„Ein jeder Mensch, der in irgendetwas deiner Hilfe bedarf, ist dein Nächster; und so du ihm hilfst, da bist auch du sein Nächster. Und so du ihm geholfen hast, da hast du ihn als deinen Nächsten auch geliebt wie dich selbst; denn die wahre Nächstenliebe besteht eben darin, dass ihr euren Nebenmenschen alles das tuet, was ihr vernünftigerweise wünschen könnt, dass sie im Notfalle auch euch tun möchten.“ (8.GEJ 63,13)



Die Liebe zum Nächsten

ist gleich der Liebe zu Gott

 

Gerd Kujoth

 

1. Das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe

2. Die Regel der Nächstenliebe

3. Die Ordnung der Nächstenliebe

4. Nichts steht höher, als die wahre, tätige Liebe

5. Wer ist mein Nächster?

6. Kann ein Nächster wie sich selbst geliebt werden?

7. Die Verschiedenheit der Begabungen

8. Die Reichen und ihre Nächsten

9. Die Nächstenliebe besteht nicht nur aus den Gaben

10. Ist die Pflichtgabe Nächstenliebe?

11. Zins und Lohn

12. Verzichtleisten zugunsten des Mitmenschen

13. Nächstenliebe – Eigenliebe

14. Urteilen, Richten und Streiten

15. Was sonst noch zur Nächstenliebe gehört

 

 

1. Das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe

 

Wir leben heute in der Zeit, von der Jesus sagte, dass die Liebe in den Menschen erkaltet sei. (Matth. 24,12) Dennoch ist in der heutigen Zeit viel von Liebe die Rede, aber es ist damit zumeist die begehrliche Liebe zwischen den Geschlechtern gemeint. Diese Liebe ist eigentlich keine wahre Liebe, sondern Eigenliebe, denn sie liebt sich selbst im anderen Geschlecht. (2.RB 157,12)

 

Die wahre, göttliche Liebe ist die uneigennützige Liebe zu Gott und zum Nächsten und ist das höchste Gut, das wir erhalten können. Das ist die Liebe, die uns mit Gott, dem Urgeist der Liebe, verbindet und unsere Seligkeit ausmacht. Diese Liebe können wir von niemand anderem bekommen als von dem, der die Liebe Selbst ist, nämlich von Gott, unserem himmlischen Vater.

 

Gott ist Seinem Wesen nach Liebe (1.Joh. 4,8) und Er kann deshalb nicht anders, als einen jeden Menschen und Seine ganze Schöpfung zu lieben. Nur verstehen viele Menschen Gottes Liebe nicht, denn sie kann auch mal streng sein, wenn die Menschen von den Wegen der göttlichen Liebe abgewichen sind.

 

Gott hat in den Menschen ein Fünklein Seines Liebegeistes hineingelegt, damit auch sie in ihrem Wesen so werden, wie Er ist, nämlich: Liebe. Dieses Fünklein Seiner Liebe ist winzig klein, und die Selbstliebe der Menschen ist riesengroß, soll aber klein werden und das Fünklein der Liebe soll groß werden, so groß, bis es das ganze Wesen des Menschen ausfüllt.

 

Damit das Fünklein groß werden kann, müssen wir es ernähren. – Mit Brot und Fleisch kann es nicht ernährt werden, da bedarf es einer geistigen Kost. – Die Kost, mit der das Fünklein wachsen kann, ist die tatkräftige Befolgung der zwei Liebegebote:

 

Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Denken. Das ist das erste und größte Gebot. Ein anderes aber ist ihm gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ (Matth. 22,37-40)

 

Was heißt das: Ein anderes ist der Liebe zu Gott gleich, nämlich: Den Nächsten zu lieben? – Jesus sagt:

 

Wer da sagt, dass es zur Seligkeit genüge, nur Gott allein über alles zu lieben, dabei aber vor seinem armen Nächsten Herz und Tür verschließt, der ist in größter Irre!“ (10.GEJ 140,4)

 

Darum ist die wahre und uneigennützige Liebe zum Nächsten mit der Liebe zu Gott eins!“ (9.GEJ 60,4)

 

Wer das in sich hat, der hat alles, alles Gesetz und alles Prophetentum, im eigenen Herzen vereint und hat weiter durchaus nichts irgend mehr vonnöten.“ (5.GEJ 132,5)

 

 

2. Die Regel der Nächstenliebe

 

Die heutigen Menschen streben danach, sich alle materiellen Wünsche erfüllen zu können. Aber dadurch verlieren sie die Aufnahmefähigkeit für das, was allein erstrebenswert ist, nämlich, für die göttliche Liebe. Wir Menschen sollten uns wieder mehr bestreben, diese Liebe zu erhalten, ihr nachzujagen und unser ganzes Denken und Trachten nach ihr auszurichten. Wer diese Liebe erhalten will, der muss aufhören, für sich etwas zu sein, um in Gott alles werden zu können. (4.GEJ 1,5) Es gibt nichts Beglückenderes als die göttliche Liebe, weil sie die Glückseligkeit im Gefolge hat. Aber den meisten Menschen ist die göttliche Liebe zu teuer, ihr Preis ist hoch, denn ihr Preis ist die Selbstverleugnung in allen möglichen weltlichen Dingen. Doch es sollte uns bewusst sein, dass das höchste Gut nicht umsonst zu haben ist, und es sollte uns kein Preis dafür zu hoch sein.

 

Die Liebe ist das anvertraute Pfund in dem Gleichnis von Jesus, mit dem die 10 Knechte wuchern sollten. Die meisten Knechte hatten auch ihr anvertrautes Pfund vermehrt, das heißt, sie waren in der Liebe tätig, der eine mehr, der andere weniger, wodurch der Funke ihrer Liebe wuchs und groß wurde. Doch ein Knecht wucherte nicht mit seinem Pfund, sondern verwahrte es in einem Tuch. Das heißt, er war nicht in der Liebe tätig. Er hatte nicht an die göttliche Liebe geglaubt und hielt seinen Herrn für einen harten Mann. So blieb er der alte Mensch, ohne Liebe, ohne Lohn und ohne Seligkeit. (Luk. 19,11-27)

 

Gibt es nicht auch heutzutage viele, die nicht mit ihrem Pfunde der Liebe wuchern? Sie glauben, wenn sie an die Versöhnung durch das Blut des Sohnes glauben, genug getan zu haben und verlassen sich allein auf die Gnade. Dadurch verwahren sie das Pfund der Liebe im Tuch, das heißt, sie setzen die Liebe, die nach und nach errungen werden muss, auf die Seite.

 

Aber um Gott lieben zu können, müssen wir zuerst einmal glauben, dass es Ihn gibt (6.GEJ 88,1) und dürfen nicht glauben, dass Gott ein harter Mann sei, sondern müssen Ihn in Seinem Wesen der Liebe erkannt haben und erkannt haben, dass Er in Seiner ganzen Fülle in Jesus auf die Erde gekommen ist.

 

Jemand fragte Jesus: „Herr und Meister, wie kann ich aber dahin kommen, Gott, den unsichtbaren, ewigen Geist, aus allen Lebenskräften über alles zu lieben?“

 

Jesus antwortete: „Leichteres gibt es wohl nicht in der ganzen Welt! Man betrachte die Werke Gottes, Seine Güte und Weisheit und halte gewissenhaft Seine Gebote, liebe seinen armen Nächsten wie sich selbst, und man liebt dadurch auch schon Gott über alles!“ (5.GEJ 73,1-3)

 

Heute ist das wohl nicht mehr so leicht, entgegen der wissenschaftlichen Urknall- und Evolutionstheorie zu glauben, dass Gott alles erschaffen hat und dass Seine große Güte und tiefe Weisheit hinter Seiner Schöpfung steht. Es entwickeln sich nicht die materiellen Körper, sondern die Seelen, und wenn eine Seele sich entwickelt hat und Mensch wird, so ist sie an der Schwelle eines geistigen Lebens angelangt, die das Ziel hat, sich immer mehr dem Gottgeiste Selbst zu nähern und mit Diesem in der Liebe eins zu werden.

 

Jesus sagte einst zu jemandem, der im Zweifel war, ob es überhaupt einen Gott gibt: „Kannst du aber schon Gott nicht lieben, da du noch fragst, wo und wie Er sei, so liebe doch Mich aus allen Kräften, da du doch über Mein Sein sicher in keinem Zweifel sein kannst. Damit wirst du der erwünschten Reife schon näher kommen. Denn die Liebe zum Nächsten ist gleich der Liebe zu Gott. Dass Ich aber hier dein Nächster bin, daran wirst du wohl keinen Zweifel haben?“ (1.RB 32,4)

 

Wer meint, es gäbe keinen Gott, weil man Ihn nicht sehen kann, der kann aber doch seine Nächsten sehen. Dann sollte ihm aber auch bewusst sein, dass der Nächste die gleichen Bedürfnisse wie er selbst hat und genauso behandelt werden möchte, wie er es selbst vernünftigerweise wünscht, von den anderen behandelt zu werden. Mit diesem Bewusstsein kann er nach Jesu Nächstenliebe-Regel tätig sein: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch!“ (Math. 7,12)

 

Umgekehrt sagt es Jesus auch so:

 

Was ihr nicht wünschet, dass man es euch antue, das tut auch euren Nebenmenschen nicht an! Ich verstehe das in einer vernünftigen und weisen Hinsicht und Beziehung; denn so könnte sonst auch ein Raubmörder verlangen, dass man darum auf ihn nicht fahnden und ihn den Gerichten übergeben solle, weil er in solcher Absicht (auch) auf niemanden fahndet“ (9.GEJ 12,4)

 

Wer aber Gott zu finden und wahrhaft zu erkennen sich keine Mühe gibt, der gibt sich noch weniger eine rechte Mühe zum Wohle seines Nächsten, und so er schon für ihn etwas tut, da tut er das nur seiner selbst willen, damit der Nächste irgend fähig werde, ihm mehrfach dafür zu nützen, als was er ihm bloß einfach Gutes getan hat.“ (5.GEJ 73,11)

 

Ohne den Glauben an Gott kann ein Mensch wohl die Nächstenliebe ausüben, aber es dürfte wohl nur selten jemanden geben, der nicht an Gott glaubt und damit Gott auch nicht lieben kann, der eine wahre Liebe zu seinen Nächsten hat, wie es nach der Ordnung Gottes sein soll.

 

 

3. Die Ordnung der Nächstenliebe

 

Es „ist die wahre Ordnung der Nächstenliebe nur diejenige“, sagt der Evangelist Johannes, „so jemand seinen Bruder aus dem Herrn liebt. Im Gegenteil aber, wenn jemand den Herrn liebt aus seinen Brüdern, ist das dann eine umgekehrte Ordnung... Warum denn?...

 

Es ist doch sicher geordneter, in Gott alle seine Brüder zu suchen, als in seinen Brüdern den unendlichen Gott! In Gott wird sogar ein jeder alles finden, aber in seinem Bruder dürfte es wohl manchmal sehr stark im Zwielichte stehen, das allerhöchste Wesen Gottes zu finden. Er findet es wohl auch; aber es ist ein großer Unterschied zwischen dem Finden und Finden.“ (2.GS 5,9-10)

 

Johannes zeigt uns an einem Beispiel, worin der Unterschied besteht. Wenn wir in ordentlicher Weise durch ein Fernrohr schauen, dann können wir die Gegenstände vergrößert sehen. Drehen wir aber das Fernrohr um und schauen dann hindurch, so sehen wir die Gegenstände um so viel verkleinert, als wir sie vorher vergrößert sahen.

 

Es ist nicht verboten, umgekehrt durchs Fernrohr zu schauen, aber auf diese Weise können wir dann eben auch nicht die Gegenstände vergrößert wahrnehmen. Genauso ist es nicht verboten, Gott aus seinen Nächsten heraus zu lieben, aber dann werden wir den Herrn in unseren Nächsten nur im Gottesfunken, im kleinsten Abbild des Herrn erschauen, und somit sehen wir dann nur eine Menge kleiner Funken.

 

Die Liebe zum Herrn und aus Ihm zum Nächsten empfindet als erstes das Bedürfnis nach dem Herrn und nach allem dem, was des Herrn ist. Wir schauen alle unsere Nächsten mit der Liebe zum Herrn an und sehen da in ihnen viel mehr, als was wir ehedem gesehen haben. Wir sehen große Sonnen in unseren Nächsten flammen, aus deren Lichte sich fortwährend neue herrliche Formen gleich wunderbaren Schöpfungen Gottes entwickeln. (2.GS 5,5;11-15)

 

Die Liebe zu Gott“, sagt Jesus, „und die freiwillige Befolgung Seines erkannten Willens sind das eigentliche Element der Himmel im Menschenherzen. Es ist das die Kammer und die Wohnstube des göttlichen Geistes in einem jeden Menschenherzen; die Nächstenliebe aber ist das Tor in diese heilige Wohnstube.

 

Dieses Tor muss ganz geöffnet sein, damit Gottes Lebensfülle in solche Stube einziehen kann, und die Demut, Sanftmut und Geduld sind die drei weit geöffneten Fenster, durch die vom mächtigsten Lichte aus den Himmeln die heilige Wohnstube Gottes im Menschenherzen allerhellst erleuchtet und mit aller Lebensfülle aus den Himmeln durchwärmt wird.

 

Alles liegt demnach an der freien und freudigst offensten Nächstenliebe.“ (3.GEJ 241,8-10)

 

Betätigen wir uns in der Nächstenliebe, so öffnen wir das Tor zu unserer Herzenskammer. Steht Jesus nicht schon lange vor der Tür und klopft an? Je mehr wir aus der Liebe zum Herrn in der Nächstenliebe tätig sind, umso weiter öffnen wir dieses Tor, so dass der Gottesgeist der Liebe einziehen kann. Führen wir dazu noch die Nächstenliebe mit Demut, Sanftmut und Geduld aus, so öffnen wir noch die Fenster dieser Herzenswohnung, so dass das Licht aus den Himmeln sie durchfluten und erleuchten kann.

 

Darum aber empfahl Ich euch“, sagt Jesus, „vor allem die Nächstenliebe, die da kommt aus der Liebe zu Gott! Denn diese allein vermag aus eurer gänzlichen Verkehrtheit wieder Menschen in Meiner Ordnung zu machen!“ (4.GEJ 220,5)

 

 

4. Nichts steht höher, als die wahre, tätige Liebe

 

Jesus sagt: „Der Mensch fange an, sich in allen sinnlichen Weltgelüsten zu verleugnen! Er werde voll Demut, Sanftmut, Geduld, Liebe und Erbarmung gegen seine Nebenmenschen, so wird er daraus auch werden voll Liebe zu Gott!“ (7.GEJ 103,9)

 

Die Liebe lehrt dich, allen Wesen wohlzutun und sie so glücklich als möglich zu machen. Die Demut lehrt dich, klein zu sein und sich über niemanden – möchte er noch so unbedeutend scheinen – hochmütig zu erheben, sondern sich selbst stets als den Geringsten zu betrachten. Und die Sanftmut (und Geduld) lehrt dich, jedermann stets gleich wohlwollend zu ertragen und aus dem innersten Herzensgrunde bemüht zu sein, jedem zu helfen, wo es ihm nottut. Und das allzeit durch jene sanftesten Mittel, durch die ja niemand im Geringsten in seiner Freiheit beirrt werden kann.“ (BM 50,13)

 

Aber solches nur zu wissen und noch so lebendig zu glauben, genügt bei weitem noch lange nicht, sondern man muss das vollauf tun in allen noch so schwierigen Lebensverhältnissen und muss sich darin zu jeder Zeit üben; denn nur eine unausgesetzte fleißige Übung macht aus dem Jünger erst einen Meister!“ (5.GEJ 72,14)

 

Wie aber kann der Mensch in sich erfahren, dass er in der reinen Liebe nach der göttlichen Ordnung sich ganz getreulich befindet?

 

Jesus sagt: „Der Mensch prüfe sich, so er einen armen Bruder oder eine arme Schwester sieht oder diese gar zu ihm um einen Beistand kommen, ob es ihn in seinem Herzen ganz offenliebig zum Geben freudigst und maßlos, seiner selbst ganz vergessend drängt! Verspürt er solches in sich, und das natürlich ganz vollkommen ernstlich und lebendig, so ist er als ein wahres Gotteskind schon reif und fertig.“ (3.GEJ 241,5-6)

 

Darum sei euer Forschen vor allem nach dem Elend eurer armen Brüder und Schwestern gerichtet; denen bringet Hilfe und Trost! Da werdet ihr in einem Bruder, dem ihr geholfen habt, mehr finden, als so ihr alle Sterne bereist hättet und Mich gepriesen mit Zungen der Seraphim!

 

Wahrlich, Ich sage es euch, alle Engel, alle Himmel und alle Welten mit all ihrer Weisheit können euch nicht geben in Ewigkeit, was ihr erreichen könnet, so ihr einem Bruder, der im Elende war, wahrhaft geholfen habt nach aller eurer Kraft und nach allen euren Mitteln! Nichts stehet höher und näher bei Mir denn allein nur die wahre, tätige Liebe!“ (4.GEJ 1,11-12)

 

 

5. Wer ist mein Nächster?

 

Wenn wir uns in der wahren Nächstenliebe betätigen wollen, dann müssen wir zuerst einmal gründlich verstehen, wer eigentlich unser Nächster ist.

 

Die Pharisäer legten das Gebot der Nächstenliebe so aus, dass sie nur die Verwandten, Freunde und Volksgenossen für ihre Nächsten hielten, die geliebt werden sollten, der Feind aber sollte gehasst werden.

 

Deswegen sagte Jesus: „Ihr habt gehört, dass gesagt ist: ‚Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen.‘ Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Denn wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Lohn werdet ihr haben? Tun nicht die Zöllner dasselbe? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr Besonderes? Tun nicht dasselbe auch die Heiden? Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!“ (Math. 5,43-48)

 

Ein Pharisäer fragte einst Jesus: „Da man schon den Nächsten wie sich selbst lieben soll, so fragt es sich denn, wer so ganz eigentlich mein Nächster ist.“

 

Sagte Jesus: „Zuerst ein jeder Mensch, der irgend möglich deiner Hilfe bedarf, und zum zweiten dann auch jeder Fremde, ob er auch ein Heide wäre vom Ende der Welt her. Ich will euch aber ein Gleichnis geben, nach dem ihr dann urteilen möget, wer ein ganz rechter Nächster zu euch ist.“ (6.GEJ 206,21-24)

 

Hierauf erzählte ihm Jesus das Gleichnis vom barmherzigen Samariter und deutete damit an, dass verunglückte Menschen, auch wenn sie Feinde sind, zunächst unsere Nächsten sind, denen wir helfen sollen.

 

Jesus zählt bei der Scheidung der Schafe von den Böcken beim Jüngsten Gericht noch andere auf, die zunächst unsere Nächsten sind:

 

Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich getränkt. Ich bin Gast gewesen, und ihr habt mich beherbergt.

 

Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich bekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht. Ich bin gefangen gewesen, und ihr seid zu mir gekommen.“ (Math. 25,33-36)

 

Die Gerechten aber sind sich dessen nicht bewusst und fragen Jesus, wann sie ihm das alles getan hätten. Und Jesus sagt zu ihnen: „Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan!“ (Math. 25,40)

 

Die Nächstenliebe ist somit gleich der Gottesliebe, denn was jemand den geringsten Brüdern getan hat, das hat er Gott getan.

 

Bei der Einladung zu einem Mahl zählt Jesus Freunde, Verwandte und reiche Nachbarn, welche die Einladung vergelten können, nicht zu den ersten Nächsten und sagt: „Wenn du ein Mahl machst, so lade Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde ein, dann wirst du selig sein, denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten; es wird dir aber vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten.“ (Luk. 14,12-14)

 

Menschen, die von einem Unglück getroffen wurden oder sonst in eine Not gerieten, muss als erstes geholfen werden. Deshalb sind diese die Nächsten derjenigen, die in der Lage sind, den Unglücklichen zu helfen. Reiche sind gegen Reiche keine Nächsten, ebenso Arme nicht gegen Arme.

 

Reiche gegen Reiche“, sagt Johannes, „können sich nur dann als Nächste betrachten, wenn sie sich zu gleich guten, Gott wohlgefälligen Zwecken vereinen. Arme aber sind sich ebenfalls nur dann als Nächste gegenüberstehend, so sie sich ebenfalls nach Möglichkeit in der Geduld und in der Liebe zum Herrn wie unter sich brüderlich vereinen.“ (2.GS 104,11)

 

Der Reichen Nächste sind zuerst immer die Armen und vom Unglück Betroffene. Bei den Starken sind es die Schwachen und bei den Eltern die Kinder. (2.GS 104,12)

 

Dass sich die Reichen“, sagt Johannes, „nicht gegenseitig als die Nächsten betrachten sollen, erhellt daraus, wie der Herr spricht, dass die Reichen nicht wieder Reiche zu Gaste laden und ihr Geld nicht wieder den Reichen leihen sollen, wie auch daraus, dass Er dem reichen Jünglinge nicht geboten hat, seine Güter an die Reichen, sondern an die Armen zu verteilen.

 

Wenn aber irgendein Reicher sagen möchte: Meine Allernächsten sind doch meine Kinder, da sage ich: Mitnichten! Denn der Herr nahm nur ein armes Kind, das am Wege bettelte, auf und sprach: wer ein solches Kind in Meinem Namen aufnimmt, der nimmt Mich auf! Mit Kindern der Reichen hat der Herr nie etwas zu tun gehabt.

 

Aus dem Grunde begeht der Reiche, wenn er ängstlich für seine Kinder sorgt, eine gar starke Sünde gegen die Nächstenliebe. Der Reiche sorgt dadurch für seine Kinder am besten, wenn er für eine dem Herrn wohlgefällige Erziehung sorgt und sein Vermögen nicht für seine Kinder spart, sondern es zum allergrößten Teile den Armen zuwendet.“ (2.GS 104,18-20)

 

Was für Nächste haben aber die gewöhnlichen Menschen, die normalerweise nicht in die Lage kommen, einem Verunglückten oder Hungrigen zu begegnen? – Da dehnt Jesus die Nächstenliebe sehr weit aus, nämlich bis auf die Feinde, und damit sind auch kleine Feindschaften und Streitigkeiten z.B. mit den Nachbarn oder innerhalb der Familie gemeint. Statt den Feind zu hassen, soll er geliebt werden und wird man selbst von jemanden gehasst, so soll man diesem Gutes tun und die segnen, von denen man verflucht oder beschimpft wird. (Luk. 6,27-28)

 

Aus all dem geht hervor, dass alle Menschen sich gegenseitig als Nächste betrachten können, je nachdem, ob jemand an irgendetwas einen Mangel hat und ein anderer hat genau an dem einen Überfluss und kann damit den Mangel beheben.

 

Euer Nächster ist ein jeder Mensch“, sagt Jesus, „ob Freund oder Feind, so er eurer Hilfe in was immer für einer guten, den Geboten Gottes gemäßen Art bedarf; es versteht sich aber von selbst, dass ihr dem, der Handlungen wider Gottes Gebote begeht, dazu nicht behilflich sein, sondern ihn davon abhalten sollet. So ihr das tut, dann übet ihr auch die Nächstenliebe aus, und euer Lohn im Himmel wird groß sein.“ (10.GEJ 139,3

 

 

6. Kann ein Nächster wie sich selbst geliebt werden?

 

Darf ich einen Nächsten überhaupt wie mich selbst lieben? – Ist nicht die Selbst- oder Eigenliebe ein Laster, die ein jeder bei sich selbst überwinden soll? – Wenn ich mich selbst nicht lieben darf, so dürfte ich ja dann auch meinen Nächsten nicht lieben. Demnach hieße ja „den Nächsten wie sich selbst lieben“ den Nächsten gar nicht lieben, weil man sich selbst ja auch nicht lieben soll. (2.GS 103,1)

 

Johannes aber sagt:

 

Eines jeden Menschen Eigenliebe macht so viel als sein eigenes Leben selbst aus. So versteht sich… die natürliche Eigenliebe von selbst, denn keine Eigenliebe haben, hieße so viel als kein Leben haben!

 

Es handelt sich hier demnach darum, den Unterschied zwischen der gerechten und ungerechten Eigenliebe zu erkennen.

 

`Gerecht‘ ist die Eigenliebe, wenn sie nach den Dingen der Welt kein größeres Verlangen hat, als was ihr das rechte Maß der göttlichen Ordnung zugeteilt hat, welches Maß in dem siebenten, neunten und zehnten Gebote hinreichend gezeigt wurde. Verlangt die Eigenliebe über dieses Maß hinaus, so überschreitet sie die bestimmten Grenzen der göttlichen Ordnung und ist beim ersten Übertritte schon als Sünde zu betrachten. Nach diesem Maßstabe ist demnach auch die Nächstenliebe einzuteilen; denn so jemand einen Bruder oder eine Schwester über dieses Maß hinaus liebt, so treibt er mit seinem Bruder oder mit seiner Schwester Abgötterei und macht ihn dadurch nicht besser, sondern schlechter.“ (2.GS 103,2-4)

 

Johannes zeigt uns, dass jeder Mensch ein gerechtes Maß an Eigenliebe haben muss und mit dieser sorgt er für die Erhaltung seines eigenen Lebens.

 

Jedes Übermaß sowohl der Eigen- als auch der Nächstenliebe ist vor Gott ungerecht. Den Nächsten wie sich selbst lieben heißt deshalb auch: Dem Nächsten nicht mehr geben oder tun, als was einem jeden Menschen nach der göttlichen Ordnung zusteht. (2.GS 103,12-13)

 

Ich will dir ein Maß geben“, sagt Jesus, „nach welchem du und ein jeder wissen soll, wie er mit der Eigenliebe stehen soll, wie mit der Liebe zum Nächsten und wie mit der Liebe zu Gott.

 

Nimm die Zahl 666, die in guten und schlechten Verhältnissen entweder einen vollendeten Menschen oder einen vollendeten Teufel bezeichnet!

 

Teile du die Liebe im Menschen gerade in 666 Teile; davon gib Gott 600, dem Nächsten 60 und dir selbst 6! Willst du aber ein vollendeter Teufel sein, dann gib Gott sechs, dem Nächsten sechzig und dir selbst sechshundert!

 

Ein jeder Mensch hat und muss einen gewissen Grad von Eigenliebe haben, ansonsten er nicht leben könnte, – aber, wie gezeigt, nur den möglich geringsten Grad; ein Grad darüber hebt schon das rein menschliche Verhältnis auf, denn es ist die Sache in der göttlichen Ordnungswaage auf ein Haar abgewogen!“ (2.GEJ 77,1-3;6)

 

Ein jeder Mensch, der in irgendetwas deiner Hilfe bedarf, ist dein Nächster; und so du ihm hilfst, da bist auch du sein Nächster. Und so du ihm geholfen hast, da hast du ihn als deinen Nächsten auch geliebt wie dich selbst; denn die wahre Nächstenliebe besteht eben darin, dass ihr euren Nebenmenschen alles das tuet, was ihr vernünftigerweise wünschen könnet, dass sie im Notfalle auch euch tun möchten.“ (8.GEJ 63,13)

 

 

7. Die Verschiedenheit der Begabungen

 

Es wird vielleicht der eine oder andere schon mal gedacht haben: „Ach, warum habe ich nicht auch so eine hervorragende Begabung, wie sie der andere hat?“

 

Doch Raphael sagt:

 

Ebenso könnten sich ja auch deine Füße gegenüber deinen Händen tiefst beklagen und sagen: ,Warum sind denn gerade wir, so gut Fleisch und Blut als ihr, euch herumzutragen verdammt, während ihr euch ohne Mühe in der freien Luft gar lustig herumbewegen könnet?‘

 

Und so könnten noch eine Menge anderer Glieder des Leibes gegen das Haupt eine ganz gerecht scheinende Klage erheben; aber wer würde da die Dummheit einer solchen Beschwerde nicht augenblicklich einsehen?

 

Sieh, in gleicher Weise hat der Herr denn auch die Menschen dieser Erde mit verschiedenen Fähigkeiten begabt, einige mit größeren und einige mit minderen; aber keinem ist das Tor in den großen Tempel der Vollendung verschlossen, sondern einem jeden der Weg gegeben, und es kann sich demnach niemand beschweren und sagen: ,Herr, warum gabst Du denn nicht auch mir die Talente, deren sich mein Bruder im Vollmaße zu erfreuen allen Grund hat?!‘ Denn da würde der Herr zu ihm sagen: ,Fühlst du einen Mangel, so gehe zu deinem Bruder, und er wird dir aushelfen! Hätte Ich allen Menschen ein Vollgleiches gegeben, da hätte keiner gegenüber dem andern einen Mangel, der Bruder würde des Bruders nimmer benötigen! Womit sollte dann die alles belebende Nächstenliebe im Menschen er-weckt und gestärkt werden?‘

 

Was wäre aber ein Mensch ohne die Nächstenliebe, und wie würde er ohne diese dann erst die reine Liebe zu Gott finden, ohne die an ein ewiges Leben der Seele gar nicht zu denken ist?!

 

Siehe, damit ein Mensch aber dem andern dienen und sich dadurch dessen Liebe erringen könne, muss er ja doch irgendetwas zu leisten imstande sein, was ein anderer nicht so leicht kann, weil ihm dazu die erforderlichen Talente mangeln; dadurch aber wird dann ein Mensch dem andern zu einem Bedürfnisse, und durch den gegenseitigen nötigen Dienst wird die Liebe zunächst erweckt und durch das Gute solcher gegenseitigen Dienstleistung stets mehr und mehr gestärkt.“ (3.GEJ 79,14-18)

 

Wenn der Leib ganz gesund ist, so ist auch ein jeder seiner Teile und Glieder ganz vollkommen mit seiner Stellung, Lage, Bestimmung und Eigenschaft zufrieden und wünscht sich ewig keinen Umtausch.

 

Und sehet, ebenso steht es in der Gesellschaft der Menschen und Geister, die in ihrer Gesamtheit auch einem Menschen gleicht! Da vertritt ein Teil die Augen – das sind die Seher –, ein Teil die Ohren – das sind die Vernehmer –, ein Teil die Hände – das sind die Tatkräftigen –, ein Teil die Füße – das sind die stets zum höheren Licht vorwärts Schreitenden –, ein Teil das Herz – das sind die Mächtigen in der Liebe –, ein Teil den Magen – das sind die Aufnehmer vom Guten und Wahren aus Gott, die dadurch die ganze Gesellschaft ernähren –, ein Teil ist wieder gleich dem Gehirne – das sind die Weisen, die da gleichfort die ganze Gesellschaft ordnen –, und so geht das vom Kleinsten bis zum Größten ins Unendliche fort, und jedes noch so geringe Glied, und jede einzelne Fiber der Gesellschaft ist in seiner Art vollkommen mächtig und selig und teilhaftig der Fähigkeiten und Eigenschaften der ganzen Gesellschaft, gleichwie da auch deine Füße vollkommen teilhaftig sind des Lichtes deiner Augen und deine Augen der Fähigkeit deiner Füße. Es freut sich dein Auge, dass es samt dem ganzen Leibe von den Füßen dahin weitergetragen wird, wo es neue Wunder und Dinge erschaut und sich im Verstande und Herzen darüber erfreut; aber diese Freude wird dann auch dem Fuße also mitgeteilt, als wäre der Fuß selbst vollkommen das Auge, das Ohr, der Verstand und das Herz selbst!“ (7.GEJ 152,10-11)

 

Es wird niemand von ein oder dem andern Talente gänzlich ausgeschlossen“, sagt Jesus, „sondern der Unterschied besteht nur in dem Überwiegen eines oder des anderen Talentes bei dem einen oder anderen Menschen. – So der Mensch aber übergeht ins geistige Leben, da wird dann auch das hervorstehende Talent zuerst geweckt.

 

Durch die wahre Demut und Liebe zu Mir aber kann jeder sein angeerbtes Talent erhöhen bis ins völlig geistige Leben! – Jedoch hat darum keiner etwas vor dem anderen; sondern, dass er mit seinem besonderen Talente seinen Brüdern in aller Liebe dienen könne und solle – darum wird jedem auch Besonderes gegeben!

 

Denn hätte da jeder ein völlig Gleiches empfangen und wäre somit gleichvermögend – denke! – würde da wohl ein Bruder zum andern gehen und sich von ihm einen Dienst erbitten? – O siehe, das würde da wohl keiner tun; denn er wäre ja ohnehin mit allem versorgt!

 

Da aber zufolge Meiner Liebe in der ganzen Unendlichkeit kein Wesen vollkommen mit allen Talenten versorgt ist, so ist eben die Ermangelung an einem oder dem andern Talente ja das schönste und haltbarste Band der gegenseitigen Liebe, durch welches ein Bruder dem andern notwendig wird und sich an ihn anschmiegen muss, um sich des Talentes des Bruders bedienen zu können.“ (2.Hi. Seite 95,1-4)

 

 

8. Die Reichen und ihre Nächsten

 

In diesem irdischen Leben haben es so manche Menschen verstanden und verstehen es immer noch, sich durch ihre Klugheit und mit Hilfe irdischer Gesetze und Regelungen die Güter und Schätze dieser Welt mehr anzueignen, als es die meisten verstehen. So sind Superreiche, Reiche, Arme und Bettelarme entstanden, und so können die einen in Saus und Braus leben, während die anderen Mühe haben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, besonders zur Zeit Jesu, als es noch keine Altersrente und kein Sozialamt gab.

 

So die Reichen und Mächtigen alles an sich ziehen“, sagt Jesus, „so müssen dadurch dann ja auch gar viele tiefst verarmen und in allem Elende und großer Not ihr Leben dahinbringen, weil alles nur den wenigen Reichen und Mächtigen, den Armen aber nichts gehört – außer was ihnen die Reichen und Mächtigen für die für sie verrichtete schwere Arbeit kärglichst geben wollen.“ (8.GEJ 182,8)

 

Ihr wisset es, dass ein Mensch, der an irdischen Gütern reich geworden, zumeist auch in seinem Herzen zu einem Steine von Gefühl- und Lieblosigkeit ward. Was kümmern den viele Tausende anderer Menschen, die von Hunger, Durst und noch andern Übeln gequält werden; denn er ist einmal bestens versorgt, hat nie Hunger und Durst gefühlt und hat der Schätze in Hülle und Fülle, um sich auch ein jedes andere Vergnügen zu verschaffen, damit er ja in einem fort niemals irgend je von einer Langweiligkeit oder von einem andern Missbehagen etwas zum Verkosten bekomme.“ (8.GEJ 182,1)

 

Die Armen sehet ihr nicht“, sagt Jesus zu den Reichen, „die Kranken nicht, und die Bresthaften auch nicht, auch die Hungrigen nicht, und die Durstigen nicht! Es ist ja also, dass derjenige, der mit einem vollen Bauche herumgeht, nicht im Geringsten verspürt, wie es den Armen vor Hunger schmerzt und brennt im Magen! So auch verspüret ihr, die ihr gut bekleidet seid, so da der Winter kommt, nichts von der Kälte; denn ihr habt ja Mittel in großer Menge, euch den Winter angenehmer als den heißen Sommer zu machen. Und so euch ein Halbnackter unterkommt, bebend vor Frost, und klagt euch seine Not und bittet euch um ein erwärmendes Gewand, so ärgert euch das, und ihr gebet ihm scheele Worte und sagt: ,Gehe hinweg, du fauler Mensch! Hättest du gearbeitet im Sommer, so dürftest du im Winter nicht Not leiden! Zudem ist es auch nicht so kalt, und man muss als Bettler nicht gar so weichlich und empfindlich sein!‘

 

Aber der Bettler sagt: ,Herr, ich habe den ganzen Sommer und Herbst gearbeitet, aber meiner schweren Arbeit Lohn war nicht der tausendste Teil von dem, was mein Herr gewann aus meiner Arbeit; daher kann mein Arbeitsherr wohl im Winter warm bekleidet einhergehen, wir aber, seine schlecht bezahlten Arbeiter, die wir den geringen Lohn schon im Sommer gar leicht verzehren konnten, leiden nun im Winter, – nicht, als hätten wir im Sommer nicht gearbeitet, sondern nur, weil wir einen zu geringen Lohn hatten. Der Gewinn der Herren ist unsere Not!‘

 

Sehet, das ist die Sprache des Bettlers, abgesehen von dem, dass es mitunter wohl auch hie und da unter den vielen Bettlern einige Sünder gibt, die ihre Armut verdient haben!“ (1.GEJ 124,5-7)

 

Dem reichen Jüngling sagte Jesus: „Verkaufe, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach!“

 

Da der Jüngling das Wort hörte, ging er betrübt von ihm, denn er hatte viele Güter. Jesus aber sprach zu seinen Jüngern:

 

Wahrlich, ich sage euch: Ein Reicher wird schwer ins Himmelreich kommen.

 

Und weiter sage ich euch: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.“ (Math. 19,21-24)

 

Lazarus war einer der reichsten Männer im Judenlande, aber er gebrauchte den Reichtum nicht für sich, sondern für viele tausend Arme, die bei ihm Arbeit und ein gutes Unterkommen fanden. Jesus belobte ihn deswegen und riet ihm, dass er noch mehr Güter kaufen solle, denn Lazarus häufte seinen Reichtum nicht zusammen, um ihn für sich zu benutzen, sondern tat viel Gutes damit und vielen Armen linderte er ihre Not. (6.GEJ 227, 9-14)

 

Was er (der Reiche) aber an sich zieht, das empfängt er nicht, dass er es zusammenhäufe, sondern dass er es klug und weise benütze zum eigenen und der anderen Besten. Du wirst finden der wahrhaft Armen die Menge; deren Not solle erquicken dein Herz, weil dir nun die Mittel geistig und leiblich gegeben sind, solche Not zu lindern und fröhlich zu machen das traurige Herz des armen Bruders!“ (2.GEJ 186,7)

 

Fraget den Armen, bevor ihr ihm etwas gebet, aber ja nicht: „Wie bist du in dieses Elend gekommen? Warum hast du zu rechter Zeit nicht gearbeitet und gespart?!“ Oder: „Warum hast du, da deine Vermögensumstände sich schon anfangs so kärglich zeigten, dir noch dazu ein Weib genommen und hast zum größten Nachteile für deine Existenz mit demselben noch Kinder gezeugt?“ und dergleichen lieblose Fragen noch mehr.

 

Wahrlich, wahrlich, wer solches tut, der ist es, der da von Meiner Haushaltung Rechnung verlangt! Wer aber von Mir Rechnung verlangt und Mich in Meinem Armen richten will, von dem werde auch Ich, als der ewig allmächtige Gott und Herr alles Lebens und Todes, zu seiner Zeit eine Rechnung verlangen.“ (2.Hi. Seite 305,3-4)

 

Seid in der Folge mit euren Erdengütern nur Meine Sachwalter, und Ich werde euch dafür geben das ewige Leben; denn Ich habe die Macht dazu und kann es geben, wem Ich es will!“ (8.GEJ 182,10)

 

Wenn ihr unter euch Arme habt, so sage Ich es euch allen: Ihr brauchet ihnen nicht zu geben, dass auch sie reich würden; aber Not sollet ihr sie nicht leiden lassen! Die ihr sehet und kennet, denen helfet nach Recht und Billigkeit! Es wird aber noch gar viele geben auf dieser weiten Erde, die gar entsetzlich arm sind und eine übergroße Not leiden. Allein ihr kennet sie nicht und vernehmet auch nicht ihr Jammergeschrei; darum lege Ich sie euch auch nicht ans Herz, sondern die nur, die ihr kennet und die irgend zu euch kommen.“ (4.GEJ 79,4)

 

Durch Fernsehen und Zeitungen vernehmen wir heute auch das Jammergeschrei der Notleidenden auf der ganzen Welt, und so sind sie uns vom Herrn aus heute auch ans Herz gelegt worden. Ein Armer oder ein in eine Not geratener Mensch muss sich aber auch bemerkbar machen, damit ihm ein Reicher zur Hilfe kommen kann.

 

Jesus sagt: „Frage sie und dein Herz, ob sie etwas verlangen, und ob dein Herz völlig zu geben bereit ist! Verlangen sie, und dein Herz will geben, so gib! Denn siehe, auch das ist eine Hauptregel der wahren Nächstenliebe! Der Nächste muss verlangen, entweder durchs vernehmbare Wort, durch Hilferuf, oder im schlimmsten Falle durch leicht ersichtliche stumme Not, und dein Herz muss alsogleich aus Liebe fest wollen, danach tätig zu sein; dann ist die Nächstenliebe wahrhaft in der göttlichen Ordnung ausgeübt worden, und die Wirkung davon für die Seele und für den Geist des Gebers wird da nicht unterm Wege verbleiben.“ (2.GEJ 236,3)

 

Als Jesus mit seinen Jüngern unterwegs war, da saßen zwei Professionsbettler am Wege und baten um ein Almosen.

 

Jesus sagte zu ihnen: „Es ist nicht fein von euch, hier zu betteln; denn ihr habt keines Almosens vonnöten! Warum habt ihr denn eure Häuser und Gründe in der Nähe von Samaria um ein teures Geld verpachtet und habt dann das Geld mit Wucher in die Wechselbank gelegt und seid reiche Leute geworden und bettelt nun in armer Kleidung auf fremdem Boden, auf dass ihr eure großen Wucherzinsen ersparet und dabei den wahren Armen dieser Gegend das ihnen Gebührende entzieht! Habt ihr als Juden denn nicht aus dem Gesetze vernommen, dass man Gott über alles und seinen Nächsten wie sich selbst lieben soll? Heißt das aber nach dem Gesetz leben und handeln, wenn man also tut wie ihr nun? Erhebet euch von diesem Platze, ihr beiden Heuchler und Betrüger, sonst soll es euch übel ergehen!

 

Nur wer wahrhaft arm und auch keiner Arbeit mehr fähig ist wegen seines hohen Alters oder wegen Lähmung seiner Glieder oder seiner Sinne, der hat von Gott aus das Recht, die Barmherzigkeit seiner reicheren Mitmenschen in Anspruch zu nehmen. Und wer ihm etwas gibt, dem wird es Gott auch vergelten, und dem Beteilten wird Er die Gabe segnen und ihm auch den Lohn geben für seine Geduld, mit der er seine wahre Armut ertragen hat. So aber Gott auch dem, der in seiner Unwissenheit euch irgendein Almosen verabreicht hat, indem er euch für wirkliche Arme hielt, seine Barmherzigkeit belohnen wird, da wird Er euch als Betrüger und Heuchler desto mehr und schärfer züchtigen hier und jenseits.“ (8.GEJ 159,10-12)

 

Aber es gibt auch der Armen so manche, die da zu dem gutherzigen Reichen kommen und ihn um ein Almosen bitten; und haben sie eins bekommen, so vergeuden sie es und sind obendrauf oft noch höchst undankbar gegen ihren Wohltäter. Allein daraus mache sich kein Wohltäter etwas; denn je weniger Dank ihr auf dieser Welt einernten werdet, desto größer wird euer Lohn jenseits sein; denn dadurch zeigen solche Reichen erst, dass sie Gott ähnlich sind, der auch Seine Sonne über Gute und Böse aufgehen und scheinen lässt.

 

So aber zu dir Reichem einer kommt, dem du schon einige Male Gutes getan hast, der aber deine Güte missbrauchte, so ermahne ihn mit guter Rede; aber die Liebe enthalte ihm nicht vor! Bessert er sich, so hast du an ihm ein doppelt gutes Werk getan; bessert er sich nicht, so werde ihm darum nicht gram, – denn neben der physischen Armut gibt es auch eine geistige, die stets größer und bedauerlicher ist als die physische.“ (6.GEJ 227, 16; 18)

 

Soll die Lieblosigkeit der Menschen denn fort und fort wuchern auf dieser Erde?“ lautet die Frage, und Jesus antwortet: „Nein, sage Ich dir, das sei ferne! Aber sieh, es muss nach dem weisen Ratschlusse Gottes alles seine Zeit haben auf dieser Erde, auf der die Menschen zur wahren Kindschaft Gottes reif werden sollen! Es hat somit der Reiche seine Zeit, reich zu sein und mit seinem Überflusse den Armen Barmherzigkeit zu erweisen, und der Arme hat seine Zeit, sich in der Geduld und Selbstverleugnung zu üben und seine Not und sein Elend Gott aufzuopfern, und Gott wird dem Armen bald auf die für sein Seelenheil beste Art helfen und eben also den harten Reichen zur rechten Zeit züchtigen. Denn es ist der Reiche wie der Arme zur Kindschaft Gottes berufen.“ (7.GEJ 92,7)

 

Diese Erde ist die Schule, die Gott so eingerichtet hat, dass ihre Bewohner die Gelegenheit haben, Kinder Gottes werden zu können, wenn sie die vielen Gelegenheiten nutzen, die sich ihnen oftmals bieten.

 

Reich sein auf dieser Erde“ sagt Jesus, „und für sich nur so viel verwenden, als man zur Erhaltung seiner selbst höchst nötig braucht, also karg sein gegen sich, um desto freigebiger gegen die Armen sein zu können, dies, dies ist die größte Gottähnlichkeit schon im Fleische dieser Erde! Aber je größer diese echte und allein wahre Gottähnlichkeit bei einem Menschen ist, desto mehr Segen und Gnade fließen ihm auch stets aus den Himmeln zu!“ (3.GEJ 192,11)

 

Seid denn stets voll Liebe, Sanftmut, Demut, Erbarmung und Gerechtigkeit und Wahrheit gegen jedermann, und Ich werde desgleichen sein gegen euch! Werdet nicht harthörig und hartherzig gegen die Stimme der Armut, sowohl dem Geiste als auch dem Leibe nach, und Ich werde imgleichen es auch nicht sein gegen euch, so ihr in irgendeiner Not eure Stimme zu Mir erheben werdet. Mit dem Maße ihr ausmessen werdet, mit demselben Maße wird es euch wieder zurückgemessen werden.“ (10.GEJ 139,8)

 

Nicht nur die Reichen sollen der Armen gedenken, sondern auch diejenigen, die nicht so viel besitzen.

 

Wer viel hat“, sagt Jesus, „der gebe auch viel, und wer wenig hat, der teile auch das wenige mit seinem noch ärmeren Nächsten, so wird er sich dadurch Schätze im Himmel sammeln!“ (7.GEJ 85,6)

 

Gebet gerne und gebet reichlich; denn wie ihr da austeilet, so wird es euch wieder zurückerteilt werden! Wer ein Hartherz besitzt, das wird von Meinem Gnadenlichte nicht durchbrochen werden, und in ihm wird wohnen die Finsternis und der Tod mit all seinen Schrecken!

 

Aber ein sanftes und weiches Herz wird von Meinem Gnadenlichte, das gar zarter und übersanfter Wesenheit ist, gar bald und leicht durchbrochen werden, und Ich Selbst werde dann einziehen in ein solches Herz mit aller Fülle Meiner Liebe und Weisheit.“ (4.GEJ 79,7-8)

 

Glaubet ja nicht, dass jemand schon dadurch sogleich ins Himmelreich eingehen wird, so er auch sein ganzes Vermögen an die Armen verabreicht hätte, und würde aber dennoch bei sich gedenken und sagen: „Herr! Wie ich barmherzig war, also sei auch Du barmherzig gegen mich!“ Wer also spricht, dem fehlt noch ziemlich viel vom Reiche Gottes; denn da sind er und Christus noch nicht eins, sondern offenbar zwei, wo der eine dem andern gewisserart billige Bedingungen vorschreibt.

 

Der Ärmste unter euch Menschen bin immer Ich, oder auf Deutsch gesprochen: Am dürftigsten und am ärmsten ist bei jedem Menschen die eigentliche Lebenskraft seines Herzens. Diese muss zuerst gehörig reichlich dotiert werden, wenn eine andere Dotation nach außen einen Wert haben soll; oder euer Herz muss vollends lebendig werden aus der Liebe zu Mir. Ich Selbst muss eure ganze Liebe ausmachen; dann erst könnet ihr aus dieser Liebe wahrhaft Verdienstliches zum ewigen Leben wirken, und das darum, weil da das Verdienstliche allein Mir zukommt. Ihr aber bleibet bloße reine Konsumenten Meiner Liebe, Gnade und Erbarmung.

 

Denn sobald noch jemand sagt: „Ich habe getan, und ich habe gegeben!“, da ist er noch ferne von dem, der da spricht: „Ich bin allzeit ein fauler und unnützer Knecht gewesen!“ und ist somit auch noch fern von Meinem Reiche. Nur wenn er in sich lebendig bekennt und spricht: „Herr, mein Gott und Vater! Ich bin in allem nichts, wie auch alle Menschen vor Dir gar nichts sind, sondern Du allein bist Alles in Allem!“, dann ist er Meinem Reiche nahe, und Mein Reich ist nahe zu ihm gekommen.“ (Ste. 30,14-16)

 

Wenn aber jemand seinem Nächsten eine Wohltat erweist, so tue er das im Stillen und mache darum nicht reden von sich und brüste sich nicht damit vor den Menschen! Denn wer das tut, der hat seinen geistigen Lohn bei Mir schon dahin genommen, dass er für seine edle Tat einen weltlichen Ruhm erhielt; dieser aber stärkt die Seele niemals, sondern verdirbt sie nur, weil er sie eitel und selbstgefällig macht.“ (6.GEJ 123,8)

 

Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, damit dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir‘s vergelten.“ (Math. 6,3-4)

 

 

9. Die Nächstenliebe

besteht nicht nur aus den Gaben

 

Nicht mit der Gabe nur werden die Werke der Nächstenliebe geübt“, sagt Jesus, „sondern vielmehr durch allerlei gute Taten und ehrliche und redliche Dienste, bei denen es am guten Willen natürlich nicht fehlen darf.

 

Denn der gute Wille ist die Seele und das Leben eines guten Werkes; ohne den hätte auch das an und für sich beste Werk gar keinen Wert vor dem Richterstuhle Gottes. Hast du aber auch ohne alle Mittel den lebendig guten Willen, deinem Nächsten, so du ihn in irgendeiner Not erschauest oder triffst, so oder so zu helfen, und es wird dir darum schwer ums Herz, so du solches nicht vermagst, so gilt dein guter Wille bei Gott um sehr vieles mehr als das Werk eines andern, zu dem man ihn durch was immer erst hat verlocken müssen.

 

Und hat ein Reicher eine ganz verarmte Gemeinde darum wieder auf die Füße gestellt, weil die Gemeinde ihm, so sie wieder wohlständig wird, den Zehent und eine gewisse Untertänigkeit zugesagt hat, so ist sein ganzes gutes Werk vor Gott gar nichts; denn er hat sich seinen Lohn schon genommen. Was er getan hat, das hätte des Gewinnes wegen auch ein jeder noch so wucherische Geizhals getan.

 

Du siehst daraus, dass vor Gott und zum Vorteile des eigenen inneren, geistigen Lebens ein jeder Mensch, ob er reich oder arm ist, die Nächstenliebe üben kann; es kommt nur auf einen wahrhaft lebendig guten Willen an, demnach ein jeder mit aller Hingebung gerne tut, was er nur kann.

 

Freilich wäre da der gute Wille allein auch nichts, so du ein oder das andere Vermögen wohl besäßest und es dir auch nicht am guten Willen fehlte, du nähmest aber dabei doch gewisse Rücksichten, teils auf dich selbst, teils auf deine Kinder, teils auf deine Anverwandten und teils noch auf manches andere, und tätest dem, der bedürftig vor dir steht, entweder nur etwas weniges oder mitunter auch gar nichts, weil man denn doch nicht allzeit wissen könne, ob der Hilfesucher doch nicht etwa ein fauler Lump sei, der der angesuchten Hilfe nicht würdig sei. Man täte da dann nur einen Lumpen in seiner Trägheit unterstützen und entzöge dadurch die Unterstützung einem Würdigeren! Kommt aber ein Würdigerer, so trägt man dann auch dieselben Bedenken; denn man kann es ja doch nicht mit völliger Bestimmtheit wissen, dass dieser ein völlig Würdiger ist!

 

Ja, Freund, wer sich beim Wohltun, selbst beim besten Willen, also besinnt, ob er etwas Erkleckliches tun solle oder nicht, dessen guter Wille ist und hat noch lange nicht das rechte Leben; darum zählen bei ihm weder der gute Wille noch die guten Werke etwas Besonderes vor Gott. Wo das Vermögen ist, müssen der Wille und die Werke gleich sein, sonst benimmt eines dem andern den Wert und die Lebensgeltung vor Gott.“ (4.GEJ 81,5-10)

 

Gehört nicht zur Nächstenliebe an erster Stelle, dass wir zu allen Menschen lieb und freundlich sind?

 

Aber da sagt Jesus: „Es ist bei weitem nicht genug, zu sagen: ,Ich liebe meine Nächsten und bin ihnen sehr freundlich!‘ Die wahre und vor Gott allein gültige Liebe muss in Werken bestehen, wenn die Nächsten derselben bedürfen, geistig oder leiblich.“ (3.GEJ 207,14)

 

Die Freundlichkeit ist wohl auch Liebe und gehört mit zur Nächstenliebe, aber sie allein genügt nicht, wenn ich weiß, dass sich jemand in einer Not befindet, und ich habe die Mittel dazu, seine Not zu lindern und bin wohl freundlich zu ihm, aber ohne ihm zu helfen.

 

Jesus sagt: „So Arme zu euch kommen und euch ihre Not klagen, so helfet ihnen nach eurer Kraft und nach eurem Vermögen.“ (10.GEJ 139,4)

 

Wer einem Durstigen in rechter Nächstenliebe aus seinem Brunnen auch nur einen Trunk frischen Wassers reicht, dem wird es jenseits vergolten werden; denn wer da seinem Nächsten Liebe erweist, der wird auch drüben Liebe finden. Es kommt hier wahrlich nicht darauf an, wieviel jemand gibt, sondern hauptsächlich darauf kommt es an, wie jemand seinem armen Nächsten etwas gibt. Ein aus wahrer Liebe freundlicher Geber gibt doppelt, und es wird ihm auch jenseits also vergolten werden.

 

Wenn du viel hast, so kannst du, wie gesagt, auch viel geben. Hast du das mit Freuden und mit vieler Freundlichkeit gegeben, so hast du dem Armen doppelt gegeben. So du aber selbst nicht viel hast, hast aber deinem noch ärmeren Nächsten dennoch auch von deinem Wenigen mit Freude und Freundlichkeit einen Teil gegeben, so hast du zehnfach gegeben, und es wird dir jenseits auch also wiedergegeben werden. Denn was ihr den Armen also tut in Meinem Namen, das ist so gut, als hättet ihr solches Mir Selbst getan.

 

Wollt ihr aber bei jeder Gabe und edlen Tat erfahren, ob und wie Ich Selbst daran ein Wohlgefallen habe, so sehet nur in das Antlitz dessen, dem ihr in Meinem Namen also, wie Ich's nun erklärt habe, Gutes erwiesen habt, und es wird euch den wahren Grad Meines Wohlgefallens klar und deutlich anzeigen.

 

Was die wahre Liebe tut, das allein ist vor Gott wohlgetan; was aber da irgend pur nach dem Maße des Verstandes getan wird, das hat wenig Wert für den Nehmer und noch weniger für den Geber. Ich sage es euch: Seliger ist es zu geben als zu nehmen.“ (7.GEJ 7,14-17)

 

Hat nicht der eine oder andere noch mehr Freude daran, wenn er etwas geschenkt bekommt, als wenn er jemandem etwas gegeben hat? Dann fühlt er sich seliger beim Nehmen als beim Geben. Aber so sollte es nicht sein. Er gibt wohl auch, wenn ein Mensch in eine Not geraten ist, aber in wahrer Liebe gegeben ist es nur, wenn er es mit Freude und Freundlichkeit gegeben hat.

 

Erweiset denn auch ihr schon jetzt auf dieser Erde“ sagt Jesus, „den Menschen um Meines Namens willen Liebe, und ihr werdet darob auch schon viele Seligkeiten zum Genusse bekommen; denn es ist das Geben um gar vieles seliger als das Nehmen!“ (9.GEJ 119,22)

 

Nur wer in wahrer Nächstenliebe gibt, der verspürt sogar schon hier auf der Erde den Lohn davon in seinem Herzen: Er wird mit großer Freudigkeit erfüllt und fühlt sich selig.

 

Also sollst du beim Geben oder Tun“, sagt Jesus, „auch nicht ernste und oft bittere Ermahnungen mitgeben; denn diese erzeugen bei dem armen Bruder oft eine bedeutende Traurigkeit, und er fängt dann an, sich im Herzen sehr danach zu sehnen, von dem ihn stets mit ernster Miene ermahnenden Wohltäter ja nichts mehr annehmen zu müssen. Den Wohltäter aber machen solche unzeitige Ermahnungen nicht selten so ein wenig stolz, und der Bewohltätigte fühlt sich dadurch zu tief unter die Füße des Wohltäters geworfen und fühlt dann erst so recht seine Not vor dem Wohlstande des Wohltäters, und da ist es, wo das Nehmen bei weitem schwerer denn das Geben wird.

 

Wer Vermögen und einen guten Willen hat, der gibt leicht; aber dem armen Nehmer wird schon beim freundlichsten Geber bange, so er sich durch seine Armut genötigt sieht, dem noch so freundlichen Wohltäter zur Last fallen zu müssen. Wie schwer muss ihm aber erst ums Herz werden, so der Wohltäter ihm mit einem grämlichen Gesicht entgegentritt und ihm noch vor der Wohltat mehrere weise Lehren zukommen lässt, die für den Bewohltätigten in der Zukunft zu schmerzlichen Hemmschuhen werden, in einem Notfalle noch einmal vor die Tür des Mahnpredigers zu kommen, weil er bei einem zweiten Kommen noch eine weisere, längere und somit eindringlichere Predigt erwartet, die nach seinem Verständnisse allenfalls so viel sagt als: ,Komme du mir ja nicht sobald – oder auch gar nie wieder!‘, obwohl der Geber sicher nicht und nie im entferntesten Sinne daran gedacht hat.

 

Eben darum aber hat ein freudiger und freundlicher Geber einen so großen Vorzug vor dem grämlichen Mahnprediger, weil er das Herz des Nehmers tröstet und erhebt und in eine dankbare Stimmung versetzt. Auch erfüllt es den Nehmer mit einem liebevollen und gedeihlichen Vertrauen gegen Gott und gegen Menschen, und sein sonst so schweres Joch wird ihm zu einer leichteren Bürde, die er dann mit mehr Geduld und Hingebung trägt, als er sie zuvor getragen hat.

 

Ein freudiger und freundlicher Wohltäter ist einem armen und notleidenden Bruder gerade das, was dem Schiffer auf sturmbewegtem Meer ein sicherer und freundlicher Hafen ist. Aber ein grämlicher Wohltäter in der Not gleicht nur einer dem Sturme weniger ausgesetzten Meeresbucht, die den Schiffer wohl vor einer gänzlichen Strandung sichert, aber ihn danebst stets in einer spannenden Furcht erhält, ob nicht eine unheimliche und sehr verderbliche Springflut die Bucht nach dem Sturme, wie es dann und wann geschieht, heimsuchen könnte, die ihm dann einen größeren Schaden bringen könnte als zuvor des hohen Meeres Sturm.“ (4.GEJ 81,15-18)

 

Wie oft, wenn jemand einem Notleidenden etwas gibt, wird es mit ernster oder sogar finsterer Miene gegeben. Da kann man annehmen, dass der Geber sich nicht gerne von dem Gegebenen getrennt hat. Da traut sich der Notleidende nicht so recht, die Gabe anzunehmen, erst recht nicht, wenn noch Ermahnungen mit hinzugegeben werden. Zum Geben gehört Freigebigkeit, Freudigkeit und Freundlichkeit, denn nur dann ist es von Herzen aus wahrer Nächstenliebe gegeben.

 

 

10. Ist die Pflichtgabe Nächstenliebe?

 

Jesus sagt: „Gebrauchet eure Glieder aus Meiner Liebe in euch zum Mir allein wohlgefälligen Bruderdienste, und Ich werde da die Werke eures Leibes ansehen als Werke der Liebe eures Geistes und werde euch dafür geben den verdienten Lohn!

 

Aber des seid vollkommen versichert: Mit euren Gliedern allein möget ihr alle nichts tun, das Mir wohlgefällig wäre, sondern nur allein mit eurem Herzen und dem lebendigen Geiste im selben!

 

Wahrlich, sage Ich nun euch allen, wer aber da gibt seinem Bruder ein Stück Brot, oder einen Apfel, eine Birne, eine Nuss, eine Traube, oder ein Schaf, oder eine Kuh, oder einen Stier, oder einen Esel, oder ein Kleid, oder ein Haus, gibt ihm aber dieses nicht aus dem Herzen, sondern aus einer gewissen notwendigen Pflicht, der hat vor Meinen Augen seinem Bruder nichts gegeben, und Ich werde seiner nimmer achten, noch seiner Gabe, – und wäre diese größer denn ein Berg!

 

So aber jemand wenig hat, gibt aber das aus der Fülle seiner Liebe übergerne dem Bruder, – Ich sage euch, und wäre es nur eine halbe Nuss, so will Ich sie ansehen, als wäre sie eine Erde!“ (2.HG 66,17-20)

 

Wer jemandem aus Plicht etwas gegeben oder geholfen hat, so ist das keine Liebe, wenn er demselben am liebsten nicht geholfen hätte; denn wenn jemand einem Notleidenden nicht hilft, obwohl er es könnte, der hat keine Liebe. Wenn aber jemand bei der Pflichthilfe schon ein wenig mit dem Herzen dabei war, so war das auch schon ein wenig Nächstenliebe.

 

Jesus sagt: „Aus je mehr wahrer Nächstenliebe jemand seinem bedürftigen Nebenmenschen etwas tut, desto mehrfach wird ihm das Getane einst vergolten werden. Das merket euch alle wohl, und tut danach, so werdet ihr als wahrhaftige Kinder Gottes das ewige Leben haben und ewig ernten seine unermesslichen Schätze! Ich sage es euch: Eine Sonne dem, der aus wahrer Nächstenliebe mit seinem Nächsten und armen Bruder auch nur sein Scherflein geteilt hat!“ (6.GEJ 228,3)

 

Wer mit dem Gefühl seines Herzens jemandem etwas gibt oder tut, der hat aus Liebe gegeben oder getan, und je mehr dieses Gefühl im Herzen dabei war, umso mehr Nächstenliebe war dabei. Je mehr Liebe jemand sät, umso mehr Liebe wird er ernten, dreißigfältig, sechzigfältig oder hundertfältig. Je mehr wahre Liebe jemand seinen Nächsten gibt, in dem Maße wird seine Liebe an Kraft zunehmen.

 

Suchet vor allem euer Lebensgefühl nach Meiner Lehre zu bilden und zu stärken“, sagt Jesus, „fühlet mit dem Armen seine Not und lindert sie nach euren Kräften und nach eurem Vermögen, tröstet die Traurigen, bekleidet die Nackten, speiset die Hungrigen, tränket die Durstigen, helfet, wo ihr könnet, den Kranken, erlöset die Gefangenen, und den Armen im Geiste prediget Mein Evangelium, – das wird bis in die Himmel erheben euer Gefühl...

 

Ich sage es euch: (Der) Geist, der allein lebendige im Menschen, ist pur Liebe und ihr zartestes und ewig wohlwollendstes Gefühl. Wer demnach solche seine Liebe und deren zartestes und ewig wohlwollendstes Gefühl in seine eigenliebige Seele stets mehr und mehr aufzunehmen bemüht ist und in selben auch stets stärker, kräftiger, mutiger und gefügiger wird, der befördert dadurch die volle Einung des Geistes mit der Seele… und das ist denn doch sicher mehr wert, als alle Schulen der Weltweisen der Erde durchgemacht zu haben, dabei aber ein strenger und gefühlloser Mensch zu verbleiben.“ (8.GEJ 150,14-15)

 

 

11. Lohn und Zins

 

Die meisten Menschen leben davon, dass sie einen Lohn beziehen, indem sie bei einem Arbeitgeber angestellt sind und für ihn eine Arbeit erledigen. Ein kleinerer Teil der Menschen besitzt eine Firma oder einen Bauernhof und diese nehmen Arbeiter und Angestellte an, die für sie gegen Lohn oder Gehalt arbeiten. Diese Verhältnisse von Arbeit und Lohn sind nach irdischen Gesetzen geregelt.

 

Auch der himmlische Vater hat uns Gesetze gegeben, die das Verhältnis von Arbeit und Lohn regeln, aber diese sehen ganz anders aus als die irdischen und gründen immer auf der Nächstenliebe.

 

Jesus sagt: „Wenn ihr euch sonach gegenseitig dienet, da dienet euch in Liebe und wahrer Brüderlichkeit, wie solches in den Himmeln gang und gäbe ist! Wenn jemand einen Dienst von euch sich erbittet, so verrichtet denselben in aller Freudigkeit und Liebe, und fraget den Dienstbieter nicht vor der Dienstleistung um den Lohn; denn solches tun auch die Heiden, die den wahren Vater im Himmel nicht kennen…

 

So dir aber jemand einen guten Dienst erwiesen hat, da sollst du dann aber auch nicht fragen und sagen: ,Freund, was schulde ich dir?‘, sondern du sollst den dir gut geleisteten Dienst deinem Freunde aus aller Liebe und Freudigkeit deines Herzens nach deinen Kräften bestens belohnen! Wird der, welcher dir den guten Dienst erwiesen hat, dessen gewahr, so wird er dich umarmen und sagen: ,Edler Freund, sieh, einen nur sehr kleinen Dienst habe ich dir geleistet, und du belohnst mich dafür so groß! Sieh, ein Zehnteil davon ist mehr denn übergenug, und selbst den nehme ich nur als einen Beweis deines mir so teuren Bruderherzens an!‘

 

Wenn der Dienstleister also zu seinem Dienstherrn reden wird aus dem wahren und lebenstiefen Gefühlsgrunde, werden da der Diener wie der Dienstgeber nicht sogleich zu wahren Himmelsbrüdern werden?! Ganz sicher, und es wird eben dadurch das wahre Reich Gottes zu euch kommen und euch himmlisch beherrschen mit dem Zepter des Lichtes und aller Gnade.“ (4.GEJ 99,6-8)

 

Auch das Verleihen des Geldes gegen Zinsen ist nach irdischen Gesetzen geregelt, aber die Regeln des himmlischen Vaters sehen auch hier anders aus und sind wieder an der Nächstenliebe ausgerichtet

 

Jesus sagt: „So ihr aber Meines besten Wissens schon ein großes Erdenvermögen besitzet und es nur denen um gute Zinsen darleihet, die es euch in einer bestimmten Zeit wieder zurückerstatten können, so habt ihr dadurch wohl auch eine Art Nächstenliebe ausgeübt, – doch bei Mir kommt derlei Nächstenliebe, die euch mit den guten Zinsen selbst belohnt, in keine Vergeltsrechnung. Aber so ihr euer Vermögen auch ohne Zinsen den Armen leihet, von denen ihr es wissen könnet, dass sie es euch nicht leichtlich wieder zurückerstatten werden können, da werde Ich der Zinsenbezahler und Rückerstatter eures Vermögens sein, und niemand wird bei Mir zu kurz kommen!“ (10.GEJ 139,9)

 

Ein großer irdischer Reichtum in den Händen solcher (freigebig gesinnter, gutmütiger) Menschen ist ein wahrer Segen aus den Himmeln für ein ganzes Land; besitzen solche Menschen dazu noch irgend eine höhere Weisheit, so können sie zum wahren Wohle der Menschheit damit Wunder wirken.“ (3.GEJ 192,3)

 

Jeder, der ein Geld hat, und ein Freund benötigt dessen und kommt und will ein Darlehen, so soll es ihm nicht vorenthalten werden. Wer es ihm darleiht gegen die gesetzlichen Zinsen, der hat an ihm schon ein gutes Werk vollbracht, das auch in den Himmeln seine Würdigung finden wird. Es ist aber ebenso die Pflicht des Entleihers, dem Darleiher nicht nur gewissenhaftest das Entliehene samt den bedungenen Zinsen zurückzuerstatten, sondern noch mehr; so er viel gewonnen hat, soll er auch aus freiem Herzensantriebe den Gewinn mit dem Darleiher teilen, da er ja doch nur mit dessen Gelde den Gewinn gemacht hat. Doch der Darleiher soll das nicht irgend verlangen! Das alles könnet ihr in aller Freundlichkeit tun, aber darum das andere nicht völlig fahren lassen!

 

Wenn aber zu dem, der ein Geld zum Ausleihen hat, ein ganz Armer kommt, von dem es nicht zu erwarten ist, dass er eine dargeliehene größere Summe ersprießlich und nutzbringend verwenden könnte oder möchte, da ist von Mir aus kein Mensch verpflichtet, solch einem Armen ein vom selben verlangtes Geld zu leihen, weil er auf diese Weise mutwillig sein Geld, ohne jemand damit wirklich genützt zu haben, gleichsam weggeworfen und dem armen Entleiher nur eine Gelegenheit bereitet hätte, durch die er sich zu allerlei Ausschweifungen angetrieben zu fühlen anfangen würde und je nach seiner Natur auch müsste. Solch ein Werk wäre sonach nicht besonders gut, im Gegenteile nur mehr, wennschon gerade nicht schlecht, so doch sehr dumm zu nennen, – was weder Meiner Liebe und noch weniger Meiner Weisheit angenehm sein könnte.

 

Ah, ganz was anderes wäre es, so ein armer Mann käme, von dem ihr wisset, dass er mit dem Gelde wohl umzugehen versteht und er nur durch widrige Zufälle arm geworden ist, und verlangte von euch ein Geld zu entleihen; dem sollet ihr es ja nicht vorenthalten, auch ohne Zinsen und ohne eine sichere Zuversicht, das dargeliehene Kapital je wiederzuerhalten! Hat der Mann das Geld gut verwendet, so wird er als euer Bruder schon auch wissen, was er danach zu tun haben wird; denn er hat dieselben Verpflichtungen gegen euch, wie ihr gegen ihn.

 

Sollte er das Entliehene jedoch nicht mehr zurückzuerstatten imstande sein, so sollet ihr ihm darum nicht gram werden oder euer Guthaben bei seinen Nachkommen suchen; denn dies wäre hart und gänzlich wider Meine Ordnung. Sind aber die Nachkommen, besonders die Kinder oder die ersten Enkel, zu einem Vermögen gekommen, so werden sie sehr wohl und Mir wohlgefällig daran tun, jene Schuld zu tilgen, die ihr armer Vater oder Großvater bei einem Menschenfreunde gemacht hat.“ (4.GEJ 98,3-6)

 

Die himmlischen Menschen geben von ihrer Habe ihren Brüdern und Schwestern ohne Schuldschein und Siegel; denn sie geben es, um es nicht wieder zu nehmen, – und da gibt es nie einen Prozess.

 

Die Weltmenschen geben zwar auch, aber niemals ohne Schuldschein und Siegel, auf dass sie es nach abgelaufener Frist wieder nehmen können; und können die Schuldner es ihnen nicht wieder zurückbezahlen, so gibt es Klage und Prozess, – und das ist höllisch, denn die Hölle klagt und prozessiert ewig.“ (EM 51,11-12)

 

So ist es auch mit denen, die ihr vieles Geld gegen Zinsen ausleihen und nach einer bestimmten Zeit das Kapital auch wieder zurückbekommen. Sie begehen dadurch, so sie keinen Wucher treiben, eben auch keine Sünde; aber im Himmel werden sie darum keine Zinsen zu beheben haben, – wohl aber darum, so sie auch den Armen in ihrer Not Geld ohne Zinsen und auch ohne Rückzahlung des Kapitals leihen. Also, den Armen aller Art auf jede mögliche gute Weise helfen, ist das wahre Werk der Nächstenliebe.“ (6.GEJ 56,14)

 

Wer sein Geld an Arme ausleiht, ohne Zinsen zu verlangen und ohne zu erwarten, es zurückzubekommen, der kann einen himmlischen Lohn dafür erwarten. Wer sein Geld an Arme ausleiht und verlangt dafür Zinsen und verlangt es auch wieder zurück, der begeht zwar keine Sünde, aber er kann keinen himmlischen Lohn dafür erwarten, denn er hat seinen Lohn bereits mit den Zinsen bekommen. Der himmlische Lohn aber wäre nicht nur um ein vielfaches größer gewesen, sondern er hätte auch in Ewigkeit fortgedauert. Wer aber mit dem Ausleihen seines Geldes Wucher betreibt, der ist ein großer Sünder, der seinen Lohn dereinst in der Hölle finden wird.

 

Aber ein großer Reichtum in den Händen eines Geizhalses oder Wucherers ist ein Fluch der Hölle für ein ganzes Königreich; denn der sucht nur alles an sich zu ziehen auf Kosten aller Menschen! Ihn rührt kein Elend, keine Not und keine Träne armer, verlassener Witwen und Waisen. Vor dem kalten Angesicht eines Wucherers können Tausende mit dem Hungertod ringen, so wird er dennoch niemandem ein Stück Brotes zu seiner Sättigung reichen!

 

Darum sage Ich es euch aber auch, dass dereinst Hurer und Ehebrecher und Diebe und reuige Raubmörder ins Reich Gottes eingehen werden, aber die Seele eines Geiz-halses und Wucherers nimmer; denn diese ist unverbesserlich und wird darum zum Material, aus welchem die Teufel eine unterste Hölle erbauen werden!

 

Ein Wucherer ist eine wahre Höllenmaschine, zum Verderben aller Menschen errichtet, und wird als solche auch für ewig ein vollstes Eigentum der Hölle verbleiben!“ (3.GEJ 192,4-6)

 

Wer sein Kapital bei Mir anlegt, dem wird es hohe Zinsen bringen, und es wird in Meinem Herzen intabuliert (verzeichnet) bleiben, und die Zinsen werden wachsen in alle Ewigkeiten der Ewigkeiten. Blick' empor, du Tor, und schaue den Sternenhimmel an! Wer hat je die Sonnen gezählt, deren Zahl kein Ende hat, und die Erden alle, die Ich um sie zu Tausenden bei jeder einzelnen geschaffen habe?! Und Ich sage dir, der Ich wahrhaftig und getreu bin in jeglichem Meiner Worte: Um einen Pfennig gebe Ich eine Erde und um einen Trunk frischen Wassers eine Sonne. Wahrlich, Ich sage dir: Der geringste Dienst der Nächstenliebe wird auf das ungeheuerste, unaussprechlichste belohnt werden!“ (1.HG 3,1)

 

 

12. Verzichtleisten zugunsten des Mitmenschen

 

Der Zweck unseres Erdenlebens ist die Wandlung der in uns Menschen wohnenden Ichliebe zur uneigennützigen Nächstenliebe. So hatte Jesus nie seinen Vorteil, sondern bloß den seines Nächsten vor Augen. (Schr. 8,14)

 

Es fordert das Wohl der Allgemeinheit“, sagt Jesus, „sehr oft eine Verzichtleistung auf eigenes Wohlergehen. Und (es) muss also ein gewisses Opfer gebracht werden, um dem Nächsten dadurch dienen zu können. Nichts ist dem Menschen zuträglicher für die Seele als ein williges Verzichten auf alle Annehmlichkeiten des Lebens zugunsten seines Mitmenschen. Es ist dies die wahre Nächstenliebe, die sich unbeschreiblich segensreich auswirkt. Es zieht solches Handeln schon auf Erden größten Segen nach sich, denn es erwecket die Liebe Gegenliebe und trägt so zur Veredlung des Menschen bei. Und der Vater im Himmel lässt Seinen Kindern das gleiche zugehen, was diese einander tun und geben. Und so wird auch irdisches Gut vermehrt zum Segen der Gebenden, solange es nicht um Lohnes willen getan wird.“ (BD 1127)

 

Es leben wohl viele Menschen auf der Welt, die zum Helfen und Geben bereit sind, wo es einer Hilfe bedarf, aber die meisten davon sind nicht bereit, zugunsten eines Hilfsbedürftigen, auf eigene Wünsche zu verzichten. Wer sein eigenes Ich vor dem seines Nächsten stellt, der ist von der wahren Nächstenliebe noch weit entfernt. Schon nur ein kleines Maß von Eigenliebe über das von Gott uns zugestandene, schwächt schon den Segen Gottes.

 

So euch jemand um einen Gefallen bittet“, sagt Jesus, „so erweiset ihm mit Freuden noch mehr, als um was er euch gebeten hat! So zum Beispiel jemand zu dir käme im Winter und bäte dich um einen Rock, da du noch mehrere Röcke hast, dem gib auch noch einen Mantel dazu; und so dich jemand ersucht, eine Stunde Weges, dessen er unkundig ist, mit ihm zu gehen, mit dem gehe zwei Stunden, damit du ihm mehr Liebe erweisest, als er von dir verlangt hat! Was du jemandem mehr getan hast, das wird dir zehn-, dreißig- und auch hundertfach vergolten werden im Himmel.“ (6.GEJ 228,2)

 

Wo die tätige Nächstenliebe ausgeübt wird, wo ein Mensch das zu geben bereit ist, was er selbst zum Gebrauch notwendig hat, um es für die Not anderer Menschen einzusetzen, auf dass sie gelindert und behoben werde, ohne den geringsten Vorteil für sich erreichen zu wollen, da wird dies reichen Segen nach sich ziehen. (BD 844)

 

Wahrlich, Ich sage euch“, sagt Jesus: „Wer da sagt: ,Ich liebe Gott und meine Brüder!‘, hat aber etwas vor seinen Brüdern und teilt es nicht mit ihnen also, dass nur der kleinste Teil für ihn zurückbleibt, der ist noch voll Eigenliebe und ist des Vaters nicht wert! So jemand hätte zehn Brüder und wäre aber im Besitze von zwölf Äpfeln, der sollte geben die elf Äpfel den Brüdern und sollte für sich nur die Hälfte des zwölften behalten, die andere Hälfte aber sollte er noch aufheben für die Brüder, dann würde er sein ein wahres Kind des heiligen Vaters im Himmel und Seiner würdig!“ (1.HG 154,3)

 

Wer aus wahrer Liebe gibt, der wird niemals zu darben brauchen, auch wenn er alles hergibt. Es soll niemand ängstlich erwägen, ob das, was er gibt, seinen Besitz schmälern könnte, denn der Herr teilt Seine Gaben ungeschmälert demjenigen aus, der aus Liebe zu Ihm die Not der Mitmenschen zu lindern bestrebt ist. (BD 985)

 

Die reine Liebe gibt alles, was sie hat“, sagt Jesus. „Und dennoch kann sie ewig nicht ärmer werden, sondern nur reicher und mächtiger. Denn wenn sie gibt, empfängt sie tausendfach wieder, was sie gegeben hat. – Die Eigenliebe aber verliert stets im tausendfachen Maße, was sie nimmt und raubt. Denn da sie in sich keine Kraft und Macht hat, so muss sie andere Kräfte durch allerlei sie selbst verarmende Mittel zu Hilfe nehmen. Durch diese erhält sie sich auf der Welt wohl eine Zeitlang in einem Scheinglanze und in einer gewissen Scheingröße. Weil aber solches mit der Zeit stets mehr kostet, so verarmt sie endlich ganz und gar, wobei sie sich dann wie ein hungriger Wurm krümmt, bäumt und windet. Aber das nützt ihr wenig, sondern dient nur zur Beförderung ihres vollen Unterganges.“ (1.RB 93,3)

 

Die wahre Nächstenliebe besteht im wahren Wohltun“, sagt Jesus, „besonders gegenüber solchen, von denen an keinen wie immer gearteten Gegendienst zu denken ist. Wo immer die Liebe noch einen anderen Nebengrund hat, da hört sie auf, eine wahre, reine Nächstenliebe zu sein und ist dann gleich einem gewässerten Weine, in dem keine Kraft, kein ‚Äther des Lebens‘ mehr inne ist!“ (1.Hi. Seite 212,1-2)

 

Sobald aber jemand darauf bedacht ist, bei einer Tat der Nächstenliebe auch einen Vorteil für sich herausziehen zu wollen und sei er noch so gering, der handelt nicht aus uneigennütziger Liebe, sondern mit Berechnung aus Eigenliebe. (BD 1000)

 

Wenn in euch erst der lebhafte Trieb einsetzt, um eines andern willen euch selbst zu vergessen, dann werdet ihr Mich mit aller Gewalt an euch reißen; dann werde Ich in euch leben, und ihr werdet aus Mir schaffen und wirken, und vereint mit Mir, noch größere Taten verrichten können, wie Ich als Mensch Jesus!“ (LbL Seite 30)

 

Welches ist aber die größte Tat der Nächstenliebe? – Die größte Nächstenliebe hat der, der sein Leben lässt für seine Freunde. (Joh. 15,13)

 

Vom Henoch sagte der himmlische Vater: „Henoch ist groß in der Liebe und Demut und hat darin gefunden schon hier die Unsterblichkeit; doch größer ist der, der durch den Tod das Leben erwirbt, als wer dasselbe gewinnt durch das Leben selbst, – größer der, der sein Leben lässt zum Wohle seiner Brüder und Väter, als wer dieselben nur durch lebendige Worte aus Mir zu beleben strebt. Denn es ist leichter, andere zu unterweisen, als für andere sein Leben zu lassen.“ (1.HG 123,11)

 

 

13. Nächstenliebe – Eigenliebe

 

Es gibt ein zweifaches Handeln“, sagt Jesus, „ein Handeln für die Welt aus Eigennutz – und ein rechtes Handeln in der Welt aus wahrer Liebe zu Gott und aus Liebe zum Nächsten. Aus dem ersten Handeln gewinnt der Mensch das Gericht und leicht den ewigen Tod, aus dem zweiten Handeln aber die Liebe und Gnade Gottes und das ewige Leben der Seele.“ (6.GEJ 227,6)

 

Um aber dieses allerwichtigste Ziel zu erreichen, muss man auf dem Bildungswege seines Herzens recht sehr behutsam sein und muss sich bei jeder Neigung seines Herzens fragen, ob in solch einer Neigung nicht irgendetwas vom bösen Samen der Eigenliebe neben der rechten Liebe enthalten ist.“ (2.Hi. Seite 404,2)

 

Ein bestimmtes Maß an Eigenliebe muss jeder haben, wie es schon im 6. Kapitel dargestellt worden ist und dient zum Erhalt seines eigenen Lebens. Wenn dieses Maß überschritten oder unterschritten wird, so ist das schon ein Übel der Seele, das bekämpft werden muss.

 

Jesus sagt: „Der Mangel an materieller Selbstliebe gibt sich durch Lebensüberdruss kund, wobei der körperliche Erhaltungstrieb so gering wird, dass der Mensch oft wegen geringfügiger Unannehmlichkeiten des irdischen Lebens sein Körperleben vernichtet. Dieser Zustand wird häufig durch eine verkehrte Erziehung, durch Nichtglauben an einen Gott oder an ein Fortleben der Seele, oder durch geistige Störungen hervorgerufen.

 

Diesem Extrem des Mangels an Selbstliebe steht dann wieder ein Übermaß an Eigenliebe gegenüber. Der Mensch, sein leibliches Wohl als Höchstes achtend, will nur dem fröhnen, was der schmutzigste Egoismus ist. Er ergreift alle Mittel, um seinen Zweck zu erreichen. Es gibt für ihn nichts als sein eigenes Ich, und er ist, jedes Band der Nächstenliebe verleugnend, stets nur allein sein Nächster. Diese Menschen stehen auf der untersten geistigen Stufe; denn sie entziehen sich aller Kämpfe und aller Aufopferungen. Sie wollen nur Genuss, und zwar nur für sich allein, und alle Mittel – erlaubte oder unerlaubte, gesetzliche oder ungesetzliche, göttliche oder teuflische – werden ergriffen, wenn sie nur zu ihrem angestrebten Ziel gelangen. Solche Eigenliebe schließt alle Nächstenliebe gänzlich aus.“ (PH 38,25-26)

 

 

14. Urteilen, Richten, Streiten und Vergeben

 

Manche Menschen feinden sich wegen Meinungsverschiedenheiten an und beschuldigen sich, als hätten sie ein Recht, sich gegenseitig zu richten und zu verurteilen. Da sind sie noch voller Fehler und Gebrechen, halten sich für fehlerfrei und kritisieren die Fehler ihrer Nächsten. Dabei kommt es auch manchmal zu derben Zurechtweisungen, aber diese sind nie ganz in der Ordnung, weil sie im Hintergrund nicht die Liebe, sondern einen versteckten Hochmut haben. (3.GEJ 59,2)

 

Eure gegenseitigen Belehrungen“, sagt Jesus, „mögen noch so gut und richtig sein. Was aber nützen sie, so hinter ihnen Rangeifer, Herrschlust, Eigennutz und allerlei Habsucht stecken? Wer seinen Bruder wirksam lehren will, muss zuvor den Balken aus dem eigenen Auge entfernen und dann erst voll Liebe sagen: ,Mein teuerster Bruder, ich sehe, dass ein Splitterchen dein Auge trübt. Lasse mich zu dir hingehen, dass ich es dir sanft aus dem Auge nehme!‘ Seht, so wird dann jede Lehre, die sich Brüder gegenseitig erteilen, voll der herrlichsten Wirkung sein. Aber so Brüder durch ihre oft ungebetene Belehrung nur zeigen wollen, dass jeder von ihnen der Weisere und Bessere sei, ist die beste Belehrung unnütz und macht alles schlechter.“ (1.RB 142,5)

 

Bei solchen Belehrungen kann es rasch zum gegenseitigen Urteilen und Richten kommen.

 

Doch Jesus sagt: „Brüder sollen einander nicht richten – außer mit der Liebe, Geduld, Sanftmut und Erbarmung! Wenn aber die Brüder werden einander zu verurteilen anfangen, alsdann werde auch Ich als Richter aufstehen und werde sie richten zum ewigen Tode!“ (2.HG 155,32-33)

 

Denket es euch allzeit, dass eben in der Liebe, Geduld, Sanftmut und Erbarmung die größte Macht und Kraft des Geistes im Menschen sich offenbart und mächtig wirkend sich bekundet; denn könnet ihr mit Liebe und Geduld einen Narren nicht zurechtbringen, so werdet ihr das mit Ärger und Zorn noch umso weniger imstande sein. Es ist wohl auch notwendig, dass man dann und wann, wo es sehr nottut, mit dem rechten Ernste auftritt; aber hinter dem Ernste muss dennoch stets die Liebe mit dem Gewande des wahren Wohlwollens hervorleuchten. Ist das nicht der Fall, so ist der Ernst nichts als ein blinder und wirkungsloser Lärm, der viel mehr Schaden als Nutzen anrichtet.“ (8.GEJ 153,9)

 

Wenn gar ein Streit entsteht, in deren Verlauf jemand auf die eine Wange geschlagen wird, vielleicht auch nur mit Worten, so soll er lieber auch noch die andere hinhalten, damit Friede und Einigkeit einkehren kann, als dass sich der Streit ausweite. (Math. 5,39)

 

Auch muss ein jeder Meiner Jünger“, sagt Jesus, „gleich Mir voll Liebe, Sanftmut und Geduld gegen jedermann sein. Er muss seinen ärgsten Feind ebenso segnen wie seinen besten Freund und muss, wenn sich Gelegenheit bietet, dem Gutes tun, der ihm zuvor geschadet hat, und beten für den, der ihn verfolgt. Zorn und Rache müssen ferne sein dem Herzen eines jeden, der Mein Jünger sein will.“ (3.GEJ 8,6-7)

 

Wem es ein leichtes ist, seinen Feind zu lieben, das heißt, den zu segnen, der ihn beschimpft hat, dem Gutes zu tun, der ihm einen Schaden zugefügt hat und für den zu bitten, der ihn bis in die tiefste Seele hinein gekränkt hat, der hat seinem Widersacher vergeben.

 

Jesus sagt: „Es steht zwar geschrieben, dass man dem, der einem Arges getan hat, siebenmal völlig vergeben soll; aber Ich sage es euch: siebenundsiebzigmal sieben Male sollt ihr eurem Beleidiger vergeben, bevor ihr ihn vor dem Richter verklaget! Bessert er sich auch dann nicht, so stoßet ihn aus der Gemeinde! Wer aber nicht zählt, wie oft ihn jemand beleidigt hat, dem wird auch im Himmel nicht gerechnet werden, wie oft er Gott gegenüber gesündigt hat.“ (6.GEJ 228,1)

 

Gottes Kinder müssen alles ertragen können, alles erdulden! Ihre Kraft sei allein die Liebe zu Gott und die Liebe zu ihren Brüdern, ob sie gut oder böse sind.

 

Wenn sie darin fest sind, dann auch sind sie vollkommen frei und fähig, in das Reich Gottes aufgenommen zu werden.“ (BM 68,21-22)

 

Vollkommen zu sein, wie der Vater im Himmel vollkommen ist, heißt: Fahre niemanden barsch an. Beschimpfe niemanden. Führe keine beißenden, stichelnden Reden. Gewöhne dir Streitlust und hitziges Debattieren ab. Wolle niemanden unbedingt von deinen Ansichten überzeugen. Kritisiere niemanden vernichtend, sondern nur ihm helfend, ihn aufbauend. Gebrauche keine unschicklichen, sondern nur liebenswürdige Ausdrücke und sanfte, liebevolle Worte. Sei niemals beleidigt. Ärgere dich über niemanden und werde nicht wütend. Rechne einen Fehltritt gegen dich von vornherein niemanden an. – Wer das noch nicht kann, der prüfe sich, was ihm noch an der Demut fehlt.

 

Solange du dich in Meiner Liebe zu erhalten suchst“, sagt Jesus, „ohne dabei auch nur den geringsten Groll gegen auch nur Eins deiner Gegner in dir aufkommen zu lassen, dann stehst du Mir, deinem Jesusvater unmittelbar nahe, so dass kein Gegner dir auch nur im Geringsten einen Schaden zufügen kann. Denn Meine dir zukommende Liebe geht eben aus dem Zentrallicht Meiner Gnadensonne hervor, durch die ein jeder feindliche Angriff vernichtet wird.“ (Lb. Seite 196)

 

 

15. Was sonst noch zur Nächstenliebe gehört

 

In den jenseitigen Himmelsschulen wird den Schülern der praktische Unterricht in der Nächstenliebe beigebracht, da es mit dem bloßen theoretischen Wissen und Glauben nicht getan ist. Im Reiche der reinen Geister kommt es nur vorzugsweise aufs Tun an und die Tätigkeit aus der Nächstenliebe ist dort (wie auch hier auf der Erde) der Hauptgrundsatz allen geistigen Wirkens. Somit wird das Gebot der Nächstenliebe dort auch mehr tatsächlich als theoretisch gelehrt. Da müssen die Schüler besonders bei den Neuangelangten von der Erde die wahrhaftigen Nächsten, die weniger Nächsten und dann auch die Fernen unterscheiden lernen. Sie müssen da erkennen, wie sie sich zu den Nächsten, zu den weniger Nächsten und zu den Fernen zu verhalten haben.

 

Sie möchten gleich alles in den Himmel hineinschieben“, sagt der Evangelist Johannes, „indem sie aus der Erfahrung noch nicht wissen, dass der Himmel nur den eigentlichen Allernächsten eine große Seligkeit gewährt, den weniger Nächsten und den Fernen aber eine größere, auch allergrößte Qual ist. Bei diesen Gelegenheiten also lernen sie erst völlig erkennen, wie die eigentliche Nächstenliebe darin besteht, dass man einem jeden Wesen seine Freiheit lassen muss und ihm geben das Seinige.

 

Denn wenn man jemandem etwas anderes tun will, als was dessen Liebe verlangt, so hat man ihm keinen Liebesdienst erwiesen. Wenn einer seinen Nachbarn um einen Rock bittet, und der Nachbar gibt ihm stattdessen einen Laib Brot, wird der Bittende damit zufrieden sein? Sicher nicht, denn er hat ja nur um den Rock, aber nicht um das Brot gebeten.“ (2.GS 105,6-7)

 

Auf dieser Erde können die Menschen lügen, was oftmals von den anderen Menschen nicht erkannt wird. Die Menschen können jemanden anlächeln, aber im Herzen haben sie Wut über diesen. Doch das ist wider die Nächstenliebe.

 

Jesus sagt: „Ihr werdet wohl vielfach in die Versuchung kommen, oft eine andere Miene zu machen, als wie ihr sie der Wahrheit eurer Gefühle nach machen solltet; aber lasset euch da ja nicht verlocken und trüget auch niemanden mit euren Augen, – sondern die vollste Wahrheit spreche sich in allem aus, was ihr seid, und was ihr tut, so werdet ihr auch stets Meiner Gnade, Macht und Weisheit gewärtig sein.“ (5.GEJ 137,9)

 

Es gibt Menschen, die versprechen viel, aber halten es zumeist nicht. Auch das ist wider die Nächstenliebe.

 

Verheißet nie jemandem etwas“, sagt Jesus, „das ihr etwa späterhin nicht erfüllen könntet oder aus gewissen Gründen nicht wollt; denn wahrlich sage Ich es euch: Nichts kommt einem Menschen bitterer und ihn bedrängender vor als eine ihm gemachte Verheißung, die aber späterhin ganz stillschweigend nicht gehalten wird!“ (5.GEJ 137,10)

 

Mitfühlen mit den Leiden und Freuden unserer Nächsten ist die Grundlage aller Nächstenliebe.

 

Jesus sagt: „Wenn du deinen Nächsten weinen siehst, so sollst du nicht lachen; denn so du lachst, da gibst du ihm zu verstehen, dass dir sein Schmerz etwas ganz Gleichgültiges ist und ebenso auch dein leidender Nebenmensch, der doch dein Bruder ist.

 

Ist aber dein Bruder heiter und freut sich seines Glückes, so gönne ihm die kurze Freude über sein kleines Erdenglück! Werde nicht mürrisch, sondern freue dich mit ihm, so wird dadurch dein Herz nicht schlechter, sondern nur edler!“ (7.GEJ 94,13-14)

 

Wir sollen in der Nächstenliebe keine Unterschiede machen und niemanden vor einem anderen bevorzugen. Aber dennoch gibt es neben einem ungerechten Unterschied auch einen gerechten.

 

Siehe, Menschenliebe ist wohl gut und recht“, sagt Jesus, „wenn man die Menschen liebt, weil sie Menschen sind, und nicht Unterschiede macht – außer insofern, ob jemand zufolge seines geistigen Standpunktes Mir näher oder ferner ist. Denn da ist ein Unterschied gerecht. Es kann ja niemand zwei Herren dienen, d.h. einem guten und einem schlechten zugleich! – Aber irgendwie aus weltlichen Gründen entstandene Bevorzugung wegen gewisser weltlicher Würden und Werte des Menschen ist schon Eigenliebe, weil das Herz darin am Ende, wenn schon ganz heimlich, aber dennoch sicher seine eigene Erhöhung sucht. Und wo ein solches Bestreben, wenn auch noch so leise, sich kundgibt, da ist schon nicht mehr die Demut, sondern ein in solcher Liebe versteckter Hochmut die Triebfeder der sittlichen Bewegung des Herzens.“ (2.Hi. Seite 404,6)

 

Es ist wichtig, dass wir uns hier auf der Erde schon üben in der Nächstenliebe, denn im Jenseits wird unsere Tätigkeit in der Nächstenliebe bestehen.

 

Dies ist die Bestimmung aller Meiner Kinder, dass sie sich hier auf dieser Erde gleichfort üben sollen im einstigen großen Geschäfte in Meinen Himmeln.

 

Seid darum stets und allzeit barmherzig, und ihr werdet dann auch bei Mir eben allzeit Barmherzigkeit finden! Wie ihr euch verhalten werdet gegen die armen Brüder und Schwestern, also werde auch Ich Mich verhalten gegen euch. Ich sage und rate es euch allen: Seid voll Dienstfertigkeit untereinander, überbietet euch im Wohltun, liebet euch wahrhaft untereinander, also wie auch Ich euch liebe, so werdet ihr aller Welt zeigen, dass ihr wahrhaft Meine Jünger und in eurem Geiste vollends Meine wahren Kinder seid.“ (4.GEJ 97,8-9)

 

(Mit Genehmigung des Verfassers, 1/2021)

 

Quellenverzeichnis

GEJ                Das große Evangelium Johannes, Jakob Lorber,

10 Bände, 1981-1986

HG                  Die Haushaltung Gottes, Jakob Lorber, 3 Bände, 1981

GS                  Die geistige Sonne, Jakob Lorber, 2 Bände, 1955

RB                  Von der Hölle bis zum Himmel, (Robert Blum)

Jakob Lorber, 2 Bände, 1963

BM                  Bischof Martin, Jakob Lorber, 1960

EM                  Erde und Mond, Jakob Lorber, 1953

JJ                   Die Jugend Jesu, Jakob Lorber, 1996

Hi.                   Himmelsgaben, Jakob Lorber, 3 Bände, 1935, 1936,

1993

Ste.                 Schrifttexterklärungen, Jakob Lorber, 1985

PH                  Predigten des Herrn, Gottfried Mayerhofer, 1968

Lb.                  Lebensblätter, 1917

Lorber Verlag, D-74321 Bietigheim, Hindenburgstr. 5

LbL                 Lebet die Liebe, Wenzel Zid, Lorber Verlag, 1949

BD                  Kundgaben durch Bertha Dudde