„…Sehet, aus diesem Gleichnis könnt ihr schon ziemlich klar entnehmen, wie wenig jemandem eine große Belesenheit nützt, wenn er mit derselben nicht in der wahren Ordnung fortschreitet.“



Zum nutzbringenden Lesen

des Alten und Neuen Wortes

 

 

1. Eine gute Regel zum nutzbringenden Lesen des Alten und Neuen Wortes

2. Ein Einwand und seine Widerlegung

3. Das Gleichnis vom klugen und unklugen Bauherrn und seine Deutung

4. Vom Lesen des Gotteswortes

 

 

1. Eine gute Regel zum nutzbringenden

Lesen des Alten und Neuen Wortes


Jesus: "Meine lieben Kinder! Mit diesen folgenden ‚Nacherinnerungen‘ will Ich euch eine gar wichtige und nützliche Regel geben, ohne die ihr euch durch die Lesung was immer für geistiger guter Bücher keinen Nutzen verschaffen könnet. Ihr möget die Heilige Schrift, wie auch dieses Neue Wort tausendmal nacheinander durchlesen, so werdet ihr aber dennoch ohne diese Regel stets auf dem alten Flecke stehenbleiben.

 

Ihr habt euch durch das öftere Lesen wohl euer Gedächtnis so recht gepfropft voll angestopft; fraget aber euren Geist, was er davon gewonnen hat, und seine stumpfe Antwort wird also lauten:

`Ich bin wohl chaotisch von allerlei Baumaterialien umlagert, und da liegen Balken und Steine bergartig übereinander; aber aus allen diesen Baumaterialien ist noch nicht einmal irgendeine schlechte Keusche erbaut, in der ich frei zu wohnen vermöchte. Ihr häufet zwar das Baumaterial fortwährend auf – lauter Edelsteine und das schönste Zedernholz liegt in plumpen Haufen vor mir –, und ich vermag es nicht zu ordnen. Und habe ich hier und da auch irgend angefangen, eine kleine Ordnung herzustellen, da führt ihr schon wieder eine kolossale Menge neuen Materials dazu, so daß ich notwendig in meiner Tätigkeit ermüden muß und am Ende beim Anblick der Größe des zu ordnenden Materials erschaudere und mit Wehmut denke, wann doch einmal all dieses Material zu einer Wohnung wird geordnet werden können.`

 

Sehet, das ist eine ganz gründliche Antwort des Geistes, die ein jeder Mensch, der irgend viel gelesen hat, in sich selbst auf das allerklarste finden muß.

 

Wenn so jemand sein Leben hindurch ein paar tausend Bücher durchgelesen hat, welch ein Chaos hat er am Ende in seinem Gedächtnisse! Und wenn es gut geht, so wird er nach einer solchen reichhaltigen Belesenheit mit genauer Not so viel hervorbringen, daß er jetzt erst einsieht, daß er nichts weiß.

 

Was aber ist dieses Geständnis? Es ist nichts anderes als eine und dieselbe wehmütige Klage des Geistes, der dadurch das sagen will, daß er bei dieser ungeheuren Menge des Baumaterials nicht einmal eine allerschlechteste Keusche zur freien Wohnung erbaut überkam!

 

Also gibt es Menschen, die das Alte und Neue Testament von Wort zu Wort auswendig kennen; fraget sie aber um den inneren Sinn nur eines einzigen Verses, so werden sie da geradesoviel wissen wie diejenigen, die nicht einen einzigen Vers auswendig können, ja oft kaum wissen, daß da eine Heilige Schrift existiert. Was nützt also denen dieses herrliche Material?

 

Der Geist wohnt nur im Geistigen: Kann ihm aus diesem Material nicht einmal eine schlechte Keusche erbaut werden im inneren Geiste der Wahrheit, wo soll er dann wohnen, wo seine Rechnung führen, und von welchem Punkte aus soll er das Material zu ordnen anfangen?

 

Ist es denn nicht besser, weniger Material zu besitzen, aus demselben aber für den Geist sogleich eine kleine respektable Wohnung zu erbauen, damit der Geist dann einen festen und freien Platz bekommt, von welchem aus er seine nächsten Pläne machen kann und verwenden nach denselben ein neu anlangendes Material?

 

Was wird ein Acker wohl für ein Gesicht bekommen, wenn er auch das beste Erdreich ist, so ihr tausenderlei Samen, in der größten Unordnung durcheinandergemengt, zu gleicher Zeit auf denselben aussät? Die Samen werden richtig aufgehen; aber zu welchem Nutzen für den Sämann? Fürwahr, der Ertrag dieses Ackers wird kaum für eine schlechte Fütterung des Viehes taugen. Die stärkeren Pflanzen werden die schwächeren ersticken, das Unkraut wird wuchern, und das Weizenkorn wird nur hier und da sparsam und sehr verkümmert und brandig zum Vorschein kommen.

 

Aus diesem aber geht hervor, daß überall, wo für euch ein Nutzen heraussehen soll, eine Ordnung bewerkstelligt sein muß, ohne die ihr Dornen, Disteln, Kraut und Rüben durcheinanderbaut, was euch nimmer irgend nützen kann.

Worin aber besteht diese Ordnung?

Wenn ihr einen geläuterten Weizen habt, so säet ihn auf einen reinen und guten Acker, und ihr werdet eine reine und gute Ernte bekommen.

 

Wer da eine gute Baustelle hat und hat Material dazu, der warte nicht, bis er eher einen überflüssigen Haufen Baumaterial zusammenbekommen hat, bis er dann erst sein Haus zu bauen anfangen möchte; denn er wird sich mit dem großen Haufen Baumaterial am Ende den ganzen Bauplatz voll anführen.

 

Und so dann der Baumeister kommen wird und wird ihn fragen: `Freund, an welcher Stelle willst du denn das Haus aufgeführt haben?`, was wird er ihm dann entgegnen? Sicher nichts anderes als: `Allda, Freund, wo der große Haufen des Baumaterials liegt!`

 

Und der Baumeister wird zu ihm sagen: `Warum ließest du denn dieses Material auf dem Bauplatze zuvor aufhäufen, bevor wir den Plan gemacht und den Grund gegraben haben? Willst du nun das Haus auf dieser Stelle haben, so mußt du all dieses Material eher zur Seite schaffen und mußt den Platz ganz frei machen. Dann erst werde ich kommen, werde den Platz ausmessen, den Plan entwerfen, danach den Grund graben lassen und am Ende erst das Material prüfen, ob es durchaus zur Erbauung deines Hauses taugt.`

 

Sehet, aus diesem Gleichnis könnt ihr schon ziemlich klar entnehmen, wie wenig jemandem eine große Belesenheit nützt, wenn er mit derselben nicht in der wahren Ordnung fortschreitet.

 

Worin aber besteht diese wahre Ordnung? Diese wahre Ordnung besteht ganz einfach darin, daß ein jeder eine jede neue Ladung oder Überkommung des Materials alsogleich zu einem Wohngebäude zu ordnen anfängt und nicht eher nach einer zweiten Ladung greift, als bis er die erste verarbeitet hat. Auf diese Weise wird er in seinem Bau rasch vorwärtsschreiten und wird um denselben immer genug freien Raum haben, auf welchem er in guter Ordnung ein hinlängliches neues Baumaterial aufschichten kann.

 

Auf deutsch und ganz verständlich gesagt aber besteht diese Ordnung darin, daß jeder nach dem Gelesenen sogleich tätig werde und sein Leben danach einrichte, – so wird ihm das Gelesene nützen, im Gegenteil aber schaden; denn jeder sei nicht nur ein purer Hörer des Wortes, sondern ein Täter desselben!

Nächstens der Erinnerungen mehr!"

 


2. Ein Einwand und seine Widerlegung


Jesus: "Es wird zwar jemand hier sagen: `Solches ist ganz richtig, daß man nur durch ein tatsächliches Lesen die wahre Frucht des Lesens ernten kann; aber wenn jemandem so viel Material gegeben wird, so kann man es ja doch des Tuns wegen beiseite stellen und davon nur so viel lesen, wovon man überzeugt ist, daß man es in die Tätigkeit aufnehmen kann.

 

Man bedenke nur die große Masse des Gegebenen in der Heiligen Schrift des Alten wie des Neuen Testaments, daneben die übergroße Masse wahrhaft geistig-exegetischer Bücher! Wenn man alles das nur nach dem Grade der Tätigkeit lesen würde, fürwahr, da möchte man wohl sein ganzes Leben hindurch im höchsten Falle kaum mit ein paar Kapiteln fertig werden.`

 

Ich aber sage: Die Sache von diesem Standpunkte betrachtet, hat der Einwender freilich wohl recht; denn wenn man nur so viel und nicht mehr lesen möchte, als von wieviel man umständlich überzeugt ist, es tatsächlich auszuüben, dann freilich wären noch ein paar Kapitel zuviel! Aber diese Sache von einem andern Standpunkte aus betrachtet, wird des gegebenen Materials nie zuviel, und der Leser kann alles Gelesene alsogleich in die Tatsächlichkeit umwandeln.

 

Denn man könnte ja auch beispielsweise sagen: So irgendein Landmann im Besitz eines großen Stückes guterdigen Ackers ist, der ihm eine hundertfältige Ernte abwirft, warum besät er den ganzen Acker nicht? Ein Zehntel desselben trägt ja so viel, was der Landmann für seinen Bedarf vonnöten hat.

 

Ich frage aber: Wenn dieser Landmann den ganzen Acker besät mit gutem Korn, und der Acker bringt ihm hundertfältige Ernte, davon ein Zehntel zu seinem Unterhalt genügt, werden ihm darum die überflüssigen neun Zehnteile zum Schaden sein? O sicher nicht! Denn die Hälfte von dem Überfluß kann er an Dürftige verteilen, die ihm dafür überaus dankbar sein werden, und die andere Hälfte des Überflusses kann er auf den Markt bringen. Und da es ein gutes Getreide ist, so wird er viele Käufer finden, die es ihm um vorteilhafte Preise abnehmen werden, und er kann dann mit dem gewonnenen Gelde sein anderes Hauswesen bestellen und wird dadurch ein ansehnlicher und reicher Landmann werden.

 

Nun sehet, aus diesem Beispiel geht klar hervor, daß so jemand in sich einen guten Acker hat und hat dazu des guten Samens in großer Menge, da soll er in der Aussaat nicht sparsam sein. Denn wer reichlich sät, der wird auch reichlich ernten; wer aber sparsam sät, der wird sparsam ernten! Und was braucht es denn dazu? Wenn einmal nur das Erdreich des Ackers gut bearbeitet ist, so möget ihr auf demselben noch soviel guten Kornes aussäen, und es wird dennoch kein Korn zugrunde gehen in dem guten Erdreiche, sondern ein jedes Korn wird seinen reichlichen Halm schießen.

 

Also ist es auch in dieser Sache, was eben durch das Lesen die geistige Aussaat des Wortes betrifft.

 

Zur Bearbeitung des geistigen Bodens braucht der Mensch nicht mehr als die zwei Gebote der Liebe; mit diesen bearbeitet er gar leicht seinen geistigen Acker. Ist dieser bearbeitet, dann kann jeder soviel in desselben Erdreich säen, als er nur immer kann und mag; oder er kann soviel des guten Gegebenen lesen, als er nur irgend desselben sich in gerechter Menge verschaffen kann – die ganze Heilige Schrift und alle auf dieselbe Bezug habenden Erklärungen –, und er wird nichts aus allem dem in sich aufnehmen, was ihm nicht eine reichliche Ernte abgeben sollte.

 

Denn der Unterschied zwischen dem unfruchtbaren und dem fruchtbaren Lesen besteht in dem:

So jemand zum Beispiel sich durch das alleinige Lesen möchte bearbeiten und erwecken, so gleicht dieses Unternehmen gerade dem, als so da jemand möchte auf einem unbearbeiteten Acker, der weder gedüngt noch gepflügt ist, den Samen ausstreuen. Werden da nicht alsbald die Vögel aus der Luft kommen und denselben in kurzer Zeit zum großen Teile auffressen? Und wird ein geringer Teil, der unter das Unkraut des Ackers fiel, nicht alsbald von diesem erstickt werden, auf daß da am Ende zur Zeit der Ernte auch nicht ein Korn in einen Halm geschossen irgendwo zu erblicken sein wird?

 

Da aber der Sämann oder der Leser keine Ernte seiner Mühe erblickt, wird er da nicht mißmutig und verwünscht endlich den Acker und all das gesäte Korn, das ihm zu keiner Ernte ward?!

 

Auf deutsch gesagt: Solche Menschen werden dann ungläubig, fallen von der ganzen guten Sache ab und halten sie am Ende für einen puren Betrug.

 

Aber ganz anders ist es, so da jemand früher durch die wahre Liebe zu Mir und dem Nächsten seinen Geist lebendig oder vielmehr aus Mir heraus frei gemacht hat und hat eben dadurch seinen Acker gehörig gedüngt und gepflügt; der liest dann die Schriften Meiner Gnade und Erbarmung nicht, damit diese ihn zu einem guten Acker erst bearbeiten sollen, sondern er liest sie aus dem Grunde, um Mich, der Ich in ihm den Geist durch seine Liebe zu Mir erweckt habe, fortwährend von Angesicht zu Angesicht mehr und mehr zu beschauen und dadurch auch möglicherweise stets mehr und mehr zu wachsen in der Liebe zu Mir und daraus zum Nächsten.

 

Wird er in diesem Falle nicht jedes Wort von Mir lebendig finden und ewig wahr, so er in sich selbst vorher schon lebendig ist? Ist er aber nicht vorher in sich selbst lebendig, wird da nicht selbst das lebendigste Wort in ihm ertötet werden?

 

Werfet Goldstücke in eine stinkende Pfütze, und das grobe schweflige Salz der Pfütze wird die Goldstücke auflösen und sie ebenfalls in schmutzigen Schlamm verwandeln. Werfet aber im Gegenteil unedlere Metalle in eine echte Goldtinktur, so werden sie alle am Ende dem edlen Golde gleich werden.

 

Seht, also ist es auch gerade hier der Fall! Durch das Lesen Meines Wortes, wie durch das Anhören desselben kann ein jeder Mensch für sich und für seine Brüder einen unermeßlichen Gewinn überkommen, wenn er sich selbst zuvor durch die Beachtung der zwei Gesetze zu einer Goldtinktur umgewandelt hat. Wenn er aber noch eine Pfütze ist, da werden noch soviele in dieselbe geworfene Goldstücke sie (die Pfütze nämlich) sicher nicht zu einer Goldtinktur machen.

 

So heißt es ja auch: `Wer da hat, dem wird's gegeben werden, daß er in der Fülle habe; wer aber nicht hat, der wird aber auch noch verlieren, was er hat!` Unter ‚haben‘ wird hier verstanden: im Besitze eines guten, gedüngten und gepflügten Ackers sein oder in sich selbst sein ein vollkommenes Gefäß, voll der echten wahren Goldtinktur, welche da ist ein freier, lebendiger Geist. Unter ‚nicht haben‘ aber wird verstanden: einen Samen auf ein unbearbeitetes Feld streuen, wodurch der Sämann nicht nur keine Ernte zu erwarten hat, sondern er verliert auch den Samen, den er ausgestreut hat; oder es heißt auch: in sich eine grobschwefelsalzhaltige Pfütze sein, welche nicht nur nimmer zu einer Goldtinktur durch das hineingeworfene Gold umgewandelt werden kann, sondern es geht das Gold, das hineingeworfen wurde, noch obendrein verloren.

 

Ich meine, das dürfte doch so ziemlich klar sein! Wer beim Lichte dieser Fackel die Wahrheit noch nicht ersieht, der dürfte wohl schwerlich je von seinem Augenstare befreit werden. Da aber, wie schon gesagt, der blinde Mensch des Lichtes nie zuviel hat, so will Ich auch bei der Gabe dieser Sonne noch gegen das Ende das Licht aller Zentralsonnen auf einen Punkt zusammenziehen, damit sich in solchem allerheftigsten Lichte um so klarer wird entnehmen lassen, wer da im Ernste ganz vollkommen blind ist!

Nächstens darum solcher Nacherinnerungen mehr!"



3. Das Gleichnis vom klugen und

unklugen Bauherrn und seine Deutung

(Matthäus 7,24-27)


Jesus: "Im Neuen Testament leset ihr ein Gleichnis folgenden Inhalts von einem klugen und wieder von einem unklugen Bauführer: Der eine baute sein Haus auf einen Felsen und der andere auf lockeren Sand. Und ein Sturmwind kam, und ein Platzregen fiel. Das Haus auf dem Felsen trotzte beiden; aber das Haus auf dem Sande ward zugrunde gerichtet.

 

Wer dieses Gleichnis nur von fernehin betrachtet, der muß ja auf der Stelle zwei Zentralsonnen auf einen Blick erschauen.

 

Wem gleicht denn wohl der kluge Bauführer? – Sicher demjenigen, der sich früher durch die bekannten zwei Gebote (der Liebe) vollkommen fest gestellt hat. Und wenn dann die Stürme und die gewaltigen Regen kommen, so können sie dem Bauführer nicht nur nichts anhaben, sondern sie befestigen sogar sein Haus auf dem Felsen; denn die Winde trocknen das Gemäuer des Hauses recht aus und machen es durstig nach einer Befeuchtung. Kommt dann der Regen, so saugt er sich in die trockenen Wände des Hauses ein, löst hier und da an den Fugen die Teilchen auf, diese werden klebrig und verbinden bei öfterer Wiederholung solcher Szene das Mauerwerk immer fester und fester miteinander.

 

Naturmäßige Beispiele dieser Wahrheit findet ihr an jeder alten Burgruine, welche oft Jahrhunderten trotzt; und wenn sie etwa irgend abgerissen werden sollte, da bricht man leichter ein frisches Gestein als ein solches Gemäuer ab. Die Ursache davon ist der Regen, der durch seine auflösende Kraft gewisse Teile des Steines in eine kalkig-klebrige Masse verwandelt und dadurch das ganze Mauerwerk mit der Zeit zu einem Ganzen verbindet.

 

Und seht, also steht es auch mit einem durch die Gesetze der Liebe geweckten Menschen! Er ist ein Gebäude auf einem Felsen. Die Winde, die da kommen und ans Gebäude stoßen und dasselbe trocken und durstig machen, sind die edlen Begierden, stets mehr und mehr den Urheber aller Dinge zu erkennen, um in solcher Erkenntnis in der Liebe zu Ihm wachsen zu können. Der darauf folgende Platzregen sind die Werke, die der Durstige zu lesen bekommt. Gar begierig saugt er diese in sich und wird allzeit danach gewahr, wie durch deren Einfluß die noch leeren, unverbundenen Klüfte in ihm nach und nach ausgefüllt und zu einer Feste gemacht werden. Und je mehr der Platzregen da auf dieses Gebäude niederfällt, desto fester auch wird nach einem jeden Platzregen das Gebäude.

 

Aber von welch ganz anderer Wirkung sind die Winde und Platzregen bei dem Gebäude, das da in der Tiefe auf lockerem Sande auferbaut ward! Wenn da die Winde kommen und stoßen an das locker stehende Gebäude und erschüttern dasselbe und dann das Gewässer kommt, welches der Platzregen verursachte, so ist es mit dem Gebäude auch zu Ende. Denn die Winde zerstoßen das häufig schon geritzte Gemäuer, an dessen Ritzen und Sprüngen der schlechte Grund die Ursache ist; und kommt dann das Gewässer, so reißt es das ganze Gebäude mit leichter Mühe nieder und spült es in irgendeinen nahen Strom des Verderbens.

 

Ich meine, das dürfte doch auch zentralsonnenhaft klar sein! Denn ein Mensch, der von einer geistigen Vorbereitung nicht einmal eine Ahnung hat, muß doch offenbar zugrunde gehen, wenn er aus der Absicht die geistigen Winde und den geistigen Platzregen über sich kommen läßt, damit diese aus ihm ein festes Gebäude oder einen festen, geistig-weisen Menschen machen sollten.

 

Gebet einem entweder ganzen oder doch wenigstens halben Weltmenschen die Bibel in die Hand und saget zu ihm: `Freund! Da lies fleißig darin, und du wirst das finden, was dir abgeht: einen verborgenen Schatz, nach dem du immer fragst, bestehend aus Gold, Silber und Edelsteinen, welcher ist ein vollkommenes Leben deiner Seele`, – und der Freund wird auf dieses Anraten sich gleich irgendeiner Bibel bemächtigen und wird sie mit großer Aufmerksamkeit lesen.

 

Aber je begieriger und je aufmerksamer er dieses Werk lesen wird, auf desto mehr äußere Widersprüche wird er auch stoßen und wird bald zu seinem Freunde sagen: `Freund, ich habe nun das von dir angeratene Buch wenigstens schon sechs- bis siebenmal durchgelesen; aber je öfter und je aufmerksamer ich es durchlese, auf desto mehr Widersprüche und Unsinn komme ich auch. Was soll es mit all diesem bunten Firlefanz, was mit diesen mysteriösen Prophetien, die geradesoviel Zusammenhang zu haben scheinen wie der Chimborasso in Amerika mit dem Himalajagebirge in Asien?

 

Daß diese zwei Berge sicher auf einer und derselben Erde stehen, das ist klar; also stehen auch ähnliche Prophetien in einem und demselben Buche, das ist auch klar. Aber wie solche prophetischen Stellen sinnreich zusammenhängen, oder wie allenfalls der Chimborasso durch den ganzen Mittelpunkt der Erde mit dem Himalajagebirge in Asien zusammenhängt, solches zu ermitteln wird schwerlich einem irdischen Naturforscher gelingen, solange er noch das Feuer fürchtet und für seinen mäßigen Durst am großen Gewässer des Meeres einen zu mächtigen Löschapparat findet.

 

Ich kann dir sagen, mein lieber Freund und Bruder, als ich dieses Buch das erste Mal durchgelesen habe, da kam es mir im Ernste vor, als hätte es irgendeinen verborgenen weisen Sinn; aber je öfter und je kritischer aufmerksam ich es darauf wieder durchlas, desto mehr überzeugte ich mich auch, daß dieses ganze Buch nichts anderes ist als eine allerreichhaltigste Schatzkammer des allerkrassesten Unsinns. Denn abgerechnet einige praktikable alte Weisheitssprüche drängt ein Unsinn den andern, und die alleinigen wenigen Sprüche, welche geradewegs wohl auch nicht das reinste Gold sind, abgerechnet, ist dieses Buch ganz dazu geeignet, der Dummheit der Menschen seiner mystischen Form wegen noch einen jahrhundertelangen Unterhalt zu verschaffen.`

 

Aus diesem Raisonnement könnt ihr hinreichend entnehmen, was die Winde und dieser Platzregen aus der Bibel bei unserem weltlichen Sandgebäude für einen Effekt gemacht haben. Ist ein solcher Mensch von einem Sandgebäude aber einmal also zerstört, dann sammle ihn zusammen, wer ihn will; denn Ich und alle Meine Engel finden eine solche Arbeit als eine der allerschwierigsten, und es ist leichter, zehntausend Menschen von allen Gassen und Straßen zum großen Gastmahl des Lebens hereinzubekommen, als einen einzigen solchen Menschen, der mit der Lesung der Bibel auf einen Ochsenkauf ausging.

 

Wie es sich aber mit der Lesung der Bibel verhält, geradeso verhält es sich auch mit der Lesung aller ihrer inneren, geistigen Exegesen. Denn da wird ein jeder sagen: `Wenn das ihr Sinn ist, warum ist sie denn nicht so abgefaßt?`

 

Und gebt ihr ihm den Grund ihrer bildlichen Form auch noch so klar an, so wird er euch dafür nur ins Gesicht lachen und wird sagen: `Nach der Tat läßt sich leicht prophezeien! Denn jeder Unsinn läßt sich drehen und wenden wie ein Teig, und man kann aus ihm formen, was man will; denn das Chaos ist der Grund aller Dinge, – aus ihm läßt sich mit der Zeit alles formen. Aber warum nicht eine Prophezeiung so geben, wie sie tatsächlich geschieht? Der Grund ist: weil man das im voraus nicht wissen kann; daher gibt man dann einen mystischen Unsinn, aus dem sich dann jede Tat formen läßt, die in der Zukunft erfolgt.`

 

Das ist dann auch das Endurteil, welches durch keine Zentralsonnenmacht mehr wohl erleuchtet aufgehoben werden kann... " –

(Texte 1. bis 3. aus: Jakob Lorber, Schrifttexterklärungen, Ste.01_001,01ff)

 

 

4. Vom Lesen des Gotteswortes

 

"Wie manche das Wort Gottes lesen - und wie das Wort Gottes von den Menschen gelesen oder angehört werden soll mit Nutzen für Seele, Geist und Leben.

 

Es gibt allerlei Leser des Wortes Gottes, des lebendigen, ja desjenigen, durch das alles, was da ist, gemacht wurde.

 

Einige lesen es wie die alte Geschichte des Prinzen Piripinker, die Geschichte der Genoveva, die des daumenlangen Hansel und die Geschichte der vier Haimonskinder! - Die Bibel sei ein altes, aus allen Zeiten zusammengestoppeltes Werk, das sich mit der neuen Literatur nicht mehr messen könne, - es enthalte eine große Menge mystischer Wundermärchen, welche mit einer alten, manchmal sehr saftlosen Moral unterspickt seien, manchmal mit historischen Skizzen und am häufigsten mit Droh- und Strafpredigten und prophetischen Unglücksverheißungen, die aber nicht viel besser wären als die Witterungsvoranzeigen in den Bauernkalendern, von denen auch sicher jede richtig wäre für irgendeinen bestimmten Teil der Erde; denn regne es hier nicht, so könne es ja in China oder auf Tahiti oder Otaheiti regnen, in Kamtschatka oder in Südamerika. Ebenso stünde es auch mit den Prophetien in der Bibel. Treffen sie in Europa nicht ein, so gäbe es ja noch ein Asien, Afrika, Amerika, Australien und eine zahllose Menge großer und kleiner Inseln im großen Weltmeere, wo auf einer oder der andern so eine Prophezeitung sicher und ungezweifelt in Erfüllung gehen muß!

 

Bei solchen Lesern macht das Wort aber auch eine Wirkung, o eine herrliche Wirkung! - Denn es macht, daß sie gähnen und bald darauf zu schlafen beginnen, leiblich und geistig für ewig, das heißt, sie gehen so recht sanft in den ewigen Tod über! - Denn wer nach dem Worte nicht tätig wird, der stirbt für ewig geistig und leiblich mit. -

 

Ich aber habe für solche schon zu öfteren Malen das Wort des Alten wie des Neuen Bundes durch verschiedene Seher und Knechte klar enthüllen lassen, d.i. durch Meinen heiligen Geist in ihnen. Aber da macht die Enthüllung denselben Effekt, und man sagt dazu: die alte Biberl sei ein Proteus und wie ein Chamäleon, das in allen Gestalten und Farben brauchbar ist, und ein geweckter Kopf kann daraus machen, war er will, wie ein geschickter Bildner aus der rohen Materie. Mit dieser Kritik werden für den Geist des Menschen wohl sicher keine goldenen Berge im Reiche des Lebens erwachsen!

 

Wieder gibt es andere Leser, diese haben zwar wohl einen gewissen Respekt vor der Bibel und lesen wohl auch manchmal recht aufmerksam darin; aber da sie denn doch gar vieles darin nicht fassen und manchmal sogar auf buchstäbliche Widersprüche stoßen, da sagen sie dann gewöhnlich bei sich und manchmal wohl in Gegenwart ihrer Freunde: wenn Gott durch die Bibel Seinen Willen an die Menschen hätte offenbaren wollen, so müßte es Ihm ja doch vor allem daran gelegen gewesen sein, fürs erste von jedermann und fürs zweite zu allen Zeiten verstanden zu werden, und um den letzten Zweck zu erreichen, dahin Sorge zu tragen, daß solch ein heiligst sein sollendes Kleinod aller Menschen auch für alle Zeiten unverfälscht erhalten werden möchte.

 

Diese Kritik ist zwar um ein Haar besser als die obige, aber sie hält nicht Stich; denn um was sich so ein Kritiker abmüht, für das ist ohnehin tausendfältig gesorgt. - So er aber blind ist und solches nicht merkt, so kann er es sich nur selbst zuschreiben, wenn er dabei ein Esel bleibt und seines Geistes Kräfte um eine Eselskost vergeudet! -

 

Wer heute politische Weltsachen vor Augen hat, morgen allerlei andere Dinge, am dritten Tage Geldgeschäfte, am vierten Tage Mist- und Heugabeln, am fünften allerlei Obstbäume und Rebenverbesserungen, am sechsten Tage schöne Mädchen, Theater und dergleichen, am siebenten Tage vor lauter Welt nicht weiß, wo ihm der Kopf steht, am achten sich allenfalls in einem Gasthause mit seinen Weltfreunden über alle Welt bespricht, um sich doch ein wenig zu zerstreuen und auszuheitern, am neunten Tage nichts als bloß denkt und simuliert, was ihm der elfte, zwölfte, dreizehnte und vierzehnte Tag alles für Arbeiten geben und machen wird, und höchstens am fünfzehnten Tage ein paar Verse aus der Bibel auf die Art verschluckt, wie ein Reisender ein paar Löffel Suppe, wenn der Postillion schon zur Abfahrt das Zeichen gibt, - frage, kann der wohl verlangen, daß ihm, wie ihr zu sagen pflegt, etwa gar des heiligen Geistes gebratene Vögel ins Maul fliegen sollen? - Da ist`s, wie es heißt: Von Dornen und Disteln erntet man nie Feigen und Trauben.

 

So wenig wie Lilien und Rosen auf Brennesseln und Stechäpfeln wachsen, ebensowenig kann in einem mit allen Weltangelegenheiten vollgepfropften Gemüte das innere geistige Verständnis Meines Wortes je emporkommen und noch weniger zur Reife gelangen! - Und so kann sich ein solcher Weltweiser dann ja auch keinesweg darüber aufhalten, wenn er dem Geiste nach ein Esel verbleibt, zeitlich und gar leicht auch ewig.

 

Womit aber jemand umgeht, darin wird er mit der Zeit auch klug. Wer mit der Welt umgeht, der wird mit der Zeit weltklug; aber fürs Gottesreich bleibt er ein Tor voll Blindheit. - Wer mit Pferden umgeht, der wird ein kluger Stallmeister, wer mit der Malerei, der wird ein Maler, wer mit Musik, der wird ein Musikmeister, und dergleichen mehr. - Wer aber vor allem mit Meinem Worte umgeht und danach tut, der wird klug in Meinem Reiche des ewigen Lebens, das da jedermann verkündet ist im Worte und was er zu tun hat, um selbes zu erlangen.

 

Aber so jemand nur sozusagen zu allen heiligen Zeiten einige Stellen aus der Bibel oder sonstigen Offenbarung liest wie ein beschriebenes Stück Papier, darin ein Stück Käse eingewickelt war, oder wie mancher am Abtritte halbzerrissene Intelligenzartikel aus Langerweile wie einen sogenannten Rebus (Bilderrätsel) entziffern will, da - wahrlich wahr, ist der heilige Geist wohl so hübsch ferne, etwa wie die zwei äußersten Pole der endlosen Schöpfung.

 

Bei Mir ist nichts mit einem Deus ex machina (einem hergezauberten Gott), sondern lediglich nur aus einer Diligentia des Geistes ausschließend in rebus divinis; - wo diese ausschließliche Diligentia (Fleiß) mangelt wegen allerlei machinis Mundi (maschinenmäßigen Weltgeschäften), da ist auch nichts oder nur sehr wenig mit dem Deus in nobis (Gott in uns) und daher auch ebensoviel mit dem wahren Verständnisse des alten oder neu geoffenbarten Wortes Gottes! -

 

Derlei Menschen sind Mir aber auch wahrlich wahr zuwider, weil sie lau sind für das Allerwichtigste und das verheißene ewige Leben gerade mit der Zuversicht betrachten wie ein Lotteriespieler sein Lotterielos: Ist was und kommt was, so ist`s gut; ist aber nichts und kommt nichts, so ist es auch gut. - Ja, wahrlich, bei denen wird es wohl ewig so auch gut sein, wenn`s mit dem ewigen Leben nichts wird und auch nichts kommen wird, was ihnen dazu verhelfen könnte.

 

Wer aber Mein Wort liest, der lese es aufmerksam und behalte es wohl im Herzen und tue nach seiner Kraft nach dem Worte und sei nicht bloß ein eitler Leser oder Hörer desselben, sondern ein wahrer und lebendigwarmer Täter, so wird er auch die rechten Früchte ernten, wie sie im Worte der alten und neuen Offenbarung verheißen sind. -

 

Aber das denke sich ja keiner, daß Ich jemandem, der Meine Sache also behandelt wie einen Alten-Weiber-Prozeß oder höchstens wie eine dumme Prise Schnupftabak oder wie ein Flickschuster-Konto, Mein Reich, Meine Gnade und Meine große Erbarmung an den Rücken nachwerfen werde! - O nein, das werde Ich sicher ewig nicht tun.

 

Glaube aber ein jeder in seiner Torheit, was er will; Ich aber werde tun, was Ich will, und werde Mich von der Dummheit der Menschen ewig nicht beirren lassen; denn Ich brauche euch Menschen nicht, wohl aber brauchet ihr Mich! - Ich aber werde der Menschen Dummheit mit einer Plage heimsuchen und werde sehen, wie lange sie Mir trotzen werden. - So endlos gut ich aber dem bin, der Mich ernstlich sucht, ebenso unerbittlich aber bin Ich auch dem, der Mich in seinem Herzen der Welt gegenüber nicht viel besser als eine Prise Schnupftabak betrachtet amen; wahrlich, wahrlich, amen, amen, amen." (HiG.03_47.07.02)

 

"Der Mensch wird nicht allein von dem weise, was er hört und sogleich ganz vollkommen versteht, sondern zumeist von dem, was er auch hört und nicht versteht!" (GEJ.04_115,06)