"Die göttliche Weisheit allein kennt die Stärken und Schwächen einer Seele und deren irdische Reifezeit sowie die Mittel, mit denen eine Seele zum höchstmöglichen Grad ihrer Entwicklung geführt werden kann!"

 


Sterbehilfe

 

Peter Keune

 


Mit dem zunehmenden Stand medizinischer Technik haben sich ganz neue Aspekte im Umgang mit dem Sterben ergeben. Während die Medizin dem Alter und der Krankheit früher oftmals machtlos gegenüber stand, kann heute auf Grund höherer Lebenserwartung und Dank ausgefeilter medizinischer Verfahren die Schwelle des endgültigen Todes künstlich immer mehr hinausgeschoben werden. Was einesteils sicher begrüßenswert ist, verwandelt sich andererseits häufig in ein bloßes Hinauszögern der Endgültigkeit des Ablebens, bei dem der Patient vielfach nur noch den Apparaturen ausgeliefert ist. Den Ärzten in den Kliniken ist diese Problematik natürlich bewusst, aber sie akzeptieren das unnatürliche Dehnen des Sterbeprozesses mit seinen Nachteilen nicht nur auf Grund des hippokratischen Grundsatzes, Leben zu erhalten1 (und damit die Vorstellung zu erfüllen, ein hoffnungsloses Dasein sei besser als gar keines), sondern auch aus kommerziellen Gründen, denn Klinikaufenthalte mit hohem Aufwand machen sich eben auch sehr gut bezahlt.

1) Dieser Eid wird heute nicht mehr gefordert, interessanter Weise enthält er u.a. auch den Passus: "...auch werde ich niemanden ein tödliches Gift geben, auch nicht, wenn ich darum gebeten werde, und ich werde auch niemanden dabei beraten..."

 

Insbesondere die Angehörigen sehen das Elend und haben Angst, irgendwann selbst auf diese Weise hinscheiden zu müssen. Dies hat zu der Möglichkeit geführt, sich mittels Patientenverfügung einem Ende durch die Apparatemedizin zu entziehen. Darüber hinaus sind in Deutschland erste Überlegungen zu einer gezielten Sterbehilfe zur Diskussion gestellt worden, die zwar hier noch nicht, in manchen Anrainerstaaten aber schon gestattet ist. Es geht darum, auf Grund freiwilliger Entscheidung dem drohenden Altersverfall durch gezielte Tötung aus dem Wege zu gehen. Davon machen nach Medienberichten zunehmend mehr Menschen (z.B. in der Schweiz) Gebrauch oder ziehen diesen Schritt zumindest in Erwägung, wie in dem „Spiegelinterview“ mit dem Theologen Hans Küng zum Ausdruck kam2.

2) "Der Spiegel", Heft 50/2013, siehe auch den Beitrag in "Das Programm" Nr.2/2014, in der Rubrik "Blick in die Zeit" (Swedenborg Zentrum Berlin)

 

An dieser Stelle stellt sich die Frage, was man zu dieser Entwicklung aus geistiger Sicht sagen kann.

 

Zuerst ist festzustellen, dass der Tod aus heutiger Sicht verdrängt oder als Niederlage im Lebenskampf gesehen wird. Das resultiert aus der Auffassung, dass der Mensch „als Zufallsprodukt der Evolution“ mit keinem jenseitigen Leben rechnen kann. Da er also nach der herrschenden Auffassung der Naturwissenschaft keine Seele hat, die nach dem Verlust des materiellen Lebens und damit des Gehirns unabhängig vom Körper weiter existiert, ist „Tod“ dem Auslöschen aller Lebensfunktionen gleichgesetzt. Aus diesem Grund werden auch alle inzwischen verbürgten Berichte vom seelischgeistigen Überleben des Todes (Nah-Toderfahrungen) in Bausch und Bogen als Einbildungen abgetan. Die eindrücklichen Erlebnisse, die in der Regel für die Betroffenen zu einer neuen Lebensausrichtung führten, sollen nur infolge der Stresssituation während des Todeskampfes entstanden sein.

Alle gegenteiligen Beteuerungen der Betroffenen werden negiert. Durch Swedenborg und Lorber wissen wir das anders.

 

Die göttliche Weisheit allein kennt die Stärken und Schwächen einer Seele und deren irdische Reifezeit sowie die Mittel, mit denen eine Seele zum höchstmöglichen Grad ihrer Entwicklung geführt werden kann. Gerade Krankheit und Siechtum können Faktoren für jemanden zum notwendigen Entwicklungsschub werden. Die vorwiegende Aufgabe des Erdenlebens ist es letztlich, die Seele für ihr jenseitiges Leben so weit wie möglich auszubilden. Ein gottvergessener Zustand beispielsweise zeigt immer große Defizite hinsichtlich des geistigen Fortschritts auf. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass das Ende hier oftmals drastisch ausfällt, vielleicht, um noch alle vorhandenen seelisch-geistigen Kräfte zu bündeln. Nicht, dass der Herr allen Lebens den Übergang vom materiellen zum geistigen Sein erschweren will, im Gegenteil, es könnte ganz sanft und harmonisch verlaufen, wenn die Seele sich willentlich vom Geist leiten ließe.

 

Aus Angst vor einem endgültigen Auslöschen greift der Mensch entweder ein und vermeint diese Endgültigkeit mit allen Mittel aufhalten zu können oder im anderen Falle das Leben aufgrund einer zu erwartenden unerträglichen Hinfälligkeit vorzeitig abbrechen zu müssen.

 

Die Zustände einer selbstmörderischen Seele im Jenseits werden in allen Offenbarungen als leidend beschrieben, wenngleich wir in solchen Fällen wegen dieser Hinweise keine vorschnellen Meinungen fassen sollten, da es auf die Umstände ankommt, die zu einer Selbsttötung geführt haben. Auf jeden Fall haben diese Seelen auch im Jenseits Defizite, die nach dem irdischen Tod besonders schwer aufzuarbeiten sind. In den Neuoffenbarungen werden verschiedene Beispiele angeführt, die wir hier aber nicht weiter verfolgen wollen, da, wie schon gesagt, die tieferen Zusammenhänge für uns gar nicht zu ermessen sind.

 

Einen sehr eingängigen Hinweis zeigt der Film „Zwischen zwei Welten“, der minutiös das jenseitige Schicksal einer im Krieg durch Fliegerbomben ums Leben gekommenen Reisegruppe schildert3, die verzweifelt ein letztes Passagierschiff für ihre Evakuierung zu erreichen suchte. Die so aus dem irdischen Leben Gerissenen haben ihren plötzlichen Tod nicht wahrgenommen und finden sich in der geistigen Welt auf dem vermeintlichen Schiff wieder. Sie werden an Bord von dem dortigen (jenseitigen) Steward betreut, der jeden Einzelnen behutsam auf die Tatsache seines irdischen Todes vorbereiten muss. Nach dem Erkennen ihres neuen Zustandes verlassen alle das Schiff, während der Steward bleiben und weiter hin und her fahren muss, um diesen Dienst bei allen Ankömmlingen wieder und wieder zu verrichten. Wie sich am Schluss herausstellt, hat er sein Leben vorzeitig abgebrochen und muss daher solange in diesem Zustand verbleiben, bis er die verlorenen Jahre seiner irdischen Entwicklung nachgeholt hat. Dabei geht es nicht um die Aufrechnung der Jahre (da es im Jenseits keine Zeit gibt), sondern um das Erreichung seiner versäumten, aber möglichen Lebensvollkommenheit. Die Situation ist für ihn bei dieser Überfahrt jedoch insofern anders, als sich dieser Gruppe ein Selbstmörder angeschlossen hatte, der trotz seines eben erfolgten Suizidversuches zur noch möglichen Umkehr bewegt werden sollte.

3) Dieser Film wurde 1944 gedreht und spielt während des Krieges im bomdardierten London. Der Autor des Drehbuches ist leider nicht bekannt. Es könnte aber von einem Swedenborgianer stammen, weil er ähnliche Zustände aufgreift, wie sie in Swedenborgs "Himmel und Hölle" geschildert werden.

 

Jeder geistig gefestete Mensch sollte letztendlich für die „letzte Stunde“ allein auf den Himmlischen Vater vertrauen, der auch für diesen Übergang alles zum Besten führt.

 

(Mit Genehmigung des Verfassers aus: DAS PROGRAMM April bis Juli 2014, Swedenborg Zentrum Berlin)