"Die Juden haben wohl die Beschneidung, die eine Vorstufe ist und für sich wie vor Mir keinen Wert hat, so der Beschnittene nicht auch zugleich beschnittenen Herzens ist. Ich verstehe unter einem beschnittenen Herzen ein rein gefegtes und mit aller Liebe gefülltes Herz, das mehr wert ist denn alle Beschneidungen von Moses bis auf uns herab." (GEJ.04_110,03)

 


Beschneidungen

 

Peter Keune

 


Im Sommer 2012 wurde durch ein spektakuläres Gerichtsurteil in Deutschland der jüdische und moslemische „Beschneidungs-Ritus“ wegen des Verstoßes gegen die Unversehrtheit des Kindes verboten.

 

In allen Medien wurde nun für und gegen die Rechtmäßigkeit dieser ritualen Beschneidung befunden. Auf der einen Seite wird diese als eine Machtdemonstration früherer Priesterschaften betrachtet, um einen sichtbaren Bund gegen andere Völker zu haben und auf der anderen Seite lediglich als ein alter Zopf  (wie die Stammesriten von Naturvölkern), den man zum Wohl der Unversehrtheit des Kindes getrost abschneiden könne.

 

Diese Praktik betrifft sowohl die Juden als auch die Mohammedaner, weil beide Völker von Abraham abstammen, welcher nach der Bibel das Gebot der Beschneidung von Gott empfing.*)

*) Israel kommt über die Stammeslinie von Abrahams zweitem Sohn Isaak (mit der Mutter Sarah), und die Mohammedaner entstammen dem ersten Sohn Ismael (mit der ägyptischen Magd Hagar).

 

Zu Recht sind die Rabbiner und Mullahs der betroffenen Völkerschaften über das Urteil empört und stellen es fast einem erneuten Holocaust gleich.

 

Soweit die äußere Betrachtung der Vorgänge.

 

Wie sollen wir jedoch geistig gesehen dazu stehen? Immerhin ist die Beschneidungszeremonie biblisch von Gott aus bestimmt und als bindend für den Bund mit Ihm bewertet worden. Auch Jesus musste Sich dieser Prozedur unterstellen. Soll dies für die heutigen Nachfolger des alten Bundes nicht mehr gelten dürfen?

 

Zuerst sollen die biblischen Einsetzungsworte folgen, um sich ein Bild zu machen:

 

1. Mose 17,11 „. . . eure Vorhaut sollt ihr beschneiden. Das soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und euch.
12 Jedes Knäblein, wenn's acht Tage alt ist, sollt ihr beschneiden bei euren Nachkommen. Desgleichen auch alles, was an Gesinde im Hause geboren oder was gekauft ist von irgendwelchen Fremden, die nicht aus eurem Geschlecht sind.
13 Beschnitten soll werden alles Gesinde, was dir im Hause geboren oder was gekauft ist. Und so soll mein Bund an eurem Fleisch zu einem ewigen Bund werden.
14 Wenn aber ein Männlicher nicht beschnitten wird an seiner Vorhaut, wird er ausgerottet werden aus seinem Volk, weil er meinen Bund gebrochen hat.“


Der letzte angeführte Vers zeigt für die verantwortlichen Gesetzeshüter den Ernst der Lage, will der Übertreter des Gesetzes nicht aus dem Volk ausgestoßen werden und des Bundes mit Gott verlustig gehen!

 

Ein Volk, das schon viel weniger gewichtige Gesetze akribisch einhält, kann einfach nicht anders handeln, als Gott auch hier zu gehorchen. Insofern ist der Vergleich mit dem Holocaust nicht ganz abwegig, da der Verzicht auf die Beschneidung für die Strenggläubigen praktisch einer Art geistiger Vernichtung gleich käme.

 

Von daher ist das richterliche Urteil unannehmbar für den jüdischen und muslimischen Glauben.

 

Auch nach unserem Verständnis ist die Heilige Schrift Wort Gottes und von daher heilig und wahr. Es liegen dem Text  jedoch noch  tiefe geistige Sinnebenen zugrunde, die vom Herrn durch Swedenborg vor ca. 250 Jahren wieder für die Menschheit aus dem Vergessen gehoben wurden.

 

Dieser innere Sinn Göttlicher Lehren war einst bei den Uralten (vor der Sintflut) durch ihre Verbindung mit dem Himmel noch bekannt, indem sie völlig aus dieser Ebene fühlten und dachten. Aber schon vor mosaischer Zeit ist die innere Wahrnehmung und unmittelbare Erkenntnis zunehmend abhanden gekommen. Bis heute blieben nur noch die Vorbildungen jener inneren Bedeutungen im Wortsinn erhalten.

 

Damit nicht das ganze Wort Gottes verloren ginge, sind vom Herrn die israelitischen Völker berufen worden, die aufgrund ihrer Beharrlichkeit vor allem in religiösen Dingen, für die Erhaltung des äußeren Wortes der Heiligen Schrift prädestiniert waren. Diese äußeren Vorbildungen stellen auf der geistigen Ebene innerseelische Aspekte im Menschen dar. So sind z.B. die Geräte in der Stiftshütte, ja die Hütte selbst, solche Vorbildungen geistigen Lebens und blieben bis heute Bestandteil jüdischer Rituale.

 

Mit der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 war diese Zeit der Vorbildungen endgültig beendet.

 

Der Grund ist, weil der Herr und Heiland Jesus Christus Selbst der lebendige Tempel ist und es deshalb dieser Vorbildungen nicht mehr bedarf.

 

Nun gilt nur noch das Gesetz der Liebe: „Liebe Gott über alles  und deinen Nächsten wie dich selbst“. Die alleinige Liebe zu Ihm und dem Nächsten ist Maßstab unseres geistigen Zustandes. Nach der Zeitenwende wurde der alte Kultus nicht wieder belebt, weil diese Zeit endgültig durch eine christliche Kirche abgelöst war. Von daher entspricht auch der Ritus der Beschneidung, wie alle anderen Riten nur der inneren Wandlung im Menschen.

 

Welche Wandlung ist hier aber speziell gemeint, d.h. was sollte dieser Kult eigentlich vorbilden? Hier handelte es sich, wie man sich denken kann,  keineswegs um eine „Hygienemaßnahme“, wie man heute häufig meint, sondern um die Beschneidung der „Vorhaut“ des Herzens. Diese  Auslegung wurde für die alten Israeliten noch durch Mose geoffenbart, wie wir im 5. Buch Mose lesen können:

 

5 Mose 30,6
Und der HERR, dein Gott, wird dein Herz beschneiden und das Herz deiner Nachkommen, damit du den HERRN, deinen Gott, liebst von ganzem Herzen und von ganzer Seele, auf dass du am Leben bleibst“.

Dieser Liebesaspekt war den damaligen Völkern noch verborgen, weil sie nicht so sehr unter dem Diktat der Liebe zu Gott, sondern dem des Gehorsams standen. Deshalb musste die Beschneidung der Vorhaut des Penis diese Funktion stellvertretend übernehmen, womit die Verbindung zum Himmel hergestellt war. Auch Swedenborg hat dieses Thema aufgegriffen.

 

In den „Vier Hauptlehren“, 54 lesen wir:

 

Dass durch die Beschneidung die Reinigung vom Bösen der natürlichen Liebe vorgestellt worden sei, erhellt aus folgendem: `Beschneidet dem Jehovah euch, und tut die Vorhaut eures Herzens weg, dass nicht um eurer Werke Bosheit willen Mein Zorn ausbreche`“:

Jer.4/4.

„Beschneidet eures Herzens Vorhaut und verhärtet nicht mehr euren Nacken“:

5.Mo.10/16.

Das Herz oder die Vorhaut des Herzens beschneiden heißt, sich vom Bösen reinigen. Daher wird umgekehrt unter dem Unbeschnittenen oder Bevorhauteten derjenige verstanden, der vom Bösen der bloß natürlichen Liebe nicht gereinigt ist; und weil der am Herzen Unreine unter dem Bervorhauteten verstanden wird, so heißt es: „Keiner der am Herzen Vorhaut hat und Vorhaut am Fleisch, wird ins Heiligtum eingehen“:

Ez.44/9.

„Keiner der Vorhaut hat, soll Pascha essen“:

2Mo.12/48.

„Und dass er verdammt sei“: Ez.28/10; 31/18; 32/19.

Aus geistigen Erwägungen heraus müsste diese Prozedur am Zeugungsglied nicht mehr erfolgen, zumal inzwischen alle Christen ohne Verlust ihrer (irdischen) Vorhaut in die Himmel eingehen können.

 

Die deutschen Richter haben natürlich nicht aus solchen geistigen Erwägungen heraus ihr Urteil gefällt, sondern sie meinen vordergründig um das Wohl des Kindes besorgt sein zu müssen.

 

Als Kompromiss wurde vorgeschlagen, die Beschneidung in das Mannesalter mit eigener Entscheidungsmöglichkeit zu verschieben. Dies verstieße jedoch für Gesetzestreue gegen das Gebot „Jedes Knäblein, wenn's acht Tage alt ist...“.

 

Acht“ kann hier auch als Unendlichkeitszeichen (∞/8)  der ewigen Gesetzmäßigkeit gesehen werden. Und warum es ausrechnet ein Knabe sein muss und nicht auch Mädchen angesprochen sind, zeigen die Hinweise Swedenborgs dazu: Der Knabe bezeichnet das Wahre der Kirche und das Mädchen das Gute der Kirche (Erklärte Offenbarung 376). Ein kleiner Knabe bez. die Unschuld und die Liebe zum Herrn (Erklärte Offenbarung 780).

 

Die entsprechende Bedeutung wäre, dass das göttlich Wahre erst die Reinigung (Beschneidung des Herzens) ermöglicht, wobei das Herz frei von allen eigensüchtigen Trieben sein muss (unschuldig wie eben das nur Kinder sein können). Insofern ist es auch ein Bild der Umbildung und Wiedergeburt des Menschen.


[Großes Evangelium Johannes .04_110,03] „Die Juden haben wohl die Beschneidung, die eine Vortaufe ist und für sich wie vor Mir keinen Wert hat, so der Beschnittene nicht auch zugleich beschnittenen Herzens ist. Ich verstehe unter einem beschnittenen Herzen ein rein gefegtes und mit aller Liebe gefülltes Herz, das mehr wert ist denn alle Beschneidungen von Moses bis auf uns herab. Nach der Beschneidung kam auf eine Zeit die Wassertaufe des Johannes, die von seinen Jüngern fortgesetzt wird. Diese Taufe ist an sich selbst aber auch nichts, so ihr die geforderte Buße nicht entweder schon vorangeht oder doch ganz sicher nachfolgt“.

 

(Mit Genehmigung des Verfassers aus: DAS PROGRAMM Okt. bis Dez. 2012, Swedenborg Zentrum Berlin)

 

Der Bundestag hat am 12.12.2012 das Gesetz zur rituellen Beschneidung von Jungen jüdischen und muslimischen Glaubens beschlossen. 434 der Abgeordneten votierten für den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf. 100 stimmten dagegen, 46 enthielten sich. Mit dem Gesetz wird klargestellt, daß Eltern das Recht haben, ihre Söhne unter Einhaltung bestimmter Standards beschneiden zu lassen. (nach dapd)