„Siehe, es erscheint im Lichte der Welt das Ding des Geistes gar oft als eine sich rein widersprechende Torheit. Allein dem ist nicht also! Denn so der Docht unter dem weißen Lichte schwarz wird und die Asche über der schwarzen Kohle weiß – ist das nicht auch sogar in der Natur ein Widerspruch? Und doch, wer zweifelt, dass es also wäre!? (HiG.01_41.01.05,12)


 

Kritik an Gottes Schöpfung

 

Antworten des Herrn / Gespräch mit einem Verstorbenen

 

 

Sagte Ich (Jesus): „Derlei Gläubige, wie du einer bist, habe Ich schon viele bekehrt, denn sie sind Mir um vieles lieber als die Irr- und Abergläubigen, - und so werde Ich auch mit dir leicht  und bald zurechtkommen“...

 

Sagte der römische Oberstadtrichter: „Großer Herr und Meister, das Leben hat doch auch etwas Angenehmes, was der Tod selbstverständlich nicht haben kann, und das Angenehme besteht darin, dass man dann und wann das Glück hat, unter guten und weisen Freunden sich zu befinden und zweitens bei appetitvollem Magen mit einer wohlschmeckenden Speise und darauf mit einem Becher wohlschmeckendsten Weines sich stärken.

 

Ja, unter solchen Umständen möchte der Mensch freilich lieber ewig fortleben, als sich nach einem kurzen Dasein von einem allzeit elenden und schmerzhaften Tode erwürgen zu lassen, in welcher Hinsicht ich mit der gesamten Natur und ihren stets gleich wirkenden Kräften noch niemals einverstanden war und sein konnte. Weil der Mensch schon einmal sterben muß, so könnte er ja  auch auf eine angenehme und sein ganzes Wesen süß entzückende Weise sterben; aber nein, er muß für das bisschen sehr kummervolle Dasein am Ende noch auf das unbarmherzigste und schmählichste gemartert werden, bis er endlich von seiten irgendeines allwaltenden Schicksals der hohen Gnade gewürdigt wird, für alle ewigen Zeiten zu sein aufzuhören.

 

Diese Einrichtung in der sonst so wundervollen Natur ist  wahrlich ein Etwas, das jedem biederdenkenden Menschen als ein im höchsten Grade widerwärtig, verächtlich und verwerflich erscheinen muß, sogar dem, der irgendwie noch nach einem wohlverwahrten Aberglauben in seinem Fleische an eine ewige Lebensfortdauer seiner armen Seele glaubt; es wäre ihm gewiss auch lieber, einen angenehmeren Abschied von dieser  jammervollen Welt zu nehmen, als einen solchen, wie er gewöhnlich besteht.!“

 

Sagte Ich: „So bist du ein scharfer Schöpfungskritiker und mit der Einrichtung aller bestehenden Lebensverhältnisse auf dieser Erde gar nicht zufrieden? Was ist dir denn nebst dem, was du schon bekrittelt hast, noch nicht recht?“

 

Sagte der Oberstadtrichter: „Aber, großer Herr und Meister, wenn ich alles bekritteln wollte, was mir mit dem besten Rechtsgrunde in der Einrichtung dieser Welt nie möglich als recht und billig erscheinen kann, da hätte ich ein ganzes Jahr lang zu reden! Aber ich will mich als Rechtsfreund ganz kurz fassen und nur einige Hauptursachen berühren; alles andere lässt sich dann ohnehin von selbst denken.

 

Siehe einmal die elende Geburt des Menschen, der gewisserart als Krone der schöpferischen Eigenschaften der Naturkräfte besteht! Warum ist denn seine Geburt und sein Auftreten in der Welt nicht wenigstens ein derartiges wie das der Tiere und namentlich der Vögel in der Luft, die wenige Tage nach ihrem Auftreten in dieser Naturwelt schon zum vollen Gebrauch ihrer Lebenskräfte gelangen und sich derselben nahezu bis an ihr Ende zu erfreuen haben? Aber nein, der Mensch muß elender als jegliches Tier in diese Welt gelangen, nackt, ohne Kräfte, unbehilflich wie irgendein auf dem Wege liegender Stein! So seine Eltern nicht durch eine Art instinktmäßige Liebe  gezwungen wären, den neuen Weltbürger so lange zu pflegen, bis er nur das Glück hat, so eine Art Halbmensch zu werden, so wäre es um das Dasein und Fortbestehen eines jeden in diese Welt geborenen Menschen derart geschehen, dass er nach der Geburt nicht zwei Tage lang das Leben fristen könnte.

 

Ich will aber da noch die Pflege eines neugeborenen Kindes von seiten seiner Eltern ein, zwei bis drei Jahre lang mir gefallen lassen; aber oft über zwölf, ja manchmal über zwanzig Jahre hinaus, bis das Kind durch alle Sorgfalt der Eltern dahin  gebracht wird, sich endlich in der Welt selbst Fortbringen zu können, ist wahrlich zu viel und auch zu dumm und macht der schöpferischen Eigenschaft der wirkenden Naturkräfte unmöglich eine Ehre, sondern in allem das Gegenteil. Hat sie den Menschen keine bessere Entstehung zu verleihen vermocht, sie hätte mit der Hervorbringung derselben wohl für ewige Zeiten daheimbleiben können; denn dadurch hat sie sich wenig Lob bei der gebildeten Menschheit auf der Welt erworben. Ich will aber diesen großen Unfug der schöpferischen Natur nun nicht gar zu großartig beanstanden.

 

Hat diese Natur schon einmal um jeden Preis auf dieser Erde in der Gestalt des Menschen ein denkendes und seiner selbst bewusstes Wesen haben wollen, aus dem Grunde, damit dieses Wesen seinen Schöpfer erkenne, Ihn lobe und Ihm die Ehre gäbe, so hätte sie oder dieser Schöpfer für den Menschen einen solchen  Bestandspunkt festsetzen sollen, in welchem der Mensch es in seinem Denken wenigstens so weit wie ich gebracht hätte; dann hätte er in eine unzerstörbare Festigkeit eintreten sollen und in dieser also weise, stark und gesund fortbestehen, gleichwie auch die Erde in allen ihren Hauptteilen wenig verändert fortbesteht, und so der Mond, die Sonne und die andern Sterne.

 

Aber nein, der Mensch erreicht zwar etwa nach dreißig oder längstens vierzig Jahre wohl einen ähnlichen Standpunkt – wenn überhaupt seine ursprünglichen Lebenskräfte danach eingerichtet sind, was aber zu einer Seltenheit gehört, da beinahe die meisten Menschen glücklicherweise schon als Kinder wieder dahin zurückkehren, woher sie gekommen sind.

 

Der in allem stark gewordene Mensch fängt aber bald nach seinem obersten Lebensstandpunkte mehr oder weniger zu siechen an, und hat er das Glück, etwa gar siebzig, achtzig oder neunzig Jahre alt zu werden, so ist er darum nicht zu beneiden; denn solch ein Alter ist kein Leben mehr, sondern nur eine stets kompliziertere Krankheit, die ihn nach und nach, so wie jeden andern Menschen, zum Tode und zum Nichtsein befördert. Wozu das?

 

Wie kann einer irgend schöpferischen, weisen Kraft das als gut, gerecht und zweckdienlich vorkommen, was doch jede nur einigermaßen erweckte menschliche Vernunft als unweise und unzweckmäßig verwerfen und als etwas Böses, Arges und Rechtswidriges verdammen muß?

 

Mein lieber großer Herr und Meister, das ist mein Hauptgrund, auf dem ich auch jeden andern Schöpfungs- und Hervorbringungsgrund der  schöpferischen Natur im gleichen Maße als verwerflich und als völlig unweise erklären muß, und ich muß noch am Ende diejenigen Menschen loben, die sich in einen allerfinstersten Aberglauben haben hineinlullen lassen; denn sie finden in dem selben einen seligen Vergeltungsgrund für alle ihre auf dieser Welt ausgestandenen bitteren Leiden.

 

Aber selbst diese nach dem Leibestode zu erwartende Seligkeit ist unter derartige Zwang- und Trugschrauben gestellt, dass einem ehrlichen Menschen über die Bedingungen, wie man zu einer solchen Seligkeit erlangen kann, das Hören und Sehen vergeht, weil dabei die Möglichkeit des Nichterlangens eine überaus breite Straße bildet, die Möglichkeiten des Erlangens aber auf einen so steilen, schmalen und dornigen Pfad gestellt ist, dass man am Ende schon lieber gar nicht selig werden wollte, als sich das lebenslange Emporklimmen unter allen Torturen und Foltern des Leibes gefallen zu lassen. Und jetzt, Herr und Meister, habe ich ausgeredet in meiner echt römischen stadtrichterlichen Weise, und nun wolle Du die Güte haben, mir etwas Besseres zu sagen, als ich Dir zu sagen imstande war!“

 

Sagte Ich: „Ja, Mein lieber Oberstadtrichter! Du hast als Weltrichter ganz wohl gesprochen, und die Sache kann einem bloß weltklugen Menschen, wie Du einer bist, auch nicht anders erscheinen und vorkommen als dir! Aber dessen ungeachtet bist du in der Hinsicht, was das Leben der Menschen und aller Kreatur betrifft, in einer ungeheuer dicken Irre. Nach dem Schein zu urteilen, der aber allzeit trügt, hättest du freilich wohl recht, aber nach der inneren Lebenswahrheit durchaus nicht; denn alles, was du auf der Welt schon als lebend erblickst, ist in der Sphäre seines Lebens tausendmal unzerstörbarer als alles, was du dir als unzerstörbar denken kannst.

 

Dein Hauptgrundsatz geht auf das hinaus, dass du der Seele eines Menschen nach dem Abfalle des Leibes kein Fortbestehen mehr einräumst. In diesem Punkt könnte Ich dich mit einer einzigen Erscheinung aus dem Gebiet des Jenseits in einen ganz entgegengesetzten Glauben versetzen; allein dazu haben wir noch Zeit, - Ich will dich vorerst auf einem anderen Wege zu einer ganz andern Überzeugung bringen!

 

Ich werde dir nur ganz kurze Fragen stellen, die du leicht beantworten wirst, und eben deine Antworten werden dich bald zu einer andern Ansicht über die Weisheit des Schöpfers bringen, und du wirst dann selbst über deine gegenwärtigen Urteile zu lachen anfangen müssen.

 

Sage Mir, lieber Freund, hast du je in deinem Leben schon einmal gesehen und erlebt, dass so ein rechter Haupttrottel von einem Menschen, der kaum reden kann und noch viel weniger schreiben, rechnen und zeichnen – dass solcher Mensch wohl imstande ist, einen Plan zu entwerfen, nach dem eine alle Welt ins Erstaunen setzende kaiserliche Burg unter seiner  persönlichen Leitung erbaut werden könnte? Du sagst in dir: `Nein, der Baumeister muß mit allen Kenntnissen dazu wohl ausgerüstet sein, ohne welche er unmöglich eine großkaiserliche Burg herzustellen imstande ist!`

 

Siehe, Freund, hieraus mußt du zu dem Schlusse kommen, dass derjenige Mensch oder Gott unmöglich dümmer sein kann wie ein solcher Trottel, dessen Ich Erwähnung machte, ob er eine kaiserliche Burg zu erbauen imstande sei! Eine großartige kaiserliche Burg ist zwar auch ein staunenswürdiges Werk und macht seinem Meister sicher Ehre; meinst du aber nicht, dass die Erbauung einer ganzen Welt, wie es die Erde ist, noch sehr bedeutend mehr Weisheit und Kraft erfordert als die einer noch so majestätisch kunstvollen Burg?

 

Du sprichst abermals in dir: `Allerdings` heiße die Kraft, wie sie wolle, die eine ganze Welt wie die Erde ins Dasein gesetzt hat mit allem, was auf ihr ist, über ihr und in ihr ist, so muß sie im vollen Bewusstsein ihrer schöpferischen Kraft und durchgreifenden Erkenntnis bestanden haben und noch immer fortbestehen, indem ohne ihr Fortbestehen ihr Werk, so wie das eines Menschen, nur zu bald zu einer vollkommenen Ruine werden müsste.

 

Hat aber diese schöpferische Kraft im vollsten Großbesitz ihrer Weisheit ein so großartiges Werk hervorbringen können, so wird sie wohl nicht minder weise gewesen sein bei der  Hervorbringung der scheinbar kleinen Werke auf einem solchen Weltkörper. Oder hast du schon einmal gesehen, dass das, was in sich vollkommen tot und nicht ist, ein Leben außer sich ins Dasein rufen kann?

 

Du sprichst: `Nein, so etwas ist undenkbar und sogar logisch unmöglich!` Gut, sage Ich dir; meinst du wohl, dass dazu weniger erforderlich ist, um den kleinsten Wurm ins Dasein und Leben zu rufen, als eine ganze Erde, den Mond und die Sonne? Ich sage es dir: So du das einfachste Würmchen ins  Lebensdasein zu rufen imstande bist, da bist du auch enbensogut imstande, eine ganze Erde, den Mond und die Sonne, sowie die andern Gestirne ins Dasein zu rufen! Denn die sichtbare, körperliche Lebensmaschine eines noch so unbedeutenden Würmchens ist in ihrem organischen Bau so kunstvoll, dass du dir darüber nicht den allerleisesten Begriff machen kannst; und wäre diese äußere Lebensmaschine nicht so kunstvoll und weise eingerichtet, wie könnte man in dieselbe ein substantielles Seelchen setzen und dieses sich dann der Lebensmaschine zu seiner weiteren Entwicklung bedienen?

 

Und wenn derjenige, der das Würmchen ins Dasein ruft, nicht selbst ein vollkommener Herr aller Kräfte und alles Lebens wäre, - wie könnte er eine solche Maschine beleben? Und so er selbst nicht nur ein Herr aller Kräfte und alles Lebens, sondern  unbedingt das ewige Leben selbst wäre, - wie könnte er das Würmchen selbst beleben?

 

Hast du schon in deinem Leben je einmal eine wirkende Kraft gesehen? Du sagst: `Mitnichten`! Die Kräfte sieht und fühlt man zwar immer wirken, - aber sie selbst zu sehen, ist noch niemandem geglückt. Wir sehen wohl, dass große Stürme und Orkane eine große Gewalt ausüben, - worin aber diese Kraft und Gewalt besteht, das wissen wir nicht. Es muß uns Menschen auch eine gewisse Kraft an den Boden der Erde fesseln, ansonst könnten wir uns ja auch, wo wir wollten, ohne Anstand frei in die Luft erheben, - was aber nicht der Fall ist, wie uns die tägliche Erfahrung lehrt.

 

Diese Kraft wirkt in einem fort; aber noch keines Menschen Auge hat je gesehen, wie sie aussieht und wie sie wirkt. Gut; nun weiter frage Ich dich, ob du schon je einen Träger gesehen hast, der das Licht der Sonne bis zur Erde herabbringt! Oder hast du schon das Band gesehen, mit welchem die Weltkörper derart miteinander verbunden sind, dass sie sich gleichfort in den gleichen Distanzen um ihre größeren Weltkörper bewegen müssen?

 

Oder hast Du schon einmal jene Kräfte gesehen, welche in den Pflanzen wie in den Tieren wirken und allerlei produzieren?

 

Siehe, das sind dir alles weltfremde Dinge, lauter Fragen, die du dir an der Seite Deiner Rechtsphilosophie schon lange hättest geben können, und auf die du vielleicht auch schon irgendeine viel gescheitere Antwort bekommen hättest, denn auf deine philosophisch kritischen Rechtswitzeleien!

 

Siehe, keine noch so kunstvoll konstruierte Lebensmaschine kann aus mehrfachen Gründen für eine ewige Dauer geschaffen werden; denn solche dauerhaften materiellen Lebensmaschinen erschaffen, hieße für den Schöpfer, Sich Selbst in unendlich viele Teile zerteilen, nach und nach schwächer und schwächer werden und sich des weiteren Schöpfens unfähig machen! So Er aber eine Lebensmaschine nur zu dem Behufe schafft, auf dass sich ein Funke Seines Urlebens für die eigene gottähnliche Freiheit und Selbständigkeit stärke und festige, dann die  Lebensmaschine ablege und sich durch die Liebe und Weisheit in ihm wollkommen einige, so geht dadurch von dem  urschöpferischen Grundleben nicht nur nichts verloren, sondern der Schöpfer und das Geschöpf gewinnen dadurch Unendliches, für dich jetzt freilich Unbegreifbares.

 

Wenn du aber in deiner Seele in dem wahren Geiste Gottes wiedergeboren wirst, so wird dir das klarwerden, wie die Liebe Gottes durch die Liebe Ihrer Kinder zu Ihr in Sich stets mächtiger wird, und ebenso auch die Liebe Gottes in den Kindern. Gott aber war von Ewigkeit ein reinster und vollkommenster Geist und kann daher nichts anderes wollen, als dass mit der Zeit alle seine Geschöpfe auf den vom Schöpfer vorgesehenen Wegen wieder das werden, was Er Selbst ist, - nur mit dem Unterschied, dass sie vor ihrer gewisserart materiellen Ins-Dasein-Rufung nichts anderes waren als pure große Gedanken und Ideen des Schöpfers, die Er dann mit den Zeiten der Zeiten mit der Macht Seines Willens gewisserart wie außer Sich als für sich bestehend hinausstellte und ihnen eine Umhülsung gab, innerhalb welcher sie sich nach und nach selbst mehr und mehr beschauen und erkennen mussten und den Sinn für die Selbständigkeit und für die  Freiheit in sich durch Meine sie dennoch noch immer durchdringende Kraft erkeimen lassen mussten.

 

Freund, wenn solch ein Keim nicht auch in dir bestünde – von dem du als äußerer Sinnenmensch freilich wohl nichts weißt -, so würdest du dem Schöpfer deine Vorwürfe nicht gemacht haben; denn nur der unzerstörbare Lebenssinn in dir hat dich, dir unbewusst, dazu aufgefordert, und Ich bin daraum auch hauptsächlich deinetwegen in diese Gegend gekommen, um dir mit Wort und Tat zu zeigen, wie weit und tief du dich noch hinter dem Lebens- und Lichtpfeiler befindest! Und nun haben wir vorderhand gegenseitig an den Worten zur Genüge und wollen deinetwegen auch zu einigen Tatsachen übergehen.

 

Du hast behauptet, dass man mit den Menschen, die einmal verstorben sind, keine Rücksprache mehr führen könne; allein da bist du sehr irrig daran. Menschen deiner Art ist das wohl nicht leicht möglich; denn sie sind von Anbeginn zu diesweltlich gebildet, haben mit allem möglichen wohl ihre natürliche Seh- und Begriffskraft geschärft, aber dadurch auch in den  Hintergrund gestellt ihre innere geistige Sehe.

 

Denn es geht mit dieser inneren geistigen Sehe ungefähr ebenso wie einem Menschen, der an seinem Hause gläserne Fensterscheiben angebracht hat. Er befindet sich aber außerhalb des Hauses und vernimmt auf einmal ein tüchtiges Geräusch im Hause. Er eilt demnach zu einem Fenster hin und will in das Innere des Hauses sehen, aber trotz aller seiner Anstrengungen kann er nahezu gar nichts entdecken, denn des Tages  Widerschein aus den Fensterscheiben hindert ihn daran. Wenn er denn weiter die Ursache des inneren Geräusches erfahren will, so bleibt ihm nichts anderes übrig, als das Haustor und alle Nebentüren aufzumachen und hineinzugehen, um nachzusehen, was die Ursache des Geräusches war; oder er muß eine Fensterscheibe durchstoßen, und tut es sich mit einer nicht, auch mehrere, um dann ins Haus wirkungsvoller hineinsehen zu können, was etwa das Geräusch verursacht habe. Hätte sich der betreffende Hausherr im Moment des vernommenen Geräusches statt außerhalb des Hause im Hause befunden, so wäre er auch eher und leichter auf den Grund des vernommenen Geräusches gekommen; da er sich aber außerhalb befand, so konnte er in dem Augenblick nicht gegenwärtig sein, als das Geräusch geschah, sondern erst später, und das in jeder Beziehung unvollkommener, weil die Ursache samt der Wirkung sich schon verloren hatte. Er musste dann lange alle Winkel im Inneren des Hauses mühsam durchsuchen und am Ende ein zerbrochenes Geschirr finden, von dem er dann mutmaßen musste, dass es durch irgendeine Bewegung von der Höhe hinab auf den Boden gestürzt sei, dabei zerbracht und den Lärm verursachte.

 

Aber dennoch hat er selbst über diese Annahme keine volle Gewissheit, weil das zerbrochen gefundene Geschirr wohl auch schon früher hatte zerbrochen sein können, - daher seine Annahme dessen ungeachtet keine Gewissheit, sondern nur eine Vermutung ist, und das alles bloß deshalb, weil er im Moment des vernommenen Geräusches sich nicht innerhalb, sondern außerhalb seines Hauses befand.

 

Und siehe, durch dieses Bild will Ich dich darauf aufmerksam machen, wie ein Mensch, der bloß äußerlich verstandesmäßig gebildet ist, von dem, was in ihm geistig vor sich geht, entweder gar nichts oder nur sehr weniges und Unbestimmtes vernehmen und begreifen kann!

 

Der Leib ist der Seele Haus und der Geist in ihr dazu von Gott aus gegeben, dass er die Seele in allem unterweise und erwecke, was da geistig ist, und sie mit demselben auch in Verkehr setze. Wie kann aber der Geist das, wenn die Seele im Vollbesitze ihres freien Willens sich zuallermeist nur außerhalb des Hauses befindet und sich erquickt und erlabt am Weltlichte? Durch dieses aber wird sie derart geblendet und betäubt, dass sie dann nichts mehr sieht und wahrnimmt, was in ihrem Hause vor sich geht. Mit der Zeit, so sie etwas gemahnt, will sie sich freilich in ihrem Hause umsehen und wird sehr bekümmert um dasselbe; sie findet es schon hie und da schadhaft, will es ausbessern und haltbar machen und vereinigt sich dann endlich selbst mit der Materie ihres inneren und äußeren Wohnhauses. Sie sucht dann freilich den Geist in ihrem Hause, der sie durch einen dann und wann veranstalteten Lärm im Wohnhause zu sich ins Haus rufen wollte; aber oft überhörte sie solchen Lärm vor lauter Weltgetümmel.

 

Dann und wann machte sie wohl einen flüchtigen Blick in das Innere ihres Hauses, fand aber nur weniges und  Unzuverläßliches und kehrte sich dann bald wieder nach einer kleinen Untersuchung nach außen, wo es ihr besser gefiel als in den dunklen Gemächern ihres Hauses, in denen sie darum nichts Entscheidendes mehr auffinden konnte, weil ihre Sehe vom Außenlichte zu geblendet und ihr inneres Vernehmvermögen von dem lauten Weltgetümmel zu übertäubt war.

 

Da gibt es aber hie und da, den Kindern ähnlich, furchtsame Seelen, die sich vor dem Weltlicht und dem Weltgetümmel fürchten. Diese bleiben dann lieber im Hause und unterhalten sich mit dem, was sich im Hause befindet. Geschieht nun ein Lärm, so können sie gar wohl von innen nach außen durch die durch ein äußeres Licht ungeblendeten Fensterscheiben schauen und bald und leicht dahinterkommen, was den Lärm verursacht hat, und können von mancherlei, was auch im Hause geschieht, sicher richtiger und eher innewerden als diejenigen, die sich außerhalb des Hauses befinden.

 

Also ist das geistige Seh- und Hörvermögen stets innerhalb des Menschen und nie außerhalb in seinen weltlichen Sinnen. Wenn du demnach mit einer oder der andern Seele dich besprechen und sie sehen möchtest, so kann das nur in dir, nie aber außer dir bewerkstelligt werden.

 

Wärest du mehr in dir zu Hause geblieben, so hättest du schon lange dieselben Lebenserfahrungen gemacht wie gar viele andere, die dir davon wohl erzählen, deren Erzählungen du aber stets für eine leichtgläubige Selbsttäuschung erklärtest, und du hast dich dadurch auch stets mehr und mehr nur außer deinem Hause aufgehalten und nur selten einen flüchtigen Blick in dasselbe geworfen, wo es dich denn allzeit mehr und mehr geärgert hat, weil du infolge der Überblendung deiner inneren Sehe durch das äußere Weltverstandeslicht immer weniger und schlechter ausnehmen konntest, was sich in deinem Lebenshause vorfand, und du hast dich dadurch selbst gestraft, indem du mit deinem äußeren Weltlicht den ewigen Tod und das ewige Nichtsein als die größte Wohltat für ein einmal in ein selbstbewusstes Dasein gerufenes Wesen ansahst und noch ansiehst.

 

Siehe aber, Ich habe als ein wahrer Herr des Lebens die Gabe, dich in dein Inneres zurückzuführen und auf einige Momente deine innere Sehe zu stärken, und du wirst dich dann alsogleich überzeugen, was es mit dem Fortbestehen der Seele nach ihres Leibes Tod für eine Bewandtnis hat!

 

Sage Mir, wen aus deiner früheren Zeit du nun sehen und sprechen willst, und er wird im Augenblick kommen und dir Rede und Antwort geben, und du wirst ihn auch als den erkennen, als den du ihn bei seinen Lebzeiten gekannt hast!“

 

Und der Oberstadtrichter sagte: „So lasse mich meinen Vater sehen und sprechen, der schon vor zwölf Jahren verstoben ist und ich um ihn auch sehr viel getrauert habe, weil er mir ein überaus lieber und biederer Vater war!“

 

Sagte Ich zum Oberstadtrichter: „Dir geschehe nach deinem Wunsche!“

 

Und siehe da, in demselben Augenblick stand der Vater des  Oberstadtrichters, allen Anwesenden sichtbar, im Gastzimmer. Und der Sohn erkannte ihn auch alsogleich und sagte zu ihm: „Also lebst du wirklich nach dem Tode deines Leibes fort?“

 

Sagte der Vater: „Du glaubst wohl nun, weil ich dir also zu erscheinen durch die Macht Dessen, der bei dir ist, genötigt bin, und du siehst mich nun, weil dir Dieser deine innere Sehe eröffnet hat; warum glaubtest denn du deiner noch lebenden Mutter und deinen drei Geschwistern nicht, die mich bald nach meinem Hintritt gesehen und gesprochen haben und ich ihnen mit kurzen Worten eröffnete, dass es mit dem Leben der Seele nach dem Tode des Leibes ganz anders aussieht, als die Menschen in diesem kurzen Erdenleben davon, so oder so, urteilen?

 

Am übelsten für diese kurze Lebenszeit sind diejenigen daran, die an ein Fortleben der Seele nach dem Abfalle des Leibes gar nicht glauben; denn sie behalten den Glauben, den sie von hier mitgenommen haben, jenseits noch lange fort und erwarten noch immer die ewige Vernichtung, die aber nimmer erfolgen kann und will.

 

Und infolge solch ihres Irrglaubens sind sie auch faul und träge, für ihr jenseitiges Weiterkommen etwas zu unternehmen, und so leben sie jenseits noch – wie ich solches schon erfahren habe – oft ein paar tausend Jahre hindurch und lassen sich von ihrem unsinnigen Glauben selbst durch die lichtesten Geister nicht abwendig machen. Siehe daher du, mein Sohn, zu, dass du nicht in einem solchen Irrglauben aus der Welt scheidest!“

 

Hierauf sagte der Oberstadtrichter: „Wahrlich, Vater, du bist es! Denn du hast nun dieselben Worte zu mir gesprochen, welche du zu der Mutter und meinen Geschwistern gesprochen hast, die ich mir denn auch aufgezeichnet habe und noch als ein Heiligtum bei mir aufbewahre, obschon ich an sie bis jetzt nur einen kleinen Glauben hatte. Ich wollte dich auch selbst sehen und sprechen; aber mir wollte dieses Glück nicht zuteil werden.“

 

Darauf sagte zu ihm der Vater: „Wie hätte denn dieses auch geschehen können? Denn wie oft ich auch zu dir kam, warst du nie zu Hause und hattest immer zu tun in der Außenwelt und ihrem Lichte, und da ist es für uns (Geister) unmöglich,  jemandem zu erscheinen und ihn zu belehren; denn wir sind nun in unserem Sein nicht mehr die Erscheinung, bewirkt durch eine andere Kraft, und sind demnach die Kraft selbst, die innerlich in allen Elementen wirkt, die der sinnliche Mensch wohl erschauen kann, - aber die wirkende Kraft, als das eigentliche, wahre Sein in sich selbst, kann ein äußerer, dir gleicher Weltmensch ebensowenig erschauen wie jede andere in der materiellen Welt wirkende Kraft, - er müsste denn nur in sein wahres Sein in sich zurückkehren, dadurch seine innere Sehe erschließen, und er würde dann auch des wahren Seins der wirkenden Kräfte gewahr werden, sie in ihrem wahren Sein beschauen und sich mit ihnen auch in Verkehr setzen können!“

 

Hierauf fragte der Oberstadtrichter den Vater: „Wo ist denn der Ort, wo du dich aufhältst, und wie sieht er aus?“

 

Sagte der Vater: „In unserem Reiche gibt es gar keinen Ort, von dem man sagen könnte; `Siehe hier, oder dort ist er, und so sieht er aus, und so ist er beschaffen!`; denn bei uns ist ein jeder der Ort, den er bewohnt, für sich selbst, und das Aussehen und die Beschaffenheit des Ortes entspricht in allem und jedem der inneren Beschaffenheit des Menschen. Ich bin nun nach irdischer Rechnung doch schon eine solche Zeit drüben, in der man doch etwas Besonderes sehen und erfahren kann; aber ich habe bis jetzt noch nichts gesehen, was dem irgend gleichkäme, was man in dieser Welt vom Jenseits geglaubt, gemeint und gefabelt hat.

 

Ich suchte den Fluß Styx und seinen Schiffer Charon und fand keines von beiden. Ich hatte schon eine Weile Tartarusangst vor eine Furie oder vor den drei unerbittlichen Richtern Minos, Äakus und Rhadamatus – allein, nichts von allem dem! Ich wollte das Elysium aufsuchen, ging weit und breit in einer großen Sandsteppe umher, und siehe, es wollte sich auch kein Elysium finden lassen, - kurz, ich sah und fand außer mir nichts und niemanden außer mich selbst und den sehr lockeren Boden, auf dem ich mich befand. Etwa nach ein paar Jahren meines Suchens – nach diesirdischer Zeitrechnung -, in welcher Zeit ich noch immer diese endlose Sandsteppe nach allen Richtungen hin durchzog, entdeckte ich in einer ziemlich bedeutenden Ferne endlich doch jemanden, der sich ganz in demselben Zustande zu befinden schien, in dem ich mich befand. Ich ging schnellen Schrittes auf diesen Jemand zu und war bald vollends bei ihm. Als ich zu ihm kam, fragte ich ihn sogleich, sagend:

 

`Du scheint dich eben auch in einem mir ähnlichen Zustande zu befinden! Unter den Füßen nichts als eine unendlich fortzudauern scheinende Fläche Sandes, über dem Haupte ein mehr dunkel- als lichtgraues Genebel, und man sieht sonst nichts als sich selbst und seine in den Sand eingedrückten Tritte. Es geht auch kein Wind, und von einem Wasser oder einem anderen Objekt ist gar keine Rede. Bei zwei Jahren irdischer Rechnung irre ich in dieser Sandwüste umher und finde auch nichts, davon man sich sättigen und einen allfälligen Durst stillen könnte.

 

Ich weiß, dass ich das Zeitliche verlassen habe und als eine wahrlich arme Seele in dieser Wüste umherwandere, was mir schon wirklich im höchsten Grade unangenehm ist. Ich habe mir die größte Mühe gegeben, hier in dieser sein sollenden Geister- oder Seelenwelt alles das aufzusuchen und aufzufinden, an das ich in der Welt so halbwegs geglaubt habe, aber nichts von allem - - -.

 

Du bist nun nach zwei Jahren die erste mir ähnliche Erscheinung. Weißt du mir vielleicht zu sagen, was man hier tun und anfangen  soll, um denn doch endlich einmal einen Ort zu finden, in welchem so halbwegs zu bestehen wäre? Denn ich bin des Suchens in dieser weiten Sandsteppe schon müde geworden und habe wahrlich keine Lust mehr, weitere Schritte vor- und rückwärts zu machen!“

 

Darauf sagte der mir ähnlich Scheinende und sich in gleichen Zuständen Befindende: `Ja, mein Freund, wie dir, so geht es gar zahllos vielen in diesem Reiche, die das, was du suchst, schon viele Jahrhunderte lang suchen! Wenn du hier etwas finden willst, so mußt du es nicht so anstellen, wie auf der materiellen Welt, in der man alles nur außer sich sucht. Wer hier das tut, der findet ewig nichts! Denn hier gibt es außer ihm keinen Ort und keine Gegend mehr, und würde er diese auch auf allen Punkten des unendlichen Raumes irgend finden wollen. Du mußt also mit deinen Sinnen, mit deinem Trachten und Wollen in dich selbst zurückgehen und in dir selbst zu suchen, zu denken und zu formen anfangen, dann erst wirst du einen Ort finden, der deinem Denken, Formen, Wollen und deiner Liebe entsprechen wird! Daher tue, als sähest du diese Sandsteppe nicht, wie auch nicht das Graugenebel über dir, sondern begib dich in die Phantasie deines inneren Gemütes, so wird sich vor dir bald alles anders gestalten! Ich habe mich darum von dir finden lassen, um dir solches zu verkünden.`

 

Auf diese Worte verließ mich der Jemand plötzlich wieder (und ließ mich) auf meiner Sandsteppe stehen. Ich beherzigte seine Worte und fing an, in mich zu gehen und so recht lebhaft zu denken, und zeichnete mir in meiner Phantasie so gut es ging eine Gegend und einen Ort, - und siehe da, es währte gar nicht lange und ich ersah bald meine Phantasie vor mir tastächlich ausgebreitet. Sie bestand in einem Tal, das von einem Bache durchfurcht war. Links und rechts befanden sich Wiesen und auch Bäume und Sträucher, und in einiger Entfernung entdeckte ich auch einen Ort, bestehend aus niedrigen Bauernhütten, worauf es mir vorkam, dass ich diesem Orte näherkommen sollte.

 

Ich dachte mir aber: `So ich wieder werde zu gehen anfangen, da werde ich am Ende alles wieder verlieren, was ich mir mühsam geschaffen habe! Ich werde dafür versuchen, mir in meiner nächsten Nähe nur eine solche Hütte zu formen, - diese will ich dann recht gern für immer bewohnen und behalten!`

 

Ich dachte mir so etwas, und die Hütte stand auch bald da, umgeben mit einem Garten voller Obstbäume, womit ich vollkommen zufrieden war.

 

Ich ging denn in die Hütte, um gewisserart in mir selbst zu erfahren, was sich da weiterhin ergeben werde. Als ich in die Hütte kam, fand ich sie vollkommen leer und fing an, noch tiefer in mich zu gehen und zu denken, worauf bald aller Art Gerätschaften in dieser Hütte sich mir darzustellen anfingen: Stühle, Bänke, Tische und auch ein Ruhebett, ganz so, wie ich es mir gedacht hatte. Und ich dachte weiter: `Der Tisch wäre nun da; aber es gibt auf ihm noch kein Brot und keinen Wein und sonstige Speisen!`Wie ich daran lebhaft zu denken anfing, da befand sich auch bald des Brotes und Weines zur Genüge auf dem Tisch, und ich machte bei diesem Anblick nicht viel Säumens, griff nach dem Brote und so auch nach dem Weine, denn ich war schon sehr hungrig und durstig, - und siehe, ich fand mich bald darauf sehr gestärkt, und mit meinem Denken und Phantasieren fing es an, viel lebhafter und kräftiger zu gehen!

 

Ich trat darauf wieder aus meiner Hütte und fand alles noch so wie früher. Da dachte ich mir aber:`Es wäre alles recht also; aber ich bin und bleibe dennoch allein! Wenn ich nur jenen früheren Freund mir jetzt herbeiwünschen könnte, damit ich ihm meinen Dank abstatten könnte für seinen mir gegebenen guten Rat!` - und sah bei diesem Wunsche nach jenem schon vorher erwähnten entfernten Orte hin, und sah, wie sich bald darauf von jenem Ort mehrere Menschen in der Richtung zu mir zu bewegen anfingen. Sie kamen bald in meine Nähe, und unter ihnen erkannte ich auch bald jenen Freund, der mir in der früheren Sandwüste den guten Rat erteilt hatte, und er sagte zu mir:

 

`Nun erwecke du in dir recht lebendig das Gefühl der Liebe, des Mitleids, der Erbarmung und des Wohltuns, und es werden bald mehrere zu dir kommen, denen es jetzt noch so geht, wie es dir ergangen ist! Teile denn mit ihnen dein Lebensbrot und deinen Lebenswein, und sie werden bald darauf deine  glücklichen Nachbarn werden! Die aber von dir nichts annehmen werden wollen, die lasse du nach ihrem Willen wieder weiterziehen und einen Ort und ein Unterkommen suchen, und es wird ihnen fürder geradeso ergehen, wie es dir ergangen ist bei deinem Suchen! Du aber bleibe von nun an fortwährend wachsend in der Liebe, in der Erbarmung und in der lebendigen Sehnsucht, den armen Blinden nach Möglichkeit Gutes zu erweisen; dadurch wirst du selbst fort und fort reicher und dadurch auch glücklicher werden!`

 

Darauf kehrten die mich in meiner Einsamkeit Besuchenden wieder zurück, und ich befolge abermals meines noch unbekannten Freundes weiteren Rat. Und siehe, es kam bald darauf eine recht große Menge dürftiger Seelen zu mir, und ich fragte sie, ob sie etwas sähen und wahrnähmen. Und sie antworteten:`Bis jetzt noch nichts als unter unseren Füßen eine endlose Sandsteppe und über uns ein graues Genebel!`

 

Ich aber ging in meine Hütte und brachte ihnen Brot und Wein. Einige von ihnen ersahen alsbald das Brot und den Wein, als ich zu ihnen sagte:`Da habt ihr Brot und Wein, und stärket euch!`

 

Viele andere aber merkten es nicht, da sie in sich der Meinung waren, ich treibe mit ihnen etwa einen mutwilligen Scherz, und zogen wieder weiter. Die aber Brot und Wein nahmen, ersahen auch alsbald meine Hütte und die ganze schöne Landschaft und blieben bei mir, und ich unterwies sie in der Weise, wie ich selbst unterwiesen worden war, und bald ward meine früher einsame Hütte mit einer Menge anderer wohleingerichteter Hütten umgeben, und ich fand und kam dadurch zu meinem ersten Orte und zu meiner ersten Gesellschaft und blieb so lange daselbst, bis ich mein Inneres durch die Liebe zu meinem Nächsten stets mehr und mehr erweitert hatte.

 

Nach solcher Erweiterung erweiterte sich auch bald die Gegend, wurde lebhafter und schöner und ich in ihr stets glücklicher und  erleuchteter; und je mehr sich das innere Licht in mir  ausbreitete und mir etwas vorstellte, so war es auch schon bald da.

 

In solchem Zustande fing ich auch an, meiner in der Welt zurückgelassenen Angehörigen zu gedenken und mich ihnen mitzuteilen, dass es nach dem Abfalle des Leibes ein unverwüstliches Fortleben der Seele gibt. Und siehe, bald darauf kamen deine Mutter und etliche Geschwister zu mir, und ich konnte mich ihnen ebenso mitteilen, wie nun dir! Sie glaubten meinen Worten, teilten dir solches auch mit, was aber bei dir bis jetzt keinen Glauben fand, indem du zu sehr mit allem deinem Denken, Lieben und Wollen dich in die starre und tote Außenwelt begeben hast.

 

Schließlich mache ich dir noch diese Bemerkung, dass eben derjenige Freund, der mir in der Wüste zuerst den guten Rat erteilte, diesem Herrn, an dessen Seite du sitzest, in der Physiognomie sehr ähnlich sieht, und ich in mir bei Seinem ersten Anblick eine lichte Idee entstehen sah, dass er der Herr von dieser und auch von unserer Welt sei.

 

Ich rede zwar nun mit dir, - aber nicht als in einem andern Ort, sondern nur in dem, den ich bewohne, und du kannst daraus für dich den Schluß machen, dass ich es nicht notwendig habe, um mit jemandem in dieser Welt zu verkehren, meinen Ort zu verlassen, - sondern wo ich bin und rede, da ist auch der Ort mit mir.

 

Übrigens mach ich dich nun noch darauf aufmerksam, dass du auf der Außenwelt, deiner Seele nach, nun auch auf lauter Sand einherwandelst und über dir, das heißt deinem Verstande nach, nichts hast als dunkelgraues Genebel. Diese Erde aber, und was du auf ihr und über ihr siehst, ist auch nur ein von einem allerhöchsten Geiste aus geschaffener Ort, geradeso, wie im kleinen Maßstab mein kleiner Ort von mir aus geschaffen ist.

 

Die Liebe des großen Geistes, Seine überaus hellen Lichtgedanken, Sein allmächtiges Wollen und Seine große Barmherzigkeit sind die Urelemente, aus denen Er solche wunderbaren Orte herstellt und sie auch erhält, solange Er will.

 

Du siehst demnach in dieser Welt nichts anderes als einen solchen Ort, der aus dem großen Geiste in einer gewissen Ordnung ins Dasein gesetzt wurde; für deine Seele aber bleibt er nur so lange ersichtlich und ein Etwas, solange deine Seele noch mit einer Materie umhülst ist. Wird dir diese Umhülsung genommen, dann bist du ohne Ort, ohne irgendeinen festen Boden und ohne ein bestimmtes Licht über dir, - außer du hast schon in dieser Welt den Weg in dein Inneres gefunden. Dann geht es jenseits freilich anders; denn da kommt alles, der Ort und was dir nötig ist, schon mit dir herüber, und du brauchst da nicht erst jenseits durch einen Freund zu erfahren, wie man jenseits bei uns zu einem Wohnort und zu einer Gesellschaft gelangt. – Das merke dir, mein Sohn!“

 

Hier wollte der Sohn noch weiter mit seinem Vater sprechen. Dieser aber sagte noch im Scheiden (Vater): „Um alles andere, um was du noch weiter wissen willst, wende dich im Herzen an Den, der neben dir sitzt; denn Ihm sind alle Dinge bekannt, auf dieser Welt und in der unsrigen!“ Auf diese Worte verschwand der Geist.

 

Und Ich wandte Mich nun an den Oberstadtrichter und sagte: „War das der Geist deines Vaters oder nicht?“

 

Sagte der Oberstadtrichter: „Großer Herr und Meister, er war es so gewiß und sicher, als ich gewiß und sicher sein irdischer Sohn bin, und er kann kein Phantom meiner eigenen Phantasie gewesen sein; denn ein solches Phantom hätte nicht also weise mit mir reden können, und das über Dinge, die mir bis jetzt so fremd waren wie das, was sich unterhalb unserer Erde befindet.

 

Und ich glaube von nun an vollkommen an ein unverwüstbares Fortbestehen der Seele nach dem Abfalle des Leibes! Nur eines kam mir etwas sonderbar vor, und das bestand in dem, dass mein Vater, solange er sich drüben befindet, weder mit den bösen Geistern der Heiden und noch weniger mit irgendeinem Teufel der Juden zusammengekommen ist. Es ist doch überall die Rede, dass die Argen jenseits auch fortbestehen und in einem fort nur Böses zu bewirken beabsichtigen in ihrem unauslöschbaren Grimm. Wie sieht es denn dann mit den Orten dieser bösen Geister aus? Und warum konnte mein Vater jenseits noch keinen zu Gesicht bekommen?“

 

Sagte Ich: „Kümmere du dich um das wenig oder gar nicht! Die bösen Geister, die man Teufel nennt, kehren am Ende auch in sich, aber sie finden nichts als lauter Erzböses, was eigentlich ihre Liebe ist. Aus dieser erschaffen sie sich auch Orte, die mit ihrem inneren Charakter die vollkommenste Ähnlichkeit haben,  sondern sich nach und nach – nach dem Grade ihrer Bosheit – in gewisse Vereine ab und suchen jedermann zu schaden.

 

Wenn sie gerade auf dieser Erde ähnliche Charaktere unter den Menschen verspüren, so finden sie auch bald Wege, sich denselben beinahe auf dieselbe Weise zu nähern, wie sich dir dein Vater genaht hat, nehmen dann das Fleisch zuerst in Besitz und erfüllen es mit allem, was man nur arg und böse nennen kann. Am Anfang treten sie sachte auf und suchen die Seele in das Fleisch zu ziehen. Ist das geschehen, so ist die Seele für alles Rechte, Reine, Gute und Wahre auch schon so gut wie verloren.

 

Und Ich bin eben darum in diese Welt Selbst im Fleische gekommen, um diesem alten Unfug für alle jene ein wirksamstes Ende zu setzen, die an Mich glauben und nach Meiner Lehre leben und handeln werden, - denn siehe, Ich ganz allein bin der Herr über alles in der Welt und über alles im Reiche der Geister! Glaube das, und du wirst leben!“

 

Darauf dankte der Oberstadtrichter für diese Meine Belehrung, setzte als ein feiner Verstandeskritiker diese Frage am Schlusse hinzu: „Aber, Herr und Meister, wie hast Du denn solch einem Unfug zusehen können, ohne ihm schon überlange her ein wirksamstes Ende zu machen?“

 

Sagte Ich: „Das, was du wünschest, ist von Mir aus auch immer geschehen, und es ging noch nie ein nur einigermaßen guter Mensch verloren; für das aber, was jetzt geschieht, war auf dieser Erde die Menschheit noch zu jung und ist gegenwärtig noch lange nicht in der rechten Reife. Doch Ich habe Mich der wenigen Guten wegen dieser Welt erbarmt und will für sie Selbst jeseits ein Reich gründen, in welchem sie ewig bei Mir und mit Mir herrschen sollen.

 

So wie dein Vater befinden sich im großen Jenseits schon zahllos viele der besseren Juden- und Heidengeister; wenn Ich aber in Kürze in Mein ewiges Ursein zurückkehren werde (durch den Tod Jesu, Red.), dann wird auch all diesen besseren Juden  und Heiden im Jenseits der rechte Weg zum vollkommenen, ewigen Leben gezeigt werden.

 

Allen Bösen aber wird es auch ewig freistehen, sich entweder zu bessern und die Wege des Lichtes zu betreten oder in ihrem Bösen zu bleiben und sich von ihm quälen zu lassen für ewig hin; denn was sie selbst wollen, darin widerfährt ihnen kein Unrecht.

 

Und es wird jenseits des Guten Lohn Gutes sein, des Bösen aber Böses, und ein jeder wird nach der Ablegung seines Leibes sich befinden in seinem Jüngsten Tage, und Ich werde einen jeden auferwecken und ihm den Lohn geben aus ihm selbst, wie er war, gut oder böse. Und damit hast du aber auch schon alle deine an Mich gestellten Fragen mehr als zur Genüge beantwortet, und wollte Ich dir auch noch  tiefere Antworten geben, so würdest du sie dennoch nicht verstehen; denn ihr seid allzumal noch Kinder in eurer Seele und könnet eine feste, männliche Kost noch nicht vertragen. Daher müsset ihr vorerst auch mit der Milch gespeist werden; wenn ihr aber einmal durch diese Speise hinreichend gekräftigt sein werdet, dann werdet ihr auch eine kräftigere Speise aus dem Himmel zu vertragen wohl imstande sein.“(GEJ.10_169,01 ff)