„Millionen von Menschen beten oder glauben zu beten und sehen kein Resultat ihres Gebetes, entweder weil sie um Erfüllung von Wünschen bitten, die nicht ausführbar sind oder weil sie glauben, mit dem Gebete ist schon ihre ganze Verpflichtung gegen ihren Schöpfer abgetan.“



Die Macht des Gebetes

oder

wie man beten soll



Jesus:Ein jeder Mensch, der nur im mindesten religiöse Gefühle hegt und Glauben hat und auch deswegen ein höheres Wesen über ihm anerkennt, fühlt öfter das Bedürfnis, sich an dieses höchste Wesen zu wenden, da er von dessen Macht überzeugt, ihn als Herrn und Lenker aller Schicksale der Menschen betrachtet.

 

Dieses Aufblicken und dieses Bitten oder Flehen zum höchsten Wesen heißt man im allgemeinen `beten`.

 

Wie und wann nun dieses Gebet von Wirksamkeit ist oder sein kann und wie es eigentlich beschaffen sein soll, solches zu zeigen ist der Zweck dieses Wortes, damit auch hierüber in euren Gemütern Licht werde und ihr somit wisset, was beten heißt, wie man beten soll und welche Macht im Glauben liegt, angewendet dem Nebenmenschen zu helfen. Wer Religion hat, betet; aber auch das sich unbewußte Tier betet, der Ausdruck seines Gebetes ist aber nur ein Bewußtsein des Wohlbefindens, da es sich seines Lebens freut, und wenn es seine Organisation erlaubt im melodischen Gesange wie beim Vogel oder in fröhlichem Gezirpe wie bei den Insekten sein Dankgebet ausdrückt.

 

Was den Menschen anbetrifft, der sich seiner Persönlichkeit bewußt ist, so wird sein Gebet stets der religiösen Bildungsstufe angemessen sein, wo er dann gewöhnlich betet, wie man es ihm angelernt hat oder wie er es gerade seinen Ideen gemäß für am besten glaubt. –

 

Millionen von Menschen beten oder glauben zu beten und sehen kein Resultat ihres Gebetes, entweder weil sie um Erfüllung von Wünschen bitten, die nicht ausführbar sind oder weil sie glauben, mit dem Gebete ist schon ihre ganze Verpflichtung gegen ihren Schöpfer abgetan. –

 

Aus diesen Ansichten erwachsen natürlich eine Menge Irrtümer, welche sodann sogar oft vom Glauben zum Unglauben führen, weil der Mensch keine Gewährung (Erfüllung) seiner Bitten ersieht. Es muß also hier eine Grenze gestellt werden, warum man beten, wie man und um was man beten solle.

Die erste Frage ist also: Wann ist der eigentliche Zeitpunkt, wo der Mensch sich hingezogen fühlt, seinen Blick nach oben zu wenden, um ein inbrünstiges Gebet an den Lenker seiner Schicksale zu richten!?

 

Dieses zu beantworten müssen wir die verschiedenen Lagen betrachten, in welche der Mensch kommen kann, wo Gebet notwendig und auch nur das einzige Trostmittel ist.

 

Diese Lagen sind gewöhnlich, wo Verluste von Geliebten oder materielle Unglücksfälle und auch unverschuldete Unbilden von andern Menschen dazu stimmen, die Hilfe von oben anzurufen. Was geschieht denn eigentlich in solchen Fällen? Meistens ist es die notgedrungene Überzeugung, wie trügerisch die Welt ist, an welcher der Mensch vielleicht zuvor so fest gehangen oder wie unausweichlich die Naturgesetze sind, die einmal so und nicht anders von einem höchsten Schöpfer angeordnet wurden. In solchen Fällen sieht sich der Mensch von allem verlassen, nichts genügt, um ihn zu beruhigen, zu trösten oder mit seinem Schicksal ihn wieder auszusöhnen; verlassen, verwaist steht er da, keine menschliche Macht kann ihm helfen, denn Ehren, Würden und Schätze sind nicht im Stande, das darniedergedrückte Gemüt aufzurichten; da blickt er nach oben, nach dem unsichtbaren Wesen, welches er oft geahnt, aber nie genug gewürdigt hat; da drängt es ihn, unter einer Flut von Tränen sein Herz vor Ihm auszuschütten, da tritt oft wie in einem Spiegel sein ganzes verfehltes Leben mit all seiner Nichtigkeit vor ihn hin und zerknirscht sinkt er zusammen, ausrufend: `Du hast mich gestraft, o Herr! Du hattest Recht, ich verdiene es nicht anders, aber ich sehe, nur so konnte meine Seele vom Verfalle gerettet werden!`

 

Diese Worte als Ausruf, als Bekenntnis der eigenen Schuld, so kurz sie sind, genügen, dem Hartgeprüften Trost und Ruhe ins Herz zu gießen, denn er vernimmt da vielleicht eine Stimme, deren Existenz er zuvor nie glaubte, welche in seinem Innern spricht: `Sei ruhig, Mein Kind, was du erlittest, das mußte so kommen, du warst zwar auf einen solchen Schlag nicht vorbereitet, aber dein Seelenheil wird aus diesem Unglück erwachsen, und wenn du nur die trügerische Welt erkannt hast, so genügt es; denn sie steht in ihrer ganzen Nacktheit vor dir und zeigt dir mit dem Finger nach oben gerichtet, wohin du dich wenden solltest, allwo große Schätze blühen, die ewig, während alle zeitlichen dem Wechsel unterworfen sind!`

 

Solche Gebete, durch Umstände erzwungen, wünsche Ich keinem Menschen; allein sie müssen bei jedem Menschen doch eintreten, natürlich stärker und heftiger je größer der geistige Schlaf ist, in welchen die Seele eingelullt war. Dieses Gebet der Trauer und Verzweiflung hat nur insofern einen Wert wie eine bittere Arznei, daß es den Menschen für längere Zeit auf dem besseren geistigen Weg erhält. –

 

Was die materiellen Unglücksfälle betrifft, wo Hab und Gut verloren geht oder die nicht verdienten Leiden durch andere Menschen verursacht, so ist an ersteren nur der Mensch selbst schuld, wenn er zu sehr am Materiellen gehangen und daher oft der Verlust ihm unersetzlich scheint, wo er keine seiner angewohnten Bedürfnisse missen möchte; das zweite, die Unbilden, Ungerechtigkeiten, auch Verluste durch andere Menschen verursacht, zeugen ebenso deutlich von der Unkenntnis der Welt, indem man sie und die Menschen für besser hielt als sie wirklich sind. In beiden Fällen sind alle Gebete zu Mir erstens ebenfalls durch Umstände erzwungen und haben keinen anderen Zweck, als die Herstellung der früheren weltlichen Verhältnisse, wie Ich Meine Hand zur Hilfe hergeben solle, während gerade das Hinwegziehen Meiner schützenden Hand den Menschen oft wider seinen Willen auf den geistigen Weg bringt, wo Ich ihn eben haben will!

 

Schon so oft habe Ich euch gesagt, daß in der ganzen Schöpfung nichts geschieht ohne ein `Warum`, daß alles zusammenhängt wie eine Kette, wie Ursache und Wirkung; wie in den großen Gesetzen der Welten, ebenso beurkundet sich dieses Nämliche in den Handlungen der Menschen, in den Verhältnissen und Ereignissen beim Zusammenleben mehrerer, wo aber Ich, ohne den freien Willen des Menschen zu beeinträchtigen, alles, was sich ereignet, zu meinen Zwecken ausbeute und benütze, so zwar, daß selbst bei den scheinbar größten Verlusten und Unglücksfällen doch das geistig erste Prinzip des Fortschritts dabei gewinnen muß. Denn eben das notgedrungene Gebet ist ein Wecker, wenngleich ein unfreiwilliger, aber oft ganz gesunder, um neues geistiges Leben zu fördern, wo die Seele des Menschen sich zu sehr in das materielle Weltleben verstrickt hat. -

 

Was das kirchliche Gebet anbelangt, wo von andern erfundene und zusammengeschriebene Gebete hergeplappert werden, so haben selbe gar keinen Zweck und keinen Erfolg, denn der Betende denkt dabei nichts oder höchstens, daß mit solch unnützem Wortschwall er sich mit Mir schon abgefunden hat, was also kein Fortschritt, sondern ein Stehenbleiben am alten Flecke wäre. –

 

Warum man eigentlich beten sollte, ist deswegen, weil ein Gebet, wenn es aus dem Herzen kommt, in selbes Erleichterung, Friede und Freude gießen wird.

 

Zu Mir beten soll man, weil der Mensch in seinem inneren Leben eine Menge Fragen hat, welche niemand anderer genügend beantworten kann, und man auch nicht jedem diese Herzensgeheimnisse anvertrauen will.

 

Man soll beten, weil niemand so trösten kann wie Ich, besonders wenn man Meine Worte zu würdigen versteht; denn Ich weise kein Kind ab, wenn es in Trauer zu Mir aufblickt und vor Mir sein ganzes Herz ausschüttet; Ich werfe ihm nicht die begangenen Fehler vor, sondern sein Gebet selbst bezeugt schon, daß er sie selbst kennt und nun bei den üblen Folgen derselben Meine Hilfe anfleht.

 

Wer so zu Mir kommt, der findet stets Erhörung, das heißt, er findet seine Ruhe wieder, welche er früher für verloren glaubte. –

Nun kommen wir (zweitens) an die Frage: `Wie soll man beten?`

Sehet, Meine Kinder, hier ist eine bündige Antwort schwer, weil eben das `Wie` von dem geistigen Standpunkt eines jeden abhängt; je mehr Mich der Mensch in der Schöpfung gesucht und gefunden, desto erhabener wird auch erstens sein Begriff von Mir sein und zweitens desto inbrünstiger, vertrauensvoller auch sein Gebet werden.

 

Sehet, wenn ihr eigentlich die Sache genau erklärt haben wollet, so sollte das Leben des Menschen ein kontinuierliches Gebet sein, ein Gebet, welches nicht in einzelnen Formeln oder schönen Worten besteht, sondern ein Gebet, welches gleichsam eine immerwährend sich gleichbleibende Stimmung ist, wo alles, was sich ereignet, alles was das Auge nur sieht und das Ohr hört und die Sinne fühlen, so betrachtet und beurteilt und getan wird, wie der geistig sich bewußte Mensch es auffassen sollte, der ein Abkömmling von Mir ist, d.h. im steten Hinblick und Bezug auf Mich.

 

So z.B. will Ich euch einen Spaziergang in der freien Natur erklären, wie er sein sollte und wie er zu einem inbrünstigen Gebet zu Mir werden kann, ohne daß dabei Gebetsformeln angewendet, noch ein Wort der Anbetung ausgesprochen wird.

 

Sehet, wenn jemand von den Arbeiten des Tages müde oder von dem heitern Himmel und warmen Sonnenschein angelockt das Freie sucht, um erstens sich auf einige Stunden vom Weltgetümmel zu entfernen oder eine kleine Weile mit sich selbst allein zu sein, so langsam durch Wald und Fluren geht, da seinen Gedanken freien Lauf läßt, sich der Sonnenwärme oder des kühlen Schattens der Bäume erfreut, mit tiefen Zügen die Frühlingsluft einatmet, dabei die Natur im Ganzen wie im Einzelnen betrachtet, vielleicht vor manchem Blümchen, mancher Pflanze, vor so manch schöner Aussicht stehen bleibt und so den Eingebungen der stets gleich bleibenden Natur sich hingibt, von dem Betrachten ihrer Produkte zu deren Bestand, zu deren künstlichem Bau, deren Schönheit und so fort, endlich zu dem Schöpfer alles dieses geführt wird, welcher gleichfort, ob die Menschen auch alles verstehen oder nicht, doch sie täglich mit Tausenden von Gnaden überschüttet; wenn dann der Mensch vielleicht ausruft: `O, wie wenig gehört doch dazu, um glücklich zu sein!` Da betet dann der Mensch zu Mir, da wendet sich sein Herz von der Welt ab, und er betet, ohne es zu wissen; denn er erkennt das geistige Walten Seines Schöpfers, Seines Vaters in der Natur, er erkennt dadurch sich selbst als geistiges Wesen, das, wenngleich auf materieller Erde fußend, seinen Ursprung und seine Zukunft wo anders hat, wo keine weltlichen Sorgen mehr hindringen, wo Ruhe, Frieden und ewige Liebe das bleibende Bewußtsein der dort Lebenden ist. Bei einem solchen Spaziergange fühlt der Mensch die Nähe seines Gottes, fühlt, wie er überall und stets mit gleicher Liebe ihn umgibt, fühlt die Nichtigkeit der Welt und begreift, daß die Beschauung einer einzigen Blume, im Vertiefen in ihren Bau so viel Geistiges, so viel Liebliches verbogen liegt, welches nur ein Gott hineinlegen konnte, Der mit allumfassender Liebe alle Seine Kinder, Geschöpfe und Wesen umschlungen hält.

 

Seid versichert, ein solcher Mensch betet, ja er betet inbrünstig zu Mir, er lernt Mich lieben, ist mit seinem Schicksal zufrieden und kehrt gewiß als ein ganz anderer Mensch nach Hause zurück, als er von dort ausgegangen.

 

So sollte man beten, von morgens bis abends, was einem begegnet, was sich ereignet, auf göttliche Führung, auf geistige Zwecke zurückleiten; dann wird niemand mehr von Ereignissen überrascht werden, die ihn zu Boden werfen, oder auf längere Zeit betrüben könnten, denn er erkennt, daß alles nur zum Besten ist, wenn es gleich den Anschein eines Unglücks hat. Was ist ein Todesfall für solch einen Menschen!, was der Verlust materieller Güter! Im Ersten erkennt er das natürliche Gesetz oder oft eigenverschuldete Vernachlässigung bei Krankheiten; ja selbst bei ruhiger Betrachtung gibt es für ihn keinen Tod, sondern nur einen Wechsel zwischen zwei Welten. Wenn er auch etwas beklagt, so ist es mehr eigenes Interesse, welches durch diesen Todesfall gestört und beeinträchtigt wurde oder längst angewohnte Lebensart, die jetzt eine andere Wendung nehmen muß. Bei materiellen Verlusten ist eine Klage nur ein Beweis, daß man weltlichen Gütern mehr beigelegt hatte als sie wirklich verdienen und nur deswegen auch ihr Verlust desto mehr fühlbar ist.

 

Der geistig religiös erzogene Mensch wird in seinem ganzen Leben die Führung seines Gottes erkennen, welcher nur, mit Liebe oft warnend, ihn vor Unglücksfällen retten wollte, wo am Ende, wenn sie wirklich eintreten, der Mensch sich selbst mehr als anderen die Schuld geben muß, eben weil er der warnenden Stimme nicht Gehör geschenkt hatte.

 

Nun, nachdem Ich euch bewiesen (gezeigt) habe, wie das Leben ein stetes Gebet sein sollte, wie ihr bei keinem Schritte euren Gott und Herrn vergessen sollet, können doch Fälle vorkommen, wo auch der religiöseste Mensch noch einige Bitten an Mich stellen will und es fragt sich nun um das dritte, um was man eigentlich bitten solle? Dies zu beantworten solle Meine nächste Sorge sein, damit ihr die Wichtigkeit des Gebetes in seinem ganzen Umfange kennenlernt.

`Um was soll man eigentlich beten?`

Diese Frage zerfällt wieder in zwei andere: soll man um zeitliche oder geistige Güter oder soll man im allgemeinen für die Menschheit, für einen Nebenmenschen beten?, so, wie Ich einst sagte, daß man selbst für seine Feinde beten solle!?

 

Um was bittet denn der Mensch meistens? Meist um irdisch-zeitliche Verbesserung seiner Verhältnisse; fast immer ist es weltliches Wohlleben, welches dem Gebet zugrunde liegt oder wenn jemand auf dem Krankenbette liegt, fleht er um Herstellung seiner Gesundheit (welche er nur zu oft selbst mit Füßen getreten hatte), um dann wieder dort fortfahren zu können, wo er es vor seiner Krankheit gelassen; selten fleht jemand um Hilfe, geistig ein besserer Mensch zu werden! Dieses Bitten um zeitliche Schätze, dieses Opfern in den Kirchen für ähnliche Zwecke ist verfehlt, denn Ich bin ein Geist und habe nur die geistige Erziehung der Menschen im Auge und kann ihnen keine weltlichen Vorteile gewähren auf Kosten geistigen Rückschrittes!

 

Das Gebet zu Mir in anbetracht eines Nebenmenschen, in anbetracht ihrer Verirrungen setzt natürlich einen weit höheren geistigen Standpunkt voraus, wo der Mensch seine eigenen Verhältnisse vergißt und nur das Wohl im allgemeinen von allen Menschen im Auge hat. Diese Bitten kommen aber sehr selten zu Meinen Ohren, denn solche Leute gibt es wenige auf eurer Erde. Die Menschen beschäftigen sich nur zu sehr mit sich selbst und es genügt ihnen, wenn sie sich Ruhe und Frieden erbeten haben, weiter geht ihre Liebe nicht!

 

So wie ein solch geistig gebildeter Mensch für die Menschen betet, so beten auch Meine Engel als höchste Geister, welche nur geistiges Wohl allen ihren anvertrauten Wesen wünschen. Ein solcher Mensch hat aber von solchem Gebet auch den größten Nutzen für sich selbst, weil er eine Gewissensruhe in sich verspüren wird, die ihn weit über alles Materielle emporhebt und alle kleinen Mißhelligkeiten des menschlichen Lebens vor ihm in Nichts zerfließen läßt.

Derjenige, der frei aus innerstem Herzen zu Mir flehend also spricht:


`O Herr! Du langmütiger, liebevollster Vater unser aller! Lasse Deinen Geist der Liebe herabströmen auf dieses verirrte Menschengeschlecht, welches wie trunken von weltlichen Begierden Deiner ganz vergessen hat! Laß ihnen leuchten Deine Liebe, Deine Erbarmung, verleihe ihnen Einsicht in Deine unwandelbaren Gesetze der materiellen und geistigen Natur, auf daß sie nicht fortwährend gegen selbe sündigend sich Unheil und Not bereiten! Laß sie begreifen, daß Bruder- und Schwesterliebe, ein schwaches Echo Deiner unendlichen Vaterliebe, sie zusammenbinden sollte, und nicht Haß, Ehrgeiz und schnöde Gewinnsucht die Triebfedern all ihres Handelns sein sollten und deswegen die Quelle aller Leiden werden. Laß Dein Licht der Erkenntnis leuchten, damit die Finsternis verschwinde, in welche falsche Erziehung und falsche Religionsbegriffe sie gestürzt haben! Segne, o Vater, Deine verirrten Kinder, denn, wenn gleich verirrt, sie dennoch Deine Kinder, Deine Geschöpfe sind! Gib ihnen Ruhe und Frieden, auf daß ihnen leuchten möge das ewige Licht Deiner Liebe! Amen!`

 

Wer so für die Menschen zu beten imstande ist, wer solches alle Tage tun kann mit gleicher Inbrunst, mit gleicher Liebe und wo dann diese Stimmung auch die Richtung seiner Handlungen während des Tages ist, der betet stündlich und ohne Unterlaß zu Mir, errichtet sich in seinem Innern einen Friedenstempel, den niemand zerstören kann und übt so die Menschenliebe aus, wie Ich sie einst gepredigt und selbst praktisch gezeigt habe.

 

Solcher Gebete befleißigt euch! und solch höhere Ansichten über die Bitten zu Mir und ihr werdet bald erfahren, wer eigentlich gewonnen hat, Ich oder ihr!

Wenn ihr euch in solch bleibenden religiösen Stimmungen erhalten könnet, dann wird in euch eine andere Zuversicht erwachen, welche ihr bis jetzt noch nicht erkannt habt und die Ich mit dem Worte: `Macht des Gebets` bezeichnet habe. Denn wer so zu beten weiß, dem ist auch Vertrauen auf Meine Hilfe geworden, daß, wenn er besonders bei Krankheiten seine segnende Hand auflegt*), gewiß geholfen wird! Wohl bedacht, wenn es in Meinem Plane liegt; denn er wird ja so nie anders beten als mit den Worten schließend: `wenn Du es also willst, o Herr!`, aber stets wird sein Gebet, wenn nicht gleich heilend, doch modifizierend die Leiden vermindern und zwar zu dem Zweck, damit geistige Lehren eher Eingang finden. Diese Macht des Gebets oder dieses feste Vertrauen auf Mich, daß Ich helfen werde, verstärkt den Willen des Bittenden; und so war es einst gemeint, als Ich sagte: `wenn ihr wollt, so heben sich die Berge hinweg und stürzen ins Meer!` Diese Macht des Gebetes wurde wenigen zuteil, weil sie sonst oft mißbraucht worden und deswegen der Erfolg nicht immer gewiß gewesen wäre. Möglich ist es, durch Auflegen der Hände den Kranken zu helfen, aber nicht immer tunlich, denn Ich Selbst kann da nicht heilen, wo Ich die Krankheit eben als Heilmittel für die Seele zugelassen habe.
*) Siehe linke Randspalte unter `Gebet / Meditation (2)`, Thema `Heilung durch Gebet?`

Es gebe sich also niemand der Hoffnung hin, wenn er auch die Höhe des nötigen Vertrauens erreicht hat, daß er stets des Erfolgs gewiß ist; für ihn wird ein solches Gebet immer von Nutzen sein, anderen aber nur nach Umständen. Ihr sollet immer bedenken, wie Ich schon früher sagte, daß Ich das geistige Wohl Meiner Kinder im Auge habe, dem ihr körperliches stets untergeordnet sein muß.

 

Die Macht des Gebetes soll den Menschen erheben, ihn zu Mir führen, dieses (ist) der Zweck; denn `Gebet` heißt nichts anderes, als an Mich und an das Verhältnis zwischen Mir und den Menschen denken, und wer also betet, der ist in Mir in Verbindung getreten, gewinnt dadurch, da er seine eigene Stellung auf dieser Welt besser erkennt, söhnt sich leichter mit allen Verhältnisse aus und erleichtert sich durch das Gebet den Übertritt ins andere Leben, indem er schon längst geistig sich hineingelebt hat, ehe noch die irdische Hülle gefallen, welche ihn vom Geisterreiche trennte.

 

Darum sagte Ich zu Meinen Jüngern: `Wachet und betet!, damit ihr nicht in Versuchung fallet!`, weil Ich wußte, was die Macht des Gebetes ist, welches ihnen in jener Zeit so notwendig war, da sie in kurzer Frist darauf ihre wichtigste Stütze, Mich Selbst, verloren. –

 

Auch euch rufe Ich das nämliche zu: `betet!`, damit euch nicht Ereignisse überraschen, wo Gemütsstärke und Vertrauen am meisten nötig sind. `Gebet` gibt Trost, es ist eine Erhebung zu Mir, aber nur vernünftig muß gebetet werden, sonst verfehlt es seinen Zweck und der Mensch kommt bei all seinem Gebete der Verzweiflung nahe. –

 

Bedenket also, was Ich euch hier wieder gegeben habe, befleißet euch beten zu lernen, um von Mir zu erbitten, was Ich euch erfüllen kann. Verlieret euch nicht in eitle Wünsche und nichtssagende weltliche Begierden nach Dingen, die, wenn ihr sie auch besäßet, nicht das vermeintliche Glück bringen würden, welches ihr von ihnen erwartet. Alles in der Welt muß weise und nur so gebraucht werden, daß es geistigen Nutzen bringt; ebendeswegen auch dieses Wort über die `Macht des Gebetes`, damit ihr zuerst erfahret, wie man beten solle und inwiefern das Gebet auch andern zunutze wird.

 

Leben ist Mein Ich, Leben hat Meine ganze Schöpfung und Leben muß auch im Geistigen überall sein, deswegen Ich alles Tote entfernen will.

 

Leben ist Fortschritt, Leben ist nötig zur Verwandlung des einen in das andere, und Leben, geistiges Leben baut die Materie auf, erhält sie eine Zeit lang und zerstört sie dann wieder, sobald die Zeit der Reife für ein höheres Leben gekommen (ist).

 

Zu diesem höheren Leben bereitet euch auch das Gebet vor, denn ihr werdet mit Mir in Meinem Willen so stets mehr vertraut, begreifet immer mehr, dass Geist in Mir, in euch und auch ist der Materie ist, der entbunden einst emporsteigen wird dahin, von wo er einst ausgegangen!

 

So lernet beten und euren Vater stets mehr verstehen; solches ist der Zweck dieser Erklärung, mittels welcher selbes leichter zu erreichen ist! Amen!“

(„Die Macht des Gebetes“ ist das letzte Wort, welches der Herr dem Bruder Mayerhofer in die Feder diktierte, denn er starb am 30.März 1877 in Triest, also wie sein geliebter Meister am Karfreitag.)

(Gottfried Mayerhofer, „Die Macht des Gebetes“. Aus: „Festgarten“, Lorber Verlag)