Die neue Zeit, deren Rahmenbedingungen die Freiheitsbewegungen schufen, wird darin bestehen, daß "der Geist bei den Menschen das große Übergewicht überkommen" und dadurch das egoistische Weltkomplott ausgetrocknet wird...



Die Zeitalterlehre

 

Thomas Noack

 

 

1. Die fünf Kirchen bei Swedenborg und das siebenmalige Kommen des Herrn bei Lorber

2. Die Urkirche der Menschheit

3. Die alte Kirche

4. Das alte Wort

5. Die jüdische Kirche (Judentum)

6. Die christliche Kirche (Christentum)

7. Die neue Kirche

 


Die Zeitalterlehre der Neuoffenbarung hat Gemeinsamkeiten mit alten Traditionen. Christoph Bochinger schreibt in seinem Buch, New Age und moderne Religion: "In vielen Traditionen der europäischen und asiatischen Geschichte, im alten Amerika und in Überlieferungen schriftloser Völker gibt es Vorstellungen von aufeinanderfolgenden Zeit- oder Weltaltern."1 Diese Überlieferungen gehen vermutlich auf das Urwissen zurück, das uns in der Neuoffenbarung in seiner ursprünglichen Form wiedergegeben ist. Schon die ersten geistbegabten Menschen (die Adamiten) wußten nämlich, daß der Herr siebenmal kommen und somit mehrere Epochen einleiten werde. Dieses Wissen ist heute noch in alten Dokumenten nachweisbar; freilich nicht mehr immer in der reinen Urform. Swedenborgs Zeitalterlehre knüpft ausdrücklich an das Buch Daniel im Alten Testament2 und die Überlieferungen der Alten3 an. Welche antiken Schriftsteller Swedenborg meint, sagt er nicht; man kann aber an Hesiod (um 700 v. Chr.) denken, der von einem goldenen, silbernen, ehernen, heroischen und eisernen Geschlecht berichtet4 und damit Swedenborg sehr nahe steht. Denn die Zeitalter (mit Ausnahme des heroischen), ihre Abfolge und der Vergleich mit den Metallen sind identisch.

 

SWEDENBORG: "Die ältesten Menschen (antiquissimi) verglichen das Gute und Wahre beim Menschen mit Metallen: das innerste oder himmlische Gute der Liebe zum Herrn verglichen sie mit dem Gold; das Wahre, das von daher stammt, mit dem Silber; das niedere oder natürliche Gute mit dem Erz; und das niedere Wahre mit dem Eisen. Sie verglichen es jedoch nicht nur damit, sondern nannten es auch so. Daher wurden die Zeiten diesen Metallen gleichgesetzt und das goldene, das silberne, das eherne und das eiserne Zeitalter genannt; denn so folgten sie aufeinander. Das goldene Zeitalter war das der ältesten Kirche, die ein himmlischer Mensch war; das silberne Zeitalter war das der alten Kirche, die ein geistiger Mensch war; das eherne Zeitalter war das der folgenden Kirche, auf das das eiserne Zeitalter folgte." (HG 1551)

 

Der Metallmythos taucht auch bei LORBER auf. Die Zeit der ersten Kirche ist das goldene Zeitalter (vgl. HGt III.114.14 in Verbindung mit HGt III.115.2). Die übrigen Metalle werden jedoch nicht auf die folgenden Zeitalter bezogen; allerdings haben sie auch bei Lorber denselben Entsprechungssinn wie bei Swedenborg: Durch Gold wird "das Gute der Liebe in Gott" und durch Silber "die Wahrheit der Weisheit in Gott" dargestellt (GEJ VIII.35.7). Und es wird gesagt, daß "bei den Alten" dies die wahre Bedeutung dieser Metalle gewesen sei. (GEJ VIII.35.8)

 

Im folgenden will ich die fünf Kirchenepochen bei Swedenborg mit einem Text aus der Haushaltung Gottes (Lorber) vergleichen. Er handelt vom siebenmaligen Kommen des Herrn und ist - wenn man in der Haushaltung die Urgeschichte der Menschheit sieht - der älteste Beleg einer Zeitalterlehre, möglicherweise sogar der Ursprung aller späteren Vorstellungen.

 


1. Die fünf Kirchen bei Swedenborg
und das siebenmalige Kommen des Herrn bei Lorber

 


Swedenborgs Zeitalterlehre unterteilt die Geschichte in fünf Kirchen, wobei Kirche hier weniger eine Institution oder gar ein Gebäude meint, sondern Epochen in ihrer Beziehung zum Göttlichen, Epochen der Kirchengeschichte. Swedenborgs Zeitalterlehre ist ein Überblick über die Menschheitsgeschichte sub specie aeternitatis (aus dem Blickwinkel der Ewigkeit); sie ist eine Theologie der Geschichte.5 Die fünf Pulsschläge des göttlichen Herzens im Leibe seiner Menschheit sind: die älteste Kirche, die alte Kirche, die jüdische Kirche (Judentum), die christliche Kirche (Christentum) und die neue Kirche. Swedenborg hat sie mehrfach zusammenhängend dargestellt:

 

SWEDENBORG: "Sowohl aus dem historischen als auch aus dem prophetischen Teil des Wortes … geht hervor, daß es nach der Schöpfung auf dieser Erde im allgemeinen vier Kirchen gegeben hat, von denen immer die eine die andere ablöste … Die erste Kirche, wir wollen sie als die älteste bezeichnen, bestand vor der Sintflut; ihr Ende oder Ausgang wird durch die Sintflut beschrieben. Die zweite Kirche, wir wollen sie die alte Kirche nennen, erstreckte sich über Asien und einen Teil von Afrika; sie wurde vollendet und ging unter durch Götzendienst. Die dritte Kirche war die israelitische; sie begann mit der Verkündigung der Zehn Gebote auf dem Berg Sinai, setzte sich fort durch das von Moses und den Propheten geschriebene Wort und wurde vollendet bzw. kam zu ihrem Ende durch die Entweihung des Wortes; diese aber erreichte ihren Gipfel zu der Zeit, als der Herr in die Welt kam, weshalb sie Ihn, der das Wort selbst war, kreuzigten. Die vierte Kirche ist die christliche, vom Herrn durch die Evangelisten und Apostel gegründet." (WCR 760)6

 

Die fünfte Kirche ist die neue Kirche. Sie ist nicht nur eine weitere Kirche, sondern ein grundsätzlicher Neubeginn. Denn die Zahl vier stellt eine Ganzheit bzw. einen vollendeten Zyklus dar. Wie auf die vier Jahreszeiten ein neues Jahr und auf die vier Tageszeiten ein neuer Tag folgt, so folgt auf die bisherigen Kirchen die Morgenröte7 der neuen Kirche. Dazu Swedenborg: "Da im Wort die verschiedenen, aufeinander folgenden Zustände der Kirche im allgemeinen wie im besonderen unter dem Bilde der vier Jahreszeiten, d.h. Frühling, Sommer, Herbst und Winter, sowie unter den vier Tageszeiten, d.h. Morgen, Mittag, Abend und Nacht, beschrieben werden, und da die heutige Kirche in der Christenheit die Nacht darstellt, so folgt, daß jetzt der Morgen, d.h. der Anfang der neuen Kirche bevorsteht." (WCR 764) Die neue Kirche ist die Kirche der Vergeistigung (der geistigen Wiedergeburt); ich nenne sie daher gerne die ecclesia spiritualis (die Geistkirche). Der Sprung von der irdisch begrenzten Vier zur Fünf markiert den Übergang in das Zeitalter des Geistes (Wassermannzeitalter). Das lehren auch die vier Naturreiche, das Mineral-, das Pflanzen-, das Tierreich und der Mensch, die allesamt noch irdisch sind, wenngleich sich im Menschen der Übergang in die Welt des Geistes schon ankündigt; auf diese vier Kreaturgattungen folgt aber als die fünfte der Engel, der das Irdische erstmals wirklich hinter sich gelassen hat. Im Engel, entsprechend der neuen Kirche, geht die Schöpfung ihrer Verklärung entgegen. Daher kann Swedenborg sagen: "Diese neue Kirche ist die Krone aller Kirchen, die bisher auf Erden bestanden haben." (WCR 787) Sie wird das Geistfeuer, das uns in Jesus Christus angezündet wurde, nutzen können; wozu auch die Erkenntnis des inneren Sinnes aller Offenbarungen beitragen wird.

 

Lorber spricht nicht von Kirchen; dafür aber vom siebenmaligen Kommen des Herrn. Da Gott jedoch immer gegenwärtig ist, kann sein Kommen nur bildlich zu verstehen sein. Wie die Sonne nicht aufgeht, so kann auch Gott als die Lebenssonne nicht wirklich abwesend sein; aber unserem Bewußtsein kann er entschwunden sein. Wie die Erde ihr Gesicht der Sonne immer wieder neu entgegendreht, so besinnt sich auch die Menschheit immer wieder neu auf Gott; und diese kollektive Besinnung ist die Geburtsstunde einer neuen Kirche bzw. für die, die sich dieser Geburt verweigern wollen, eines neuen Gerichtes. Schon der Urmenschheit hat der Herr sein siebenmaliges Kommen prophezeit:

 

LORBER: "Und so werde Ich kommen sieben Male; aber zum siebenten Male werde Ich kommen im Feuer Meiner Heiligkeit. Wehe dann denen, die da unlauter werden gefunden werden! Diese werden fürder nicht mehr sein denn im ewigen Feuer Meines Zornes! Sehet, einmal war Ich schon da im Anfange der Welt, um zu erschaffen alle Dinge wegen euch und euch wegen Mir. Bald werde Ich wiederkommen in großen Wasserfluten, um zu waschen die Erde von der Pest; denn die Tiefen der Erde sind Mir ein Greuel geworden voll schmutzigen Schlammes und voll Pest, die da geworden ist aus eurem Ungehorsame. Da werde Ich kommen euretwegen, damit nicht zugrunde gehe die ganze Welt und eine Linie bestehe, deren letzter Sprößling Ich sein werde. Und Ich werde zum dritten Male vielfach kommen, wie jetzt ungezählt zu euch, bald sichtbar und bald wieder unsichtbar im Worte des Geistes, um vorzubereiten Meine Wege. Und Ich werde zum vierten Male kommen in großer Not körperlich in der großen Zeit der Zeiten. Und Ich werde kommen gleich darauf zum fünften Male im Geiste der Liebe und aller Heiligung. Und Ich werde zum sechsten Male kommen innerlich zu jedem, der nach Mir in seinem Herzen ein wahres, ernstliches Verlangen tragen wird, und werde da sein ein Leiter dessen, der voll Liebe sich wird gläubig von Mir ziehen lassen zum ewigen Leben. Und Ich werde aber auch sodann fern sein der Welt; wer aber da wird aufgenommen werden, der wird leben, und Mein Reich wird mit ihm sein ewig. Und endlich werde Ich noch einmal kommen, wie schon gesagt; doch dieses letzte Kommen wird allen sein ein bleibendes Kommen, entweder so oder so!" (HGt I.46,19-22)

 

Welcher Zusammenhang besteht zwischen den fünf Kirchen bei Swedenborg und dem siebenmaligen Kommen des Herrn bei Lorber? Grundsätzlich ist anzunehmen, daß jedes Kommen eine neue Epoche einleitet. Allerdings stehen den sieben Epiphanien nur fünf Kirchen gegenüber, so daß mindestens eine Kirche von mehreren Gotteserscheinungen geprägt wird. Das erste und grundlegende Dasein Gottes beschreibt Lorber mit den Worten: "Sehet, einmal war Ich schon da im Anfange der Welt, um zu erschaffen alle Dinge wegen euch und euch wegen Mir." (HGt I.46.20) Damit ist der Schöpfergott und die Rolle des Menschen im Schöpfungsganzen beschrieben. Die Schöpfung zielt auf den Menschen ("um zu erschaffen alle Dinge wegen euch") und dieser auf Gott ("und euch wegen Mir"). Mit anderen Worten: Die Schöpfung ist ein Prozeß, dessen Produkt der Mensch ist. Aber auch ihm, obgleich er das Endprodukt der natürlichen Schöpfung ist, ist ein Ziel gesetzt, nämlich das Bild Gottes. Im Menschen soll die natürliche Entwicklung zu einer geistigen werden; Swedenborg und Lorber nennen sie die Wiedergeburt. Die Natur hat mit der Hervorbringung des Menschen ihr Bestes gegeben. Nun soll dieses Haus mit dem Feuer der Liebe und des Geistes durchwärmt und belebt werden; das ist das siebente Kommen, das deswegen "ein bleibendes Kommen" (HGt I.46.22) ist. Das erste Dasein Gottes beschreibt also mit wenigen Worten die ursprüngliche Ordnung und daher auch die Menschen der ältesten Kirche, die noch in dieser Ordnung lebten. Das zweite Kommen "in großen Wasserfluten" (HGt I.46.20) bezieht sich auf die Sintflut und somit auf die alte Kirche. Das dritte Kommen bezeichnet die jüdische Kirche. Wenn man die erste Kirche mit der Sonne vergleicht (himmlische Kirche bzw. Kirche der Liebe), die zweite mit dem Mond (geistige Kirche bzw. Kirche der Weisheit), dann stellen die Sterne die jüdische Kirche dar. Daher heißt es: "Und Ich werde zum dritten Male vielfach kommen" (HGt I.46.21). Dem Judentum war das Licht nur in der Zerstreuung des Äußeren gegeben. Und dennoch zeugten die zahllosen Lichtpunkte am nächtlichen Himmel alle zusammen nur von dem einen, großen Licht. Deswegen der Nachsatz: "um vorzubereiten Meine Wege" (HGt I.46.21). Nach Swedenborg waren alle Vorschriften der jüdischen Kirche Vorbildungen des Herrn (HG 31). Jesus war die Sammlung des zerstreuten Lichtes. Das vierte Kommen "in großer Not körperlich" (HGt I.46.21) meint das Wunder von Bethlehem und somit die christliche Kirche. Das fünfte Kommen "im Geiste der Liebe und aller Heiligung" (HGt I.46.21) weist auf die Ausgießung des heiligen Geistes, also ebenfalls auf die christliche Kirche. Und auch das sechste Kommen gehört noch zur christlichen Kirche. Drei Epiphanien beschreiben also das Christentum. Bei Swedenborg gibt es eine gewisse Parallele, denn bei näherem Hinsehen unterscheidet er "zwei Epochen, die erste von der Zeit des Herrn bis zum Konzil von Nicäa, die zweite von da an bis auf den heutigen Tag." (WCR 760) Den ersten Abschnitt nennt er gelegentlich die apostolische Kirche8. Sie begann mit der fünften Ankunft des Herrn. Das sechste Kommen war das im Herzen der Gläubigen verborgene Christentum im Zeitalter der Weltkirche. Schon im 2. Jahrhundert entstand der Katholizismus, der sich allmählich immer mehr ausprägte. Die innere Zwiesprache mit dem Vater wurde durch äußere Normen der Wahrheit abgelöst, obwohl sie natürlich nie völlig verschwand. Bischöfe und Priester schoben sich zwischen dem Vater und seinen Kindern und erklärten, daß Gott nur noch durch sie das Heil in Form der Sakramente austeile. Das Papsttum wurde zur Weltmacht und Heilige ersetzten die alten Götzen. Daher heißt dieses Christentum bei Lorber das neue Heidentum (GEJ VIII.47.1); und auch nach Swedenborg bestand "das Christentum früher nur dem Namen nach" (WCR 700). Der Schiffbruch der urchristlichen Botschaft von der unmittelbaren Nähe des Gottesreiches in und durch Jesus Christus wird durch das Konzil von Nicäa9 im Jahre 325 bzw. etwas weiter gefaßt, durch die vier kaiserlichen Konzile des 4. und 5. Jahrhunderts markiert.10 Damals wurde Christus noch einmal gekreuzigt, denn das Bewußtsein, daß Jesus Christus die Inkarnation des lebendigen Gottes ist, ging verloren; übrig blieb der leblose trinitarisch-christologische Lehrkörper. Das Christentum nach Nicäa trug den Todeskeim in sich, der freilich erst Jahrhunderte später zur Verwesung der Kirche führte. Der Atheismus, Naturalismus, Materialismus, Nihilismus, alles Namen für die geistige Nacht, hat seine Wurzeln in den damaligen Entscheidungen.11 Daher war die auf Nicäa aufgebaute Kirche je länger je mehr die Nacht, in der alle Kirchen untergingen (WCR 760-763). Aber dennoch konnte man auch in dieser finsteren Zeit das Licht des Lebens (Joh 8,12) finden, jedoch nur innerlich, in der Verborgenheit des Herzens. Deswegen heißt es bei Lorber: "Ich werde zum sechsten Male kommen innerlich zu jedem, der nach Mir in seinem Herzen ein wahres, ernstliches Verlangen tragen wird" (HGt I.46.21). Für die Welt aber galt: "Und Ich werde aber auch sodann fern sein der Welt" (HGt I.46.21). Das ist die Polarisierung im Zeitalter nach der ersten Ankunft Christi. In den Herzen der Gläubigen konnte man den großen Tag des Geistes finden, während auf der anderen Seite der Weltgeist seinen Siegeszug antrat. Das siebente Kommen "im Feuer Meiner Heiligkeit" (HGt I.46.19) leitet die neue Kirche ein. Denn sowohl Swedenborgs neue Kirche als auch das siebente Kommen folgen unmittelbar auf das Christentum bisheriger Prägung und müssen daher denselben Zeitraum beschreiben. Bei Swedenborg ist das klar; aber wie läßt sich das aus dem Lorberwerk begründen? Die vergangenen 2000 Jahre heißen dort "Mittelbildungsperiode"; von den Menschen dieses Zeitabschnittes heißt es, daß sie "noch nicht durch das große Lebensfeuer gereinigt sind" (GEJ VIII.182.5). Die Reinigung durch "das große Lebensfeuer" markiert also den Übergang von der "Mittelbildungsperiode" (christliche Kirche) zum Geistzeitalter12 (neue Kirche). Sie wird in der Haushaltung das Kommen "im Feuer Meiner Heiligkeit" genannt. Ein zweiter Grund für die These, daß das siebente Kommen die neue Kirche hervorbringen wird, besteht darin, daß dieses Kommen die Wiederkunft Christi ist, denn von ihr heißt es, daß sie "eine … bleibende Ankunft" sein wird (Hg III.472.7). Auch das siebente Kommen wird in der Haushaltung "ein bleibendes Kommen" (HGt I.46.22) genannt. Daraus folgt, daß sich an das siebente Kommen die neue Kirche anschließt. Es ist ein Kommen "im Feuer Meiner Heiligkeit" (HGt I.46.19), weil es in der Liebe geschieht; daher ist es auch ein inneres Kommen, denn die Liebe ist eine Erfahrung des Herzens; und daher ist es auch "ein bleibendes Kommen", denn die Erfahrung der Liebe ist die Erfahrung des Urgrundes: sie ist der eigentliche Grund dafür, daß überhaupt etwas da ist und daß wir da sind; daher vereinigt uns die Liebe mit dem Quellgrund alles Seienden und offenbart uns alle Geheimnisse. Mehr als diese Offenbarung ist nicht möglich. Das siebenmalige Kommen des Herrn und die fünf Kirchen lassen sich also problemlos verbinden. Im folgenden will ich nun die fünf Epochen im einzelnen darstellen; aber natürlich nur insoweit, als sie das Swedenborg-Lorber-Verhältnis betreffen.

 


2. Die Urkirche der Menschheit


Swedenborg nennt sie "die älteste Kirche" (HG 32). Bei Lorber heißt sie "die erste Kirche" (HGt I.10.15; HGt III.115.2), die "adamitische"13 Kirche (GS I.45.10) oder die "Urkirche"14 (Sch. 17.13; GEJ IV.142.3; GS II.13.5). Es ist die Kirche vor der Sintflut (HG 1587); sie umfaßt also genau denselben Zeitraum wie die "Haushaltung Gottes". Folglich ist "die erste Gründung der Kirche auf der Erde durch Jehovas sichtbare Gegenwart" (HGt II.172.1) das zentrale Thema dieses Werkes. Dort finden wir in Form der Geschichtserzählung und des Dialoges vieles vom dem anschaulich bestätigt, was Swedenborg aufgrund seiner Auslegung der ersten Kapitel der Genesis eher theoretisch-theologisch mitteilt. Der Zusammenhang zwischen Swedenborgs Beschreibung der Urkirche und Lorbers Darstellung derselben in der "Haushaltung" ist ganz offensichtlich. Daher ist der Vergleich äußerst interessant und instruktiv. Ich möchte das hier nur an zwei Beispielen demonstrieren.

 

Swedenborg beschreibt das Wesen der Urkirche folgendermaßen: "Diese Kirche stammte mehr als alle Kirchen auf der ganzen Erde (in universo orbe) aus dem Göttlichen, denn sie war im Guten der Liebe zum Herrn. Ihr Wille und Verstand bildete eine Einheit, also ein Gemüt. Deswegen hatten sie das Innewerden des Wahren aus dem Guten, denn der Herr floß auf dem inneren Weg in das Gute ihres Willens ein und dadurch in das Gute des Verstandes oder das Wahre." (HG 4454) Das Wesentliche der Urkirche, die daher auch "himmlische Kirche" (HG 1997) heißt, war die Liebe zum Herrn; aus ihr erst erwuchs den Urmenschen alle Weisheit. Sie hatten - wie Swedenborg formuliert - "das Innewerden des Wahren aus dem Guten" (HG 4454) oder "durch die Liebe den Glauben [= das Wahre] an den Herrn" (HG 325). Dieses Wesen der Urmenschen läßt sich nun auch in der Haushaltung gut beobachten. Die Kinder der Höhe waren Ergriffene der Liebe, was sich deutlich in ihren Gesprächen mit dem Herrn zeigt. Man achte nur einmal mehr auf ihren Gefühlston als auf ihren Inhalt; dann spürt man das Wehen der Liebe. Schon die Art, wie sie den Vater anreden, ist ein sprechendes Zeugnis ihrer übergroßen Liebe. "O Vater, mein heiliger, lieber Vater" (HGt I.150.6). "O Abedam! - O Emanuel! - O Abba! - Ich habe Dich wiedergefunden, - Dich, Dich, o mein Abba, - wiedergefunden!" (HGt I.156.5). "O Du guter Vater Du! Mein Herz, nun dehne dich weit aus, ja über alle sichtbaren Himmel hinaus dehne dich aus! Und du, der wahren Liebe neuerwachte, heilige Flamme, fülle mein weitgedehntes Herz von unterst bis zu oberst aus, damit ich doch einmal Dich, o heiliger Vater, aus allen meinen Kräften, ja über alle meine Kräfte zu lieben vermöchte!" (HGt I.161.9) Diese Anreden ließen sich beliebig vermehren. Uns mögen sie peinlich berühren, was jedoch ein Zeichen dafür ist, wie schwach unsere Liebe geworden ist. Das Stammeln der Kinder ist nicht mehr unsere Sprache. Wir sind dem Göttlichen gegenüber freier (man kann auch sagen respektloser) geworden; aber wir dürfen hoffen, daß wir die erste Liebe der Menschheit wiederfinden und dennoch die Freiheit der gereiften Kinder behalten dürfen. Die ersten Menschen waren gewissermaßen hemmungslose Gefühlsmenschen; übermäßig im Guten, - aber später auch im Bösen. Die Liebe war ihnen, wie Henoch sagte, "die Wurzel aller Weisheit" (HGt I.41.9). Damals wußte man noch, daß "die Liebe für den Geist der Grund aller endlosen Wahrheiten" ist (HGt II.60.27). Und man sagte: "Wer Gott liebt schon vor der Erkenntnis, der wird des Lebens Fülle überkommen; wer aber Gott liebt nach der Erkenntnis, der wird auch leben, - aber nicht im Herzen, sondern im Reiche der Gnade15 als ein wohlbelohnter Diener" (HGt II.215.27).

 

Ein zweites Beispiel. Swedenborg schreibt: "In den einzelnen Gegenständen der Sinne nahmen sie etwas Göttliches und Himmlisches wahr." (HG 920)16 Dieses noch nicht von der Schlange der bloß sinnlichen Wahrnehmung zerstörte Innewerden ist auch in der Haushaltung reichlich belegt. Ich greife nur ein Beispiel heraus: Bei ihrer Wanderung zu allen Kindern in den vier Weltgegenden gelangten die Väter zunächst in die "Adamsgrotte". Sie ist ein Sinnbild des menschlichen Lebens (= Adam) während der Inkarnation (= Grotte). Die Väter sahen die sinnlich wahrnehmbare Gestalt der Grotte und wurden sich bald ihrer inneren Bedeutung bewußt.

 

LORBER: "Die Grotte war sehr geräumig, so zwar, daß darinnen leichtlich zwanzigtausend Menschen unterkommen mochten; die Hauptsache dieser Grotte aber war folgende Seltenheit, daß sie nämlich fürs erste eine Höhe von hundert Mannslängen hatte und viel mehr ein Tunnel durch einen Berg hindurch war als eine eigentliche Grotte, welcher Tunnel aber darum gar so großartig berühmt war, da er gegen Morgen den Durchgang durch einen grün und gelb kristallenen großen Gebirgskegel bildete, in dessen Mitte eine hochspringende Quelle sich befand, über welcher sich durch verschieden gefärbte Kristallprismate das Licht der Sonne in tausendartigen Färbungen hindurcharbeitete. Wie auch das Licht matter sich an den verschiedensten Punkten hindurcharbeitete und diesen ziemlich langen Tunnel wunderbar beleuchtete, so war aber doch der schon bekannte Mittelpunkt mit der springenden Quelle der alles euch bis jetzt Bekannte himmelweit übertreffende, wunderbar reizend herrlichste Teil dieses Tunnels." (HGt I.56.11-12)

 

Henoch erblickte in der Grotte ein Gleichnis und deutete es. Diese Deutung ist ein Beispiel dafür, daß auch nach Lorber die Urmenschen in "den einzelnen Gegenständen der Sinne" "etwas Göttliches und Himmlisches" wahrnahmen (HG 920).

 

LORBER: "O liebe Väter, diese Grotte ist ein treues Bild des menschlichen Herzens, wie es sich verhält zu Gott! Wohin wir nur immer unsere Augen richten mögen, so können wir durchaus keinen undurchschimmernden Punkt gewahren, außer den Boden, der uns trägt. Sehen wir hinauf in die hohe, von tausendfarbigen Lichtern hell erleuchtete Kuppe, wie herrlich eben dieses schöne Licht diese lebendige, hochspringende Quelle wunderbar scheinend belebt! Wer vermöchte da die Pracht zu besprechen, die tausendfach verändert in einem Augenblicke schon des Sehers Auge überrascht, da jeder herabfallende Tropfen einem Sterne gleicht, der da kühn gen Himmel strebt und dann aus Strafefür seine verwegene Tollkühnheit verglühend wieder vom selben geschleudert wird. Ja, wenn wir unsere Augen nach Morgen wenden, so leuchtet uns der weite Gang ein grünes Licht entgegen; sehen wir dahin, woher wir gekommen sind, so leuchtet der Gang uns ein gelbes und endlich gar ein blutrotes Licht entgegen; und so überrascht unser Auge, wohin wir es nur immer wenden mögen, doch stets ein anderes Licht! … Sehet, nur eine Sonne läßt ihre weißen Strahlen fallen über den hohen Scheitel dieses Edelkristallberges; aber welche Wirkung des einen Lichtes der Sonne in dieser Grotte! O sehen wir hinauf! Wer vermöchte da die zahllosen Formen zu übersehen, die jeder unruhige Blick schon verunendlichfältigt, - und doch ist alles Wirkung eines und desselben Lichtes! O liebe Väter, sehet, uns selbst hat der Herr eben hier ein gar großes Denkmal gesetzt! Wir sind diese Grotte in unserem irdischen Dasein mit einem Eingange vom Abend und einem Ausgange gegen den ewigen Morgen. In der Mitte sind wir, wie wir sind in des irdischen Lebens Fülle, und treten vom Abende her als Kinder in die Gnade und Erbarmung und sehen da nichts als nur den Mittelpunkt des Lebens vor uns, ohne zu bedenken, daß diese Lebensgrotte nicht geschlossen ist, sondern uns allen gar wohl einen entgegengesetzten Ausgang gen Morgen stets offenhält. O liebe Väter, ein einfach Licht ist auch das holdselige Flämmchen der ewigen Liebe! Unsere Sehe der Seele ist diese erhabene Kuppe. Diese Quelle ist gleich unserem Geiste, der beständig zum Lichte emporstrebt, aber beständig zurückgewiesen wird mit der Lehre: 'Was strebst du, Ohnmächtiger, empor?! Da ist kein Weg für dich, sondern bleibe oder kehre in das goldene Becken deiner demütig gehorsamen Liebe zurück! Beschaue dich da in der prüfenden Täuschung deines Seelenlichtes, und sei allzeit bereit, dem Zuge des Bächleins gen Morgen zu folgen; da erst werden dich mächtige Strahlen der Gnadensonne ergreifen und werden dich aufziehen als Feuerwölkchen in vollster Freiheit deines Lebens dahin, woher du gekommen bist!.'" (HGt I.56.24-35)

 

Schließlich finden wir bei Swedenborg noch eine erwähnenswerte Aussage über die älteste Kirche; erwähnenswert deswegen, weil man sie als eine Vorhersage der "Haushaltung Gottes" interpretieren kann: "In der ältesten Kirche, mit der der Herr von Angesicht zu Angesicht sprach, erschien er wie ein Mensch, wovon vieles berichtet werden kann, aber es ist noch nicht an der Zeit." (HG 49) In der "Haushaltung Gottes" sind uns die Gespräche des Herrn mit den Urmenschen geoffenbart; somit ist Swedenborgs Prophezeiung in diesem Lorberwerk in Erfüllung gegangen. Die Erscheinungen des Herrn in Menschengestalt, die ja vor seiner eigentlichen Menschwerdung stattfanden, geschahen durch einen Engelsgeist, den der Herr mit seinem Geiste erfüllte.

 

SWEDENBORG: "Wenn Jehovah vor der Ankunft des Herrn in der Welt erschien, dann erschien er in der Gestalt eines Engels." (HG 10579)17

 

LORBER: "Vor der Darniederkunft des Herrn konnte nimmerdar ein Mensch mit dem eigentlichen Wesen Gottes sprechen. Niemand konnte dasselbe je erschauen, ohne dabei das Leben gänzlich zu verlieren … Es hat sich zwar der Herr in der Urkirche, wie auch in der Kirche des Melchisedek, zu der sich Abraham bekannte, wohl öfter persönlich gezeigt und hat gesprochen mit Seinen Heiligen und Selbst gelehrt seine Kinder. Aber dieser persönliche Herr war eigentlich doch nicht unmittelbar der Herr Selbst, sondern allzeit nur ein zu diesem Zwecke mit dem Geiste Gottes erfüllter Engelsgeist. Aus solch einem Engelsgeiste redete dann der Geist des Herrn also, als wenn unmittelbar der Herr Selbst redete. Aber in einem solchen Engelsgeiste war dennoch nie die vollkommenste Fülle des Geistes Gottes gegenwärtig, sondern nur insoweit, als es für den bevorstehenden Zweck nötig war." (GS II.13.5f)

 


3. Die alte Kirche


Unter der alten Kirche verstand Swedenborg "die Kirche nach der Sintflut" (HG 4447). Doch da sie eigentlich aus mehreren Kirchen bestand (HG 534), kann man sagen: Swedenborgs alte Kirche ist der Sammelbegriff für die vorisraelitischen Religionen des Vorderen Orients. Trotz ihrer Vielzahl hatten sie einige gemeinsame Merkmale. Dazu gehörte die geschwisterliche Liebe (charitas), die bei den Menschen jener Zeit noch das Wesentliche der Kirche war. Heute ist es die Lehre, so daß Lehrunterschiede schnell zu Spaltungen (Schismen) führen. Doch für die Menschen jener Zeit galt: "obgleich sie in den Glaubenslehren voneinander abwichen, war es dennoch eine Kirche, weil alle überall die Liebtätigkeit zum Wesentlichen der Kirche machten." (HG 4680) Ein weiteres, wesentliches Merkmal der alten Kirchen waren die Kultformen und die bildlichen Darstellungen, die jedoch damals noch als Vorbildungen himmlischer und geistiger Wahrheiten verstanden wurden. Dieses zweite Charakteristikum soll uns vor allem beschäftigen, weil es eine deutliche Parallele bei Lorber hat.

 

Den Sammelbegriff "alte Kirche" finden wir bei Lorber nicht; wohl aber ist von den "alten Religionen" (GEJ XI.75) die Rede. Auch der folgende Text erwähnt die Existenz "des wahren, alten Kultus". Dem Großen Evangelium zufolge suchte der Herr am Ende seiner Lehrtätigkeit Rael auf, der damals schon 120 Jahre alt war. In seinen jungen Jahren hatte er gesehen, wie der Römer Pompeius, der 64 vor Christus den Vorderen Orient durchzog und dabei auch Jerusalem eroberte, das Allerheiligste frevelhaft betreten konnte, ohne daß der Zorn des Höchsten auf sein Haupt niederschmetterte. Das veranlaßte Rael, sich vom verheißenen Land abzukehren und in Ägypten die alte Weisheit zu suchen. Dort fand er im ersten vorchristlichen Jahrhundert noch einige wenige "treue Bewahrer des uralten, erhabenen, wahren Glaubens", also Reste der alten Kirche. Rael berichtet: "Nur wenige echte, wahre Priester - seltene Edelsteine des wahren, alten Kultus - leben noch ganz zurückgezogen in einzelnen Gegenden Ägyptens, teils verspottet und verlacht als Sonderlinge von den eigenen Gefährten, teils als heilige Männer verehrt vom Volke und den Priestern. Doch sind diese in Wahrheit weder das eine noch das andere, sondern nur treue Bewahrer des uralten, erhabenen, wahren Glaubens, die übrigblieben als Zeugen eines hohen Geisteslebens, von dem die jetzige Welt keine Ahnung hat." (GEJ XI.20) Solche Stellen zeigen, daß die Existenz einer alten Kirche auch im Lorberwerk vorausgesetzt ist.

 

Wichtiger jedoch ist, daß sie wie bei Swedenborg als vorbildend beschrieben wird. Nach Swedenborg war die alte Kirche "eine vorbildende Kirche (Ecclesia repraesentativa), das heißt alles Äußere ihres Kultes bildete Himmlisches und Geistiges, das zum Reich des Herrn gehört, und im höchsten Sinn das Göttliche des Herrn selbst vor." (HG 4680)18 Der vorbildende Charakter der alten Religionen begegnet uns im Lorberwerk in den Erklärungen der Kultgegenstände jener alten Zeit. So konnten die Tempel damals eine in Stein gehauene Lehre sein; das Lorberwerk erläutert uns das am Beispiel des ägyptischen Felsentempels Jabusimbil (vgl. GEJ IV.193.10-13, VI.214.12). Die Darstellungen dort seien "Sinnbilder" (GEJ IV.193.10), denen "die alte Weisheit" (GEJ IV.193.10) - oder mit Swedenborg gesprochen: "die Weisheit der Alten" (HG 605) - zugrunde liege. Schon vor der Sintflut gab es die ersten Tempelbauten, allerdings bezeichnenderweise nur bei den Kindern der Tiefe. Die Kinder der Höhe als die eigentlichen Vertreter der Urkirche kannten solche Prachtbauten noch nicht. Die Tiefe ist in der Haushaltung über die historische Wirklichkeit hinaus das Sinnbild für die Welttiefe des äußeren Menschen, der die Gottesgegenwart nur in entsprechenden Formen fassen kann. Das Vorbildende der ersten Sakralbauten wird in der "Haushaltung" ganz in Übereinstimmung mit Swedenborg geschildert. Zunächst wurde ein großer Tempel vor der Stadt Hanoch und dann noch ein kleiner auf dem gereinigten Schlangenberg gebaut. Als Henoch beim Anblick des großen Tempels etwas befremdet bemerkte, daß es auf der Höhe keine solche Prachtbauten gebe, erwiderte ihm der Herr: "Henoch, siehe, hier der Name, oben der Träger desselben; hier ein Zeichen, oben der Geber des Zeichens; hier Mein Schein, oben Mein Sein; hier des Zeichens Pracht, oben des Vaters Macht; hier alles aus Edelsteinen und dem Golde der Erde, oben des Vaters Liebe und Milde lebendig!" (HGt II.240.8) Damit ist gesagt, daß die Formen der Tiefe an sich tot sind und ihr Leben und ihre Bedeutung nur aus dem Entsprechungszusammenhang mit der Urwirklichkeit in der Höhe haben. Später erklärte Henoch dem Lamech, dem König der Tiefe, den Entsprechungssinn der beiden Tempel: "der Tempel auf dem Berge bezeichnet ja die Weisheit des Herrn" (HGt III.49.6). "Der Tempel in der gereinigten Tiefe gilt der Liebe und Erbarmung des Herrn und ist gleich dem Herzen im Menschen zugerichtet … Siehe, also ist der innere Tempel Gottes im Herzen des Menschen durch den Tempel in der Ebene bildlich dargestellt … worden!" (HGt III.49.7f) Die beiden Tempel entsprechen also der Liebe und Weisheit als dem wahren Tempel der Gottheit. Daß der Weisheitstempel auf dem gereinigten Schlangenberg gebaut wurde bedeutet: die sinnliche Welterkenntnis muß erst gereinigt werden, bevor sie sich zur Weisheit verklären kann. Und der Haupttempel auf der ehemaligen Schlammtiefe bezeichnet die Liebe, die nun anstelle der Begierden zum Gottesdienst einlädt.

 

Ein wesentlicher Bestandteil des vorbildenden Gottesdienstes waren die Opfer. Nach Swedenborg kamen sie erst in der alten Kirche auf: "Die älteste Kirche … wußte gar nichts von Opfern; es kam ihnen auch überhaupt nicht in den Sinn, den Herrn durch das Schlachten von Tieren zu verehren. Die alte Kirche … wußte [zunächst] auch nichts davon … Sie wurden vielmehr erst in der folgenden, sogenannten hebräischen Kirche eingeführt; von da aus kamen sie zu den Heiden und dann auch zu Abraham, Isaak und Jakob und so zu seinen Nachkommen."(HG 2180) Das deckt sich mit dem schon eingangs erwähnten Weltaltermythos bei Hesiod: "Im goldenen Zeitalter werden Opfer nicht erwähnt."19 Und "der Abstieg zum silbernen Genos Hesiods" ist "durch das Aufkommen des Opferkultes gekennzeichnet."20 Er nahm bald die zentrale Stelle ein: "Alle Bräuche der alten Kirche waren Vorbilder des Herrn … aber das Hauptvorbild war der Altar und daher auch das Brandopfer." (HG 921) Hier ist bereits ein weiterer Gedanke angedeutet: Alle Bräuche, somit auch das Opfer, waren "Vorbilder des Herrn". Die Parallele bei Lorber: "Die alten Oberpriester mußten opfern der Tiere Blut zur Tilgung ihrer Sünden; es war aber dies nur ein Vorbild dessen, was nun bald in einer andern Weise geschehen wird." (GEJ X.179.9) Wir sagten: die alten Religionen seien vorbildend gewesen. Doch wen oder was bildeten sie eigentlich vor? Die übereinstimmende Antwort bei Swedenborg und Lorber lautet: das Göttliche und daher den Herrn und seine Anwesenheit beim Menschen. Bei Swedenborg lesen wir: "Das Äußere der alten Kirche waren lauter Vorbildungen des Herrn sowie des Himmlischen und Geistigen seines Reiches … also Vorbildungen der christlichen Kirche; wenn man daher das Äußere der alten und auch der jüdischen Kirche entfalten und auswickeln würde, dann käme die christliche Kirche zum Vorschein." (HG 4772) Oder: "Die alte Kirche unterschied sich im Inneren in nichts von der christlichen Kirche, wohl aber im Äußeren [Kultischen]." (HG 1083) Auch nach Lorber bestanden die alten Religionen aus Vorbildungen der christlichen Wahrheit: "Warum findet man in den alten Religionen dieselben Grundzüge? Für den, der diese Enthüllungen begriffen hat, wäre es nur verwunderlich, wenn es nicht so wäre; denn sind diese alten Religionen Vorläufer der Lehre des Menschen- und Gottessohnes, so müssen sie auch die Grundzüge der letzteren enthalten, sie können nicht von ihr Verschiedenes enthalten … Würde die altägyptische Religion in ihren urältesten Grundzügen, die durch den späteren Götterkultus nur verwischt auf die Jetztzeit gekommen sind, gänzlich bekannt sein, so würde es heißen: die christliche Religion ist der altägyptischen entnommen, - so sehr gleichen sich diese, hauptsächlich wenn die Wesenheiten des Osiris, der Isis und des Horus genau in ihrem uranfänglichen Sinne erkannt würden." (GEJ XI.75)21 Die religionsgeschichtlichen Forschungen haben längst gezeigt, daß schon das Judentum22 und erst recht das Christentum keine neue Lehre gebracht haben. Das Neue des Christentums ist allerdings Jesus Christus selbst, das heißt das Ereignis der Menschwerdung Gottes. Das aber ist ein Vorgang und keine Lehre. Die Wahrheit, und gerade auch die christliche, war schon seit Urzeiten und später auch im Judentum bekannt. Daher war die urchristliche interpretatio christiana des Alten Testaments im Grunde genommen richtig, wenngleich vielleicht methodisch noch nicht ausgereift. Denn das unter der Decke des Buchstabens verborgene große Thema der jüdischen Bibel ist die Ankunft Gottes im Fleisch. Das gilt nicht nur für die prophetischen Schriften, sondern generell. Swedenborgs Bibelinterpretation in den Himmlischen Geheimnissen kann einem dafür die Augen öffnen. Jesus Christus, das fleischgewordene Wort, ist also die Zusammenfassung der Weisheit aller Religionen in der Gestalt eines Menschen. Was alle alten Kirchen, und dazu zähle ich jetzt auch das Judentum, nur verborgen andeuteten, offenbarte sich im Christentum.

 

Die alte Kirche ging unter als die Bedeutungen der Götterbilder und der übrigen Formen nicht mehr verstanden wurden. Im Großen Evangelium erläutert Mathael noch einige Götternamen der Griechen und Römer; dort werden übrigens auch "die Alten" erwähnt (GEJ III.90.7). Aber dieses Wissen war damals bereits die Ausnahme. Man betete die Formen an, trieb sogar Magie und Zauberei, aber die alte Weisheit, die diese Formen einst geschaffen hatte, war schon längst verschwunden. Die alte Kirche entartete im Götzendienst und im finsteren Heidentum:

 

SWEDENBORG: "Die Angehörigen der alten Kirche bezeichneten das Göttliche oder den Herrn mit verschiedenen Namen je nach den Unterschieden in den Wirkungen [des Göttlichen] … aber die Weisen unter ihnen verstanden unter allen diesen Namen nur den einen Herrn. Die Einfältigen hingegen machten sich ebensoviele vorbildende Darstellungen des Göttlichen, und als der Gottesdienst anfing, in Götzendienst auszuarten, fertigten sie sich ebensoviele Götter an. Von daher verbreitete sich der gesamte Götzendienst auch unter den Heiden, die die Zahl jener Götter noch vermehrten." (HG 4162) "Weil Ihm [Gott] mehrere Attribute zukommen und die alte Kirche jeder derselben einen Namen beilegt, deshalb glaubten die Nachkommen, bei denen die Wissenschaft solcher Dinge verlorengegangen war, daß es mehrere Götter gebe …" (HG 6003)

 

LORBER: Der Herr: "Aber später fingen diese vom Gottesgeiste belehrten Ureinwohner [Ägyptens] an, über das Wesen der Gottheit tiefer nachzudenken, und das um so tiefer, je mehr sie mit den Kräften der Natur sich vertraut machten. Eine jede solche von ihnen erkannte Kraft wurde als eine eigentümliche Eigenschaft der einen Urkraft in der Gottheit dargestellt." (GEJ X.192.4f) Mathael zu Ouran: "… früher aber waren sie [die griechischen Götter] bezeichnende Ausdrücke von den Eigenschaften des einen, allein wahren Gottes …" (GEJ III.90.1

 


4. Das alte Wort


Die auffälligste Gemeinsamkeit in der Beschreibung der alten Kirche bei Swedenborg und Lorber ist das alte Wort. Das gilt zunächst für die Interpretation des in der Genesis erwähnten Henoch, denn er verkörpert die Unterweisung, die zum alten Wort führt. In der Genesis heißt es: "Und Henoch wandelte mit Gott; und er war nicht mehr da, denn Gott nahm ihn hinweg." (Gen 5,24) Swedenborg versteht diese Stelle so: "'Mit Gott wandeln' bezeichnet die Lehre vom Glauben" (HG 518), und seine Entrückung bedeutet, "daß diese Lehre zum Gebrauch für die Nachkommenschaft aufbewahrt wurde" (HG 520). Demnach formte sich schon in der ältesten Kirche eine Lehre, die jedoch erst später, als nämlich das Innewerden verloren ging, zur Grundlage der Kirche wurde. Dazu muß man wissen, daß Innewerden oder innere Wahrnehmung etwas ganz anderes ist, als Lehre und Unterricht von außen. Solange die Menschen noch innerlich wahrnehmen konnten, was gut und wahr ist, brauchten sie keine äußere Lehre, denn sie hatten ja die Wahrnehmung; erst als die Innenschau immer allgemeiner wurde und schließlich ganz aufhörte, wurde die Unterweisung durch ein geschriebenes Wort notwendig. Daher wurden schon in der ältesten Kirche die Innewerdungen gesammelt und zu einer Lehre verdichtet; das geschah unter der Leitung Henochs: "Es gab in jener Zeit Leute, die aus den Innewerdungen der ältesten und der folgenden Kirchen23 eine Lehre machten … Diese Leute hießen Henoch" (HG 519)24. Henoch bezeichnet also den Prozeß der Lehrverdichtung. Zu dieser Interpretation paßt auch die Bedeutung der hebräischen Wurzel HNCh, die nämlich "einweihen" und "unterweisen" bedeutet (HG 519).

 

Ein ähnliches Bild können wir dem Lorberwerk "Die Haushaltung Gottes" entnehmen. Ein Unterschied besteht höchstens darin, daß Lorber die Namen der Urgeschichte (Genesis 1-11) individuell (Personennamen) deutet, während Swedenborg sie kollektiv (Gruppennamen) versteht.25 Doch abgesehen davon ist die Deutung Henochs erstaunlich ähnlich: Durch seinen Mund sprach Gott (HGt I.39.21/23). Er war "ein allgemeiner Lehrer … in der geheimen Weisheit der ewigen Liebe" (HGt I.41.12) und "erhielt eine gesegnete Zunge und ein wohlerleuchtetes Herz" (HGt I.45.12). Er war "der erste Prophet der Erde" (HGt I.80.4) und der "Oberpriester" (HGt II.26.6; HGt II.142.13). In der Spätzeit der ältesten Kirche gab es sogar ein Buch Henoch (HGt III.192.5)26, "das Noah über die Sündflut herübergebracht hat unter dem Titel 'Kriege Jehovas'" (DT 16,7). Demnach wären die Henochtraditionen der Grundstein des alten Wortes. In der Haushaltung werden mehrere Hinweise zur Entstehung der Schriftzeichen und der ersten Aufzeichnungen gegeben. Es ist nicht ganz einfach, sie richtig zu interpretieren und daraus die Anfänge des alten Wortes nachzuzeichnen; aber deutlich ist, daß Henoch die Oberaufsicht hatte, so daß man sagen kann, Lorbers Auslegung der Henochfigur deckt sich mit derjenigen Swedenborgs. Henoch symbolisiert den Ursprung des alten Wortes in der sagenhaften Urkirche der Menschheit.

 

Die Wurzeln des alten Wortes reichen also bis in die Urzeit zurück; doch der eigentliche Ort des alten Wortes war die alte Kirche. Man vergleiche nur einmal die Zuordnungen der Kirchenepochen und des Wortes in HG 2896-2900, dann sieht man, daß das alte Wort wesentlich zu den Religionen nach der Sintflut gehörte, obwohl es aus der Urzeit stammte und bis heute in den ersten Kapiteln der Genesis unerkannt fortlebt (LS 103, WCR 279d). Auf diese Zusammenhänge kann ich hier nicht eingehen, weil ich nur die offenkundigen Gemeinsamkeiten bei Swedenborg und Lorber darstellen will. Sie sind darin zu sehen, daß beide den Namen und die Gliederung des alten Wortes übereinstimmend offenbaren und auch zur Schreibart und zum Verbleib des alten Wortes ähnliche Angaben machen.

 

Im Alten Testament werden mehrere, heute unbekannte Bücher erwähnt; darunter das Buch der Kriege Jehovahs (Num 21,14), die Aussprüche (Num 21,27) und das Buch des Redlichen (Jos 10,13; 2.Sam 1,18). In ihnen erkannte Swedenborg die Bestandteile des alten Wortes: "Die historischen Teile dieses Wortes trugen den Titel 'Kriege Jehovahs', die prophetischen aber den Titel 'Aussprüche'." (WCR 265) Auch das Buch des Redlichen war ein prophetisches Buch des alten Wortes (WCR 265). Ausführlich sind diese Zusammenhänge in WCR 264-266 (LS 101-103) dargestellt. Auch jedem Lorberleser sind die Kriege Jehovas bekannt. Schon in der Urzeit bildete sich dieser Name heraus (HGt II.142.4). Noah rettete, wie schon gesagt, das Buch Henoch über die Sündflut "unter dem Titel 'Kriege Jehovas'" (DT 16,7). Und noch zu Jesu Zeiten waren "die Bücher der Kriege Jehovas" zugänglich (GEJ I.154.18).

 

Sie bildeten nach Swedenborg den historischen Teil des alten Wortes; es gab aber auch noch einen prophetischen Teil. Interessant ist nun, daß dies auch aus den Lorberschriften ersichtlich wird. Schon in der Urzeit bildete sich diese Gliederung heraus. Ein gewisser Garbiel sollte die Vergangenheit (das Historische), Besediel hingegen die Zukunft (das Prophetische) beschreiben. Das Buch der Vergangenheit hieß "Jehovas Streit, Zorn und Krieg".

 

LORBER: "Was demnach die erste Hauptfrage betrifft [Was sollen wir aufzeichnen?], so sollst du Garbiel aufzeichnen die ganze Geschichte von der Urerschaffung der Geister, dann die Erschaffung der sichtbaren Dinge und alle Meine Liebefügungen und großen Erbarmungen dabei, bis auf den letzten Zeitpunkt Meines gegenwärtigen Untereuchseins … Wie aber der Garbiel beschreiben wird die große Vergangenheit, also wirst du [Besediel] unter der Leitung Henochs beschreiben die große Zukunft! … Und so solle da errichtet sein ein Buch der Vergangenheit unter dem Namen: 'Jehovas Streit, Zorn und Krieg'; und ein Buch der Zukunft, unter dem Namen: 'Jehovas, des großen Gottes Liebe und Weisheit'!" (HGt II.97.13-24)

 

Auch der folgende Text läßt die Zweiteilung des alten Wortes deutlich erkennen. Außerdem bietet er weitere interessante Parallelen zu Swedenborg:

 

LORBER: "Ganz in der Mitte von Asien, im hohen Thibet, lebt noch ein Volk, welches die uralte patriachalische Verfassung hat.27 Unter allen alten Religionen der sogenannten Parsen und Gebern ist die Religion dieses Volkes noch die am meisten ungetrübte. Sie haben noch die eigentliche Sanskrit, in welcher von der Zenda vesta gehandelt wird; denn die Sanskrit ist die heilige Schrift der Urzeit, und die in dieser Schrift enthaltenen Geheimnisse Namens Zenda vesta, in eurer Sprache: die heiligen Gesichte, sind historische Ueberlieferungen von den mannigfaltigen göttlichen wunderbaren Führungen des Menschengeschlechtes in der Urzeit.28 Es ist darum falsch, so hie und da manche die Sanskrit und die Zenda vesta als gewisserart zwei Bücher annahmen; das Ganze ist nur ein Buch, und dieses ist abgetheilt in das Buch der Kriege Jehova's und in das Buch der Propheten. Da aber eben die Propheten durch ihre heiligen Gesichte die Thaten Gottes beschrieben, so sind diese scheinbaren zwei Bücher eigentlich nur ein Buch, welches sich bei den obbenannten Bewohnern des hohen Thibet noch ziemlich unverfälscht vorfindet, und ungefähr dasselbe enthält, was Ich euch im von euch sogenannten Hauptwerke aus der Urzeit mitgetheilt habe; - nur ist dort Alles noch in der Ursprache in lauter geheimnißvolle Bilder eingehüllt, die für die neue Zeit schwer oder gar nicht zu enträthseln sind." (1856 Erde, S. 229)

 

Dieser Text hat mehrere Berührungspunkte mit Swedenborg, auf die ich abschließend hinweisen möchte. Zunächst noch einmal zur Zweiteilung: Das alte Wort war "abgetheilt in das Buch der Kriege Jehova's und in das Buch der Propheten." Zweitens enthält der Text eine interessante Bemerkung zur Schreibart des alten Wortes: Dort sei alles "noch in der Ursprache in lauter geheimnißvolle Bilder eingehüllt, die für die neue Zeit schwer oder gar nicht zu enträthseln sind." Auch nach Swedenborg bestand das alte Wort "aus bloßen Entsprechungen (ex meris correspondentiis)" (EO 11). "Dieses sogenannte alte Wort enthielt nun aber eine Fülle von Entsprechungen, welche die himmlischen und geistigen Dinge nur von ferne andeuteten." (WCR 279)29 Und schließlich erfahren wir durch Lorber, daß sich das alte Wort "bei den … Bewohnern des hohen Thibet noch ziemlich unverfälscht" vorfinden soll. Auch Swedenborg hatte auf den Verbleib des alten Wortes hingewiesen: "In bezug auf jenes Alte Wort, das vor dem israelitischen Wort in Asien verbreitet war, darf ich als Neuigkeit berichten, daß es noch heute dort aufbewahrt wird, und zwar bei den Völkern, die in der großen Tartarei wohnen." (WCR 279c; vgl. auch WCR 266)

 


5. Die jüdische Kirche (Judentum)


Das Judentum wird von Swedenborg gelegentlich die dritte alte Kirche (HG 1285, 1330) genannt, also in den Zusammenhang der alten Kirchen eingereiht. Andererseits grenzt er es von diesen Kirchen ab, denn es war nur noch "die Vorbildung einer Kirche (Ecclesiae repraesentativum), aber nicht mehr eine vorbildende Kirche (Ecclesia repraesentativa)" (HG 4844). Der Unterschied ist sprachlich nicht sehr groß, dafür aber inhaltlich um so größer, denn: "Eine vorbildende Kirche liegt vor, wenn ein innerer Gottesdienst im äußeren vorhanden ist; die Vorbildung einer Kirche hingegen ist gegeben, wenn kein innerer, sondern nur noch ein äußerer Gottesdienst da ist." (HG 4288) Denselben Gedanken finden wir auch im Lorberwerk: "Die jüdische Kirche war eine vorbildende, rein zeremonielle." (Hg III.52.10) Das innere Religionsverständnis ging im Judentum vollständig verloren; übrig blieb das rein Zeremonielle. Das zeigt sich am Beispiel des politischen Messiasverständnises ebenso wie an der nationalen Idee vom Gottesreich, aber auch an vielen anderen Dingen. Die Juden wollten nur einen "weltlichen Messias" (HG 276) und glaubten folglich, "der Messias werde kommen, um ihr Reich über alle Reiche der Erde zu erheben". (HG 2813)30 Auch das Lorberwerk bestätigt uns, daß diese äußerliche Messiaserwartung damals weit verbreitet war:

 

LORBER: "Maria wußte es wohl in ihrem Herzen, daß nun [bei der Hochzeit zu Kana] Meine Zeit gekommen sei, als der verheißene Messias aufzutreten und zu wirken anzufangen; aber sie wußte die Art und Weise auch nicht, worin Mein Wirken bestehen werde. Auch sie glaubte vorderhand noch immer an die volle Vertreibung der Römer und an die Herstellung des mächtigen Thrones Davids und dessen darauf ruhenden, unverrückbaren und unbesiegbaren, göttlich herrlichen Ansehens, das von da an nimmer ein Ende nehmen werde. Die gute Maria und Meine ganze irdische Verwandtschaft stellte sich unter dem Messias auch noch gleichfort einen Besieger der Römer und anderer Feinde des gelobten Landes vor; ja, die Besten hatten von dem verheißenen Messias nahe dieselbe Vorstellung, wie in dieser Zeit viele aus der Zahl sonst ehrenhafter Menschen sich eine ganz verkehrte Vorstellung vom Tausendjährigen Reiche machen." (GEJ I.10.2f)

 

Die Interpretationen im Christentum, die in Jesus nur einen Menschen sehen, der sich für Frieden und Gerechtigkeit eingesetzt hat, und im Reich Gottes nur eine Gesellschaft der sozialen Gerechtigkeit, stehen im Grunde genommen noch immer in der jüdischen Tradition. Wo dagegen Jesus als der wahre Gott und das Reich Gottes als die jenseitige Wirklichkeit der unsterblichen Seele erkannt wird, da ist das äußere Verständnis überwunden. Damit soll nicht gesagt werden, daß eine bessere Gesellschaftsordnung nicht wünschenswert ist, aber sie ist nicht das Reich Gottes, sondern nur eine sehr willkommene Folgeerscheinung jenes Reiches, das "nicht von dieser Welt" ist (Joh 18,36).

 

Nachdem das Erbe der ältesten Kirche in der Verfallszeit der alten Religionen untergegangen war, sollte es wenigstens, wenn auch unverstanden, in einer vollkommenen Kultform aufbewahrt werden. So entstand das Judentum. Die Vollkommenheit dieses Kultes bestand darin, daß alle Vorschriften und Riten bis in die Einzelheiten hinein die himmlische Welt darstellten. Von der Stiftshütte und ihrer Ausstattung wird das im Alten Testament auch ausdrücklich gesagt: Moses sollte sie nach dem im Himmel geschauten Urbild gestalten (Ex 25,9.40). So war das Judentum zwar ganz äußerlich, aber in dieser Äußerlichkeit auch ganz rein. Außerdem war durch die Gebote der Liebe (Dtn 6,4f; Lev 19,18) schon im Alten Testament der schmale Weg in das Allerheiligste des Herzens angedeutet worden. Daher konnte der Herr durch Jeremia nach der nationalen Katastrophe von 586 v. Chr. (Eroberung Jerusalems und Beginn des babylonischen Exils) "einen neuen Bund" (Jer 31,31) verheißen, von dem gelten sollte: "Ich werde mein Gesetz in ihr Inneres legen und werde es auf ihr Herz schreiben." (Jer 31,33) Das Gesetz im Herzen aber ist die Liebe. Diese Möglichkeit war also im Judentum, obwohl es die letzte Stufe der Veräußerlichung war, keimhaft vorhanden. Als Jesus sie jedoch zum Schlüssel seiner Gesetzesinterpretation machte, wurde er nicht verstanden.

 

Das Judentum war nicht nur der vollkommene Abdruck des Himmlischen im Kultischen, sondern überlieferte auch, allerdings verhüllt, die Weisheit der Urkirche. Es bewirkte also nicht nur die vertikale Verbindung von Himmel und Erde, sondern auch die horizontale von Vergangenheit, Gegenwart und - wie sich im Christentum zeigen sollte - Zukunft. Auch diese Traditionszusammenhänge werden bei Swedenborg und Lorber genannt:

 

SWEDENBORG: "Die himmlische oder älteste Kirche" war "die Grundlage der jüdischen Kirche." (HG 886) "Damit ist klar, daß die jüdische Kirche keine neue Kirche war, sondern nur eine Wiedererweckung der zugrunde gegangenen alten Kirche." (HG 4835)

 

LORBER: "… knapp an diese [erste] Kirche ist dann das Judentum fest angeschlossen und besteht in vielen Stücken noch daraus." (HGt I.169.6)

 

Da die Weisheit der Urkirche im Christentum lebendige Wirklichkeit geworden ist, denn dort wurde das Wort Fleisch, bildete das Judentum das Christentum vor. Mit anderen Worten: Die innere Gestalt des Judentums ist das Christentum. Auch in diesem Punkt stimmen Swedenborg und Lorber überein:

 

SWEDENBORG: Alle Vorschriften der jüdischen Kirche waren "Vorbildungen des Herrn." (HG 31) "Alle Vorbildungen dieser [der jüdischen] Kirche geschahen im Hinblick auf … den Herrn." (HG 886) "Aus dem Gesagten ist klar, daß die Riten und Vorbildungen der jüdischen Kirche alle Geheimnisse der christlichen Kirche in sich enthielten." (HG 3478)

 

LORBER: Der vorbildende Charakter des mosaischen Gesetzes bestand darin, "daß die Zeremonie in wohlentsprechender Weise alles das gleich einer Zeichenschrift darstellte, was nun unter Mir in der vollen Wirklichkeit geschieht, und noch fürder geschehen wird." (GEJ VIII.175.13)

 

Abschließend möchte ich noch einen Text aus dem Lorberwerk vorstellen, der die Entwicklung von der alten Kirche (Noah) über das Judentum bis zum Christentum in Übereinstimmung mit Swedenborg schildert. Die Wortwahl ist zwar anders, aber der innere Zusammenhang ist offensichtlich. Es war eine Entwicklung von den Höhen der Liebe (für Swedenborg ist die älteste Kirche die himmlische Kirche der Liebe31) in die Tiefen der Weisheit (für Swedenborg waren die alten Kirchen geistige Weisheitskirchen32). Wenn es heißt, in der mosaischen Religion "war der alleinige Glaube gesetzt zur Rechtfertigung", so ist das natürlich nicht im evangelisch-reformatorischen Sinne zu verstehen. Der Glaube im folgenden Text meint beinahe dasselbe wie das Gesetz. Denn der Glaube meint das Formale, das im kultisch-Formalen seinen angemessenen Ausdruck findet. Daher ist der Weg von der Liebe der Urreligion zur Weisheit der Kultreligion gleichbedeutend mit dem Weg in das Gericht der strengen Vorschriften. So wurde in der Weisheit (dargestellt im mosaischen Gesetz) aufbewahrt, was in der Liebe verlorengegangen war. Und so mußte Jesus das Gericht auf sich nehmen "und an die Stelle des kalten Glaubens wieder einsetzen die alte Liebe". Der folgende Text offenbart viel über den Zusammenhang der Epochen, das Geheimnis des Judentums und die Notwendigkeit des Christentums.

 

LORBER: "Siehe, unter Moses und nach Moses dauerte der Alte Bund bis zu Meiner Darniederkunft. In diesem Bunde war der alleinige Glaube gesetzt zur Rechtfertigung, da die alte Liebe von Noah abwärts stets mehr und mehr in die pure Weisheit überzugehen anfing. Und so lautete auch das mosaische Gesetz nur auf den Glauben; die Liebe aber ist zur inneren, geheimen, gewisserart unbewußten Bedingung allein durch den strengen Gehorsam geworden, - denn da die Weisheit sich losgemacht hatte von der Liebe, so mußte sie auch stets und strenge gerichtet werden, damit sie nicht treten möchte aus dem Kreise der ewigen Ordnung. Und so war diese Periode von Moses bis auf Christus eine harte Periode des vorbildenden Gerichtes, darum auch Ich am Ende das Gericht und aller seiner Satzungen Bürde habe auf Mich nehmen müssen und tilgen das Gericht und an die Stelle des kalten Glaubens wieder einsetzen die alte Liebe." (Hg III.164.1)

 


6. Die christliche Kirche (Christentum)


Über das Christentum ist das Wesentliche schon gesagt worden; allerdings verstreut, so daß ich es zusammenfassen muß. Das Judentum war einerseits der vollkommene Kult, denn alle Vorbildungen bezogen sich auf das Himmlische (HG 886); andererseits war es ganz äußerlich, denn weder das Innere, geschweige denn das Himmlische, konnte und wollte man anerkennen (HG 353, 4690, 4831). Das Judentum war die letzte Stufe der Veräußerlichung. Demgegenüber brachte das Christentum die Wende zur Verinnerlichung und folgerichtig die Abschaffung der Vorbildungen. Diese Deutung der Zeitenwende finden wir bei Swedenborg und Lorber. Swedenborg schreibt: "Als das Ende der jüdischen Kirche bevorstand, eröffnete und lehrte der Herr das Innere des Wortes … nachdem dies eröffnet und geoffenbart war, wurde das Äußere der Kirche, das hauptsächlich in Opfern, Zeremonien und Satzungen bestand, abgeschafft." (O.E. 641) "Denn das Bild verschwindet, wenn die Gestalt (effigies) erscheint." (HG 4904) Die Gestalt aber war der Herr. Und da er nun selbst gekommen war, wurden "die Vorbildungen und Zeichen (significativa)" "nach der Ankunft des Herrn in die Welt" aufgehoben, "weil sie samt und sonders ihn vorbildeten" (HG 4489). Bei Lorber sagt es der Herr einmal ganz ähnlich: "Was liegt da am Tempel zu Jerusalem, und was an aller leeren Zeremonie, die nur vor Meiner Ankunft einen vorbildenden Sinn hatte, und nun aber leer, eitel und sinnlos dasteht." (GEJ VIII.175.2) Die Abschaffung des Kultwesens durch die lebendige Gestalt des Erlösers wird im Lorberwerk auch durch die Überwindung des Gerichtes ausgedrückt. Vorbildung und Gericht haben eine ähnliche Bedeutung; das zeigt die oben bereits zitierte Stelle aus der Haushaltung, wonach die "Periode von Moses bis auf Christus [die jüdische Kirche] eine harte Periode des vorbildenden Gerichtes" war. (HGt III.164.1)33 Es ist wichtig, diesen Bedeutungszusammenhang zu sehen, denn der Begriff des Gerichtes ist für das Lorberwerk typischer als der der Vorbildung. Aus diesen Überlegungen folgt dann: Was bei Swedenborg die Aufhebung der Vorbildungen ist, das ist bei Lorber die Überwindung des Gerichtes34 durch die Menschwerdung Gottes. Alles Tote und Starre wurde vom Leben des Gottmenschen ergriffen oder anders gesagt: mit seinem Leben erfüllt. Deswegen sagte Jesus: "Meint nicht, daß ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen." (Mt 5,17) Daher war die Menschwerdung Gottes die Wende zur Verinnerlichung, denn Jesus Christus hat das Gesetz verinnerlicht.

 

In Jesus Christus nahm das Urwort Fleisch an; so sagt es der Prolog des Johannesevangeliums: "Im Anfang war das Wort … Und das Wort ist Fleisch geworden". Auch in den anderen Evangelien versteht sich Jesus als die Verkörperung des Wortes (Mt 5,17; 1,22; 26,56; Lk 24,27 usw.), jedoch ist dort unter dem Wort das Alte Testament zu verstehen. Johannes schaut tiefer und erkennt, daß das Gesetz und die Propheten selbst nur Ausdruck des Urwortes sind. Daher ist der Hinweis auf die Schrift zwar richtig, aber vordergründig; denn das geschriebene Wort weist auf das ewige Wort, das heißt auf das göttlich Wahre. Jesus Christus wurde die lebendige Verkörperung des urgöttlichen Wortes. Das vorher tote Wort lebt nun. Der tote Buchstabe hat Geist und Leben bekommen. Deswegen konnte Jesus sagen: "Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben". (Joh 6,63) "Ich bin die Auferstehung und das Leben." (Joh 11,25) "Wer an mich glaubt, aus dessen Leibe werden, wie die Schrift gesagt hat (Joel 4,18; Sach 14,8; Hes 47,1-12), Ströme lebendigen Wassers fließen." (Joh 7,38) Jesus Christus ist das lebendige, innere Wort des Geistes; lebendig deswegen, weil der Sohn den Ursprung des Lichtes (des Wortes) in der Liebe, das heißt im Vater fand. Damit wurde das in alle Räume der Unendlichkeit hinauseilende Licht mit seinem Urquell in der Liebe verbunden, und aus dem toten Licht des Gerichtes wurde das lebendige Licht des Geistes; uns wurde damit das Tor zur Erleuchtung weit aufgestoßen. Was in der Erstarrung des Buchstabens danieder lag, wurde von Jesus Christus innerlich verstanden und verwirklicht. Dieser Prozeß war die Verherrlichung des Gottmenschen. Ihr Geheimnis ist für uns im Doppelgebot der Liebe angedeutet, denn sie ist der innere Sinn des Gesetzes und daher die Aufhebung des Gesetzes durch die Liebe. Damit war die Möglichkeit gegeben, den inneren Entwicklungsweg der geistigen Wiedergeburt zu gehen.

 

Doch in der ersten Phase des Christentums konnte von dieser Möglichkeit nur wenig Gebrauch gemacht werden. Die Gründe dafür sind zahlreich. Ein wesentlicher Grund lag aber in der Demontage des Christusbildes. Auch die neuerliche Verhärtung des Christentums im toten Kirchen- und Zeremonienwesen einerseits und im bloßen Glauben andererseits trug ihr Möglichstes dazu bei, die eben erst geöffneten Tore wieder zu verschließen. So mußte sich die erste Phase des Christentums noch verhältnismäßig äußerlich gestalten, und nur wenige fanden die inneren Kammern des Geistes. Doch das lag in der göttlichen Ordnung, denn schon damals, bei seiner ersten Ankunft kündigte der Herr seine zweite Ankunft "mit großer Macht und Herrlichkeit" (Mt 24,30) an. Diesem neuen Tag wird sich menschlicher Eigensinn nicht mehr verschließen können. Der Frau am Jakobsbrunnen, die so große Sehnsucht nach dem lebendigen Wasser hatte, sagte der Herr: "Aber die Stunde kommt und ist schon da, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden". (Joh 4,23) Das Christentum war die Zeit des schon-da-Seins und des doch-erst-Kommens; es war die "Mittelbildungsperiode der Menschen, die noch nicht durch das große Lebensfeuer [der Liebe] gereinigt sind". (GEJ VIII.182.5) Daher wird erst die neue Kirche die Erfüllung des im Christentums bereits Angelegten bringen.

 


7. Die neue Kirche


Nach dem Untergang des Christentums erster Prägung wird eine neue Religion entstehen. Sie wird erstmals in Jesus Christus die Inkarnation Gottes erkennen und daher ebenfalls ein Christentum, aber neuer Prägung sein. Swedenborg nennt es die neue Kirche; doch dieser Begriff ist kein spezifischer, denn auch die alte Kirche (Noah), das Judentum und das Christentum waren seinerzeit neue Kirchen (HG 1850). Deswegen nennt Swedenborg diejenige neue Kirche, die jetzt das Christentum ablösen wird, das neue Jerusalem. Bei Lorber kommt "neue Kirche" nur ganz selten vor, beispielsweise in den Himmelsgaben, wo es heißt: "Alle Staaten werden sich erneuen, und die alte Kirche wird auch in eine neue übergehen". (Hg III.466.5) Aber dafür spricht Lorber genau wie Swedenborg vom neuen Jerusalem und interpretiert diesen Begriff auch genauso wie der große Visionär des 18. Jahrhunderts. Diese wichtige Gemeinsamkeit möchte ich ausführlich im nächsten Kapitel behandeln. Im Rahmen der Zeitalterlehre dieses Kapitels will ich nur zeigen, daß die Kirche des neuen Jerusalems eine neue Epoche ist, die seit Swedenborg und Lorber eingeleitet wird.

 

Swedenborg sah schon im 18. Jahrhundert, daß eine neue Epoche bevorsteht; heute nennen wir sie die Neuzeit. Sie begann, nachdem im Jahre 1757 in der geistigen Welt das Jüngste Gericht gehalten wurde (WCR 115), dessen unmittelbare Folge auf Erden die geistige Freiheit war. In seinem Werk über das Jüngste Gericht schrieb Swedenborg, daß diese große Veränderung in der geistigen Welt die äußere Gestalt der natürlichen Welt nicht verändern werde, wohl aber die Einstellung der Menschen zu den Dingen. Dabei hebt er die geistige Freiheit hervor:

 

SWEDENBORG: "Der Zustand der Kirche aber wird in der Folge nicht mehr derselbe sein; derselbe zwar hinsichtlich der äußeren Erscheinung, aber nicht mehr hinsichtlich der inneren. Der äußeren Erscheinung nach werden die Kirchen wie zuvor geteilt sein und ihre Lehren wie zuvor gelehrt werden … Jedoch der Mensch der Kirche wird sich nun, da die geistige Freiheit wieder hergestellt ist, in einem freieren Zustand befinden, über die Gegenstände des Glaubens, also über das Geistige des Himmels, nachzudenken." (JG 73)

 

Swedenborg hat diese These 1758 veröffentlicht. Tatsächlich kann man die Kirchengeschichte der Neuzeit unter dem Stichwort der Freiheit zusammenfassen. Der Kirchenhistoriker Ekkehard Mühlenberg tut das: "Die Zeit seit den Revolutionen in Nordamerika (1776) und in Frankreich (1789) ist die Neuzeit … Sie [die beiden Revolutionen] zeigen nicht deswegen den Beginn einer neuen Epoche an, weil eine neue politische Form, die Demokratie, eingeleitet wurde; sondern sie markieren den Beginn einer neuen Epoche, weil von nun an Freiheit zum Ziel menschlicher Hoffnung und zum Kriterium menschlichen Handelns wurde."35 Es ist beeindruckend zu sehen, wie sich die Kirchengeschichte der Neuzeit weitgehend unter der Idee der Freiheit zusammenfassen läßt.

 

Eine Folge der geistigen Freiheit war die Ablehnung der Autoritäten; besonders dann, wenn sie vor dem Forum der Vernunft nicht bestehen konnten. Die Glaubensdinge wollte man nicht mehr einfach nur glauben, sondern einsehen. Was nicht verständlich war, verlor über kurz oder lang seine Daseinsberechtigung. In dieser Zeit versuchte Swedenborg, den undurchsichtigen Glauben wieder durchsichtig zu machen; programmatisch ist seine berühmte nunc-licet-Vision. In der geistigen Welt sah er einen großartigen Tempel, der die neue Kirche darstellte: "Als ich dann nähertrat, sah ich eine Inschrift über dem Tor, die folgendermaßen lautete: 'Nunc licet', d.h. nun ist es erlaubt. Dies bedeutete, daß es nun erlaubt sei, mit Hilfe des Verstandes in die Geheimnisse des Glaubens einzutreten (intellectualiter intrare in Arcana fidei)." (WCR 508) Mit diesem Motto erwies sich Swedenborg als der Vollender der abendländischen Tradition, denn schon Augustin, der Lehrer des Abendlandes, hatte den Leitspruch ausgegeben: credo, ut intelligam (Ich glaube, um wissen zu können). Daran anknüpfend prägte Anselm von Canterbury Jahrhunderte später die scholastische Losung: fides quaerens intellectum (der Glaube soll einsichtig werden). Doch obwohl die Sehnsucht des Abendlandes der lichtvolle Glaube war, wurde es in dem von den Vätern geerbten Glaubensgebäude zunächst immer finsterer. Erst Swedenborg konnte durch die Enthüllung des inneren Sinnes und die Neubegründung der christlichen Lehre aus dem Wort die alte abendländische Hoffnung erfüllen.

 

Damit begann eine neue Epoche, eben die der neuen Kirche, die zur Auferstehung des Christentums in verklärter Gestalt führen wird; eine Verheißung, die heute noch vielen unglaubwürdig erscheinen mag, denn zu sehr haben uns die Propheten des Materialismus den Blick vernebelt. Swedenborg wußte, daß die neue Kirche nicht von heute auf morgen entstehen wird. Im Anschluß an Offb. 12,6 ("Und das Weib floh in die Wüste") sagte er: die neue Kirche werde "zuerst unter wenigen" (EO 546) sein. Erst im 21. Kapitel der Offenbarung, nach langen Kämpfen, wird die Herabkunft des neuen Jerusalems geschildert. Die neue Lehre konnte sich nicht über Nacht durchsetzen, weil erst noch die alte Lehre mit ihren Irrtümern unglaubwürdig werden und dann untergehen mußte (EO 547). Die Folge davon war die allgemeine Glaubenslosigkeit (Säkularisation), die wir noch heute erleben.

 

Auch nach Lorber befinden wir uns in einem Epochenwechsel, der sich über mehrere Jahrhunderte erstreckt, so daß er für all jene Zeitgenossen, die kein Geschichtsbewußtsein haben, nicht erkennbar ist. Zwar stellt die Zeit "nahe an 2000 Jahre" (GEJ VIII.46.3) einen Einschnitt dar, aber das große Weltgericht (vgl. GEJ VI.174.1) kündigte sich schon mehrere Jahrhunderte vorher an. Man beachte die folgenden Zeitangaben im Großen Evangelium: "… es muß solches alles zum voraus geschehen, nahezu um 700 Jahre vor dem Gerichte, damit am Ende niemand sagen kann, er sei nicht hinreichend ermahnt worden." (GEJ VI.174.7) "Alsdann werden abermals von Mir Menschen erweckt werden, und sie werden verkünden die Wahrheit Meines Namens über 200 Jahre lang. Wohl denen, die sich daran kehren werden, obwohl ihre Zahl nur eine geringe36 sein wird!" (GEJ V.108.1) Der Untergang des neuen Babels "wird geschehen schon nach 1000 bis 1500 bis 1600 und 1700 Jahren." (GEJ VIII.47.15) Der Epochenwechsel ist also ein langwieriger Prozeß; jedoch dürfte eine gewisse Zuspitzung ungefähr 2000 Jahre nach Jesu Erdenleben zu erwarten sein, denn diese Zahl wird im Lorberwerk auffallend häufig genannt.

 

LORBER: "Das aber könnet ihr alle als völlig wahr annehmen, daß nämlich nahezu alle zweitausend Jahre auf der Erde eine große Veränderung vor sich geht.37 Und so wird es auch, von jetzt an gerechnet, werden." (GEJ VI.76.10) "Von jetzt an aber werden nicht volle 2000 Jahre vergehen, bis das große Gericht vor sich gehen wird; und das wird dann ein offenbar jüngstes, aber zugleich auch letztes Gericht auf dieser Erde sein." (GEJ VI.174.7) "… es hat mit Meiner Geburt das Gericht der Heiden aller Orten schon begonnen, und dauert nun in stets erhöhterem Maße fort, und wird noch bis zum Volllichte unter den Menschen auf dieser Erde fortdauern nahe an 2000 Jahre!" (GEJ VIII.46.3)38

 

Schon Swedenborg hatte darauf hingewiesen, daß erst das Falsche des bisherigen Glaubens ausgejätet werden muß, bevor die Lehre des neuen Jerusalems Wurzeln schlagen kann. Dies geschah durch den Siegeszug der Wissenschaften; allerdings machten sich im 19. Jahrhundert einige ziemlich lautstarke Schriftsteller zu Protagonisten des naturwissenschaftlichen Materialismus. Sie fanden viele Nachbeter, so daß die glaubenslose Zeit entstand und viele Menschen noch heute dem Vorurteil erlegen sind, Wissenschaft und Spiritualität schließen sich aus. Doch das Umdenken hat begonnen. Der alte Baum der Erkenntnis wird gesegnet und dem Lebensbaum zu neuer Kraft verhelfen. Diese Entwicklung ist im Lorberwerk vorhergesagt worden:

 

LORBER: "Am Ende erst wird aller Aberglaube mit den Waffen der Wissenschaften und der Künste vom Boden der Erde hinweggeräumt werden … Dadurch wird mit der Zeit wohl eine volle Glaubensleere unter den Menschen sein; aber es wird ein solcher Zustand nur eine höchst kurze Zeit dauern. In jener Zeit erst will Ich den alten Baum der Erkenntnis segnen, und es wird durch ihn der Baum des Lebens im Menschen wieder zu seiner alten Kraft gelangen, und so wird es dann nur mehr einen Hirten und eine Herde geben!" (GEJ IX.89.9-11)

 

Swedenborg war der Prototyp dieser Entwicklung. Aus pietistischem Elternhaus kommend begeisterte er sich zunächst für die neuen Wissenschaften seiner Zeit. Weite Reisen führten ihn in die Zentren der damaligen Bildung und machten ihn mit Männern wie Newton, Flamsteed und Halley bekannt. Doch Jahrzehnte später fand er zum Glauben zurück, der allerdings jetzt ein wissenschaftlich geläuterter war. Das ist auch das Schicksal unserer Zeit: Die Wissenschaft wird sich als die Geburtshelferin der Religion erweisen.

 

Die Neuzeit stand unter dem Motto der Freiheit. Doch auch die Freiheit hat ihr Ziel. Ekkehard Mühlenberg kann es zwar nicht benennen; ahnt aber als Historiker, daß die Geschichte ein immerwährender Prozeß und folglich jedes Ziel nur ein Etappenziel ist. Er schreibt: "Die Neuzeit ist auch noch unsere Zeit. Es übersteigt unsere Vorstellungskraft, was über die Freiheit hinaus … noch erwartet werden kann."39 Mit der Neuoffenbarung dürfen wir vermuten, daß die Freiheit die Vorbedingung für die Entfaltung des göttlichen Geistes im Menschen ist. Uns stellt sich heute die Frage nach den ethischen Grenzen der Freiheit. Diese Frage zeigt bereits, daß die Erfüllung der Freiheit nur in der Liebe liegen kann. Da die Liebe aber der göttliche Geist im Menschen ist, kann der Herr durch Lorber sagen: "Darauf aber wird der Geist bei den Menschen das große Übergewicht überkommen, und es wird auf der Erde kein gemessenes Mein und Dein mehr sein, noch wird man davon reden." (GEJ VIII.182.5) Die neue Zeit, deren Rahmenbedingungen die Freiheitsbewegungen schufen, wird also darin bestehen, daß "der Geist bei den Menschen das große Übergewicht überkommen" und dadurch das egoistische Weltkomplott ausgetrocknet wird.

 

Mit dem Geist wird auch die Welt des Geistes erwachen. Der Mensch wird sich seiner Einbindung in die geistige Welt bewußt werden. Vielleicht deutet sich diese Entwicklung heute schon in der Parapsychologie und der Tiefenpsychologie C.G.Jungs an, derzufolge wir in ein kollektives Unbewußtes eingebettet sind und durch Archetypen beeinflußt werden. Swedenborg und Lorber haben den Zusammenhang der neuen Kirche mit dem neuen Himmel gesehen. Eine Kirche, die aus dem Geistigen leben wird, kann nicht mehr in der Isolation des bloßen Weltbewußtseins ihr Dasein fristen, sondern wird Impulse aus der Welt der Engel empfangen. Da die neue Kirche eine innere Kirche ist, mußte in der vergangenen 2000 Jahren das Innere dieser Kirche, also der neue Himmel, gebildet werden, bevor nun aus diesem Reich des Lichtes das Morgenrot des Geistes die Herzen der Menschen erfüllen kann. Swedenborg deutet diese Gemeinschaft des Himmels mit der Erde an: "Es entspricht der göttlichen Ordnung, daß der neue Himmel früher gebildet wird als die neue Kirche auf Erden … In dem Maße, in dem dieser neue Himmel, der das Innere der Kirche beim Menschen bildet, wächst, steigt aus diesem Himmel das neue Jerusalem, d.h. die neue Kirche herab." (WCR 784) Bei Lorber nimmt sie noch konkretere Formen an:

 

LORBER: "Doch so Ich kommen werde, da werde Ich nicht allein kommen, sondern all die Meinen, die schon lange in Meinem Himmelreiche bei Mir sein werden, werden mit Mir in übergroßen Scharen kommen und stärken ihre noch auf der Erde im Fleische wandelnden Brüder, und es wird also eine wahre Gemeinschaft zwischen den schon seligsten Geistern der Himmel und den Menschen dieser Erde bestehen, was den derzeitig lebenden Menschen sicher zum größten Troste gereichen wird." (GEJ VIII.187.5) "Wenn Ich aber zum zweiten Male in diese Welt kommen werde, dann auch wird unter den Völkern der Erde das Gären, Kämpfen und Verfolgen ein Ende haben, und - das Urverhältnis40 der Menschen zu den reinen Geistern der Himmel wird ein normales und bleibendes werden." (GEJ VIII.163.2) "Alsdann aber wird eine Brücke gestellt werden zwischen hier [Jenseits] und dort [Diesseits], auf daß die Bewohner der Erde leichter zu uns herüberkommen sollen als bis jetzt auf der schon sehr morsch gewordenen Leiter Meines Jakob, auf der nur Engel auf und ab steigen konnten. Die Brücke aber soll sein sehr breit und so eben wie der Spiegel eines ruhigen Sees. Und es sollen weder am Anfange noch in der Mitte noch am Ende der Brücke Wächter aufgestellt sein, zu untersuchen die Elenden, Schwachen und Presthaften; sondern da soll ein jeder ein vollkommener Freizügler werden und sein, und es soll sich jeder jederzeit Rat und wahre vollkommene Hilfe von hier als von seiner wahren Heimat holen können! Auf dieser Brücke aber werden auch wir die lange verlassene Erde wieder betreten und dort unsere Kinder selbst erziehen, lehren, leiten und regieren und so das verlorene Paradies wieder aufrichten!" (RB I.86.18-20)41

 

Die Zeitalterlehre Swedenborgs und Lorbers endet hoffnungsvoll. Gewiß kann der Übergang hier und da schmerzhaft sein, aber bei alledem darf nicht vergessen werden: das Ziel der Geschichte ist die Kirche des Geistes. Von ihr sagt Swedenborg: "Diese neue Kirche ist die Krone aller Kirchen, die es bisher auf Erden gab." (WCR 786)

 

(Mit Genehmigung des Verfassers, 07/11)

 

Abkürzungen der zitierten Werke Emanuel Swedenborgs und Jakob Lorbers. Swedenborg: HG: Himmlische Geheimnisse / EO: Die enthüllte Offenbarung / HH: Himmel und Hölle / WCR: Die wahre christliche Religion / LS: Lehre von der Heiligen Schrift. Lorber: GEJ: Das große Evangelium Johannes (11.Band durch Leopold Engel) / HGt: Die Haushaltung Gottes / JJ: Die Jugend Jesu / GS: Die geistige Sonne / Hg: Himmelsgaben (heute HiG) / DT: Die drei Tage im Tempel (heute: DTT).

Anmerkungen:

1) Christoph Bochinger, <New Age< und moderne Religion, 1994, S.208. 2) Vgl.WCR 760, HG 1551. 3) Vgl.HG 1551, 5658, 10160, HH 115. In 1551 geht Swedenborg sogar auf die vor der Sintflut lebenden Uralten (antiquissimo) zurück. In HG 5658 (antiqui), HG 10160 (a vetustis scriptoribus) und HH 115 (apud scriptores antiquos) bezieht er sich hingegen auf die Alten. 4) Der Weltaltermythos findet sich bei Hesiod in "Werke und Tage" 106-201. 5) Daher ist auch "die neue Kirche" primär keine Organisation. Die Vereine der neuen Kirche, die Swedenborgs Bezeichnung des kommenden Geistzeitalters gleichsam okkupiert haben, tragen diesen Namen nur dann zu Recht, wenn sie fähig sind, sich für das allgemeine Werden der neuen Kirche zu öffnen. 6) Weitere Darstellungen der Kirchenepochen nach Art eines Überblicks in HG 4706, 10248, GV 328. 7) Vgl.GS I.16.3 und den Lorbertext "Das große Morgenrot oder der Voraufgang zur Ankunft des Herrn" in Hg III, S.471 ff. 8) "Wir haben unter der apostolischen Kirche nicht nur die Kirche zur Zeit der Apostel, sondern auch in den zwei oder drei darauffolgenden Jahrhunderten zu verstehen." (WCR 174) 9) Ich werte mit Swedenborg und Lorber Nicäa als Wendepunkt. Das ist allerdings stark vereinfacht, denn erstens hatte Nicäa eine lange Vorgeschichte, die spätestens mit den Apologeten des 2.Jahrhunderts begann, und zweitens hatte es eine ebenso lange Nachgeschichte, wenn man die christologischen Streitigkeiten bis zur Herausbildung der Orthodoxie in die Betrachtung einbezieht. Nicäa ist also nur pars pro toto (als zugegeben wichtiger Markierungsstein in einer langen Entwicklung) zu nehmen. 10) Nicäa im Jahre 325 n.Chr., Konstantinopel 381 n.Chr., Ephesus 431 n.Chr.und Chalkedon 451 n.Chr. 11) WCR 4, 173, 339. 12) Diese Wortwahl ist gerechtfertigt, weil nach der "Mittelbildungsperiode" "der Geist bei den Menschen das große Übergewicht bekommen" wird (GEJ VIII.182.5). Deswegen "Geistzeitalter". 13) Vgl. Swedenborg: "...unter Adam...wird die älteste Kirche verstanden" (HG 1013). 14) In den alten Übersetzungen der "Himmlischen Geheimnisse" ist "Antiquissima Ecclesia" (älteste Kirche) zuweilen mit "Urkirche" wiedergegeben worden (HG 1241, 1259, 1540, 1587, 1588). 15) Unter der Gnade wird im Lorberwerk das Licht verstanden (vgl. JJ 298.15; HGt 1.4.7; GEJ I.2.15f). 16) Der Mensch der Ältesten Kirchen "sah in allen Dingen der Welt und der Erde eine Vorbildung des Reiches des Herrn. Die Gegenstände der Welt und der Erde waren ihm ein Mittel, um über Himmlisches nachzudenken." (HG 5136). 17) Vgl.auch HG 6831, 9315. 18) "Das Wesen aller alten Kirchen bestand darin, daß sie Geistiges vorbildeten." (WCR 201) 19) Bodo Gatz: Weltalter, goldene Zeit und sinnverwandte Vorstellungen, 1967, S.41. 20) Bodo Gatz, a.a.O., S.40. 21) Vgl.auch GEJ XI.20. 22) Das hatte schon Swedenborg erkannt: "Die Bräuche und Satzungen, die den Nachkommen Jakobs durch Mose geboten wurden, waren nicht neu, sondern schon vorher gab es sie in den alten Kirchen; bei den Söhnen Jakobs wurden sie lediglich wiederhergestellt." (HG 6846) 23) Es gab mehrere älteste Kirchen (vgl.HG 460-467). 24) Ähnlich äußert sich Swedenborg in WCR 202: Ich wurde darüber unterrichtet, "daß Henoch...zusammen mit seinen Gehilfen die Entsprechungen aus der Sprache dieser Menschen gesammelt und auf diese Weise den Nachkommen überliefert habe." 25) Eine Lösung könnte sein, daß der Urmensch noch kein so ausgebildetes Ich-Bewußtsein hatte wie wir, so daß das Kollektive und das Individuelle noch enger beieinander lagen. Noch im AT kann man beobachten, daß individuelle Persönlichkeiten zugleich kollektive Persönlichkeiten sind. So ist Israel zugleich der Name einer Einzelpersönlichkeit und eines Volkes. Gleiches gilt für Edom und die Edomiter, Ismael und die Ismaeliten, Moab und die Moabiter usw. Auch in der Haushaltung werden beide Sichtweisen verbunden: "Und wie vorher Adam und Eva nur als das erste Menschenpaar haben angesehen werden können, so kann es (das erste Menschenpaar) nun auch als die erste Gründung der Kirche Jehovas angesehen werden" (HGt I.169.6). Demnach können Adam und Eva individuell (= erstes Menschenpaar) und kollektiv (= erste Kirche) interpretiert werden. 26) Es ist natürlich nicht mit den heutigen Henochbüchern identisch. 27) "...in der Mitte von Asien, in einer hohen Gebirgsgegend unfern des Himalaja, lebt noch ein kleines, abgeschlossenes Völkchen ganz streng nach dieser später von den Kindern Noahs auf seinernde Platten mittels gewisser entsprechender Sachbilder eingegrabenen Schrift..." (HGt I.169.6). 28) Vgl.das, was Kinkar, ein König der Urzeit, über seine Sammlungen, die sog. Kinkarschriften sagt: "Und das Buch (von Henoch) soll heißen `Die heilige Schrift (Sanah scritt) und euer Heil (Seant ha vesta)`." (HGt III.192.12). "Ich habe aber noch ein zweites Buch in der Arbeit, darinnen alle Taten Gottes und Seine Führungen aufgezeichnet sein sollen; und das Buch...soll `Die heilige Geschichte Gottes` (Seant hiast elli) heißen!" (HGt III.192.14). 29) Weitere Belege: "Das Wort bei den Alten war in bloßen Entsprechungen geschrieben" (LS 102). Das alte Wort war "voll solcher Entsprechungen..., die das Himmlische und Geistige nur entfernt bezeichnen" (LS 102). 30) Zur irdisch-nationalen Messias- und Gottesreichidee vgl.auch HG 2722, 3769, 3857, 4289, 4692, 4865, 6963, 7051, 8780, 9409, 10490, 10570. 31) HG 1997, 2048. 32) HG 1997, 2048. 33) Daß zwischen Vorbildung (Swedenborg) und Gericht (Lorber) ein innerer Zusammenhang besteht, ergibt sich auch aus der folgenden Überlegung. Schon dem gesunden Menschenverstand ist klar, daß Gesetz und Gericht zusammengehören; überdies heißt es dazu im Lorberwerk: "Wenn Ich euch durch Gesetze binden werde, dann auch werde Ich euch binden durch das Gericht; denn ohne Gericht ist kein Gesetz möglich, aber somit auch ohne Gesetze kein Gericht!" (HGt II.230.10) Das Gesetz, das also immer auch ein Gericht, ist nun zweitens nichts anderes als eine Vorbildung der Wirklichkeit; somit gehören also auch Gericht und Vorbildung zusammen. Als Bestätigung dieser Überlegung lesen wir bei Swedenborg: "...damit also bei ihnen (den Juden) die Vorbildung der Kirche da sein konnte, wurden ihnen solche Satzungen und Gesetze...gegeben, die ganz und gar vorbildend waren" (HG 4281). Das mosaische Gesetz enthielt also die Vorbildungen und somit auch den gerichteten Zustand der jüdischen Kirche. 34) Zu denken ist hier an Aussagen wie die folgende, die natürlich im Begriff des Gerichtes noch ganz andere Bedeutungen hat als die durch Swedenborg nahegelegte: "Ich als der alleinige Träger alles Seins und Lebens muß nun auch das, was von Ewigkeiten her durch die Festigkeit Meines Willens dem Gerichte und dem Tode verfallen war, erlösen und muß eben durch das Gericht und durch den Tod dieses Meines Fleisches und Blutes in das alte Gericht und in den alten Tod eindringen, um so Meinem eigenen Gottwillen jene Bande insoweit zu lockern und zu lösen, wegen der in sich reif gewordenen Materie der Dinge, auf daß dadurch alle Kreatur aus dem ewigen Tode zum freien und selbständigen Leben übergehen kann." (GEJ V.247.5) 35) Ekkehard Mühlenberg, Epochen der Kirchengeschichte, Heidelberg, Wiesbaden, 1991, S.267. 36) Vgl.Swedenborg: die neue Kirche wird "zuerst unter wenigen" (EO 546) sein. 37) Zur 2000er-Regel: Ca.4000 vor Chr. betritt mit Adam der erste geistbegabte und von Gott unterrichtete Mensch die Erde (nach GEJ VIII.86.3 ist Jesus "im 4151.Jahre nach der Entstehung Adams" geboren). In der Folge entstehen die frühen Hochkulturen in Vorderasien und Ägypten. Ca. 2000 vor Chr. beginnt die Zeit der Patriarchen (Abraham, Isaak und Jakob) und damit die Vorgeschichte des Judentums. Um das Jahr 0 herum wurde Gott selbst Mensch; das Christentum entstand. Ca. 2000 nach Chr. vollzieht sich in den Neuoffenbarungen durch Swedenborg und Lorber die Wiederkunft Christi. Für ca. 4000 nach Chr. wird uns die nächste große Offenbarung angekündigt: "...ich werde am Schlusse auch dir (Jakob Lorber) Namen ansagen, die von nun an in 2000 Jahren noch Größeres niederschreiben und leisten werden als du nun!" (GEJ IV.112.5) Bei diesen 2000er-Schritten spielen einige Jahrhunderte plus oder minus keine Rolle. 38) Weitere Belege: "Es sollte wohl auch jetzt so unter den Menschen sein; allein in dieser Mittelbildungsperiode der Menschen, die noch nicht durch das große Lebensfeuer gereinigt sind, wird das zugelassen bleiben, doch von jetzt an nicht mehr volle 2000 Jahre." (GEJ VIII.182.5) "Und es kann das noch eher geschehen, als da nach Mir, wie Ich nun leiblich unter euch bin, zwei volle Tausende von Erdenjahren verrinnen werden." (GEJ IX.71.5) "Von nun an werden nahezu volle 2000 Jahre hindruch zahllos viele Seher und Propheten erweckt werden." (GEJ VI.150.14) "Da werden die Gottesleugner und stolzen Betrüger und Bedrücker von dem Erdboden hinweggefegt und die Gläubigen und Armen aufgerichtet und aus dem Himmel erleuchtet werden, wie das nun soeben der Fall ist und später, nach nahezu 2000 Jahren, auch wieder einmal der Fall werden wird." (GEJ IX.23.6) 39) Ekkehard Mühlenberg, Epochen der Kirchengeschichte, Heidelberg, Wiesbaden, 1991, S 267. 40) "Der Mensch ist vom Herrn so geschaffen, daß er, während er (noch) im Körper lebt, zugleich mit Geistern und Engeln reden könnte, wie es auch in den ältesten Zeiten war..." (HG 69) 41) Siehe auch GEJ IX.94.9.