, zu uns kamen. Alles, was überhaupt von dem jüdischen Volke nur einigen guten Sinnes noch war, ist auch in jener Zeit in Meiner Nähe gewesen, damit die Seelen erleuchtet werden konnten, so daß Meine Jünger und Ich vollauf zu tun hatten, um alle die Herandrängenden, in ihrer Seele Dürstenden zu erquicken. –

[GEJ.11_061,07] Doch ist hier nicht etwa zu denken, als ob dieses nur von den Juden allein gelten sollte. Auch viele Fremde – Griechen, Römer und andere Völker –, die von Mir gehört hatten und nicht so recht wußten, was sie aus Mir machen sollten, kamen in diesen Tagen und wurden aufgeklärt, so daß die Tage bis zu Meiner Verurteilung einen reichen und letzten Fischzug bedeuten für alles, was noch zu erlangen war.

[GEJ.11_061,08] Diese Tatsache zu wissen ist notwendig, damit das Weitere auch verstanden werde. –

[GEJ.11_061,09] Am Abend des ersten Tages nun, da wir bei Lazarus ankamen, hatten wir uns von dem Volk, das sich an diesem Tage noch nicht so sehr viel einfand, zurückgezogen und waren in dem Saal, der uns stets zur Zusammenkunft diente, allein, als plötzlich Judas Ischariot zur Tür hereintrat und uns alle begrüßte. Die Meinen waren schon recht froh gewesen, ihn so lange nicht gesehen zu haben, und hofften, ihn überhaupt nicht wiedersehen zu müssen, und zogen daher etwas krause Gesichter bei seinem Gruß.

2.10. Die Erlebnisse des Lazarus im Jenseits (Jesus durch LE:)

[GEJ.11_064,01] Um nun nicht mehr auf dieses Gespräch zu kommen, begann Lazarus selbst von seiner früheren Krankheit zu reden und wie er sich noch recht gut aller Einzelheiten vor seinem Tode erinnere, aber nichts mehr von dem wisse, was sodann mit ihm vorgegangen sei.

[GEJ.11_064,02] Das gab nun Gelegenheit, von dem Leben nach dem Tode selbst zu reden, und wie die ankommende Seele im Jenseits sich doch sogleich fühlen möge.

[GEJ.11_064,03] Lazarus fragte Mich, warum er denn so gar kein Gedächtnis mehr von dem habe, was mit ihm in der Zeit geschehen sei, als er im Grabe gelegen habe.

[GEJ.11_064,04] Ich erörterte ihm nun, der Grund läge darin, weil seine Seele sich in einem Zustand der höchsten Glückseligkeit befunden habe, der es ihr unerträglich machen würde, bei Beibehaltung des Gedächtnisses sich jetzt noch der irdischen Tätigkeit zu widmen. Dem sei vergleichbar, als würde ein überaus guter und weiser König, der sich auch nur in einer ihm würdigen Gesellschaft bewegt hat, plötzlich gezwungen sein, mit dem allerschlechtesten Volk zu verkehren und in der erbärmlichsten Behausung zu leben, ohne imstande zu sein, seine Lage zu verbessern.

[GEJ.11_064,05] (Der Herr:) „Damit du aber siehst, dass Ich nicht zuviel gesagt habe, sollst du auf kurze Zeit das Gedächtnis zurückerhalten und uns allen klar auseinandersetzen, wie es dir ergangen ist, und was du erlebt hast. Rede denn nun, wie dir die Rückerinnerung kommt, und sprich klar aus, was du empfindest! Ich will aber, dass du nicht irgendwie dabei deine jetzige Körpergefangenschaft empfindest, sondern als freier Geist redest!“

[GEJ.11_064,06] Also gleich verfiel Lazarus in eine kurze Betäubung von einigen Augenblicken, erwachte sodann und sprach mit würdigstem, verklärtem Ausdruck folgendes: „Oh, ich sehe jetzt im Geiste nochmals klar und deutlich, was ich in jener Todesstunde fühlte und dachte!

[GEJ.11_064,07] Es war mir am Anfang unsäglich bange, als ich merkte, dass das Leben in mir erlöschen wollte. Dann aber trat ein Gleichmut ein, und ich empfand das Bedürfnis, fest zu schlafen. Das Weinen der Schwestern, die an meinem Lager standen, kam mir unnütz vor; denn ich wusste doch, dass ich wieder erwachen würde. Dann schlief ich ein.

[GEJ.11_064,08] Als ich erwachte, fühlte ich mich leicht und frei von allen körperlichen Beschwerden. Ich atmete die reinste Luft und fühlte mich wunderbar gestärkt. Ich hatte die Augen geschlossen, da es mir wohlig und angenehm war, mich ganz der Ruhe hinzugeben. Dann aber empfand ich das Bedürfnis, die Augen zu öffnen, was aber nicht so recht gelingen wollte. Ich fühlte, wie eine Hand meine Augen berührte, und nun konnte ich diese öffnen.

[GEJ.11_064,09] Ich sah in das lächelnde Antlitz meines Vaters und war erst sehr erstaunt darüber, da ich ihn doch gestorben wusste und ihn nun neben mir stehen sah. Er sagte mir, daß ich körperlich gestorben und nun in die freie Geisteswelt eingegangen sei und in seinem Wohnhaus mich befände.

[GEJ.11_064,10] Ich sah mich um und erblickte ein herrliches Gemach, strahlend in hellsten, reinsten Farben. Mich ergriff die Schönheit dieses Gemaches, in welches helles Licht flutete, so sehr, dass ich staunend ausrief: ‚Wenn ich nicht deinen Worten glauben wollte, so würde doch dieser Raum mir zeigen, dass ich der Welt entrückt bin, mein Vater! Sage, ist das hier dein Aufenthalt?!‘

[GEJ.11_064,11] Antwortete mein Vater: ‚Es ist dieses Gemach gleichsam mein Geheimkämmerlein, wo ich mich mit meinem Herrn und Schöpfer ganz allein und doch durch Ihn überall befinde, wo es notwendig ist. Ich habe dich, mein Sohn, in diesem Heiligtum aufgenommen, weil du nur erst ein Gast dieses Reiches bist und später in dein Eigentum eingehen wirst. Mir ist es aber eine große Freude, dich hier aufnehmen zu können; denn der ein Freund des erdenwandelnden Herrn ist, hat auch Anspruch auf unser Bestes in uns und damit außer uns.

[GEJ.11_064,12] Du verstehst nicht, wie das gemeint ist? So siehe, dieses Gemach bedeutet das innerste Herzenskämmerchen meines Wesens und ist somit das Zentrum meiner Sphäre, von wo aus ich dich überall hinführen kann, soweit sich mein Geist erstreckt! Dadurch bist du gleichzeitig mit mir, umschlossen von meiner Liebe, Mitherrscher meines Selbst, solange du dich hier befindest. Jeder Mensch hat im Jenseits so ein Allerheiligstes, in das er sich gänzlich zurückziehen kann, um von den Strahlen des reinsten Lichtes, das hier durch alle Wände ungehindert hereindringt, durchdrungen zu werden. Auch du wirst das genießen, so du dauernder Bewohner hier sein wirst; aber jetzt bist du es, wie gesagt, noch nicht, sondern nur ein Gast, weil ich, als dein irdischer Vater, das nächste Anrecht auf deine Seele habe, diese zu schützen!‘

[GEJ.11_064,13] Ich erhob mich nun von dem Ruhesitz, auf dem ich mich wieder gefunden hatte, und umarmte voller Liebe meinen Vater, dessen Seite ich auch nicht verlassen habe, bis Du, o Herr, mich zurückriefst. Ich habe mit ihm auch Wanderungen gemacht, und er hat mir gezeigt, was alles ihm untersteht. Es war das vornehmlich die Aufgabe, ankommende Seelen der Erde zu sammeln und diese in die rechte Geistestätigkeit einzuführen.

[GEJ.11_064,14] Ich habe auch gesehen, wie diese Seelen oft schwer behangen waren mit allerlei Weltunrat, von dem sie sich befreien mussten, und habe gesehen, wie alles das, was im Geiste sich darstellt, auch ein entsprechendes Bild in der äußeren Erscheinung zeigt, so dass aus diesem Willen und Wollen der Seelen bleibende Bilder entstehen, die erst mit dem wechselnden Willen sich ändern und so die Sphäre oder die sichtbare Gedankenwelt der Seele darstellen. Die verbergende Körperhülle ist geschwunden und damit auch die Möglichkeit der Verbergung des Gedankenwillens.

[GEJ.11_064,15] Es ist aber diese Gedankenwelt durchaus nicht etwas, was nicht vorhanden ist – also Phantasie wäre –, sondern auch für jeden Geist etwas stofflich Vergeistigtes, Aufgebautes, sobald der Liebewille, der mit dem Liebewillen Gottes harmonieren muss, es fixiert. Harmoniert der Wille des Geschöpfes nicht mit dem Liebewillen Gottes, so kann dessen Gedankenwelt nicht dauernd bestehen, sondern wird wieder vergehen müssen. Die irdischen stofflichen Aufbauten und in das Materielle übersetzten Gedanken des Menschen sind vergänglich, weil die Materie im Liebewillen Gottes überhaupt nicht besteht, sondern nur zu bestimmtem Zweck als wandelbare Form fest gestellt wurde; diejenigen des Geistes aber sind unvergänglich, weil dessen Schaffen der Endzweck des göttlichen Schaffens selbst ist, das heißt, Gott will durch Seine Geschöpfe schaffen und so Seligkeiten geben, genießen lassen und durch Seine Geschöpfe Selbst genießen.

[GEJ.11_064,16] Es ist daher das jenseitige Leben hauptsächlich ein Arbeiten im Geiste, das heißt also ein Schaffen unvergänglicher Werke, nicht aber der materiellen Werke, die in Schutt und Staub wieder zerfallen müssen.

[GEJ.11_064,17] Im Anschauen der vielen Dinge, die sich meinem Geiste nun darboten, habe ich einen Teil der zukünftigen Seligkeit bereits genossen und werde daher stets gern bereit sein, diesen Körper wieder abzulegen, wenn Du, o Herr, es befiehlst, ebenso willig, als ich auch wieder zurückkehrte, als Deine Stimme in das Gemach hallte und mich zur Rückkehr anhielt. Mein Vater hatte mir dieses Ereignis bereits angekündigt, so dass ich völlig darauf vorbereitet war.

[GEJ.11_064,18] Ich weiß nunmehr aber auch, dass ein jeder Mensch von Dir also auferweckt werden muss dem Leibe nach, da in diesem nach Verlassen der Seele noch vielerlei zurückbleibt, was die Seele für ihr jenseitiges Leben braucht. Es beruht das darauf, dass diejenigen Stoffe, welche im Körper die Materie ausmachen, auch nach ihrem Auflösen und Aufsteigen aus der Körperform in einer Art Verwandtschaft zur Seele bleiben, – ungefähr wie ein Mensch, der lange Zeit in einer Gegend lebte, nach Verlassen derselben doch stets eine Sympathie für diese behält und die Erfahrungen, welche er in derselben machte, doch stets in seinem seelischen Fühlen mit der Umgebung zusammenhängen, so dass eines ohne des anderen Wechselwirkung nur ein unklares Bild geben würde.

[GEJ.11_064,19] Die Seele sucht daher das seelische Element, welches die kleinsten Stoffteile ihres verlassenen Körpers beherrscht, zu sich heranzuziehen und mit sich zu einen, da dadurch ebenfalls eine Art Erlösung der Materie geschieht, oder – besser gesagt – ein In-sich-Aufnehmen, Verschlingen des noch Unreinen vom Reinen. Das ist nun allerdings ein Vorgang, der dem noch irdischen Menschen ganz unverständlich bleibt, wenn er nicht in geistigen Dingen weit vorgeschritten ist. Jedenfalls aber ist diese Auferweckung des Leibes von der Seele, die nicht schnell vor sich zu gehen braucht, ebenso notwendig wie die Auferweckung der Seele vom Geiste, während dieser wieder erst direkt von Dir, o Herr, erweckt, das heißt ins Leben gerufen wird. Diese Stufenfolge ist ein besonderes Geheimnis Deiner Schöpfung, wie ich erst im Jenseits gesehen und erfahren habe, und wie jeder Mensch an sich erfahren wird.

[GEJ.11_064,20] Als nun Deine Stimme zu mir erschallte, fühlte ich mich hinweg gezogen und hatte die Empfindung, als wenn im Traum die Bilder wechseln und sodann bald das Erwachen folgt. Zwischen den geträumten Bildern empfinden wir aber eine Lücke, die die Seele in ihrem Bewusstsein nicht auszufüllen imstande ist. Ich glaubte also, wie von einem langen Schlafe zu erwachen, und fand mich sodann im Grabe liegend. Ich wusste, was mit mir vorgefallen war, hatte aber doch nur die Rückerinnerung des Traumes.

[GEJ.11_064,21] Jetzt, wo ich mich momentan von meinem Körper frei fühle, empfinde ich es auch sehr wohl, dass die Fesseln des Körpers nicht imstande sind, die sich frei fühlende Seele zu bändigen, wenn sie erst einmal die wahre, seelische Freiheit gekostet hat, weswegen Du, o Herr, auch die Körperbande mir gelöst hast, damit dieser nicht zerstört werde. Ich weiß jetzt auch, dass Du nach meiner Erweckung mir alles erklärt hattest, was jedoch meinem Gedächtnis wieder entschwunden war. Nun aber werde ich diese Ereignisse nicht wieder vergessen, sondern als unschätzbares Gut gewisslich in mir bewahren.“

[GEJ.11_064,22] Ich sagte nun zu Lazarus, er solle wieder der frühere werden und der irdisch lebende Lazarus sein, worauf er abermals in eine kurze Betäubung verfiel und dann wohlgemut mit der Erinnerung eines lebhaften Traumes in dem Kreise der Meinen erwachte.

[GEJ.11_064,23] Allen Anwesenden war diese Szene nun ein lebhaftes Anschauungsbild des Sterbens gewesen und diente später sehr dazu, ihnen jede etwa noch übrig gebliebene Furcht vor dem Augenblick des Todes fortzunehmen.

[GEJ.11_064,24] Ich ermahnte nun die Meinen, sich zur Ruhe zu begeben, damit sie morgen gestärkt wären zu großer Arbeit, und alsbald folgten denn auch alle diesem Rate.

2.11. Lazarus wanderte später nach Ägypten aus, weil er vom Tempel zu sehr verfolgt wurde (Jesus durch JL):

Lazarus. – 26. Juni 1847.

[HiG.03_47.06.26 – S.258] Anfrage des Ans. H.: O Herr, Du heiliger, liebvollster Vater! Wenn es Dein heiliger Wille ist, so erfreue unser Herz durch eine Personenbeschreibung Deines Freundes Lazarus, des Bruders der Maria und Martha, welchen Du zum Ärgernis der geistlichen Machthaber zu Jerusalem vom Tode erwecktest, und mit dem Du nach seiner Erweckung zu Tische saßest. –

[HiG.03_47.06.26,01] Mein lieber Ans. H. W., du bist doch kein Porträtmaler, dass du gerade eine Personenbeschreibung des Lazarus, eines Bruders der Maria und Martha, von Mir wünschest, – aber weil du Mich schon darum gebeten hast, so kann Ich sie dir ja geben.

[HiG.03_47.06.26,02] Siehe, Lazarus sah gerade deinem Bruder Andrä sehr stark ähnlich; nur war er um zehn Jahre jünger (39 Jahre alt) und war den äußeren Gütern nach noch bei weitem reicher als dein Bruder, und sein Herz hing noch mehr am äußeren Reichtumsglanze denn das Herz deines Bruders, das aber zu gewissen Zeiten auch sehr stark daran hängt, oft bei weitem stärker denn an Mir.

[HiG.03_47.06.26,03] Lazarus besaß mit seinen beiden Schwestern eben auch überaus große Reichtümer und verwaltete sie sehr gut und war dabei sehr gerecht und überaus gewissenhaft und besorgte die äußeren Geschäfte mit derselben Sorglichkeit, wie seine Schwester Martha die häuslichen.

[HiG.03_47.06.26,04] Er war ein vollkommen gesetzeskundiger Mann und lebte auch streng als ein echter Jude nach dem Gesetze; er hielt große Stücke auf den kommenden Messias, hatte aber von Ihm nur eine unter den Juden ganz gewöhnliche, sehr materielle Vorstellung, – aber nichtsdestoweniger hielt er dennoch sehr große Stücke auf Jesum, also auf Mich, und hielt Mich nach Elias wohl für den größten Propheten, manchmal wohl auch höher als Elias, und hatte wohl die größte Freude an Mir; und wann Ich zu ihm kam, da legte er jedes Geschäft beiseite und widmete seine Zeit bloß Mir und besprach sich sehr gern über die Propheten und besonders über den kommen sollenden Messias. Nur konnte er es nicht so recht fassen und vollends annehmen, dass Ich der verheißene Messias sein solle, da Ich ihm irdisch viel zu arm war, aus welchem Grunde er Mir wohl mehr als einmal den Antrag machte, dass, so Ich wirklich der Messias wäre und als solcher der weltlichen Schätze benötigte, Mir sein ganzer großer Reichtum vollends zu Gebote stünde.

[HiG.03_47.06.26,05] Doch nachdem Ich ihn vom Tode erweckte, und er ganz neu belebt Mich wieder erkannte, da wichen dann wohl alle Zweifel über Meine Messiaswürde, und er pries frei zum größten Ärger der Schriftgelehrten und Pharisäer in Mir Gott! – Darum aber wurde er besonders nach Meiner den hohen Priestern überaus ärgerlichen Auferstehung eben von der hohen Priesterschaft, den Pharisäern und Schriftgelehrten dergestalt verfolgt, dass er ein paar Jahre darauf alle seine Güter an die Römer verkaufte und dann nach Ägypten mit seinen beiden Schwestern zog, wo er ein ganz Mir geweihtes Leben führte, viele Ägypter zu wahren Christen machte und im obersten Hinterägypten eine Gemeinde stiftete, die noch heutigen Tages besteht.

[HiG.03_47.06.26,06] Lazarus aber war schon zu allen Zeiten überaus wohltätig und gab viele Gastmähler, mehr an Arme als an Reiche, obschon auch letztere nicht ausgeschlossen waren. Dazu lebte er keusch und stets im ledigen Stande, desgleichen auch seine beiden Schwestern, obschon sie überaus schön waren und überaus reich. – Maria hatte vor Meiner Bekanntschaft wohl etwas mehr gelebt als die Martha; aber als sie Mich erkannte, da erlosch sobald alle Welt- und Wollust in ihr, und in ihrem Herzen fand neben Mir nichts mehr Raum. –

[HiG.03_47.06.26,07] Wenn du den Lazarus nun ganz in seiner Persönlichkeit vor dir sehen willst, da stelle dir deinen oben erwähnten Bruder in jüdischer Tracht vor, mit einem dunklen Barte, so kannst du dir wirklich ein vollkommenes Ebenbild von ihm malen lassen. Mehr kann Ich dir von der Persönlichkeit dieses viel bedeutenden Bruders nicht sagen, weil du nur um dessen Persönlichkeit gefragt hast, die aber auch gut ist und du sie dir zunutze machen kannst amen. – – –

 

(Mit Genehmigung des Verfassers, 5/16)