„...Du suchtest „Gott mit der Rechentafel in der Hand, mühtest dich das A zu finden, fandest aber nicht einmal die Grundlinien zu diesem vielsagenden Buchstaben. Du suchtest auf Nordens Schnee- und Eisflächen Pflanzen, fandst aber nichts, obschon des Schnees Leuchten dich beinahe blind machte...“ (GEJ.05_061,06)

„Kein äußerer Weltverstand kann es je ergründen und erschauen, was im Menschen ist; das kann allein nur der Geist im Menschen. Und also kann auch niemand Gott erkennen als nur der erweckte und vollauf tätig gewordene Geist Gottes im Menschenherzen, der gleich wie Gott Selbst die reinste Liebe ist und ein ewiger Sabbat im Menschenherzen.“ (GEJ.05_062,07)



Jesus und der Atheist

 

1
R
oklus (der Atheist und Oberste des Essäerordens):
„Ich habe viel mit Juden verkehrt und kenne alle ihre Gesetze vielleicht besser also so mancher von ihnen; denn mir lag daran, sie genauest kennenzulernen. Ein altes Sprichwort sagt zwar: `Wer sucht, der findet!`, - aber bei mir hat sich dieser Spruch bisher noch nicht bewahrheiten wollen; denn ich fand stets nur das, was ich nicht gesucht habe.

 

Ich habe die echte und wahre Gottheit gesucht, und das mit vielem Fleiße und mit vielen Aufopferungen von Geldmitteln, Mühen und Strapazen aller Art, und das auch stets nüchternen Geistes und Verstandes, - fand aber nichts, gar nichts als Menschentrugwerk aller Art und Gattung, wo von einer wahren Gottheit nicht ein Sonnenstäubchen groß herausgeschaut hat.

 

Überall fand ich im besten Falle entweder den patriarchalischen Autoritätsglauben, aber stets in einen ganzen Urwald von Mystik eingehüllt, oder im schlimmsten Falle den leichtsinnigsten Aberglauben oder im gar allerschlimmsten Falle den tollsten Glauben aus politisch knechtischem Zwange, unter dessen Ägide (Schutz) es am Ende selbst einem von Natur aus mit den hellsten Anlagen versehenen Geiste nicht mehr möglich wird, sich über dem Schlamme der krassesten Dummheiten zu erhalten.

 

Er wird euch ein Heuchler und ein Scheusal in seinen höchst eigenen Augen werden; denn etwas Scheußlicheres und Elenderes kenne ich nicht gegen die hohe Würde eines Menschengeistes, auf ein von seiten eines mächtigen Tyrannen sanktionierten Gesetz hin annehmen zu müssen, dass am Tage nur stets der Mond leuchtet und den Tag bewirkt und in der Nacht über die Sonne...

 

Darum höret mir auf mit allem Göttertume! Die Menschen benötigen ewig keines Gottes, wohl aber der wahren philanthropischen Philosophie und einer auf Vernunftprinzipien gegründeten Humanität, und sie werden dadurch selbst ganz vollendet vollkommene Götter.

 

Mit der reinen Vernunft und mit ihrem geweckten Forschungsgeiste werden die scharf sehenden und fein fühlenden Menschen der großen Schöpferin Natur bald recht viele und wichtige Geheimnisse ablauschen und wunderbare Taten zustande bringen, von denen keinem von uns noch je etwas geträumt hat, und die Menschen werden ohne die alten, dummen Götter ganz überaus glücklich untereinander im Handel und Wandel leben, und der physische Tod, hinter dem sie zwar weder ein Elysium, noch weniger irgendeinen allerwahnsinnigsten Tartarus in ihrer reinen Phantasie schauen und erwarten werden, wird ihnen sicher eine viel geringere Angst machen denn so, wo sie nach der Ablegung des Leibes erst die rechte und allerscheußlichste Kalamität für ewig dauernd erwartet.

 

Ich war Ewigkeiten nicht; fühle ich etwa eine Traurigkeit deshalb, dass ich nicht war? Also werde ich um dies tolle Sein sicher noch weniger etwas von einer lästigen Traurigkeit fühlen im Zustande meines abermaligen und völligen Nichtseins.

 

Ich halte das völlige Nichtsein für den glücklichsten Stand eines einmal dagewesenen Menschen; das Sich-daseiend-Fühlen selbst in den glücklichsten Zuständen ist schon an und für sich schlechter, weil mit dem glücklichsten Dasein auch die Furcht mit da ist, entweder in ein unglückliches Dasein gar leicht geraten zu können oder mit dem Tode dereinst den höchst glücklichen Zustand doch offenbarst und sicher verlieren zu müssen.

 

Das vollkommene Nichtsein hat weder das Glück zu genießen, noch desselben sicher kommenden Verlust schon im voraus zu betrauern. Einen rechten Philosophen meiner Art wird daher kein Tod, den die Natur gibt, schrecken, wohl aber ein Martertod! Denn darum hat die liebe Natur den Menschen ja etwa doch nicht hervorgebracht aus irgendeinem in ihrem Erdhumus erzeugten Stoffe, damit er sich martern lassen solle von seinesgleichen!?

 

Kurz, ich sehe in dem Wirken der Natur sehr viel Weises, obwohl ich gerade auch nicht jede Wirkung der rohen Naturkraft für unbedingt allerweisest und zweckmäßig halte; aber ich werde darüber nie eine Klage erheben.“ (GEJ.05_031,01 ff)


2
Roklus: „Die rohen und dabei dennoch gewaltigsten Kräfte der Natur können nicht anders als nur höchst roh wirken, und ihr sogestaltiges Wirken ruft die Kleinkräfte ins Leben, um diese gestalten sich dann erst zu etwas, wenn sie durch das gewaltigste Wirken der großen Rohkräfte gewisserart ins Leben gerufen werden.

 

Durch gegenseitiges Anziehen und Abstoßen werden die kleinen Kräfte erst gestaltig und fangen an, die angenommenen Formen auszubilden, treten also in ein gefühltes Dasein, das sie so lange behalten, als sie in ihrer Abgesondertheit einer andern, mächtiger auf sie einwirkenden Kraft zu widerstehen vermögen.

 

Hat diese die Kleinkraft überwältigt, so ist es mit der abgesonderten Kleinkraft völlig gar. Es löst sich da sogleich die Form mit ihr auf, und alles wird von der Großkraft wieder verschlungen, wie solches auch das sicher von einem Weisen der Urzeit ausgedachte Bild des Kronos recht treffend zeigt, wie er als Genitor der Götter seine Kinder wieder verschlingt.

 

Die Zeit und die in ihr wirkenden Kräfte sind eben der besagte mythische Urgott Kronos. Die Zeit bringt alles hervor, immerwährend erzeugt sie lachende Fluren und zugleich die dürren Stoppelfelder. Werden und Vergehen, Leben und Tod, Sein und Nichtsein wandeln stets gleichzeitig miteinander einher. Keine Ruhe, keine Rast; eine Woge ruft die Nachbarin ins Dasein, - aber zwischen ihnen gehet auch gleich die Furche, das Grab, einher!

 

Was da trägt den Stempel des Lebens, das trägt auf der Kehrseite auch den Stempel des Todes. Das alles aber ist für den sorglichen Beobachter der Dinge, wie sie kommen und vergehen, eine notwendige Folge von der beständigen Wechselwirkung der verschiedenen Einzel- und Sonderkräfte in der großen Natur.

 

Diese erwecken sich gleichfort gegenseitig und zerstören sich also wieder kämpfend, wie sie sich kämpfend ins Dasein gerufen haben. Ich sehe allenthalben ein fortwährendes Wogenspiel, und die oft fabelhaften Gebilde der in der Hochluft schwebenden Wolken liefern uns einen ganz handgreiflichen Beweis dafür, in welche höchst verschiedenen Formen sich die gegenseitig wirkenden Kräfte hineinzwängen.

 

Bald kommt ein Löwe, bald ein Drache, bald ein Vogel, ein Fisch, ein Hund, ja sehr oft sogar ein Menschenkopf, manchmal sogar ein zerfratzter ganzer Mensch zum Vorschein! Aber wie lange dauern diese oft recht schön ausgebildeten Formen? So lange, als keine stärker auf sie einwirkende Kraft sie vorerst um die schöne Form und endlich gar ums Dasein bringt! Ist es denn aber mit unserer Form und mit unserem Dasein etwa sehr viel anders?

 

Durchaus nicht! Wie sehr verändert sich diese beim Menschen von der Geburt an bis in sein Greisenalter, wenn er ein solches erreicht! Und wo ist der stolze Mensch, der vor tausend Jahren die ganze Erde zu erobern sich vornahm? Dort, wo die Schneeflocke weilt, die mit ihren Millionen Geschwistern die ganze Erde in Eis zu verwandeln bemüht war! Wo ist der Orkan, dem gestern noch die stärksten Zedern im Wege standen, und der ihrem Dasein ein völliges Ende zu machen drohte? Eine mächtige Gegenkraft hat ihn, wie der Kronos seine Kinder, verschlungen! Nur in unserer auch nur zeitweiligen Erinnerung besteht er sehr mattgeistig noch fort; in der Wirklichkeit aber hat er für die ganze Ewigkeit zu toben aufgehört!

 

Als ich durch Persien reiste, ward ich Zeuge einer höchst merkwürdigen Naturerscheinung. Es war ein glühheißer Tag, so dass wir mit unserer Karavane unter großen, schattigen Bäumen Schutz vor den zu glühend heißen Sonnenstrahlen suchen mussten. Etwas ein paar Stunden vor dem Sonnenuntergange bemerkten wir von Osten her ein starkes, kohlschwarzes Gewölke aufsteigen und die Zugrichtung gegen uns nehmen. Unsere Führer prophezeiten uns einen mächtigen Sturm und rieten uns, den Wald nicht eher zu verlassen, als bis der Sturm vorübergesaust sein werde. Wir taten das, und in einer halben Stunde war der Sturm mit Blitz und Donner über uns. Es krachte und tobte ganz entsetzlich in den Bäumen, und mancher starke Ast hat da sein Dasein eingebüßt, und das arme Laub der Bäume hat gewaltig gelitten.

 

Es fing an zu regnen, aber eben nicht zu reichlich; doch ward es finsterer und finsterer. Als der Regen aber einige Augenblicke anhielt, da fingen unter den stets reichlicher fallenden Regentropfen auch ganz vollkommen ausgebildete Kröten millionenweise aus den Wolken mit dem Regen auf die Erde zu fallen an. Die ins Wasser fielen, die schwammen ganz gut herum, während nur wenige die auf den harten Erdboden fielen, mit dem Leben auf einige Augenblicke davonkamen.

 

Merkwürdig war es, dass wenige Augenblicke nach diesem sonderbaren Sturm, der eine starke Viertelstunde anhielt, als die dem Untergange sich nahende Sonne wieder ihre heißen Strahlen auf den Erdboden schießen ließ, auch unsere Kröten verschwanden und nichts als ein schleimiger Schimmel von ihnen übrigblieb, und das auch nur hier und da.

 

Nun frage ich, von woher diese zahllos vielen Kröten gekommen sind, und wer sie also gebildet hat? Wer anders als die Naturkräfte, die sich wie zufällig in der Art begegnet sind, dass aus ihrem gegenseitigen Anstreben die Kröten entstehen mussten! Diejenigen, die ins Wasser kamen, fanden wahrscheinlich eine ihnen zusagende Nahrung in ihrem Hauptelemente, und es dürften viele erhalten worden sein; aber die da auf den glühheißen Erdboden fielen, trafen ein ihrem Wesen feindliches Element und ihnen sehr entgegenstrebende Kräfte, und die Folge war die völlige Auflösung ihrer für die Kürze ihres Seins noch zu wenig gediegenen Existenz.

 

Die Natur wirkt, wie man aus gar vielen Erscheinungen gar deutlich abnehmen kann, allzeit blind ohne irgendwelche ökonomische Berechnung; sie erzeugt Dinge von einer oder der andern Art stets in einer solchen Unzahl, von der gewöhnlich kaum der hundertste Teil zu einer gediegenen und dauernden Existenz gelangt. Man betrachte nur einen Baum, der im Frühjahre seine Blüten ansetzt! Wer wollte oder könnte die tausendmal tausend Blüten zählen? Man gehe aber nur acht Tage nach der Blütezeit unter dem Baume herum, und man wird da schon eine große Menge herabgefallener Blüten samt den Nährstengelchen am Boden finden; darauf aber geht dann das Herabfallen des zu vielen Ansatzes in einem fort bis zum vollen Reifwerden des am Baume Gebliebenen.“ (GEJ.05_032,01 ff)


3
Roklus: „Wäre nun irgendein höchst weiser Gott der Schöpfer des Baumes und seines Fruchtansatzes, so würde er doch sicher ökonomischer zu Werke gehen, weil denn eine weise Ökonomie doch auch in die Sphäre der Weisheit gehört!

 

Aber aus dem oft höchst unwirtschaftlichen anfänglichen Ansatze der Dinge leuchtet ja doch mehr als klar hervor, dass die aus den rohen Naturkräften in ihrem gegenseitigen, sich zumeist auf dieselbe Art stets wiederholenden Kampfe hervorgehenden Dinge in einer Unzahl angesetzt werden, von der dann nur so viele zur Vollendung gelangen, als inwieweit die streitenden Kräfte sich gegenseitig nicht zum Schweigen gebracht haben; denn mit solchem Schweigen hört die wirkende Ursache des Werdens und Erhaltens auf und mit ihr notwendig das hervorgebrachte Werk selbst.

 

Insoweit aber der einmal angefangene Kampf sich noch forterhält und fortwährt, wird auch sein Werk mit ihm fortbestehen, gedeihen und zu einer bestimmten Reife gelangen.

 

Würde eine ihrer selbst und jeder ihrer Handlungen klarst bewusste Gottheit mit aller Weisheit und mit aller der beharrlichsten Willensfestigkeit auch also handeln können? Ich sage: Nein, das müsste ihr noch um vieles unmöglicher sein, als so ich mir einen allerweisesten Herrscher denken sollte, der mit dem größten Fleiß und Kostenaufwand Städte und Paläste erbauete, um sie hernach wieder übern Haufen zusammenzuschmeißen, und der es so treiben würde fort und fort.

 

Würde es da wohl noch irgendeinen noch so blöden Menschen geben auf der Erde, dem es einfiele, ihn weise zu nennen?! Nun soll aber der denkende und vielerfahrene Mensch einen Gott weise nennen, der dasselbe in einem noch viel komplizierteren Maße tut, der Werke von höchster innerer organischer Vollendung zum größten Teile bloß darum ins Dasein ruft, um sie gleich wieder zu verderben und zu vernichten!

 

Nein, das stelle sich vor, wer sich in der großen Beschränktheit seiner Erkenntnisse und Erfahrungen so was in seiner großen Blindheit vorstellen kann; mir ist das unmöglich! Beim höchst weisesten Gotte muß zwei und zwei so gut die Summe vier geben wie beim im Rechnen kundigen Menschen.

 

Sagte ein irgend bestehender Gott aber: `Du, mein lieber Mensch, bei mir ist zwei und zwei fünf, auch sieben!`so würde ich selbst zu solch einem Gotte sagen: `Entweder bist du ein Narr, oder es beliebt dir, mich für einen zu halten; denn mit solch einer Rechnungskunde wird sich von dir schwer eine ganze Welt erschaffen und erhalten lassen! Eher wird ein Blinder einer der berühmtesten Kunstmaler, als bis du mir mit solcher deiner Weisheit den schlechtesten Pilz dem Erdboden entlockst!`

 

Wir Griechen hatten einen Maler namens Apelles, der malte Menschen und Tiere derart naturgetreu, dass die Natur, man konnte sagen, übertroffen war. Nun, dieser berühmte Maler tat gewiß keinen Strich umsonst, sondern hat jeden gar wohl berechnet; wie viele Striche aber macht solch ein weisest sein sollender Gott, bei dem aus ganz besonderen, weisen Gründen zwei und zwei auch sieben sein kann oder gar muß, umsonst!

 

Da steht oft im Frühjahre alles so schön und hoffnungsreich! Die Menschen freuen sich schon auf eine gute Ernte, um ihre Arbeit und Mühe belohnt zu bekommen. Sie danken schon im voraus dem unsichtbaren Wesen, das sie nach ihrem ihnen von Kindheit an eingepflanzten Glauben als den allmächtigen Gott oder auch als mehrere Götter anbeten.

 

Aber gerade ein paar Wochen vor der Ernte kommt ein gewaltiger Sturm und verheert ein ganzes Land derart, dass die guten Menschen nicht so viel von der angehofften Ernte bekommen, als sie hinter einem Nagel verbergen könnten! Das ist eine Erscheinung, die sich auf der Erde, soweit wir sie kennen, alle Jahre sicher in den verschiedensten Ländern regelmäßig bald hier und bald dort wiederholt.

 

Nun eilen die blinden, abergläubischen Schafe von Menschen zu ihren bodenlos habgierigen Priestern und fragen diese, was sie denn doch verschuldet hätten vor Gott oder vor den Göttern, dass diese sie gar so hart heimgesucht hätten!

 

Stehet den Priestern wohlbekannt das Volk so da, dass diese Gesetzgeber an Gottes Statt durchaus nicht gegen die gesetzliche und also von den Göttern geforderte Lebensweise etwas einzuwenden haben, dann nehmen die Priester ein ganz gutgutmütiges und mitleidiges Gesicht an und vertrösten die armen Schafe, so gut sie´s nur können und mögen, ermahnen sie mit gar sanften Worten zur Geduld und erklären ihnen auch so eindringlich als möglich, dass Gott dadurch bloß ihre Geduld, die Stärke ihres Glaubens und die zufriedenheitsvolle Ergebung in seinen Willen, ihretwegen selbst, auf eine Probe des ewigen Lebens nach des Leibes Tode gestellt habe!

 

Den weinenden Juden wird allzeit bei solchen Gelegenheiten der stark mythische Hiob vorgehalten, was eine recht gute Fabel ist, und für die Heiden gibt es in ihren Religionsbüchern auch eine Menge solcher die Traurigkeit der armen Völker niederschlagenden Anekdötchen. Mit solchen Vertröstungen kehren die Völker dann wieder ganz getröstet und gewisserart vergnügt nach Hause zurück und ergeben sich ganz voll der Hoffnung auf bessere Zeiten, und dass sie Gott darum doch nicht werde ganz zugrunde gehen lassen!“(GEJ.05_033,01 ff)


4
Roklus: „Ich aber frage hier bloß, was die weltlichen Gerichte mit einem Menschen tun würden, der sich mit mehreren Helfershelfern den bösen Spaß erlauben würden, etwa in einer Nacht die gesegneten Felder nur einer kleinen Gegend soviel als möglich zu verheeren?

 

Ich glaube, solch einen mutwilligen Bösewicht würden die Römer wenigstens zehnmal kreuzigen, wenn sie seiner habhaft würden, oder sie würden ihn nach einem etwaigen ärztlichen Befunde in eine Irrenanstalt auf lebenslänglich verbannen.

 

Aber einen Gott betet man darum noch an und hält ihn für endlos weise! Auch nicht übel, wenn man sich dabei nur glücklich fühlt! Denn der Götter höchste Weisheit hat ja das unbesiegbare Vorrecht in der ganzen Schöpfung, die allertollsten Streiche auszuüben; sie kann nach Gutdünken rauben, morden, verderben, und es wird niemandem beifallen, sich auch nur zu denken, dass sie da einen böstollen Streich ausgeführt habe.

 

Nur das getrauen sich die abergläubischen Menschen aber doch zu denken, dass die vorbesprochene Verheerung der Saaten eben nichts Gutes war; denn wäre sie etwas Gutes, so hätten sich die armen, guten Menschen den Gang zu den Stellvertretern der Götter sicher erspart.

 

Was geschieht denn einem Menschen, der einem andern sein Haus anzündet und ihm dadurch nicht nur das Haus, sondern auch alles, was im selben aufbewahrt war, zerstört und also aus einem wohlhabenden Bürger einen Bettler macht? Meines Wissens gehört der Mordbrenner nach dem Gesetze ans Kreuz. Wenn aber der Herr Gott Zeus den verheerenden Blitz in jemandes Haus schleudert und ihm dadurch alles durchs Feuer verheeren lässt, so ist das undenkbar anders als höchst gut und höchst weise!

 

Wehe dem, der das nicht also nähme und eisenfest daran glaubete; den würde der Pontifex maximus dann schon den Zorn des Gottes Zeus auf eine Art fühlen lassen, gegen die das Abbrennen eines Hauses als eine enorme Wohltat anzusehen wäre!

 

Ich aber bin so frei, hier die Frage aufzustellen, und sage: Wenn die Gottes Stelle vertretenden Menschen die häuserabbrennerische Tat als vom Zeus ausgehend für so weise und höchst gut und gerecht ansehen, warum sehen sie dann eine gleiche Tat, von einem Menschen verübt, für so höchst verworfen schlecht an, dass sie es für nötig finden, ihn dafür mit dem martervollsten Tode zu bestrafen?

 

Ich urteile da freilich also und sage: Das wahrhaft Gute und wahrhaft Weise muß, von wem immer verübt, ewig gut und weise bleiben und verdient darum keine Strafe! Weil aber die auf Erden die Götter vertretenden pfiffigen Menschen es geheim bei sich, gleich uns gutmütigen Essäern, wohl wissen, dass es keine Götter, sondern nur eine urrohe allgemeine Naturkraft gibt, deren Wirken ein pur zufälliges ist, das im weiteren Verlaufe und in den verschiedensten Auszweigungen erst in notwendig  edlere Formen ausartet, so haben Gottesvertreter mittels ihrer Phantasie die Naturkraft als eine Gott allegorisch  personifiziert und den anderen Menschen, die selbst nie etwas dachten, zur Verehrung und Anbetung gewöhnlich bildlich vorgestellt.

 

Der auf solche Art ausgeheckte Gott musste sich denn auch zu rühren anfangen, und das natürlich so wundertätig als möglich! Hatte das Volk einmal den Gott durch mannigfache Wundertaten wahrgenommen, so musste es sich auch bald scharfe Gesetze von ihm gefallen lassen. Wehe den Übertretern derselben!

 

Damit die Menschheit in ihrer blinden und dummen Furcht von dem einmal ungezweifelt angenommenen wundertätigen Gotte aber nicht nach einer leicht verübbaren Sünde in eine völlige Verzweiflung  übergehen möchte, so haben die pfiffigen Gottesvertreter an Wiederaussöhnungsmittel mit der beleidigten Gottheit gedacht und haben dafür Opfer und andere peinliche Bußarten erfunden, durch die der Sünder wieder zur Freundschaft seines beleidigten Gottes gelangen kann.

 

Und so gibt´s nun schon überall auf der lieben Erde nebst den bürgerlichen Landesgesetzen auch von einem oder dem andern Gotte ausgehende Gesetze, die so gestellt sind, dass sich selbst ein in allem noch so keuscher und tugendvoller Mensch ohne weiteres täglich mindestens zehnmal dagegen versündigen muß, wodurch er sich der Gnade und des Wohlgefallens seines Gottes ein wenig unwürdig gemacht hat.

 

Er muß sich am Abende, noch vor dem Untergange der Sonne, durch vorgeschriebene Mittel reinigen, ansonst er gleich in ein größeres Übel verfallen kann. Ich kann und will das durchaus nicht schlecht nennen; denn es schadet nicht, so die Menschheit ein zartes Gewissen hat, und gewisse Waschungen und Reinhaltungen des Leibes haben noch keinem Menschen je geschadet. Aber mir und meinesgleichen darf man sie nicht als Anordnungen eines Gottes, der nirgends existiert, aufbürden!

 

Ich und meine Gefährten wissen das, was wir wissen, und niemand kann uns nachsagen, dass wir für unser reinstes Wissen jemals Jünger geworben haben. Aber das wird uns etwa doch geheim wenigstens erlaubt sein, dass wir für uns kein X für ein U halten dürfen?! Wir werden nie jemanden zu nahe treten, da wir sämtlich Menschenfreunde sind; aber wir bitten auch uns ungeschoren zu lassen.

 

Wozu keulen die Priester Jerusalems nun in einem fort auf uns Essäer? Sie sollen sein, was sie sind, und wir, was wir sind; denn sie sind vor dem Forum der reinen Vernunft nicht um ein Haar mehr als wir, - wir im Grund auch nicht mehr denn sie. Wir verfluchen sie aber nicht, sondern bedauern sie nur ihrer groben Blindheit wegen.

 

Wer aber gibt ihnen das Recht, uns zu verfluchen, da wir doch uns selbst das schwere Problem gestellt haben, nie einen Menschen zu richten und zu verderben, sondern nur jedermann zu helfen mit Rat und Tat?! Verüben wir auch falsche Wunder – denn wahre hat es nie gegeben -, so geschieht das darum, um der blinden und blind bleiben wollenden Menschheit desto leichter zu helfen, weil ihr auf einem hellen, rein menschlichen Wege nicht mehr zu helfen ist.

 

Das aber sollte von solchen Priestern, die sich Schriftgelehrte nennen und doch auch wissen müssten, wie sie daran sind, doch auch eingesehen werden! Sie sollten sich mit uns vereinen und mit uns gemeinsam wirken, und in wenigen Jahren schon würde es mit der Menschheit ganz anders aussehen denn jetzt.“ (GEJ.05_034,01 ff)


5
Roklus: „Aber diese Gottesstellvertreter in Jerusalem sind erstens dumm wie die Nachteulen am Tage, dabei gefräßig wie die Wölfe und herrsch- und eifersüchtig wie ein roter Hahn, und dabei aber dennoch roh, ungeschlacht und unverträglich wie die Wildschweine! Wer kann da mit solchen Nachbarn in Frieden und Einigkeit leben?! Wer muß bei so bewandten Umständen in seiner gerechten Erbitterung nicht gegen sie zeugen?! Solchen Auswürflingen der Menscheit gegenüber muß man ja dann und wann mit der reinen Wahrheit vor allen Menschen auftreten und diesen wohlmeinend zeigen, mit welchen allerschädlichsten Lumpen sie zu tun haben!

 

Wir nehmen dadurch der Menschheit gewiß nichts anders weg als ihre alte Blindheit! Daß das den alten, an Herz und Seele versteinerten Schoßkindern Abrahams eben nicht sehr angenehm ist, läßt sich ganz wohl denken; aber wir können da wahrlich nichts dafür, und es wäre nun wohl schon hoch an der Zeit, diesen alten Augiasstall einmal zu reinigen!

 

Diese Kerle verschreien uns als gottlos und nennen uns Lästerer des Allerheiligsten. Wo ist denn ihr Gott, den wir verlästerten, und was ist ihr Allerheiligstes?! Etwa ihr Tempel, der Vorhang in demselben, oder die halbeherne und halbhölzerne Bundeslade mit der Naphthaflamme oder vormals mit einer Rauchsäule, die freilich etwas schwerer herzustellen war als die Naphthaflamme?! Oder sollen etwa die riesigen sogenannten Cherubs das Allerheiligste darstellen, oder das alte Manna in der Lade, der Stab Aarons, oder die alten Ochsenhornposaunen, durch deren Schall Jerichos Mauern eingestürzt sind, die goldene Harfe Davids und seine Krone, oder die gesamte sogenannte heilige Schrift, die die Pharisäer nicht mehr lesen, sondern bloß nur anbeten dürfen?!

 

Kurz, ich möchte der Juden Gott und sein Allerheiligstes denn doch einmal anderswo sehen oder in etwas anderem wahrnehmen als in solch einem antiken Gerümpel, darin nichts anderes ersichtlich und wahrnehmbar ist als eine alte, ägyptisch typische Plumpheit menschlicher Künstlerhände, die von etwas rein Göttlichem aber noch um vieles weiter entfernt ist als das Blaue des Himmels von der Erde!

 

Wenn man aber das verlästert, was an und für sich nichts als eine alte, allerschmählichste Lüge ist, - was Arges tut man denn da?! Oder soll man etwa so einem alten und verrosteten Menschenbetruge gar noch einen Lobredner machen, um der jüdischen Gottheit, die gleich dem römischen Zeus eine barste Null ist, einen angenehmen Dienst zu erweisen?! Nein, so etwas wird ein ehrlicher Essäer wohl nie tun!

 

Wir kennen ein anderes Allerheiligstes, und das ist ein ehrliches und biederes Menschenherz! Darin ist der Sitz der wahren Gottheit! Diese soll ein jeder wahre und ehrliche Mensch in sich, wie auch in seinem Nebenmenschen, anerkennen! Tut er das, so achtet er seine Menschenwürde auch in seinem Nächsten; tut er das aber nicht, so gibt er sich selbst ein ganz erbärmlich schlechtes Zeugnis und würdigt sich unter das allervernunftloseste Tier herab.

 

Ja, es kann einen Gott geben; aber den findet der Mensch nur in der wahren Lebenstiefe seines eigenen Herzens, und dieses wahren Gottes Name heißt `Liebe`! Das ist die einzige und wahre Gottheit, außer dieser gibt es ewig keine irgendwo! Wer diese so recht gefunden hat, der hat das Prinzip des Lebens gefunden und wird dann mit diesem noch ein mehreres finden, vielleicht sogar ein ewiges, unverwürstbares Leben!

 

Man sammle in sich durch Liebe die Liebe und mache sie dadurch mächtiger und mächtiger! Durch solch eine konzentrierte Lebenskraft wird man vielleicht ganz leicht und gewiß jenen feindlichen anderen Kräften mit Erfolg die Spitze bieten können und wird sich dadurch als ein Sieger seinen Lebensfortbestand inmitten von tausend feindlich, auf ihn blind einwirkenden Kräften für ewig sichern können, wennschon nicht leiblich, so doch gewisserart geistig, was an und für sich doch ursprünglich eine jede Kraft ist und sein muß; denn das, was wir einmal zu Gesichte bekommen, ist nicht mehr die wirkende Kraft selbst, sondern nur das von ihr Gewirkte.

 

Wenn wir aber die Werke der allgemeinen Naturkraft mit einem aufmerksamen Blicke betrachten, so finden wir gar bald und leicht, dass sich irgend Kräfte, als Teile der allgemeinen Urkraft, unter irgend von selbst aufgefundenen Bedingungen konsolidiert haben müssen, ansonst sie, als stets die gleichen daseiend, es nicht vermöchten, die stets gleichen Wirkungen an das Tageslicht der Welt zu liefern. Gleiche Wirkungen setzen auch die stets gleichen Ursachen voraus.

 

Eine Kraft aber, die sich aus den stets unverändert gleichen Wirkungen als eben auch unverändert daseiend offenbart, muß in sich ein volles Bewusstsein und eine für ihre Wirkung ganz genügende und helle Intelligenz haben, durch die sie sich tunlichst mit den ganz gehörigen Waffen versieht, mittels welcher sie allzeit siegreich aus einem Kampfe mit andern, noch roheren Kräften hervorgehen kann und auch wird; denn könnte sie irgend besiegt oder völlig aufgelöst werden, so würde das, was sie durch ihr Wirken hervorgebracht hatte, auch sicher nie und nimmer zum Vorscheine kommen.

 

Nehmen wir nur an, dass die unsichtbare Kraft, aus deren Wirken zum Beispiel die Feige hervorgeht, irgend von andern Kräften aufgelöst werden könnte, so würde auch keine Feige je irgend mehr zum Vorscheine kommen! Wenn wir aber durch solche Beobachtung schon eine zahllose Menge von Kräften in ihren verschiedenen Wirkungen von stets gleicher Art als notwendig unzerstörbar erkennen müssen und auch sehen, wie selbst wir Menschen unserer Form und ursprünglichen Beschaffenheit nach gleichfort regenerieren, so können wir auch als ganz bestimmt annehmen, dass jene Kraft, aus der wir hervorgegangen sind, sich selbst notwendig als ein bleibendes Lebensprinzip für ewig konsolidiert hat.

 

Hat sich aber diese erhalten, so kann sich auch jedes Menschenleben, wenn es sein Lebensprinzip wahrhaft gefunden und mit den rechten Mitteln kultiviert hat, für sich konsolidieren und nachher geistig für immer und ewig fortbestehen.

 

Denn ich meine, dass eine einmal ihrer selbst bewusste und denkende Lebenskraft, wenn sie sich einmal ordentlich selbst gefunden hat, sich und auch ihre Umgebung ganz erkennt, so dürfte es ihr eben gar zu schwer nimmer werden, Mittel zu erfinden, mittels welcher sie einer übermächtigen, aber nur roh und blind wirkenden Kraft für ewig den entschiedensten Trotz bieten kann, wie solches auch die Menschen auf dieser Welt zeigen.

 

Laßt alle Orkane und eine ganze Million Blitze los über die Pyramiden Ägyptens! Werden sie den in ihren innersten Katakomben weilenden Menschen wohl etwas anhaben können? Kurz, schon auf dieser Welt zeigen die Menschen, dass sie sich vor den allerrohest und bösest wirkenden Kräften ganz gut zu schützen verstehen. Wer lehrte sie das? Die Erfahrung, ihre scharfe Vernunft und Notwendigkeit! Kann das der im allgemeinen noch sehr wenig gebildete Mensch, um wie viel mehr wird er solches als ein kosolidiertes Geistleben vermögen!

 

Also haben wir auf wissenschaftlichem Felde auch eine gegründete Aussicht auf das Fortleben des Geistes des Menschen nach dem Abfalle des Leibes und benötigen dazu weder eines Zeus und ebensowenig eines Lama der Indier und eines Jehova der Juden; die reine Vernunft gibt uns dasselbe im reinsten und hellsten Lichte.

 

Und so, mein hoher Freund, habe ich dir nun die Gründe meines bisherigen Atheistentums klar und deutlich gezeigt und auch, dass meine Gründe sicher nicht aus den Fingerspitzen gesogen sind, sondern auf dem soliden Boden vieler Erfahrungen stehen! Ich wollte mich aber dadurch gar nicht vom Theismus für immer entheben! Zeige mir andere Gründe, und ich bin ein Theist!“... (GEJ.05_035,01 ff)


6
Cyrenius (Römischer Stadthalter) wusste vor lauter Staunen über des Roklus Erfahrungen und über dessen richtige Beurteilung der Erscheinungen – sowohl im Gebiete der moralisch-politischen Lebensverhältnisse (der Völker), ihrer mannigfachen und Lebensweisen, ihrer Religionskulte, wie auch im noch ausgedehnteren Gebiete der Naturerscheinungen aller Art – nicht, was sich nun darauf mit nur irgendeinem haltbaren Grunde erwidern ließe; denn alle Darstellungen des Roklus basieren auf dem festen Grunde der Erfahrungen, dagegen sich streng genommen nichts einwenden ließ.

 

Das Priestertum kannte der Cyrenius nur zu gut und wusste, auf welchem Grunde es sein altes, finsteres Wesen trieb. Zudem erkannte er im Roklus noch einen guten und höchst uneigennützigen Menschen, der nur darum ein Essäer ward, um durch jedes Mittel, das mit der Humanität und wahren Nächstenliebe gegen alle ohne ihr Verschulden blinden Menschen in keinem Widerspruche steht, der stets und überall leidenden Menschheit zu helfen. Kurz, Cyrenius ward für Roklus stets mehr und mehr eingenommen.

 

Auch alle anderen anwesenden Gäste konnten sich nicht genug erstaunen über dieses Essäers Verstandesschärfe und und bedauerten nur in einem fort, dass Roklus mit Mir (Jesus) noch keine Bekanntschaft gemacht hatte. Alles war nun schon im höchsten Grade gespannt, was Ich am Ende zu all dem sagen werde. Aber für Mich war es noch immer nicht an der Zeit, Mich mit dem Roklus in eine Art Verhandlung einzulassen, da er denn doch noch so einiges in seinem Herzen barg, was er bei dieser sehr offenen Gelegenheit nicht ans Tageslicht stellte; aber für den weiteren Verfolg wäre Cyrenius dem Roklus doch nicht mehr gewachsen gewesen.

 

Ich berief daher geheim den Raphael (Erzengel) und gab auch dem Cyrenius den Wink, von nun an dem Roklus den Raphael vorzustellen und ihm zu sagen, dass ein Weiteres nun dieser Jüngling mit ihm abhandeln werde, weil er (Cyrenius) sich für zu schwach und zu erfahrungsarm halte, um für des Roklus allerdings gediegenste Verstandesschärfe solche Gegensätze hervorzubringen, die das Atheistentum des Scharfdenkers zunichte machen würden; aber dieser Jüngling werde ihm, dem Roklus nämlich, schon die allergegründetsten Gegensätze aufzustellen vermögen, dessen er völlig versichert sein könne.

 

Cyrenius wandte sich denn darum nun abermals an den Roklus und tat ihm solches kund.

 

Roklus aber sagte darauf gleich zum Cyrenius: „Liebster, hoher Freund, wenn du als ein weiser Greis von königlichem Abkommen, der so lange schon das Regierungshandwerk treibt, dich mir mit dem großen Reichtume deiner vielen Erfahrungen und Kenntnisse nicht Rede zu stehen getraust, was wird dann dieser zarte Jüngling mit mir machen, der offenbar noch nicht zwanzig Jahre zählt? Oder hältst du meine Gründe für zu schwach und gehaltlos, als dass du mir darauf eine Erwiderung gäbest?“

 

Sagt Cyrenius: „Nein, nein das durchaus nicht, sondern es verhält sich die Sache genauest also, wie ich sie dir kundgetan habe! Den Jüngling aber verkoste erst, und urteile dann!“

 

Sagt Roklus: „Nun denn, so wollen wir sehen, auf welchem Platze er den Stein der Weisen gefunden hat!“

 

Darauf wandte sich Roklus an den schon neben ihm stehenden Raphael: „Nun, so gib denn kund, was du verstehest! Kannst du zunichte machen meine Erfahrungen oder mit Blindheit schlagen meinen Verstand, dann kannst du an mir ein schwaches Schilfrohr finden, das von allerlei Winden nach allen beliebigen Seiten leichtlich gebogen wird; lässt du mich aber, wie ich bin, so wird es dir schwer gelingen, mich umzugestalten aus deinen Erfahrungen heraus!

 

Denn du kannst kaum mehr als Rom gesehen haben und das, was dir auf der Reise hierher alles untergekommen ist! Du warst sicher noch niemals in Ägypten, dem Land der alten Weisheit, und hast lange nicht aus der Erfahrung kennengelernt, wie viele Arten von Glauben an einen oder mehrere Götter und Göttinnen die verschiedenen Völker haben, und du willst es mit uns zwölf Riesen in den Dingen der Erfahrungen aufnehmen?

 

Nun wohl denn, ich habe ja eben auch nichts dawider; wir werden es ja sehen, wie stark behaart etwa deine Zähne sind! Mache dich also auf und widerlege meine rein atheistischen Gründe, und zeige mir den Gott, der sich mit der reinen Vernunft eines Menschen verträgt und mit des Menschen innerstem Lebensprinzip, das offenbar die Liebe ist! Aber mit einem andern Gotte komme uns ja nicht; denn der wird schon von vornhinein verworfen, weil es keinen andern geben kann und auch nie geben wird! Ist ihm das recht, so beginne er, an uns zu fegen!“ (GEJ.05_036,01 ff)


7
Sagt Raphael: „Lieber Freund, du hast dich ein wenig zu früh gegen mich in einen leeren Eifer gesetzt! Laß mich erst auch ein paar Worte mit dir reden, und es wird sich dann schon zeigen, ob ich dir gewachsen bin!

 

Höre, du hast gleich von vornherein ein förmliches Interdikt dahin an mich erlassen, dir keinen andern Gott aufzubürden als allein einen solchen, der deine Vernunft gutheißt! Und siehe, ich selbst kenne wahrlich auch keinen als Den, welchen du mit deiner Vernunft gefunden hast!

 

Der Unterschied zwischen uns beiden ist nur der, dass du dir einen solchen Gott wünschest, den ich wahrhaft persönlich zu kennen die allerhöchste Ehre habe, und habe zugleich auch noch diese hohe Ehre, Sein allzeit bereitwilligster Diener zu sein.

 

Dieser allein wahre Gott ist pur Liebe und aus der Liebe heraus erst die vollste Weisheit und durch diese Weisheit allmächtig. Dieser Gott ist zugleich die höchste Ordnung, Wahrheit, Gerechtigkeit und alles Licht und Leben Selbst, und alle Wesen und Dinge auf dieser Erde – die Erde selbst mit allen ihren Geistern und Elementen, der Mond, die Sonne und alle die zahllos vielen anderen Sterne, die nichts anderes als eben auch ungeheure Weltkörper sind, manche um anaussprechbar viele Male größer als diese Erde, die so gut eine Kugel ist, als wie du den Mond und die Sonne nie anders denn als Kugeln gesehen hast, von denen die letzte, die Sonne nämlich, um eine ganze Million Male größer ist denn diese Erde -, alles das sind Werke eines und desselben Gottes, der ganz so beschaffen ist in Seiner ureigentlichsten Wesenheit, als wie Ihn deine wahrlich sehr geläuterte Vernunft sich vorstellt!

 

Er weiß um alle die schlechten und falschen Vorstellungen von Ihm und erweckt auch gleichfort Menschen, die von Ihm einen wahren Begriff bekommen; aber sie werden von den trägen und blinden Menschen gewöhnlich auf dieser Welt nie recht verstanden, und diese bleiben bei ihren alt angewohnten Torheiten.

 

Du meintest freilich, dass ein solch reeller Gott denn doch unmöglich so lange die Greuel der Menschen ansehen und dulden könnte. Ihm, als dem allmächtigen Gebieter, müsste es ja doch wohl möglich sein, all den argen und falschen Quark über den Haufen zu schmeißen. Da hast du im Grunde durchaus nicht unrecht. Ich fühle und denke da geradeso wie du, und es geschieht mir dabei um so schwerer, weil auch ich, als ein schon lange vollkommen konsolidiertes Geistlebenswesen, ganz die Macht habe, durch meinen Willen, wenn es darauf ankäme, in einem Augenblicke alle jene Berge, die dort über dem Meere emporragen, in ein für deine Sinne blankstes Nichts zu verwandeln; denn etwas können und nicht dürfen, ist bitterer gewiß, denn etwas mögen und nicht können!

 

Daß man aber trotz der innehabenden Macht nicht dreinschlagen darf, wenn es einen auch noch so gelüstete, rührt daher, weil es auf dieser Welt für jeden Menschen darauf ankommt – wie du es ganz gut gegen das Ende deiner Besprechung mit dem Cyrenius bemerkt hast -, dass sich nämlich ein rechter Mensch selbst finden und als eine konkrete Lebenskraft konsolidieren soll, ansonst er sich gegen die beständige und feindliche Einwirkung der großmächtigen Kräfte unmöglich als ein freies und selbständiges Wesen für ewige Dauer erhalten könnte! Wenn du auch nicht mit eben diesen meinen Worten dich ausgedrückt hast, so hast du aber doch denselben Sinn hineingelegt.

 

Nun wirst du es schon einsehen, dass beim Menschen hier auf dieser Erde, wo er sein innerstes Lebensprinzip selbst, ohne irgendeine fremde, gewaltsame Beihilfe, rein nach seinen Erkenntnissen und ganz nach seinem freiesten Willen, zu konsolidieren hat, sich nicht mit den dicksten Prügeln dreinschlagen lässt.

 

Solange irgendwo die Menschen aus sich eine solche Lebensordnung herausgefunden haben, unter der sowohl eine moralische wie auch physische Existenz denkbar ist, so lässt man sie darin so lange bestehen, als sie nicht in zu große Ausartungen übergehen. Geschieht bei einem Volke aber das, so ist der Herr Himmels und der Erde auch allzeit da und führt das entartete Volk wieder in die rechte Lebensordnung zurück, wie es soeben beim Judenvolke der Fall ist.“ ......   (GEJ.05_037,01 ff)
Gekürzt, Fortsetzung siehe GEJ.05_038,01 bis 05_059,10

 

8
Nun erst entschloß sich Roklus, dem Raphael zu Mir hin zu folgen und mutig die etlichen dreißig Schritte zurückzulegen. Da Ich aber noch bei Cyrenius so wie früher am Tische saß und Mich mit ihm über so manche Regierungsmaßnahmen besprach und Raphael den Roklus in der Richtung zum Cyrenius hin führte, so sagte dieser (Roklus) nach zurückgelegten etwa zwanzig Schritten:

 

Roklus: „Ja, nun führst du mich ja eben wieder zum Oberstatthalter hin, mit dem ich schon früher alles abgemacht habe?! Der mir nun zu wohlbekannte Cyrenius wird etwa doch nicht der gesuchte Nazaräer sein?“

 

Sagt Raphael: „Das sicher nicht; aber der fest neben ihm zur Rechten sitzende, ganz schlicht aussehende Mann ist es! Du kennst Ihn nun und kannst nun schon selbst dich zu Ihm hinbegeben!“

 

Sagt Roklus: „Wäre leicht, - nur etliche zehn Schritte mehr, und ich stehe knapp bei ihm! Aber was soll ich dann sagen, wie soll ich ihn anreden?“

 

Sagt Raphael: „Aber mit dem Verstande, mit deinen Kenntnissen und Erfahrungen da noch sich in einem Wirrsale  befinden? Das wird am Ende mir selbst ein wenig unklar! Gehe hin und sage: `Herr und Meister, hier steht vor Dir ein Hungriger und Durstiger, sättige seine Seele!`, so wirst du darauf schon gleich eine geziemende Antwort erhalten!“

 

Roklus tat das mit vielen inneren Bangen, und Ich (Jesus) wandte Mich mit einem ernst-freundlichen Blicke zu ihm und sagte:

 

Jesus: „Freund, von Tyrus und Sidon bis nach Cäsarea Philippi und von da bis hierher ist offenbar näher als von hier bis nach Hinterindien, wo die morgenländischsten Sihiniten über Indias höchste Gebirge weit hinaus eine mächtige Mauer gezogen haben! Du suchtest dort die Wahrheit – und wieder nicht die Wahrheit; denn hättest du die Wahrheit auch gefunden, so hättest du die Wahrheit dennoch nicht erkannt! Hättest du sie aber erkannt, so wäre sie dir gar nicht angenehm gewesen; denn ist die Wahrheit nicht völlig geeint mit Liebe, so gleicht sie dem Sonnenlichte im Norden. Es erleuchtet auch die Erde; aber da das Licht ohne Wärme ist, so belebt es nicht den Boden und alles ist wie im Tode erstarrt!

 

Ein Richter sucht nach dem Gesetze auch die volle Wahrheit. Es wird der Verbrecher mit allen Mitteln zum Geständnisse der vollen Wahrheit genötigt, und es werden Zeugen unter den strengsten Eid genommen. Es stellt sich am Ende die volle Wahrheit heraus; aber zu wessen Frommen und Nutzen? Es ist das auch eine Wahrheit ohne Liebe, also ein Licht ohne Wärme, und gehet aus aufs Töten!

 

Und siehe, eine solche Wahrheit hast denn auch du gesucht und sie großenteils auch gefunden, - freilich nicht zu deiner inneren Belebung, sondern zur Tötung deines Geistes, welcher da ist die Liebe in eines jeden Menschen Herzen.

 

Weil aber dein Geist durch die Masse der starren und materiellen Wahrheit wie zu Tode erdrückt war, so musstest du ja notwendig jede Spur vom Dasein eines Gottes verlieren, da Gott auch nur pur Liebe ist in Seinem Urgrunde und nur durch die Liebe wieder begriffen werden kann!

 

Du wusstest zwar so dunkel ahnend wohl, dass die Liebe das Grundelement aller Wesen und Dinge ist; aber was die Liebe in sich ist, das wusstest du nicht und konntest das auch nicht wissen, weil davon dein Gefühl und deine Sinne der Seele nie angeregt worden sind.

 

Dein Wissen von dem Wesen der Liebe glich dem, das du von dem Wesen der Sterne hast. Sie leuchten, aber ihr Licht erzeugt keine Wärme, und du kannst es unmöglich durch irgend etwas nur deinem Verstande Bekanntes erfahren, ob ihr Licht etwa auch von einem Feuer herrühre. Bei der Sonne aber fühlst du die Wärme und urteilst, dass dieselbe ein Feuer sein müsse, und das ein unberechenbar mächtiges, weil es von einer dir nicht ganz unbekannten, überaus großen Ferne die Erde noch so sehr bedeutend zu erwärmen vermag. Vom Monde behauptest du das blanke Gegenteil, weil du von diesem Gestirne noch nie irgendeine Wärme empfunden hast. Von den anderen Sternen behauptest du schon gar nichts, da du von ihrem Einflusse noch nie etwas anderes als nur ihr spärliches Licht empfunden hast.

 

Weil du aber von den dir klein scheinenden Sternen gar so wenig für dein Wahrnehmungsvermögen bekommen hast, so bist du auch nie aus einer Region deines Lebens gewisserart aufgefordert worden, darüber nachzudenken, was etwa doch die Sterne sind, und ob ihr (Leuchten) ein Feuer ist oder nicht, oder ob sie Körper oder nur bloß so irgend wärme- und gewichtlose Lichtpunkte sind.

 

Um von einer Sache aber zu irgendeiner Vorstellung zu kommen, muß man ja doch über dieselbe notwendig einmal nachzudenken anfangen. Um aber über eine Sache mit einem gewissen Eifer nachdenken zu können, muß sie als dessen wert erachtet werden, der Wert aber hängt stets von der Liebe ab, die man zu einer Sache gefasst hat.“ (GEJ.05_060,01 ff)


9
Jesus: „Die Liebe aber ist abermal eine Folge der Erregung des inneren Lebens, auf das eine Sache eingewirkt hat. Das innere Leben ist Liebe, also ein Feuer mit aller Wärme. Wird dieses Feuer von der Einwirkung einer Sache, die selbst Feuer in sich hat, genährt gleichwie das Feuer auf dem Herde durch die Hinzulage von gutem Brennholze, so wird es lebhafter zu brennen anfangen, und es wird stets lebenswärmer und reger für die selbst brennbare Sache. Die Flammen werden dichter, ihr Licht heller, und die Seele wird bald viel Licht über eine früher ihr ganz unbekannte Sache erhalten.

 

Dadurch aber wird die Liebe zu der Sache stets größer und größer, und man wird von der Sache nicht mehr ablassen, bis sie einem durch und durch bekannt wird und man vollends im klaren sein wird, was man an ihr hat, und was alles in ihr enthalten ist.

 

Das geschieht aber nur, wenn die Liebe zu der Sache stets größer und intensiver wird. Wenn aber das Leben von einer Sache gar nicht angeregt wird, so bleibt es kalt und kümmert sich um die ganze an und in sich noch so denkwürdige Sache nicht im geringsten, gleichwie da auch die Flamme nach jenen Holzscheiten nicht leckt, die ihr zu ferne liegen.

 

Der Mensch muß sonach von etwas angeregt werden, um über dasselbe in lebenswarme Gedanken zu geraten. Durch die kalte Wahrheit, die ein Leuchten der fernen Sterne ist, kann das innere Leben nie erregt werden, weil seine Wärme dabei keine Erhöhung, sondern nur eine Erniedrigung findet.

 

Du aber hast bis jetzt alles mit dem eiskalten Verstande gesucht, und der Hebel zu deinem Suchen war deine ebenso kalte Vernunft, die nichts als wahr annahm, was sich nicht irgend mit einem Sinne wahrnehmen ließ.

 

So suchtest du Gott mit der Rechentafel in der Hand, mühtest dich das A zu finden, fandest aber nicht einmal die Grundlinien zu diesem vielsagenden Buchstaben. Du suchtest auf Nordens Schnee- und Eisflächen Pflanzen, fandst aber nichts, obschon des Schnees Leuchten dich beinahe blind machte. Ich meine hier unter den Schnee- und Eisflächen den kalt urteilenden Verstand und die noch kälter rechnende Vernunft, die keiner inneren geistigen Anschauung fähig sein kann, weil sie als grobmateriell unmöglich sich hat können erregen lassen von etwas rein Geistigem.

 

Es fiel dir manches auf, wie zum Beispiel die Wiederkehr der stets gleichen Formen in der dir schöpferisch vorkommenden Natur. Du dachtest an eine permanente Konsolidierung (ständige Verstärkung) einer ihrer selbst bewussten und potenziert intelligenten Lebenskraft, die, als alles durchdringen und ergreifen könnend, aus den Rohkräften dann die stets gleichen Formen wieder hervorzaubert.

 

Die ganze Erde, Mond, Sonne und auch die Sterne betrachtetest du als einen Tempel, worin am Ende nun schon lauter unsichtbare Magier hausen. Indien gab dir dazu noch so manche scheinbare Bestätigung, und du wardst dann aus dem Grunde ein Haupteinrichter eurer Zauberkammer zu Essäa. Aber da du das alles mit dem kalten Verstande und dein Gemüt dabei nie erwachen ließest, so fandst du auch den Grund des Lebens nicht, so nahe du demselben mit deiner Vernunft auch gekommen bist, und versenktest dich wieder in die kalte und tote Materie, suchtest in derselben dein Heil und wolltest darin auch das Heil aller andern Menschen begründet erschauen. Deine Sache ging schon jetzt eine geraume Zeit mit entschiedenen Erfolgen vorwärts; denn du warst und bist noch ein Haupt dieses Instituts, das ganz geeignet ist, die laie Menschheit in den finstersten Aberglauben und die bessere und denkende aber in den größten und allerdicksten Materialismus zu versenken.

 

Du zerstörtest wohl schon gar manchen lebendigen Götzentempel, aber stelltest nichts Besseres an dessen Stelle. In dir war der Tod, und du fandst an ihm sogar einen willkommenen Gast; denn das Nichtsein ging bei dir über alle Lebensgrößen himmelhoch hinaus. Warum aber ist mit dir all das also geworden? Weil du nie in deinem Herzen irgendeine Liebe hast erkeimen lassen! Du hattest das innere Lebensfeuer in dir nicht bis auch nur zu einer mäßigen Flamme angefacht!

 

So du aber sogar die Außenflächen deines Herzens noch nie in eine größere Tätigkeit  versetzt hast, wie hättest du dann erst die inneren und sogar allerinnersten Lebenselemente des geistigen Herzensteiles in irgendeine Erregung versetzen können, aus der heraus bald das ganze Herz in der Flamme des wahren Lebens schneller gepocht und dein Bewusstsein erleuchtet hätte zur klaren Erkenntnis deiner selbst und zur daraus hervorgehenden Erkenntnis Gottes?!“ (GEJ.05_061,01 ff)


10
Jesus: „Du wirst daraus nun wohl entnehmen können, dass der Mensch mit seiner puren Vernunft und mit seinem noch so klaren und scharfen Verstande von all dem, was geistig ist, nichts fassen kann.

 

Er kann nicht begreifen das Leben und dessen Grund-Endzweck;  denn die Vernunft und der Verstand haben ihren Grundsitz im Gehirne und im Blute, das das Gehirn in einer gewissen tätigen Spannung erhält, wodurch dieses die Fähigkeit beibehält, die Eindrücke und Bilder der materiellen Außenwelt aufzunehmen, sie zu vergleichen in ihren Formen und Wirkungen und sich endlich daraus einen Kreis von allerlei Schlüssen zu bilden. Aber alles das sind Dinge und Abbilder der Materie, in der des Kopfes Sinne nimmer etwas Geistiges zu entdecken imstande sind.

 

Weil aber das Leben doch nur etwas Geistiges sein kann, so kann es auch nur in und durch sich selbst begriffen werden.

 

Es müssen im Menschen sonach noch andere Sinne vorhanden sein, durch die er auch das geistige Lebenselement in sich erfühlen und erschauen und also nach und nach begreifen kann in allen seinen Tiefen, Verbindungen und Beziehungen.

 

Welches sind aber solche inneren Sinne? – Siehe und höre! Da gibt es eigentlich nur einen einzigen Sinn, und der heißet Liebe, die da wohnt im Herzen. Dieser Sinn muß vor allem gestärkt, gebildet und geläutert werden, und alles, was der Mensch tut, was er will, was der denkt, und was er urteilt, muß von der lebensheißen Lichtflamme aus dem Feuer der reinen Liebe erleuchtet und durchleuchtet sein, damit da alle Geister erwachen am Morgen des im Menschenherzen werdenden Lebenstages.

 

Werden alle Lebensgeister in den Gedanken, Worten, Taten und Werken wach, so werden sie sich zu regen anfangen, und der des innern geistigen Lichtes volle Mensch wird bald und leicht ihrer gewahr, weil schon in dem ersten Beginne ihrer Regungen sich unter allerlei Formen zu äußern beginnen.

 

Diese Formen aber sind keine zufälligen und leeren, sondern alle entsprechen irgendeiner sehbaren geistigen Tätigkeit aus der Sphäre der Ordnung aus Gott. Solches aber kann der Mensch mit seinem Verstande und mit seiner Vernunft nimmer erschauen, sondern nur mit den Lebensflammenden Augen seines Geistes, der die Liebe ist.

 

Darum kannst du das als eine feste Norm annehmen und der nach sagen: Kein äußerer Weltverstand kann es je ergründen und erschauen, was im Menschen ist; das kann allein nur der Geist im Menschen.

 

Und so kann auch niemand Gott erkennen als nur der erweckte und vollauf tätig gewordene Geist Gottes im Menschenherzen, der gleich wie Gott Selbst die reinste Liebe ist und ein ewiger Sabbat im Menschenherzen.

 

Siehe, diesen alleredelsten Teil in deinem Herzen hast du noch nie gepflegt und hattest auch keine Ahnung von seinem Wert, und es ist darum sehr begreiflich, wie du ein festester Gottesleugner geworden bist und alles deines Suchens ungeachtet der ewigen,  alles erschaffen habenden, alles durchdringenden und erhaltenden Gottheit nimmer auf die Spur kommen konntest!

 

Nun aber wird es auch nicht gar so leicht sein, dass du die Gottheit in ihrem wahren Sein und Walten so ganz aus dem Fundamente erkennen werdest, weil dein Gehirn mit all seinen Gebilden schon zu verhärtet ist. Du müsstest nur ein gar gewaltiges Liebesfeuer in deinem Herzen anfachen, dein Essäertum ganz aufgeben und dich demütigen in allen deinen Lebenssphären und –verbindungen und müsstest total ein ganz neuer Mensch werden; denn alle deine bisherigen Lebenstheorien und Lebensanschauungen sind der inneren und einzigen Wahrheit nach grundirrig und falsch, so dass du mit denen niemals auch nur in den Vorhof des innersten Gottlebens in dir gelangen wirst!

 

Aber es ist an dir noch nicht alles verloren, ja du könntest sogar noch Großes erreichen; aber du müsstest da aus deinem freiesten Willen heraus selbsttätig und ganz selbst wollend ein neuer Mensch werden und aus deiner inneren Überzeugung nach deinen Kräften dazu beitragen, dass eures Institutes loses Treiben ein Ende nehme, ansonst es dir unmöglich würde, je zum wahren Leben deines innern Geistmenschen zu gelangen.

 

Denn das innerste Leben im Menschen ist die höchste Wahrheit, in der du ganz überzugehen hast; diese aber kann nicht, nie und nimmer gedeihen, wenn sie durch die Tätigkeit der Lüge und des dicksten Betruges genährt werden soll. Jeder Schritt und Tritt von dir muß von der höchsten und tiefsten Wahrheit im Denken, Wollen, Reden und Handeln begleitet sein, wenn das wahre, innerste Leben in dir selbst zur lichtesten Wahrheit werden soll; ist aber das nicht der Fall vom Alpha bis zum Omega, so, merke es wohl, ist das innerste Leben in dir selbst eine barste Lüge!

 

Nun weißt du so ungefähr, wie es mit deiner reinen Vernunft und mit deinem scharfen Verstande steht! An dir liegt nun die freie Wahl, ob du erreichen willst das ewige Leben oder den ewigen Tod! Ich aber bin Der, der Ich bin! Ich kann dir geben das ewige Leben, aber dir auch belassen den ewigen Tod! Von dem aber, was Ich dir nun gesagt habe, wird nicht ein Häkchen je nachgelassen werden!

 

Diese Erde und dieser sichtbare Himmel werden vergehen in dieser Gestalt, Form und Wesenheit, - diese Meine Worte jedoch ewig nimmer! Tue nun, was du willst! Ich bin noch da eine kurze Zeit!“ (GEJ.05_062,01 ff)