„Vor Gott gibt es nichts Unreines, nichts Schlechtes und nichts Böses; denn dem Reinen ist alles rein, und alles ist gut, was Gott geschaffen hat, und Gott gegenüber gibt es denn auch keinen Satan, keinen Teufel und somit auch keine Hölle. Nur das Geschaffene in und für sich ist alles das so lange, als es ein Geschaffenes und Gerichtetes zu verbleiben hat und endlich im Besitze des freien Willens, ob gut oder böse, verbleiben will.“ (8.GEJ 34,12)

 


Wo kam das Böse ursprünglich her?


Gerd Kujoth

 

 

1. War Gott der Ursprung des Bösen?                                                 

2. Der freie Wille der Geschöpfe als Ursprung des Bösen

3. Heißt es in den Offenbarungen durch J. Lorber,

das Böse stamme von Gott?

4. Die gerechten und ungerechten Gegensätze

5. Die Wirkung der Gegensätze

6. Mit welcher Gegenkraft erschuf Gott die Geschöpfe?

7. Wurde Luzifer als unlauterer Geist erschaffen?

8. Wodurch bekamen die Geschöpfe einen freien Willen?

9. Der gegengesetzliche Reiz

10. Die Kräfte Eigenliebe und Hoheitsgefühl

11. Das Maß der Eigenliebe

12. Der Kampf des Demutsgefühls gegen das Hoheitsgefühl                   

13. Der Kampf der reinen Liebe gegen die Eigenliebe

14. Der Ursprung des Reizes zur Widerordnung

15. Das Gute und Böse kommt von Gott

16. Vor Gott gibt es nichts Böses

 

 

1. War Gott der Ursprung des Bösen?

 

Jemand zweifelte die Existenz des Teufels an und begründete das folgendermaßen:

 

Die Vorstellung von der Existenz eines Teufels verdanken wir dem Christentum und einigen anderen Religionen. Dann gab es aber auch Religionen, die keinen Teufel kannten. In ihnen gab es viele Götter und diese beinhalteten jeweils das Gute und das Böse. Shiva (eine indische Gottheit) beispielsweise ist Schöpfer und Zerstörer gleichzeitig. Irgendwann kamen die Menschen auf den Gedanken, dass nur ein Gott existiere und dass dieser der Schöpfer und ausschließlich gut sei. Da in diesem Fall jemand hermusste, dem man das offensichtlich ebenfalls in der Welt vorhandene Böse in die Schuhe schieben konnte, entstand das Bild eines Teufels.

 

Das führte schon immer zu Problemen in der Logik. Entweder ist Gott alles und hat alles erschaffen, dann hat Er auch das Böse erschaffen. Das würde dann aber dem widersprechen, dass Er nur gut ist. Wenn Er aber nur gut ist, kann Er das Böse nicht erschaffen haben. Wo kommt es dann her?

 

Da nahm man die Theorie zu Hilfe, dass Gott dem Menschen den freien Willen gegeben hat und dass es die Aufgabe eines jeden Einzelnen sei, dem Bösen zu widerstehen. Damit wird aber an Gottes Allgewalt gekratzt. Denn da es laut Christentum nichts geben kann, was nicht von Gott geschaffen wurde, so müsste Er sowohl den freien Willen des Menschen, als auch den Teufel erschaffen haben, dem zu widerstehen ist. Aber als guter Gott konnte Er den Teufel nicht erschaffen haben. Ist Ihm da etwa mit der Schöpfung etwas schiefgelaufen oder hat Er gar gepfuscht? Dann wäre Er kein perfekter Gott.“

 

Auch Mahal, der Bruder Noahs kam mit diesem Problem nicht klar und machte dem himmlischen Vater den Vorwurf, Er habe den Satan böse erschaffen. Der Herr aber gab ihm zur Antwort:

 

O du blinder Verfechter blinder Rechte deiner Selbstsucht, was redest du?! Hast du denn vergessen, wie vollkommen Ich den Menschen geschaffen habe, dass er außer Meiner Allmacht tun kann, was er will, wie ein zweiter Gott, nach einer frei von ihm gestellten Ordnung?! Meinst du, der Satan als ein freies Wesen solle unvollkommener sein als du?! Wenn du Mir gegenüber tun kannst, was du willst, ohne Berücksichtigung Meiner Ordnung, solle das dem freien Geiste unmöglich sein?!

 

Muss Ich euch nicht handeln lassen, wie ihr wollt, so Ich euch nicht gerichtet haben will in Meiner Allmacht?! Wenn aber also, da sage du, wie Ich den ersten Geist hätte gestalten sollen, dass er nach deinem Sinne handeln müsste in Meiner Ordnung, dabei aber dennoch haben solle eine vollkommene Willensfreiheit?! Oder besteht die Vollendung der Wesen nicht in dem nur, dass sie ganz frei wollen und tun können, – ob es nun für oder gegen Meine Ordnung ist?!“ (3.HG 339,13-15)

 

 

2. Der freie Wille der Geschöpfe

als Ursprung des Bösen

 

Wir sehen aus der Antwort des Herrn, dass auf die Frage, wo das Böse ursprünglich herkam, mit der Freiheit geantwortet werden kann, die Gott Seinen Geschöpfen gegeben hat. Der Denkfehler des Zweiflers an der Existenz des Teufels war, dass Gott nicht fertige Teufel erschaffen hat, sondern den erstgeschaffenen Geistern bereits schon den freien Willen gab, demzufolge sie sich Gott widersetzen und zu Teufeln werden konnten. Ein Geschöpf, das frei ist, hat die Möglichkeit, die Gebote Gottes zu beachten oder ihnen entgegenzuhandeln. Aber trotzdem viele der ersten Geschöpfe den Geboten Gottes entgegenhandelten und zu Teufeln wurden, hat Gott kein Pfuschwerk erschaffen, sondern Er erschuf sie vollkommen. Eines aber konnte Er ihnen bei ihrer Erschaffung nicht geben, und das ist die freie Selbständigkeit der Gotteskindschaft. Diese kann nur von jedem Wesen selbst erworben werden und zwar infolge einer langen Erziehung durch den himmlischen Vater. Wo Freiheit herrscht und die Selbständigkeit erworben werden soll, dort muss es auch möglich sein, entweder vorwärtszuschreiten und immer gottähnlicher zu werden oder aber rückwärts zu gehen, sich von Gott zu entfernen und ein vollendeter Teufel zu werden.

 

Aus Freiheit, Selbständigkeit und Vervollkommnung, die Gott Seinen Geschöpfen mitgegeben hat, ist das Böse hervorgegangen. Erstmals entstand das Böse in dem erstgeschaffenen Geist Luzifer, als er sich von Gott abwandte und Seinem Willen entgegenhandelte. Somit kommt das Böse nicht von Gott, und Er hat keines Seiner Geschöpfe als ein böses Wesen erschaffen, denn Gott ist in Seinem Grundwesen die Liebe und Liebe kann nicht böse, sondern nur gut sein. (Sg 17,10-17) Gott und das Böse schließen sich somit gegenseitig aus.

 

Satan aber wollte die Verantwortung für seine Bösartigkeit von sich schieben und Gott dafür verantwortlich machen. Er behauptete, dass es entweder zwei Götter gäbe, einen guten und einen bösen, von denen der eine das Gute und der andere das Böse erschaffen habe, oder der eine gute Gott habe aus Sich heraus Gutes und Böses erschaffen. Johannes aber bewies ihm, dass er ganz allein selbst für seine Bösartigkeit verantwortlich sei und gab ihm zur Antwort:

 

Da Gott allein Schöpfer aller Dinge ist und es außer Ihm keinen Gott irgendwo gibt, so ist auch klar, dass alles, was aus Seiner Hand hervorging, unmöglich anders als nur gut und vollkommen sein konnte.

 

Alle Geister gingen von Ihm aus so rein und gut, wie Er es Selbst ist. Aber Er gab den Geistern die vollste Freiheit des in sie gehauchten Willens, demzufolge sie alles tun konnten, was sie wollten. Und um sie den Gebrauch dieser Gaben zu lehren, gab Er mit dem freiesten Willen auch durch Ihn Selbst geheiligte Gesetze, die sie entweder beachten oder auch nicht beachten konnten.

 

Und siehe, alle beachteten die Gesetze bis auf einen! Dieser eine und erste, mit dem größten Erkenntnislichte begabt, verschmähte die Gesetze Gottes aus seinem freien Willen heraus und widerstrebte ihnen, nicht achtend der Folgen!

 

Dieser Geist verkehrte sonach in sich die göttliche Ordnung mittelst seines freien, ihm von Gott eingehauchten Willens. Auf diese Weise ist er gegenüber jenen Geistern, die ihren ebenso freien Willen nicht missbraucht haben, widerordentlich geworden und für sich selbst böse und schlecht. Und er musste sich dann, durch sich selbst genötigt, von der Gesellschaft (der Gott treu gebliebenen Geister) entfernen auf so lange, bis er nicht freiwillig umkehren und eintreten wird in jene Ordnung die der Herr allen Geistern gleich gegeben hat, nämlich die Ordnung der Liebe.

 

Gott und uns allen nun rein himmlischen Geistern gegenüber aber kannst du als der widerordentlich gewordene Geist unmöglich böse sein, da du uns ewig nie schaden kannst. Böse und schlecht bist du nur gegen dich selbst, weil du ganz allein nur dir schadest, solange du in deiner Widerordnung verharrst.

 

Du hast mich nun fangen wollen, denn du meintest, ich werde genötigt sein zu sagen, dass Gott auch Böses erschaffen habe, weil du als ein böser Geist auch ein Geschöpf Gottes bist… Wohl wäre Gott dann unvollkommen, so Er den geschaffenen Geistern nur einen gerichteten und keinen vollkommen freiesten Willen hätte einhauchen können. Davon lieferst aber du selbst den allermächtigsten Gegenbeweis! Denn wie ungeheuer frei und vollkommen Gott alle Geister und damit auch dich erschaffen hat, ist eben daraus am hellsten zu ersehen, dass du, obschon kreuz und quer dem Außen nach gerichtet, dich doch dem Schöpfer schnurgerade entgegenstemmen kannst, solange du nur willst. Du kannst aber auch ebenso gut wie wir alle vollkommen frei nach dem Willen des Herrn handeln! (BM 198,7-14)

 

 

3. Heißt es in den Offenbarungen durch Jakob Lorber,

das Böse stamme von Gott?

 

In Gott ist keine Bosheit und Er hat deshalb auch keine bösen Geschöpfe erschaffen können, sondern Er erschuf sie gut und vollkommen mit absoluter Willensfreiheit. Nun könnten einige Texte aus der Offenbarung, die Jakob Lorber empfangenen durfte, so verstanden werden, als wäre Gott der Ursprung des Bösen gewesen.

 

Aus den vorher zitierten Texten können wir bereits entnehmen, dass in der Offenbarung durch Jakob Lorber ganz klar gesagt wird: Das Böse entstammt aus der Freiheit der Geschöpfe. Wir wollen aber im Folgenden die Texte genauer betrachten, von denen schon manche gemeint haben, es stände in ihnen geschrieben, das Böse entstamme von Gott und wollen sehen ob diese Worte wirklich solch einen krassen Irrtum in sich bergen oder ob sie nicht doch volle Wahrheit sind.

 

Da ist zunächst die folgende Aussage Jesu aus dem großen Evangelium:

 

Sehet, alles, was da ist, besteht und irgendein Dasein hat, kann nicht anders bestehen, sein und irgendein Dasein haben, als durch einen gewissen beständigen Kampf. Ein jedes Dasein, das göttliche nicht ausgenommen, hat in sich lauter Gegensätze, als verneinende und bejahende, die sich einander stets also entgegenstehen wie Kälte und Wärme, Finsternis und Licht, hart und sanft, bitter und süß, schwer und leicht, eng und weit, breit und schmal, hoch und nieder, Hass und Liebe, böse und gut, falsch und wahr, und Lüge und Wahrheit. Keine Kraft kann irgendetwas wirken, wenn sich ihr nicht eine Gegenkraft entgegenstellt.“ (2.GEJ 228,4-6)

 

Auf den ersten Blick sieht es tatsächlich so aus, als stände dort geschrieben, dass in Gott das Böse und Gute, der Hass und die Liebe, die Lüge und Wahrheit und die Finsternis und das Licht vorhanden wären. Wer aber den Text genauer liest, der wird feststellen, dass nicht gesagt wird, das Böse und Gute sei in Gott vorhanden, sondern dass Gegensätze in Gott sind, die sich so krass gegenüberstehen wie böse und gut. Auf das Wörtchen „wie“ kommt es hier an, denn „wie böse und gut“ und „wie Lüge und Wahrheit“ ist keine Bewertung, dass Gott böse und gut sei, sondern soll nur die extreme Gegensätzlichkeit deutlich machen, so wie böse und gut extrem gegensätzlich ist. Wir sehen daraus, dass im Lorberwerk nicht gesagt wird, in Gott wäre auch das Böse, der Hass, die Lüge und die Finsternis. Das widerspräche der Neuoffenbarung selbst und der Bibel, in denen Gott als die Liebe, die Wahrheit und das Licht bezeichnet wird.

 

 

4. Die gerechten und ungerechten Gegensätze

 

Jesus kam später noch einmal auf die Gegensätze zurück und stellte klar, dass Gott nicht der Ursprung der Gegensätze wie „Wahrheit und Lüge“ sei. Er sagte:

 

(Es) dürften dir die Gegensätze, als da sind Geist und Materie, Leben und Tod, Liebe und Hass, Wahrheit und Lüge, doch schon einen kleinen Fingerzeig geben, dass alles das irgendeinen Entstehungsgrund haben muss, ansonsten es nimmer in irgendeine fühlbare Erscheinlichkeit kommen könnte!

 

Wenn das Böse nicht irgendeinen Entstehungsgrund hätte, woher sollte es dann wohl kommen in den Sinn der Menschen? Du wirst daraus etwa doch bei deiner geübten Denkkraft wahrzunehmen anfangen, dass sich alles – wie: Wahrheit und Lüge und dergleichen Gegensätze mehr – dem höchsten und besten Gottwesen nicht in die Schuhe schieben lässt!

 

Oder kannst du das annehmen, dass Gott, als die höchste, tiefste Wahrheit Selbst, dem Menschen einen lügenhaften Sinn ins Herz gelegt hat, auf dass er dann sündige wider die Ordnung Gottes und unflätig würde in allen seinen Reden und Handlungen? Oh, das sei ferne! Gott schuf den Menschen geistig nach Seinem Ebenmaße, also rein, wahrhaft und gut.“ (5.GEJ 70,1-3)

 

In allem, was existiert, stecken lauter Gegensätze, die sich wie die zwei Pole eines Magneten gegenüberstehen. Der eine sowie der andere Pol eines Gegensatzpaares gehört der Ordnung Gottes an, obwohl sie schnurgerade wie Tag und Nacht entgegengesetzt sind. Schwer und leicht, groß und klein, hoch und nieder, breit und schmal, hart und sanft, Bewegung und Ruhe, Mann und Weib, Ja und Nein, Plus- und Minuspol usw. sind gerechte oder göttliche Gegensätze, denn wer könnte von dem Nord- oder Südpol sagen, dass einer von ihnen böse sei? (BM 74,11) Oder ist die Bewegung böse oder die Ruhe? – Es gibt aber auch Gegensätze, die ungerecht oder ungöttlich sind. Gut und böse, Wahrheit und Lüge, Liebe und Hass und Licht und Finsternis sind Gegensätze, von denen der eine Pol gut und der andere böse oder schlecht ist. Gott ist wohl gut, die Liebe, die Wahrheit und das Licht, aber Er ist nicht böse, der Hass, die Lüge und die Finsternis. Diese Gegensätze gibt es nicht in Gott, denn diese haben sich erst infolge der Freiheit der erstgeschaffenen Geister und der Nichtbeachtung der Ordnung Gottes gebildet. Es heißt also in der Offenbarung durch J. Lorber nicht, dass alle Gegensätze in Gott seien, denn die ungerechten sind nicht in Ihm, es heißt aber, dass lauter Gegensätze in Gott sind und das bezieht sich auf die gerechten Gegensätze.

 

 

5. Die Wirkung der Gegensätze

 

Gegensätze müssen sein, denn eine Kraft hätte ohne eine Gegenkraft keine Wirkung und Gott hätte nie etwas erschaffen können. Um das zu verdeutlichen, stellen wir uns eine Säule vor, die aufgestellt werden soll. Damit die Säule einen festen Stand hat, muss sie auf einen festen Boden gestellt werden, denn würde sie auf einen Sumpfboden gestellt, so sänke sie in den Boden ein. Die Kraft - das ist das Gewicht der Säule - braucht eine Gegenkraft, um fest stehen zu können. Die Gegenkraft des Bodens, die eine ruhende Kraft ist, muss sogar größer sein als die Kraft des Gewichtes, damit die Säule einen festen Stand findet.

 

Stellen wir uns einen riesenhaften Menschen vor, der so stark wäre, dass er es mit einem ganzen Heer von Kriegern aufnehmen könnte. Nun steht dieser Riese auf einem Sumpfboden, der nur gerade so viel Festigkeit hat, soeben das Gewicht des Riesen zu tragen. Sobald aber der Riese einen großen Felsbrocken hochheben will, um ihn gegen seine heranstürmenden Feinde zu schleudern, so wird er ihn nicht vom Boden aufheben können; denn in demselben Moment wird er in den weichen Boden einzusinken anfangen und seine Riesenkraft wird wirkungslos bleiben, weil er unter sich eine zu geringe Gegenkraft hat. Steht der Riese aber auf einem felsigen Boden, so gibt ihm dieser eine feste Stütze und er kann den Felsbrocken mit aller Kraft gegen seine Feinde schleudern.

 

Wenn also ein Riese die große Muskelstärke seiner Hände als wirksam darstellen will“, sagt Jesus, „so müssen auch seine Füße einen sehr festen Boden als eine notwendige Stütze haben.“ (5.GEJ 227,2) „Es kann daher keine Kraft für sich etwas wirken, wenn sie sich zuvor nicht mit einer entsprechenden Gegenkraft in eine gewisserart kämpfende Verbindung setzt. Bei unserem Riesen kämpft offenbar die feste Ruhe des Bodens gegen sein Gewicht und gegen seine Bewegung (des Aufhebens und Schleuderns) und besiegt diese auch bis zu einem gewissen Grade; und ebendieser Ruhesieg des Bodens wird endlich zur Stütze der bewegenden Kraft und der Maßstab ihrer Stärke.“ (2.GEJ 228,10)

 

Dieses Verhältnis muss darum in allem, was da ist, im rechten Maße vorhanden sein, ansonsten es so gut wie gar nicht da wäre. („es muss darum jedes Sein irgendein Gegensein haben, damit es selbst wirkend sei.“ 2.GEJ 229,1) Und so muss denn auch das vollkommenste Dasein Gottes in sich selbst in jeder Hinsicht auch die ausgebildetsten Gegensätze fassen, ohne die es eben auch so gut wie gar kein Wesen wäre. Diese Gegensätze sind in einem ununterbrochenen Kampfe begriffen, aber stets also, dass der stetige Sieg der einen Kraft auch stets zur Stütze der gewisserart besiegten Kraft dient, wie wir solches gesehen haben beim steten Siege des festen Bodens über die bewegende Schwerkraft unseres Riesen.“ (2.GEJ 229,2-3)

 

Betrachten wir einige Gegensätze. Da ist ein Mensch, der die Liebe zu seinen Nächsten mehr und mehr steigert, indem er für sie immer tätiger wird. Er kann also immer liebevoller werden, während er andererseits aber auch aus weisen Gründen einen Wunsch, wenn er ihm gestellt wurde, versagen kann, wenn es dem Nächsten zum Schaden gereicht. Das Versagen des Wunsches ist aber gut, weil es echte Liebe zur Grundlage hat. Wenn das Versagen des Wunsches aber nicht aus Nächstenliebe, sondern aus selbstsüchtigen Gründen geschieht, so kann der Mensch, wenn das selbstsüchtige Handeln weiter gesteigert wird, immer liebloser werden und am Ende gänzlich verhärten. (11.GEJ 17,8-9) An diesem Beispiel kommen schon verschiedene Gegensätze zum Vorschein wie: Wahre Liebe und Selbstliebe, Tätigkeit und Untätigkeit, Bewegung und Ruhe, Gewähren und Versagen, Weichheit und Härte sowie Ja und Nein. Nun kommt es auf das Maß an, wie viel von dem einen oder anderen Pol eines Gegensatzes ein Geschöpf anstrebt, um in der göttlichen Ordnung oder außerhalb von ihr zu sein. Die göttliche Liebe und Weisheit bestimmen das Maß an Gewähren und Versagen, an Weichheit und Härte, an Tätigkeit und Untätigkeit. Da entstanden bei den Urgeistern und entstehen bei den Menschen verschiedene Siege. In den einen wurde das Versagen der Nächstenliebe Sieger, wodurch sie das Gewähren zum völligen Schweigen gebracht hatten. In anderen wurde die Untätigkeit Sieger, wodurch sie die Tätigkeit zum völligen Schweigen gebracht hatten. „Bei vielen Wesen aber haben die Gegensätze“, sagt Jesus, „ein rechtes Maß nach der Ordnung Gottes erreicht, und ihr Sein ist dadurch ein vollkommenes, weil sie sich durch ihre gleichartigen und gegenseitigen Intelligenzfähigkeiten fortwährend allerbestens unterstützen.“ (2.GEJ 229,9)

 

 

6. Mit welcher Gegenkraft

erschuf Gott die Geschöpfe?

 

Satan meinte einmal, dass Gott ihn als Gegenpol (und hier meinte er sich als ungerechten Gegenpol) notwendig habe, um Sich äußern und etwas erschaffen zu können. (BM 193,9-11) Aber da hat Satan die Wahrheit wieder einmal verdreht, denn das kann sich nur auf die materiellen Schöpfungen beziehen und Materielles hat Gott nie erschaffen wollen, denn die Materie entstand erst aus dem Fall Luzifers. Die Materie ist in sich hochmütig und selbstsüchtig und damit böse und deshalb kann der gute Gott keine Materie erschaffen. Aber weil nun mal der Fall geschehen war und sich somit die Materie gebildet hatte, so nahm Er die Materie und erschuf dann aus ihr viele Schöpfungen wegen der Rückführung des Gefallenen. (5.GEJ 230,1) Was Satan verschwieg, war, dass Gott zuvor ihn als ersten Geist erschaffen hat und zwar ohne das Mitwirken irgendeines Geschöpfes.

 

Wenn aber die Kraft Gottes ohne Gegenkraft keine Wirkung hat, so fragt es sich, welche Gegenkraft Er denn dazu vonnöten hatte, die ersten Geister ins Leben zu rufen? - Die Gegenkraft zu Gottes Liebe, die den Impuls zum Erschaffen gab, ist die Weisheit. Sie regelt der Liebe unbegrenztes Wirken und, wenn nötig, sagt sie Nein, während die pure Liebe immer nur Ja sagen würde. (G. Mayerhofer, Be. Fe. Dr. Seite 19)

 

Der Vater sagt: „Die Weisheit ist der Liebe Gottes ewig eigentümlich unzertrennlich rechtes Weib, mit dem Ich ewig ein’ger Gott doch alle Dinge hab gezeuget und geschaffen, – und kein and’res Weib war ewig je vonnöten Mir, dem ein’gen, ewig wahren Liebegott, dem Mann’ von Ewigkeiten her, dem Ersten ewig und dem Letzten ewig! Ewig zeugte Ich mit diesem Meinem treu’sten Weibe zahllos Milliarden Wesen.“ (3.HG 27,13-14)

 

Die Hauptpolarität in Gott ist sonach die Liebe und die Weisheit bzw. Mann und Weib oder Vater und Mutter. Gott ist Vater und Mutter zugleich. Der Vater ist die Liebe, die Mutter ist die Weisheit. Hier stellt sich aber die Frage, wenn Gott Vater und Mutter zugleich ist, warum Er Seinen Geschöpfen nur als Mann und nie als Weib erscheint? – Der Grund ist folgender: Gott ist gegenüber Seiner Schöpfung der positive oder gebende Pol, die Schöpfung aber ist der negative oder empfangende Pol. Weil Gott gegenüber der Schöpfung nie als der Empfangende, sondern immer nur als der Gebende, welcher der Vater ist, auftreten kann, kann Er Sich den Geschaffenen gegenüber nie als Weib zeigen. Zwar geben die Gotteskinder dem Vater die Liebe zurück, aber sie können Ihm im Grunde nichts geben, was sie nicht vorher von Ihm empfangen haben. (3.Hi. Seite 230,2) Die ganze Schöpfung ist, weil sie der empfangende oder negative Pol gegenüber Gott ist, wie ein Weib. Und so war denn auch Satana, als der Inbegriff der Schöpfung ein Weib und sie war deshalb schon vor ihrem Fall ein gerechter Gegenpol gegen die Gottheit. Der Name Satana bedeutet denn auch „Gegenpol zur Gottheit“.

 

Jesus sagt: „Als Satana war dieser Geist von Gott aus wirklich also gestellt gegen die Gottheit, wie das Weib gestellt ist gegen den Mann. Die Gottheit hätte in sein Wesen ihre ewigen Ideen ohne Zahl hineingezeugt, dass sie reif geworden wären in seinem konzentrierten Lichte, und es wäre dadurch eine Wesenschöpfung aus dem Lichte dieses Geistes in höchster Klarheit hervorgegangen, und die ganze Unendlichkeit wäre fort und fort aus eben diesem Lichte stets mehr und mehr bevölkert worden.“ (EM 56,2)

 

Nach ihrem Fall wurde Satana zu Satan, welches „gleicher Pol mit der Gottheit“ bedeutet, denn sie wollte Gott gleich sein. Gleiche Pole aber stoßen sich ab, und sie ist deshalb Gott am entferntesten und entgegengesetzesten geworden. Luzifer verlor also durch seinen Fall seine Stellung als gerechter Gegenpol zur Gottheit, es geschah eine Polumkehrung und er ist seither gleicher Pol mit Gott. Gleichzeitig wurde er aber in anderer Hinsicht wiederum ein Gegenpol gegen die Gottheit und zwar wurde er hinsichtlich des Gegensatzes „ordentlich und widerordentlich“ ein ungerechter Gegenpol Gottes, denn durch den Fall ist er ein gegen die Ordnung Gottes handelnder Geist geworden. Luzifer ist aber nicht als ungerechter Gegenpol geschaffen worden, denn in seiner Stellung als Satana war er vor seinem Fall ein gerechter Gegenpol Gottes.

 

 

7. Wurde Luzifer als unlauterer Geist erschaffen?

 

Luzifer ist nicht als unlauterer Geist erschaffen worden, obwohl manche das aus dem nachfolgenden Text aus Robert Blum herausgelesen haben wollen. Dort wurde aus alter indischer Weisheit folgendes zitiert:

 

Im urewigen Sein war nur Gott allein. Und die Unendlichkeit und Ewigkeit war Er Selbst im klarsten Schauen Seiner Selbst. Seiner Gedanken und Ideen war kein Ende. Aber wie sich an einem schwülen Abend zahllose Scharen von allerlei Eintagsfliegen in loser Freiheit kreuzen ohne wahrnehmbare Ordnung, so stiegen auch die Gedanken und Ideen in der Gottheit auf und ab und hin und her. Aber noch war der endlose Raum wesenleer. Nur ihre großen Gedanken sah die endlose Gottheit in sich selbst in ungezwungener Freiheit große Bewegungen machen. Dann schied die Gottheit die Ideen von den Gedanken, und das war ein erstes Ordnen in der Gottheit Selbst. Die großen Ideen stellte sie nach und nach fest, nur den Gedanken ließ sie den freien Lauf.

 

Als aber die Ideen fester und fester gestellt waren, da zeigte es sich, dass sie nicht völlig lauter waren. Da beschloss die Gottheit, ihre Ideen selbst zu läutern und schied das Lautere von dem Unlauteren. Als dies bewerkstelligt war, stellte die Gottheit all das Unlautere wie außer Sich, festete es durch ihr allmächtiges Wollen und belebte es durch den Geist ihrer freiesten Gedanken.

 

Und es ging da hervor ein großer Geist voll Unlauterkeit – zur Läuterung durch sieben andere Geister, welche die Gottheit aus ihren lauteren Ideen durch den freiesten Geist ihrer Gedanken ins Dasein rief.“ (2.RB 193,2-4)

 

Nun kann der obige Text so gelesen werden, als hätte die Gottheit vor der Erschaffung der Geister lautere und unlautere Ideen gehabt und aus den unlauteren Ideen wäre Luzifer hervorgegangen, so dass er zwangsläufig hätte fallen müssen und aus den lauteren die sieben anderen Geister, die wegen ihrer besseren Ausgangslage Gott treu geblieben wären. Aber es können diese alten indischen Weisheitsworte auch anders gelesen werden, und sie müssen auch anders gelesen werden. Wenn es heißt: „Als aber die Ideen fester und fester gestellt waren“, so sind unter den Ideen bereits die geschaffenen Urgeister zu verstehen, die mehr und mehr selbständig geworden waren. Mit dem „da zeigte es sich, dass sie nicht völlig lauter waren“, ist bereits der Abfall Luzifers und seines Anhanges von Gott dargestellt, denn erst da hatte sich gezeigt, dass ein Teil der großen Ideen Gottes unlauter geworden waren. Die Ideen, die sich als lauter erwiesen hatten, waren die Gott treu gebliebenen Geister. Das Scheiden des Lauteren von dem Unlauteren bedeutet die Scheidung der Gott treu gebliebenen von den Gefallenen. Die Gottheit stellte dann das Unlautere wie außer Sich und festete es, und das bedeutet die Gefangennehmung der Gefallenen in der Materie. Das Beleben durch den Geist der freiesten Gedanken Gottes ist die Rückführung der Gefallenen aus der Materie. Das Hervorgehen des großen Geistes voll Unlauterkeit ist der verlorene Sohn oder der große materielle Schöpfungsmensch, der durch die Gott treu gebliebenen Geister geläutert wird.

 

Wenn der obige Text auf die erste Weise interpretiert wird, so wären die Ideen Gottes zum Teil bereits unlauter gewesen, bevor sie sich als selbständige Wesen bewusst wurden, womit Gott Unvollkommenes geschaffen hätte und Er Selbst ebenfalls unvollkommen wäre. Aber Johannes sagte zu Luzifer: „Alle Geister (also auch Luzifer) gingen von Ihm (Gott) aus so rein und gut, wie Er es Selbst ist.“ (BM 198,8) Auf die zweite Weise wurden die Ideen Gottes erst unlauter durch das eigenverantwortliche, widerordentliche Handeln der Urgeister.

 

 

8. Wodurch bekamen die Geschöpfe

einen freien Willen?

 

Nun stellt sich die Frage, wie Gott die geschaffenen Urgeister in ihrem Willen freistellen konnte? Womit musste der himmlische Vater die Geschöpfe ausstatten, damit sie eine freie Willensentscheidung besaßen?

 

Jesus sagt: „Wollte nun Gott einmal aus Sich heraus Ihm ähnliche freie Wesen erschaffen, so musste Er sie ja auch mit eben den streitenden Gegensätzen versehen, die Er in Sich Selbst von aller Ewigkeit her in den natürlich besten und reinst abgewogensten Verhältnissen besaß und besitzen musste, ansonsten Er sicher nie wirkend dagewesen wäre. Nun, die Wesen wurden also völlig nach Seinem Ebenmaße gestaltet, und es ward ihnen am Ende darum auch die Fähigkeit notwendig eigen, sich selbst zu konsolidieren (zu festigen) aus dem Kampfe der in ihnen aus Gott niedergelegten kämpfenden Gegensätze.“ (2.GEJ 229,4-5)

 

Die gegensätzlichen Eigenschaften der Geschöpfe ist die Grundvoraussetzung für den freien Willen, denn nur dann können sie sich dem einen oder anderen Pol eines Gegensatzes zuwenden. Gott schuf die Geister rein, wahrhaft und gut. Sie waren dafür am Anfang aber auch mehr Automaten als freie Wesen. Sie mussten von Gott fähig gemacht werden, nicht mehr nur automatisch, sondern im freien Willen aus sich selbst heraus gut zu sein, d. h. die Geschaffenen mussten sich soweit selbst festigen, bis sie freiwillig in der Ordnung Gottes verblieben.

 

Was dazu nötig war, schildert uns Jesus folgendermaßen:

 

Als Ich im Voranfange die Geister als Meine reifgewordenen Ideen aus Mir hinausstellte und sie erfüllte mit Meiner Kraft also, dass sie selbst zu denken und zu wollen begannen, da musste ihnen denn auch eine Ordnung gezeigt werden, (das war die Ordnung der Liebe und Demut) nach der sie zu denken, zu wollen und endlich zu handeln haben sollten. Mit dieser angezeigten und gegebenen Ordnung musste aber auch der Reiz zur Nichthaltung der gegebenen Ordnung in diese ersten Wesen gelegt werden, ansonsten sie von ihrem Wollen nie irgendeinen Gebrauch zu machen imstande gewesen wären. Der in sie gelegte Reiz brachte in ihnen erst eine wahre Lebensregung zustande, der zufolge sie zu schließen, zu wählen, fest zu wollen und zu handeln begannen.“ (4.GEJ 103,1)

 

Diese entgegengesetzte Anreizung verschafft dem menschlichen Willen ja erst die vollkommenste Freiheit und gibt ihm auch die volle Kraft, ihr (der Anreizung) selbst zu widerstehen und den erkannten Willen Gottes an ihre Stelle zu setzen.“ (6.GEJ 165,7)

 

 

9. Der gegengesetzliche Reiz

 

Indem Gott den Geschöpfen Seine Ordnung als Gebot gab und als Gegensatz dazu in sie den Reiz zur Übertretung oder Widerordnung legte, wurden sie freigestellt und konnten wählen und handeln wie sie wollten. Gott hat wohl den Reiz zur Widerordnung in die Geschöpfe gelegt, aber das war keine Verführung zur Sünde. Satan verführt die Geschöpfe, indem er sie in Versuchung führt, dem Reiz nachzugeben, aber Gott will, dass dem Reiz widerstanden wird. Der Reiz zur Übertretung ist nicht die Widerordnung oder das Böse. Ein Geschöpf ist nicht widerordentlich oder böse, wenn es den Reiz zur Übertretung in sich verspürt, sondern erst dann, wenn es dem Reiz nachgibt und die Ordnung Gottes übertritt.

 

Die Ordnungsgebote durften keine „Muss-Gebote“ sein, sondern mussten aus „Du sollst-Geboten“ bestehen, denn mit „Muss-Geboten“ wäre der freie Wille, den sie gerade erst erhalten hatten, wieder eingeschränkt worden. (2.GEJ 227,6) Mit den Ordnungsgeboten und dem Übertretungsreiz musste den Geschöpfen aber auch noch gezeigt werden, dass sich mit einer Übertretung wohl anfänglich ein kurz währender Vorteil erreichen lässt, dem aber stets ein langwährender Nachteil folgt, der nur mit großer Mühe wieder rückgängig gemacht werden kann. (2.GEJ 227,8-9) Andererseits mussten ihnen aber auch die ewigen Vorteile gezeigt werden, die zwar etwas später, aber doch sicher der Handlung nach den gegebenen Geboten folgen werden. (2.GEJ 227,11) So ausgerüstet waren erst die Wesen freigestellt und konnten frei entscheiden und handeln.

 

Es ist, so man das weiß, dann endlich ganz leicht zu begreifen“, sagt Jesus, „dass schon in den erstgeschaffenen Geistern ein gewisses Unkraut sich zu zeigen anfangen musste, weil der Reiz gar viele der ersten Geister aus der Ordnung hob und sie im stets mächtiger werdenden Widerstreben am Ende verhärten mussten und auf diese Weise den Grund zur materiellen Weltenschöpfung boten.“ (4.GEJ 103,2)

 

Ein Siebtel der Geister erlagen dem Reiz zur Übertretung, widerstrebten der Ordnung, die Gott ihnen gab und wurden böse. Dadurch verhärteten sie und es entstand die sichtbare materielle Schöpfung, welche als ein Gericht oder als die angedrohte Strafe auf die Nichtbefolgung der gegebenen Gebote folgen musste. (2.GEJ 227,12)

 

Jesus sagt: „Alles, was Welt und Materie heißt, ist ein Verkehrtes, der wahren, geistigen Ordnung aus Gott stets und notwendig Widerstrebendes, weil es ursprünglich als eine Gegenreizung zum Erwecken des freien Willens in der belebten und als Selbstwesen aus Gott hinausgestellten und wohlgeformten Idee in sie gelegt werden musste, und ist darum als das wahre Unkraut auf dem allein wahren und geistreinen Lebensacker anzusehen.“ (4.GEJ 104,2)

 

Am Anfang sprachen wir davon, dass das Böse aus dem freien Willen der Geschaffenen stammt. Aber nun ist uns noch eine tiefere Sicht des Bösen dargeboten worden, nämlich, dass alle Materie, die etwas Gott widerstrebendes und damit Böses ist, dem gegengesetzlichen Reiz entsprungen ist, den Gott in die Geschöpfe gelegt hat. Er legte nicht die Widerordnung in sie hinein, sondern nur den Reiz zur Widerordnung. Der Reiz zur Widerordnung oder zum Bösen ist der Reiz, nach dem sofort eintretenden Vorteil zu greifen, der aber nur kurz währt und einen langwährenden Nachteil mit sich bringt. Das sind die weltlichen Vorteile und fleischlichen Genüsse, die gegen den Geist gerichtet sind, wie Paulus schreibt. (Gal. 5,17) Das Geschöpf soll diesem Reiz widerstehen und nach der Ordnung Gottes leben. Zwar wird der Vorteil, den es durch das Leben nach der Gottesordnung erringt, erst später eintreffen, aber er wird lange währen, nämlich ewig. Aus dem gegengesetzlichen Reiz entstand das Böse und als Folge davon das Unkraut.

 

Jesus sagt: „Worin aber besteht das Unkraut, durch dessen Verwesung das Leben gedüngt werden soll? Welche Namen hat denn hernach der in die belebte Form gelegte gegengesetzliche Reiz? Er heißt Eigenliebe, Selbstsucht, Hochmut und am Ende Herrschsucht.“ (4.GEJ 104,8) Das „euch nun bekannte Gefolge (des gegengesetzlichen Reizes) ist das Unkraut und im weitesten Sinne der Inbegriff aller wie immer gearteten Materie,…“ (4.GEJ 108,4) „die an und für sich nichts ist als eine lose und sündige Erscheinlichkeit der Eigenliebe, der Selbstsucht, des Hochmutes und der Herrschsucht.“ (4.GEJ 108,2)

 

 

10. Die Kräfte Eigenliebe und Hoheitsgefühl

 

Wie die Liebe und die Demut die Hauptstücke des Reiches Gottes sind, so sind die Gegensätze dazu, die Selbstsucht und der Hochmut, die Hauptstücke der Hölle. Die beiden Gegensatzpaare reine Liebe und Selbstsucht sowie Demut und Hochmut sind ungerechte Gegensätze, die es in Gott nicht gibt, denn sie haben sich erst in den Gefallenen gebildet. Aber wie haben sie sich gebildet? – Sie bildeten sich aus dem freien Willen, und dieser entstand aus dem gegengesetzlichen Reiz, welcher die Eigenliebe und das Hoheitsgefühl ist. Die Selbstsucht ist eine Steigerung der Eigenliebe und der Hochmut eine Steigerung des Hoheitsgefühls. Die Gegensätze der als göttlich bezeichneten Kräfte reine Liebe und Demut sind die Eigenliebe und das Hoheitsgefühl, die aber auch nicht ungöttlich sind, (11.GEJ 17,6) wenn sie die reine Liebe und Demut zur Grundlage haben, auf denen sie stehen können. Die Gegensatzpaare reine Liebe und Eigenliebe sowie Demutsgefühl und Hoheitsgefühl sind gerechte Gegensätze und sind Bestandteil von Gott und Gott hat sie in die neugeschaffenen Geister und in die Menschen gelegt. Gott konnte bei der Erschaffung der Wesen die Eigenliebe und das Hoheitsgefühl nicht schon als besiegte Kräfte in sie hineinlegen, sondern der Sieg musste und muss von den Geschöpfen im freien Willen erkämpft werden. In Gott aber waren sie von Ewigkeit her in der besten Ordnung. Er brauchte nie die richtigen Verhältnisse dieser Kräfte herzustellen, das heißt, die Eigenliebe und das Hoheitsgefühl waren in Gott schon von Ewigkeit her von der wahren Liebe und vom Demutsgefühl besiegte, aber nicht vernichtete Kräfte. In den neugeschaffenen Geistern und in den Menschen mussten und müssen sie erst durch den freien Kampf oder durch die Selbsttätigkeit in die göttliche Ordnung gebracht werden. (2.GEJ 229,7)

 

 

11. Das Maß der Eigenliebe

 

Jetzt könnte jemand fragen: „Warum hat Gott denn in die geschaffenen Wesen nicht nur reine Liebe, sondern auch Eigenliebe hineingelegt? Ist denn die Eigenliebe nicht schon das Widergöttliche?“ – Nein, denn da kommt es allein auf das Maß an. Ohne ein bestimmtes Maß an Eigenliebe könnte kein Wesen existieren, weil die Eigenliebe das eigene Leben eines jeden Wesens ist. (2.GS 103,2) Essen, Trinken und Atmen gehören der Eigenliebe an. Würden die Menschen nicht essen, trinken und atmen, könnten sie nicht leben. Natürlich gehört auch noch mehr zum Leben, denn der Mensch braucht auch noch Kleidung und eine Wohnung. Das alles in einem gerechten Maße gehört zu den 6 Teilen Eigenliebe, die gerecht vor Gott sind, während die Nächstenliebe 60 und die Gottesliebe 600 Teile betragen sollen. Nun kann aber auf Grund des freien Willens der Eigenliebe mehr Raum gegeben werden, indem man sich selbst mehr „Gutes“ tut, als es von Gott angeraten ist. Man isst und trinkt mehr, man verschafft sich ohne Rücksicht auf den Nächsten mehr und bessere Kleidung als nötig und andere Güter, die zum Leben nicht unbedingt notwendig sind, und das kann soweit gesteigert werden, bis jemand ein vollendeter Teufel geworden ist. Dann hat er nicht mehr den gerechten Teil Eigenliebe, sondern ist selbstsüchtig geworden und die Anteile an Eigenliebe sind auf 600 gestiegen, wobei gleichzeitig die Gottesliebe abgenommen hat und nur noch 6 Teile beträgt.

 

Jesus sagt: „Der Mensch aber soll aus eigener Kraft das (die Eigenliebe, wenn sie über das gerechte Maß hinausgeht) als ein Übel für seine Seele an sich erkennen und es mit den von Gott ihm gegebenen Mitteln so lange fort bekämpfen, bis er ein vollendeter Meister über alle seine leiblichen Leidenschaften geworden ist.“ (7.GEJ193,3)

 

 

12. Der Kampf des Demutsgefühls

gegen das Hoheitsgefühl

 

Auch das Hoheitsgefühl hat Gott in die Geschaffenen gelegt. Das ließ sich bei der Erschaffung der Wesen gar nicht vermeiden. Gott hat die Geschöpfe vollkommen nach Seinem Bilde erschaffen und deshalb ersahen sie, dass ihr Leben ein Gott völlig ebenmäßiges war. Gleichzeitig aber erkannten sie, dass sie nicht wie Gott von Ewigkeit her existierten, sondern dass ihr Sein mit ihrer Erschaffung einen Anfang genommen hatte.

 

So wir aber diesen Umstand näher betrachten“, sagt Jesus, „so ergibt es sich, dass sich in den geschaffenen Wesen notwendig zwei Gefühle begegnen müssen, und zwar erstens und zunächst das Gefühl der göttlichen Ebenmäßigkeit oder des Urlichtes Gottes in ihnen und zweitens aus eben diesem Lichte aber dann auch notwendig das Gefühl des zeitgemäßen Werdens durch den Urwillen des Schöpfers.“ (1.GEJ 1,16)

 

Das erste Gefühl der göttlichen Ebenmäßigkeit stellt das Geschöpf dem Schöpfer gleich und es ist deshalb das Hoheitsgefühl. Das zweite Gefühl des zeitgemäßen Werdens demütigt das Geschöpf, weil es sich von Gott als sehr abhängig ansehen muss und deshalb ist es das Demutsgefühl. Diese beiden Gefühle sind zwei Kräfte, die gegeneinander stehen. Wie bei dem Riesen die Gegenkraft des Bodens die Kraft des Riesen besiegen muss, damit diese Kraft zur Wirkung kommen kann, so muss das Demutsgefühl das Hoheitsgefühl besiegen und auch zu einem Demutsgefühl machen. Die siegende Kraft des Demutsgefühls darf das Hoheitsgefühl nicht zum untätigen Schweigen bringen, sondern es muss dem Hoheitsgefühl zur festen Unterlage dienen und ihm eine Stütze sein. Das Hoheitsgefühl, das die Demut zur Grundlage hat, ist die Kraft, mit der sich das Geschöpf mutig betätigt und sich für das Gute und die Wahrheit einsetzt. Wenn das Demutsgefühl das Hoheitsgefühl zum völligen Schweigen brächte, dann würde es zu einer übertriebenen und falschen Demut werden, die keinen Mut aufbrächte, dem Nächsten Dienste zu erweisen. Das Hoheitsgefühl aber streitet in den Geschöpfen ganz gewaltig gegen jegliche Erniedrigung und will das Demutsgefühl besiegen.

 

Wo (aber) irgendeine Kraft“, sagt Jesus, „in einem sich frei konsolidierenden (festigenden) Wesen durch ihr überwiegend hartnäckiges Bestreben alle andern Gegenkräfte zum untätigen Schweigen in ihrer Sphäre bringen will und auch zum größten Teile bringt, da tötet sich gewisserart so eine Kraft selbst, dadurch, dass sie sich alle Gelegenheiten aus dem Wege räumt, bei denen sie ihre Kraft hätte äußern können. Eine Kraft aber ohne eine entsprechende Gegenkraft ist, wie schon gesagt, so gut wie gar keine Kraft, und wie wir solches eben schon aus dem früher angeführten Beispiele unseres Riesen sicher klar haben sehen können.“ (2.GEJ 229,10)

 

Als Satana mit ihrem Hoheitsgefühl gegen ihr Demutsgefühl ankämpfte und es schließlich, indem sie hochmütig wurde, zum untätigen Schweigen brachte, da hatte sie sich den Boden unter ihren Füßen zerstört, auf dem sie hätte wirken können. „Jede Kraft aber ist so gut wie keine Kraft mehr, sobald sie keinen Stützpunkt hat.“ (Fl. 5,9) Das Hoheitsgefühl erlahmte und verfinsterte sich und aus dem Urlicht im geschaffenen Wesen wurde Nacht und Finsternis. (1.GEJ 1,20)

 

 

13. Der Kampf der reinen Liebe gegen die Eigenliebe

 

Gott hat die Geister vollkommen erschaffen und stattete sie mit der reinen Liebe aus. Aber eine gegebene Liebe ist maschinenhaft. Nur die selbst erworbene Liebe ist die wertvolle Liebe eines freien Gotteskindes und die muss aus dem eigenen freien Willen kommen. Deshalb gab Gott den Geistern und Menschen neben dem Hoheitsgefühl den Reiz zur Eigenliebe und gleichzeitig das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe, damit die gegebene Liebe durch den Reiz zu einer freien Liebe werde, sei sie positiv oder negativ. Und wenn ein Geschöpf, welches einen freien Willen hat, zwischen dem Einhalten und dem Übertreten der Ordnung Gottes schwankt, so veranlaßt das entweder das Gebot Gottes oder der Reiz zur Nichteinhaltung.

 

Die reine Liebe sollte in den geschaffenen Wesen eine feste Grundlage bilden für die Eigenliebe. Dazu musste die reine Liebe die Eigenliebe besiegen und auch zu einer reinen Liebe machen. Das ist dann erreicht, wenn das eigenliebige Essen, Trinken, Kleiden, Wohnen und Besitzen anderer Güter nur aus dem Grunde geschieht, um die Gottes- und Nächstenliebe ausüben zu können. Man will dann nur noch für Gott und den Nächsten da sein und was man für sich selbst tut, hat deshalb die Gottes- und Nächstenliebe zur Grundlage. Die reine Liebe darf die Eigenliebe nicht zum völligen Schweigen bringen, denn dann würde die Eigenliebe nicht einmal mehr essen, trinken oder atmen und die Existenz dieses Wesens hätte ein Ende genommen.

 

Jesus sagt: „Lasset ihr euch nicht von der Eigenliebe überwältigen, sondern bekämpfet ihr dieselbe leicht und mächtig mit dem glühenden Schwerte der wahren, alleruneigennützigsten Liebe zu Mir und zu euren nächsten Brüdern und Schwestern, so werdet ihr den Acker von allem Unkraute rein erhalten und jüngst selbst als reinste und kostbarste Frucht in Mein Reich eingehen und dort neue und rein geistige Schöpfungen schauen und leiten in Ewigkeit!“ (4.GEJ 108,6)

 

 

14. Der Ursprung des Reizes zur Widerordnung

 

Wo kommt nun die Eigenliebe oder der Reiz zur Widerordnung her? Wo hat Gott ihn hergenommen, um ihn dann in die zu erschaffenden Wesen zu legen? – Wir wissen, dass ein jedes Wesen nichts anderes als eine große Idee Gottes ist, die aus vielen einzelnen Gedanken besteht. Also hat auch die Eigenliebe oder der Reiz zur Widerordnung in den Gedanken Gottes seinen Ursprung.

 

Jesus sagt: „Ihr kennet die gerechte und wahre Ordnung Gottes, kennet aber auch die Exzentrizitäten derselben; ihr könnet sie denken, fühlen und empfinden! Was aber ihr könnet, das gleiche kann auch Gott; Er kennt Seine ewige Ordnung sicher am besten und hellsten, kennt aber da hinzu auch alle die möglichen und verschiedenartigsten Aus- und Übertretungen dieser Ordnung, muss sie also auch denken und tiefst zu fühlen imstande sein.

 

Ja, Gott muss in die frei und selbständig werden sollenden und frei wollenden Geschöpfe, besonders in die Engel und dieser Erde Menschen, wie ihr wisset, sogar den Reiz zur Widerordnung legen, auf dass sich daraus für die Benannten eine wahre, freitätige Sichselbstbestimmung vollkommen bewahrheite. Aus dem aber geht doch etwa klar hervor, dass Gott die möglichste Widerordnung ebenso bekannt sein muss wie die gute, wahre und lebendige Ordnung.

 

Die Gedanken und die Gefühle der Widerordnung in Gott sowohl als im Menschen unter den ordnungsmäßigen Gedanken und Gefühlen sind entsprechend den Giftmineralien, Giftpflanzen und Gifttieren. Weil sie aber auch Gottesgedanken und Gottesgefühle sind, so können sie nicht vergehen... Aus diesem Urborne entstand eigentlich zumeist die ganze materielle und gerichtete Schöpfung. Diese aber ist berufen, den Geistgeschöpfen nicht nur als ein prüfend Lebensgift zu dienen, sondern bei gerechtem Gebrauch auch als ein heilsamer Lebensbalsam.“ (4.GEJ 158,4-7)

 

Als Gott Seine Schöpfung plante, der Er die Willensfreiheit geben wollte, so musste Er auch darüber nachdenken, welche Auswüchse und Folgen daraus entstehen könnten, wenn die Geschöpfe ihre Willensfreiheit missbrauchen würden. Da aber jeder Gedanke Gottes bereits ein Erschaffungsakt ist, so war das Nachdenken über eine mögliche Widerordnung der Geschöpfe auch ein Erschaffen von Seelenpartikeln. Diese Seelenpartikel, die zur Willensfreiheit notwendig waren, gab Er in gerechtem Anteil einem jeden Seiner Geschöpfe. Bei dem Nachdenken über die Widerordnung hat Gott nicht etwas Böses erschaffen, denn Er hat dabei nicht gedacht, dass die Geschöpfe die Ordnung tatsächlich übertreten, sondern nur, was geschehen würde, falls die Übertretung geschieht. Dadurch hat Er ihnen die Möglichkeit geschaffen, wenn sie es wollen, Seine Ordnung übertreten zu können.

 

Ein Geschöpf ist einem Bild vergleichbar. Die einzelnen Pinselstriche können für sich nie schlecht sein, da sie Grundformen sind. Aber die Anordnung der einzelnen Pinselstriche können ein schönes, harmonisches oder ein schlechtes Bild darstellen. So sind Gottes Gedanken Grundformen, die nie schlecht sein können, aber die großen Ideen, die sich aus den Gedanken zusammensetzen, können gut oder schlecht sein. (2.RB 265,6) Gott hat wohl aus Seinen Gedanken nur gute Ideen erschaffen, aber weil Er die Ideen, als die geschaffenen Wesen, so ausstattete, dass sie die Willensfreiheit besaßen, so konnten sie ihr vollkommenes Wesen selbst zum Bösen hin verändern.

 

 

15. Das Gute und Böse kommt von Gott

 

Hiob sprach zu seinem Weibe: „Haben wir Gutes empfangen von Gott, sollten wir das Böse nicht auch annehmen?“ (Hiob 2,10) – Hiob bringt damit zum Ausdruck, dass das Gute und das Böse von Gott kommt. Nun wird mancher denken: „Wir hatten doch gehört, dass das Böse nicht von Gott gekommen ist, sondern in den Geschöpfen infolge des freien Willens seinen Anfang genommen hat und jetzt soll es doch wieder von Gott kommen?“ – Welche Lösung gibt es für diese Frage? – Hier ist das „Böse, das von Gott kommt“, wie es Hiob sagte, nicht so zu verstehen, als wäre Gott böse, denn in Gott gibt es nichts Böses, sondern nur Liebe.

 

In der Haushaltung Gottes spricht der himmlische Vater:

 

In Meinem Angesichtsbündel gibt es durchaus nichts Böses, sondern nur Unterschiede in der Wirkung Meines Willens; und dieser ist in der Hölle wie im Himmel, im Schaffen wie im Zerstören gleich gut.

 

Aber im Angesichtsbündel der Geschöpfe ist nur eines als gut zu betrachten und zu stellen, das heißt: der Verhältnisteil der Bejahung allein nur ist als gut zu betrachten und zu stellen, unter dem das Geschöpf bestehen kann neben Mir und in Mir, und das ist der erhaltende oder stets schaffende Teil aus Mir, – der auflösende oder zerstörend herrschende mächtige Teil aber als böse im Anbetrachte des Geschöpfes, weil es im selben neben Mir und in Mir nicht als existierbar gedacht werden kann.

 

In Mir also ist das Ja wie das Nein gleich gut; denn im Ja schaffe Ich, und im Nein ordne und leite Ich alles. Aber fürs Geschöpf ist nur das Ja gut und böse das Nein, und das so lange, bis es nicht völlig eins im Ja mit Mir geworden ist, allwo es dann auch im Nein wird bestehen können.

 

Sonach gibt es für Mich keinen Satan und keine Hölle, – wohl aber im Anbetrachte seiner selbst und der Menschen dieser Erde, weil es sich hier um die Bildung Meiner Kinder handelt.“ (3.HG 67,12-16)

 

In Gott ist der positive und der negative Pol, das Plus und Minus, das Ja und Nein und noch viele andere Gegensätze, und in Ihm sind sie alle gut. Das „Ja“ ist der erhaltende oder schaffende Teil und das „Nein“ ist der auflösende oder zerstörende Teil in Gott. Gott ist also Schöpfer und Zerstörer zugleich. Gutes und Böses kommt von Gott, sagte Hiob, aber da Gott in Seinem Grundwesen die Liebe ist, so ist auch das Böse in Ihm gut. – „Nanu“, denkt da der eine oder andere, „das Böse soll in Gott gut sein? Das ist unmöglich! – Natürlich hat Gott nichts Böses im Sinn, sondern Er benutzt das Böse, wenn Er es zulässt, für gute Zwecke. Wenn einem Menschen ein Unglück zustößt, wenn Naturkatastrophen ihm alles zerstören was er besitzt, wenn jemand in sein Haus einbricht und ihm seinen Besitz nimmt oder wenn jemandem Frau oder Kinder getötet werden, so empfindet der Mensch das als böse und ein Mensch, der das einem Nächsten zufügt, der ist böse. Wenn Gott das zulässt, dann kommt das Böse, das über einen Menschen hereinbricht, letztlich von Gott. Aber in Gott gibt es nichts Böses, sondern nur Unterschiede in der Wirkung Seines Willens und dieser ist im Schaffen wie im Zerstören – also auch im Töten – immer nur Liebe und somit gut (3.HG 67,12) und Er weiß alles Böse, welches ein Mensch einem andern zufügen will, zu guten Zielen zu lenken. Gott hat also keine böse Absicht, wenn Er es zulässt, dass über einen Menschen etwas Böses hereinbricht, sondern Er lässt das nur aus Liebe zu, wenn es zur Erziehung Seiner Kinder notwendig ist. Durch das Böse läutert und erprobt Er diejenigen, die berufen sind, Seine Kinder zu werden. Somit ist das Böse, das einem Menschen geschieht, vor Gott gut und im Grunde ist es Seine Liebe, die das alles zulässt.

 

Aber fürs Geschöpf ist nur das Ja gut und böse das Nein und das so lange, bis er nicht völlig eins mit Mir geworden ist, allwo es dann auch im Nein wird bestehen können.“ sagte der himmlische Vater. (3.HG 67,15)

 

Wenn ein Mensch jemanden tötet, so tötet er zumeist aus Selbstsucht und Herrschsucht, denn er will sich widerrechtlich etwas aneignen oder er will andere beherrschen und das ist für ihn böse. Ein Todesengel, der von Gott den Auftrag hat, eine Seele von ihrem Körper zu trennen, tötet nicht aus Selbstsucht und Herrschsucht, sondern aus Gottes- und Nächstenliebe. Das kann ihm aber erst dann von Gott aufgetragen werden, wenn ein Geschöpf in der Liebe völlig eins mit Ihm geworden ist.

 

 

16. Vor Gott gibt es nichts Böses

 

Die gesamte Materie entstand aus dem gegengesetzlichen Reiz. Obwohl es notwendig war, dass Gott den Reiz in die Geschöpfe legen musste, weil sie ohne ihn keinen freien Willen gehabt hätten, so war es aber keine Notwendigkeit, dass viele Geister dem Reiz nachgaben. Dadurch widerstrebten sie der Ordnung Gottes und als Folge davon entstand die Materie. Sie hätten aber dem Reiz ebenso gut widerstehen können, wie es die sechsmal so vielen Urgeister vermocht hatten, dem Reiz zu widerstehen. (4.GEJ 108,3)

 

Jesus sagt: „Ist das Unkraut ursprünglich auch eine Notwendigkeit zur Konstatierung (Feststellung) eines völlig freien, geistigen Lebens, so muss es aber endlich von dem frei geschaffenen Menschwesen doch als solches erkannt und freiwillig hinausgeschafft werden, weil es mit demselben unmöglich fortbestehen kann. Es ist wohl ein notwendiges Mittel zum Zwecke, kann aber nie mit dem Zwecke selbst eins werden.

 

Das Netz ist auch ein notwendiges Mittel zum Fange der Fische; aber wer wird es darum ins Wasser tauchen, um es statt der Fische um seiner selbst willen wieder herauszuziehen, es dann am Feuer zu rösten und als eine Speise zu genießen?! Das Netz ist also nur zum Fange der Fische notwendig; und hat man damit die Fische aus dem Wasser gehoben und sie in die Speisekammer gebracht, so legt man das Netz weg und benutzt den damit gemachten Gewinn... Das Unkraut oder der Reiz zum Übertreten des Gesetzes ist daher ein Untergeordnetes und darf nie und nimmer zu einer Hauptsache werden!“ (4.GEJ 104,3-4+7)

 

Wer dem Reiz zum Übertreten des Gesetzes nachgibt, der ist mehr oder weniger böse, schlecht oder unrein. Aber Gott und den himmlischen Geistern gegenüber gibt es kein Böses, Schlechtes oder Unreines, denn es kann ihnen kein Satan oder Teufel einen Schaden zufügen. Böse, schlecht und unrein sind solche Geschöpfe nur sich selbst gegenüber, weil sie sich, solange sie noch widerordentlich sind, nur ganz allein selbst schaden.

 

Jesus sagt: „Vor Gott aber gibt es nichts Unreines, nichts Schlechtes und nichts Böses; denn dem Reinen ist alles rein, und alles ist gut, was Gott geschaffen hat, und Gott gegenüber gibt es denn auch keinen Satan, keinen Teufel und somit auch keine Hölle. Nur das Geschaffene in und für sich ist alles das so lange, als es ein Geschaffenes und Gerichtetes zu verbleiben hat und endlich im Besitze des freien Willens, ob gut oder böse, verbleiben will.“ (8.GEJ 34,12)

 

Vor Gott gibt es nichts Böses und Er hat auch keinen Keim des Bösen erschaffen und in die Geschöpfe gelegt, sondern nur den Reiz zum Bösen oder zur Widerordnung. Das ist ein gewaltiger Unterschied, denn im Keim des Bösen ist das Böse bereits keimhaft vorhanden, aber im Reiz zum Bösen ist die Entscheidung für das Gute oder Böse noch nicht gefallen. Da entscheidet das Geschöpf im freien Willen, ob es dem Reiz nachgeben und böse werden will, oder ob es dem Reiz widerstehen und aus eigenem Antrieb in der Ordnung Gottes und damit in der göttlichen Liebe und Demut verbleiben will.

 

Es heißt in der Offenbarung durch Jakob Lorber nicht, dass ursprünglich auch das Böse in Gott gewesen sei, sondern dass das Böse erst mit der freien Willensentscheidung des Geschöpfes seinen Anfang genommen hat. Es wird in diesen Offenbarungen darüber hinaus auch erklärt, wie ein Geschöpf von Gott ausgestattet sein muss, um einen freien Willen haben zu können, dass es einen gegengesetzlichen Reiz dazu braucht und wo der Reiz hergekommen ist. Diese Erklärungen finden wir, soweit mir bekannt ist, nur in der Offenbarung, die uns Jesus durch Jakob Lorber gegeben hat. Weil aber solche tiefgehenden Erklärungen in dieser Offenbarung vorhanden sind, so sind diese auch schwerer zu verstehen als das, was in anderen Schriften über dieses Thema geschrieben steht und sie können deshalb sehr leicht falsch aufgefasst werden.

 

(Mit Genehmigung des Autors. 5/21)

 

Quellenverzeichnis

GEJ - Das große Evangelium Johannes, Jakob Lorber, 10 Bände, 1981-1986

11.GEJ - Das große Evangelium Johannes, Leopold Engel, 1987

HG - Die Haushaltung Gottes, Jakob Lorber, 3 Bände, 1981

BM - Bischof Martin, Jakob Lorber, 1960

RB - Von der Hölle bis zum Himmel, (Robert Blum), Jakob Lorber, 2 Bände, 1963

Hi. - Himmelsgaben, Jakob Lorber, 3 Bände, 1935, 1936, 1993

EM - Erde und Mond, Jakob Lorber, 1953

Fl. - Die Fliege, Jakob Lorber, 1979

Sg. - Schöpfungsgeheimnisse, Gottfried Mayerhofer, 1932

Be. Fe. Dr. - Unser Betrachtungsbuch, Der Fest-Garten, Zur Dreieinigkeit, 1899

Lorber Verlag, 74321 Bietigheim-Bissingen

UB - Ursprung des Bösen, BD Bertha Dudde, herausgegeben von W. Kühner

Gal. - Bibel, Galaterbrief, Übersetzung Franz Eugen Schlachter

Hiob - Bibel, Hiob, Übersetzung Franz Eugen Schlachter