» ...das zeigt, daß jede buchstäbliche Auslegung des mosaischen Berichtes scheitern muß, obwohl er auch eine natürliche Aussagedimension hat, die uns das Lorberwerk enthüllt.«

 

 

Die Schöpfungsgeschichte im Lichte

der Neuoffenbarung durch Swedenborg

und Lorber


Thomas Noack

 

1. Einleitung

2. Zur Urgeschichte (Genesis 1 - 11)

2.1. Zur Quellenfrage der Urgeschichte

2.2. Zur Interpretation der Urgeschichte

3. Zur Schöpfungsgeschichte

3.1. Zum Verhältnis der zwei Schöpfungsberichte

3.2. Das Thema der Schöpfungsgeschichte

3. Die Auslegung



1. Einleitung


Nach der theoretischen Darstellung der Entsprechungswissenschaft*), will ich nun einen Text der Heiligen Schrift im inneren Sinn auslegen, und zwar die Schöpfungsgeschichte (Genesis 1). Dieser Text eignet sich deswegen besonders, weil er auch durch Lorber erklärt wurde. Die Bibelauslegung war ja eigentlich Swedenborgs Auftrag, so daß die Zahl der Vergleichstexte nicht sehr groß ist. Deshalb ist es eine glückliche Fügung, daß ausgerechnet die Schöpfungsgeschichte durch beide Gottesboten enthüllt wurde; ein Text, der einesteils sehr bekannt ist, dessen Glaubwürdigkeit aber durch die Naturwissenschaft grundlegend erschüttert wurde. Die Einsicht in den inneren Sinn wird zeigen, daß er gleichwohl ein Zeugnis der Wahrheit ist. Doch bevor ich zur Textauslegung komme, möchte ich etwas zur Urgeschichte als Ganzes (Genesis 1 - 11) sagen, denn die Neuoffenbarung macht einige interessante Bemerkungen dazu.

*) Siehe linke Randspalte unter "Kommentare / Dokumentationen", Thema "Die Wissenschaft der Entsprechungen"



2. Zur Urgeschichte (Genesis 1 - 11)


2.1. Zur Quellenfrage der Urgeschichte


Lange Zeit galt die Bibel als das älteste Buch der Menschheit. Doch durch die archäologischen Funde des 19. Jahrhunderts ist sie zu einer verhältnismäßig jungen Erscheinung geworden. Ein großer Teil ihres Inhalts ist von den Anfängen der altorientalischen Hochkulturen ebenso weit entfernt wie von uns. Es gibt keinen Text der Urgeschichte, zu dem uns heute nicht eine Fülle vergleichbaren Materials vorläge. Zu Genesis 1 beispielsweise gibt es verschiedene Versionen akkadischer1 Schöpfungsepen. Das bekannteste dürfte das babylonische sein, das nach seinen Anfangsworten »Enuma Elisch« (= Wenn hoch oben) heißt. Diese Erzählungen haben teilweise erstaunliche Gemeinsamkeiten mit Genesis 1, aber auch große Unterschiede. Daher vermuten einige Gelehrte, daß die altorientalischen Schöpfungsmythen und der mosaische zwar nicht direkt voneinander abhängig sind, wohl aber aus einer gemeinsamen Tradition hervorgegangen sind: »Zwar ist im israelitischen Raum sicher mit einer Bekanntschaft babylonischer Mythen zu rechnen, trotzdem bleibt eine unmittelbare Abhängigkeit der priesterlichen Schöpfungsgeschichte von dem babylonischen Schöpfungsepos ausgeschlossen; dazu reichen die gegenseitigen
Beziehungen bei so gewichtigen Unterschieden nicht aus. Vielmehr müssen beide Texte eine gemeinsame Tradition haben, deren ganz unterschiedliche Ausprägung sie darstellen.«2

1 Mit »akkadisch« bezeichnet man die zusammengehörigen semitischen Sprachen Babylons und Assyriens.

2 Werner H. Schmidt, »Die Schöpfungsgeschichte der Priesterschrift«, Neukirchen- Vluyn 1967, Seite 31. Die Hervorhebung in Kursivschrift stammt von mir.


Diese Erklärung finden wir auch in der Neuoffenbarung. Denn es hat »eine Uroffenbarung (primaeva Revelatio) gegeben, die über den ganzen Erdkreis verbreitet war« (Swedenborg: WCR 11). Das bezeugen auch die Lorberwerke, namentlich die »Haushaltung Gottes«, die sogar als die Uroffenbarung in moderner Gestalt angesehen werden kann, denn sie beinhaltet die Lehrgespräche des Herrn mit den Urvätern.3

3 Diese These kann sich auch auf den folgenden Hinweis im Lorberwerk stützen, der vom Alten Wort handelt und dabei die Haushaltung erwähnt: »Ganz in der Mitte von Asien, im hohen Thibet, lebt noch ein Volk, welches die uralte patriachalische Verfassung hat. Unter allen alten Religionen der sogenannten Parsen und Gebern ist die Religion dieses Volkes noch die am meisten ungetrübte. Sie haben noch die eigentliche Sanskrit, in welcher von der Zenda vesta gehandelt wird; denn die Sanskrit ist die heilige Schrift der Urzeit, und die in dieser Schrift enthaltenen Geheimnisse Namens Zenda vesta, in eurer Sprache: die heiligen Gesichte, sind historische Ueberlieferungen von den mannigfaltigen göttlichen wunderbaren Führungen des Menschengeschlechtes in der Urzeit. Es ist darum falsch, so hie und da manche die Sanskrit und die Zenda vesta als gewisserart zwei Bücher annahmen; das Ganze ist nur ein Buch, und dieses ist abgetheilt in das Buch der Kriege Jehova's und in das Buch der Propheten. Da aber eben die Propheten durch ihre heiligen Gesichte die Thaten Gottes beschrieben, so sind diese scheinbaren zwei Bücher eigentlich nur ein Buch, welches sich bei den obbenannten Bewohnern des hohen Thibet noch ziemlich unverfälscht vorfindet, und ungefähr dasselbe enthält, was Ich euch im von euch sogenannten Hauptwerke aus der Urzeit mitgetheilt habe; - nur ist dort Alles noch in der Ursprache in lauter geheimnißvolle Bilder eingehüllt, die für die neue Zeit schwer oder gar nicht zu enträthseln sind.« (1856Erde, Seite 229). Der Text bezieht sich auf das Alte Wort und sagt, daß die Haushaltung »ungefähr dasselbe enthält«. Außerdem ist möglicherweise eine Notiz in der Lorberschrift »Die drei Tage im Tempel« relevant. Der Jesusknabe sagte: »Als Levite und angehender Varisar (Pharisäer) mußt du das … aus dem Buche Henoch, das Noah über die Sündflut herübergebracht hat unter dem Titel ›Kriege Jehovas‹ (siehe ›Haushaltung Gottes‹!) wissen« (DT 16,7). Es ist allerdings nicht klar, ob der Klammereinschub von Lorber stammt und wie er zu interpretieren ist. Er kann bedeuten, daß die »Kriege Jehovas« mit der »Haushaltung« identisch sind oder daß man in der »Haushaltung« nachsehen soll.

 

Aus der mündlichen Uroffenbarung entstand allmählich das Alte Wort, das in die Urgeschichten unserer Bibel eingeflossen ist. Swedenborg zufolge hatte Moses die Überlieferungen »von der Schöpfung, vom Garten Eden bis zur Zeit Abrahams« »von den Nachkommen der ältesten Kirche« (HG 66). Später konkretisiert er diese Vorstellung, indem er das Alte Wort als Quelle nennt: »Darüber hinaus hörte ich von den Engeln, daß die ersten Kapitel des ersten Buches Mose, die von der Schöpfung, von Adam und Eva im Garten Eden und von ihren Söhnen und Nachkommen bis zur Sintflut und schließlich von Noah und dessen Söhnen handeln, sich ebenfalls bereits in jenem Alten Wort fanden, also von Moses daraus abgeschrieben worden waren.« (WCR 279d)4. Das Alte Wort ist also die Quelle der Urgeschichte.

4 Vgl. auch LS 103: »Überdies ist mir gesagt worden, daß die sieben ersten Kapitel des ersten Buches Mose auch in jenem Alten Worte stehen, so daß kein Wörtchen fehle.« Hier ist nur von den sieben ersten Kapitel die Rede. Das widerspricht den Angaben in WCR 279d, wonach die Kapitel bis zur Sintflut und den Söhnen Noahs zum Alten Wort gehörten. Danach käme man wenigstens bis zur Völkertafel in Kapitel 10, die ja mit den Worten beginnt: »Das ist die Geschlechterfolge nach den Söhnen Noahs, Sem, Ham und Jafet.« Wahrscheinlich käme man sogar bis zur Turmbauerzählung, denn sie greift das Völkermotiv auf. Nach WCR 279d wäre also die gesamte Urgeschichte dem Alten Wort entnommen.


Da es weit verbreitet war5, konnte Moses auch in Ägypten mit ihm in Berührung kommen, denn auch dort gab es die alte Kirche (HG 1462). Aus den Lorberschriften geht hervor, daß Moses »in alle Wissenschaften der Ägypter eingeweiht war« (GEJ I,157,8; Apg 7,22). Er hatte ihre Schulen durchgemacht (GEJ IV,204,4), und war »in die ägyptischen Mysterien eingeweiht« (GEJ IX,92,10), bis er schließlich »in einem Alter von 57 Jahren« »vom Geiste Gottes zu einer höchsten Weihe« geführt wurde (GEJ IV,204,4; Anspielung auf Exodus 3). Die Wissenschaften und Mysterien der Ägypter waren für Moses eine »Vorschule« (GEJ IV,204,4), die ihn für die höchste Offenbarung empfänglich machte. In Ägypten muß er auch das Alte Wort kennengelernt haben, denn sonst hätte er später daraus nicht einiges in seine Schriften aufnehmen können (Num 21,14f.; 27-30; siehe WCR 265 und 279d). Nach seiner Berufung konnte er aus dem Alten Wort die Urgeschichten der Bibel formen. Sie sind eine Verdichtung des ursprünglich breiteren Überlieferungsstromes; aber eine Verdichtung, die vom Geiste Gottes autorisiert ist. Gerade die Schöpfungsgeschichte ist ein Beispiel für die konzentrierte Sprachgewalt der Urgeschichten.

5 Siehe EO 11, WCR 266, 275.


In dieses Entstehungsmodell fügt sich die folgende Nachricht ein, die nun allerdings das gesamte mosaische Schrifttum betrifft: »Moses schrieb noch in der ihm wohlbekannten ägyptischen Hieroglyphenschrift.« (Suppl. 257). Dieser auf den ersten Blick erstaunliche Hinweis ist andererseits naheliegend, wenn man in Moses, dem Mann mit dem ägyptischen Namen6, den Verfasser des Pentateuch sieht; zumal die Hieroglyphen ein für das Geistige sehr geeignetes Ausdrucksmittel waren, denn sie waren »Bilder natürlicher Dinge, die Geistiges vorbildeten« (HG 7926)7. »Erst in der Zeit der Richter, die in dieser [Hieroglyphen]Schrift noch wohl bewandert waren, sowie in deren Entsprechungen, wurden die Bücher Mosis mit den althebräischen Lettern aufs Pergament gebracht« (Suppl. 257). Es ist bekannt, daß die Handschriften des Alten Testaments ursprünglich nicht in der noch heute gebräuchlichen Quadratschrift, sondern mit den von Lorber erwähnten althebräischen Lettern geschrieben wurden. Man weiß, daß sich der »Übergang von der althebräischen zur Quadratschrift« »vom 4. - 2. Jahrhundert v. Chr.« vollzog.8 Da die Richterzeit von circa 1200 bis 1012 vor Christus zu datieren ist9, kommt man auf ungefähr 600 bis 1100 Jahre althebräische Überlieferung der Mosesschriften. Zur Zeit Jesu war jedoch schon die Quadratschrift üblich, wenngleich die althebräische Schrift (wie Funde zum Beispiel in Qumran zeigen) noch immer nicht ausgestorben war. Doch in dieser Quadratschrift wurden nur die Konsonanten geschrieben. Der Text, den Jesus in der Synagoge von Nazareth las (Lk 4,16ff.), war ein solcher Konsonantentext, den man bald nicht mehr aussprechen konnte, so daß man ihn vokalisieren mußte. Auf diesen Vorgang bezieht sich der letzte Teil der überlieferungsgeschichtlichen Nachricht Lorbers: »Aber selbst diese Schrift war den meisten zu Meiner Zeit lebenden Juden unverständlich, weil die Vokale zwischen den Konsonanten nicht vorkamen. Man fand sich genötigt, eine neue Abschrift zu machen, an der sich die sogenannten alten Schriftgelehrten über zweihundert Jahre lang beteiligten« (Suppl. 257). Damit ist die Punktation (Vokalisierung) des Konsonantentextes gemeint. Wer jedoch genau die alten Schriftgelehrten oder Masoreten waren, läßt sich nicht sagen, da die Anfänge der Punktation nicht sicher zu datieren sind.10 Immerhin sollte deutlich geworden sein, daß die Nachricht Lorbers teilweise mit dem gegenwärtigen Forschungsstand übereinstimmt; aber als eigentliche Überraschung bleibt der Hinweis, daß der hebräische Grundtext bereits eine Übersetzung der ursprünglich ägyptischen Urschrift ist. Daraus würden sich weitreichende Konsequenzen ergeben; vielleicht wäre es sogar möglich, den Pentateuch in die Hieroglyphenschrift zurückzuübersetzen. Bei den Evangelien hat man vergleichbare Versuche gemacht, denn Jesus sprach höchstwahrscheinlich aramäisch11.

6 Zur ägyptischen Herkunft des Namens siehe Herbert Donner, »Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen«, Teil 1, Göttingen 1984, Seite 109. Demnach ist das Element »Mose« auch in Pharaonennamen wie »Thut-mose« oder »Ra-mses« zu finden.

7 Vgl. hierzu den Aufsatz von Horand K. Gutfeldt, »Swedenborg and the Egyptian Hieroglyphs, in: Emanual Swedenborg, A Continuing Vision: A Pictorial Biography & Anthology of Essays & Poetry«, edited by Robin Larsen etc., New York 1988, Seite 392-401.

8 Ernst Würthwein, »Der Text des Alten Testaments«, Stuttgart 1988, Seite 5.

9 Nach der sogenannten Frühdatierung begann die Richterzeit jedoch schon um circa 1400 vor Christus.

10 Vgl. E. Würthwein, a.a.O., Seite 25.

11 Vgl. zum Beispiel George M. Lamsa, »Die Evangelien in aramäischer Sicht«, 1963. Nach Lorber hat es ein hebräisches Matthäusevangelium gegeben (GEJ II,218,15); eine Nachricht, die wir auch in der Kirchengeschichte des Eusebius von Caesarea finden (KG V,10).


Wenn die überlieferungsgeschichtlichen Angaben der Neuoffenbarung stimmen, woran ich nicht zweifle, dann werden Unmengen von wissenschaftlicher Literatur zum Pentateuch zu Makulatur. Da ich mich hier nicht mit den herrschenden Thesen auseinandersetzen will, sei nur angemerkt, daß die gegenwärtige Forschung ganz andere Wege geht und auch die Verfasserschaft des Moses vehement bestreitet. Doch die wissenschaftlichen Thesen sind nur Vermutungen, die sich auf gewisse Textbeobachtungen stützen, die sich angeblich anders nicht erklären lassen. Die Hinweise der Neuoffenbarung sind meines Erachtens nicht unwahrscheinlicher als das, was gegenwärtig behauptet wird.

 


2.2. Zur Interpretation der Urgeschichte


2.2.1. Swedenborgs Thesen


Bei Swedenborg finden wir zwei Thesen zum Verständnis der Urgeschichte, die erwähnt werden müssen, weil sie der durch Jakob Lorber offenbarten »Haushaltung Gottes« zu widersprechen scheinen.


Swedenborg sah einen Unterschied zwischen der Urgeschichte und den Erzväterüberlieferungen. Die Urgeschichten sind - im Unterschied zu den ab Genesis 12 beginnenden »wahren Geschichten (historica vera)« (HG 1403, 1540) - »gemachte Geschichten (facta historica)«; folglich hat alles, was in ihnen »geschichtlich zusammengewebt« ist, »eine andere als die buchstäbliche Bedeutung« (HG 1020). Denn die Urmenschen dachten immer nur an Geistiges und Himmlisches, wenn sie Irdisches und Weltliches nannten. »Daher drückten sie es [= das Geistige und Himmlische] durch Vorbildungen nicht nur aus, sondern brachten es auch noch in einen geschichtlichen Zusammenhang, um es lebendiger zu machen.« (HG 66). Die Urgeschichten sind also geschichtsartige Einkleidungen, deren eigentlicher Aussagegehalt Geistiges und Himmlisches ist. Diese Entdeckung Swedenborgs scheint sich auch in der Genesisforschung anzubahnen, denn Claus Westermann schreibt, daß »diese Ereignisse von der Schöpfung bis zum Turmbau von Babel im AT selbst nicht als Geschichte in unserem Sinn gemeint sind und daher auch niemals in die Geschichtstraditionen einbezogen werden (Credo)«12. Das alles bedeutet nun aber nicht, daß die Urgeschichten nicht auch eine historische Dimension haben, denn Adam bezeichnet die älteste (HG 478) und Noah die alte Kirche (HG 530). Daher ist es möglich, eine »Urgeschichte der Menschheit«13 zu schreiben, wie es Lorber in der »Haushaltung « getan hat.

12 Claus Westermann, »Genesis 1 – 11«, Darmstadt 1989, Seite 3.
13 So der Untertitel der »Haushaltung Gottes«.


Die zweite These betrifft die »Personen« der Urgeschichte. Swedenborg schreibt, »daß unter den Namen in den ersten Kapiteln der Genesis nur Kirchen verstanden wurden« (HG 1114). Die »Personen« der Urgeschichte sind also Kollektivpersonen (Gruppen). Speziell zu Adam führt Swedenborg aus, daß das hebräische Wort Adam schlicht und einfach Mensch bedeutet und daher nicht als Eigenname verwendet wird (HG 478). Das belegen Stellen wie Genesis 1,26: »Laßt uns Menschen (= Adam) machen als unser Bild, nach unserer Ähnlichkeit«, oder Genesis 5,2: »Männlich und weiblich schuf er sie, und er segnete sie und nannte ihren Namen Mensch (= Adam), am Tage da sie geschaffen wurden.« »Daraus ist ersichtlich, daß nicht von einem zuerst vor allen geschaffenen Menschen, sondern von der ältesten Kirche die Rede ist.« (HG 478). Für die anderen »Personen« der Urgeschichte gilt ähnliches (vgl. HG 483). Über Noah lesen wir sogar: »einen Noah … hat es nie gegeben« (HG 1238). Wenn man das weiß, dann verwundert es sehr, daß in der »Haushaltung« alle »Personen« der Urgeschichte als individuelle Personen auftreten. Aber auch hier ist der Widerspruch nicht so kraß, wie es zunächst erscheint.


2.2.2. Das Verhältnis der swedenborg'schen Thesen zu
den Lorberschriften


Was läßt sich zur Lösung des Problems sagen? Zunächst, daß sich Swedenborgs Aussagen einzig und allein auf die Urgeschichte der Bibel beziehen, während Lorbers »Haushaltung « die Urgeschichte der Menschheit darstellt. Das sind verschiedene Gegenstände, die sich allerdings darin berühren, daß auch die Urgeschichte der Bibel eine historische Dimension hat. Aber grundsätzlich äußern sich Swedenborg und Lorber über unterschiedliche Objekte. Deswegen muß man zuerst untersuchen, wie Lorber die Urgeschichte der Bibel versteht, denn das ist der unmittelbare Vergleich mit Swedenborg.


Und da läßt sich leicht zeigen, daß auch nach Lorber die buchstäbliche Bedeutung nicht selten unsinnig ist, weil die biblischen Urgeschichten die äußeren Verhältnisse eben nur mittelbar wiederspiegeln. So ist »die Schöpfungsgeschichte Mosis, wörtlich auf die Schöpfung der Naturwelt angewendet, ein alleroffenbarster Unsinn« (GEJ II,215,1). Ferner wurde Eva keineswegs aus einer Rippe gebaut, denn die Rippe ist nur ein Bild für das »hartnäckigere Geistige, das mehr Sinnliche, Stolze und Hochmütige des Mannes« (GEJ I,166,5)14. Auch den Garten Eden gab es nicht: »Auf der Erde … gab es nirgends ein materielles Paradies« (GEJ IV,142,4). Gleichwohl aber entstand das erste Menschenpaar »in einer der fruchtbarsten Gegenden der Welt« (GEJ IV,142,11)15. Wir sehen, daß aus der geistigen Bedeutung eine abgeleitete, natürliche folgt; jedoch ist diese in der Regel nicht leicht zu finden. Der sogenannte Sündenfall beispielsweise wird durch Sinnbilder ausgedrückt, die zunächst nicht die äußere Wirklichkeit beschreiben, denn der Mensch wurde natürlich nicht von einer Schlange, schon gar nicht von einer sprechenden, verführt, sondern es siegte »die sinnliche Begierde unter dem von Moses aufgestellten Sinnbilde einer Schlange über die Erkenntnis des Guten und Wahren aus der göttlichen Offenbarung« (GEJ VII,121,9). Folglich war auch der Baum der Erkenntnis kein natürlicher Baum: »Der Mensch aber, da er einen freiesten Willen hatte, ließ sich durch die Schlange seiner Begierde verlocken und aß eher noch auch von dem Baume der Erkenntnis, als er durch Glaubensreife im Herzen des Menschen wäre gesegnet worden, d.h. er fing an, durch den Gehirnverstand den Geist Gottes und so den Geist des Lebens zu suchen und zu ergründen, und die Folge davon war, daß er sich dadurch von Gott nur stets mehr entfernte, anstatt sich Ihm mehr und mehr zu nahen.« (GEJ IX,83,5). Im materiellen Verständnis irreführend ist auch der Engel mit dem flammenden Schwert: »Meinst du denn im Ernste, daß Gott den Adam aus dem Paradiese durch einen Engel, der ein flammendes Schwert als Vertreibungswaffe in seiner Rechten führte, vertreiben ließ? Ich sage es dir: mag das auch dem Adam als Erscheinung vorgestellt worden sein, so war es aber nur eine Entsprechung von dem, was eigentlich in Adam selbst vorgegangen ist, und gehörte eben also zum Akte seiner Erziehung und zur Gründung der ersten Religion und Urkirche16 unter den Menschen auf Erden.« (GEJ IV,142,3). Und schließlich hat es auch die Sintflut in der von Mose beschriebenen Weise nicht gegeben, weswegen der Herr mahnt: »Du darfst … die natürliche hohe Wasserflut … nicht mit der geistigen allgemeinen Überflutung der Sünde verwechseln, ansonst du darin niemals ganz ins reine kommen wirst.« (GEJ VII,91,20). Diese Aussage zeigt deutlich, daß die mosaische Sintflut mit der historischen großen Flut nicht identisch ist; doch die geistige Bedeutung des mosaischen Berichts schließt entsprechend natürliche Folgewirkungen nicht aus: »Durch die im westlichen Teile Asiens stattgehabte große Wasserflut zu den Zeiten Noahs sind wohl höchst viele Menschen und Tiere zugrunde gegangen, weil das Wasser im Ernste sogar den hohen Ararat überspülte, aber deshalb reichte das natürliche Wasser dennoch nicht über die ganze Erde [wie Moses behauptet], die damals noch lange nicht in allen ihren bewohnbaren Teilen bevölkert war. Es ergoß sich aber die Flut der Sünde, die da heißt Gottvergessenheit, Hurerei, Hochmut, Geiz, Neid, Herrschsucht und Lieblosigkeit, über das ganze Menschengeschlecht, unter dem die geistige Erde zu verstehen ist, und das ist es, was Moses unter der allgemeinen Sündflut verstanden haben will. Die höchsten Berge, über die die Flut sich ergoß, sind der große Hochmut der damaligen Menschen, die über die Völker herrschten, und die Überflutung ist die Demütigung, die damals über alle Beherrscher kam, und zwar in jedem Reiche auf eine eigene, entsprechende Art.« (GEJ VII,91,21f.). Die mosaische, weltweite Sintflut hat es also nie gegeben; gleichwohl gab es eine Wasserflut, die jedoch auf Teile Asiens beschränkt war und außerdem andere Ursachen hatte, als es der mosaische Bericht sagt. Natürlich hängen die historische Flut und die mosaische irgendwie zusammen, aber der mosaische Bericht ist stilisiert und will im wesentlichen nicht die historische Wirklichkeit, sondern ein geistiges Geschehen beschreiben. Wir sehen, wie genau man unterscheiden muß, um nicht kurzschlüssig auf Widersprüche zu kommen. Damit ist klar, daß auch nach Lorber die Urgeschichten der Bibel primär eine geistige Bedeutung haben und deswegen »gemachte Geschichten« sind, weil sie eben so, wie bei Moses geschildert, nicht geschehen sind. Eva ist eben nicht aus einer Rippe entstanden usw. Gleichwohl ist historisch etwas geschehen, denn es gab ja die Zeit der ältesten Kirche, jenes sagenhafte Goldene Zeitalter. Doch diese historische Wirklichkeit läßt sich nur indirekt aus der Urgeschichte erschließen. Daß es jedoch eine Offenbarung über dieses Zeitalter geben wird, kündigte ausgerechnet Swedenborg an, der in den Urgeschichten »gemachte Geschichten« sah: »In der ältesten Kirche, mit der der Herr von Angesicht zu Angesicht sprach, erschien er wie ein Mensch, wovon vieles berichtet werden kann, aber es ist noch nicht an der Zeit.« (HG 49). Die »Haushaltung Gottes« ist der historische Bericht über jene sagenhafte Zeit der ältesten Kirche. Aber auch hier muß man sich vor Kurzschlüssen in Acht nehmen, denn die ältesten Menschen dachten nicht so irdisch, wie wir heute, deswegen kann auch der Bericht über jene ferne Zeit nicht so irdisch ausfallen, wie wir meinen. Daher warnt uns der Herr, die »Haushaltung« nicht nur als ein Geschichtsbuch zu betrachten: »Wohl jedem, der das darinnen [= in der Haushaltung] durchleuchtende Gesetz der Liebe wird zum Grunde seines Lebens machen; denn er wird dann darinnen auch das wahre, ewige Leben finden! Wer es aber nur lesen wird wie ein anderes märchenhaftes Geschichtsbuch, der wird eine sehr magere Ernte bekommen für den Geist!« (HGt III,365,20f.). Und ergänzend heißt es im »großen Evangelium«: Die »Haushaltung Gottes« ist »naturmäßig und geistig gemengt« gegeben (GEJ IV,163,4). Das heißt: Die »Haushal tung« ist nun zwar ein sehr viel mehr naturmäßiger Berichtals die biblische Urgeschichte, aber dennoch muß man immer auch mit der geistigen Bedeutung rechnen, ja vielleicht sind einige Berichte sogar nur geistig gemeint.

14 Vgl. auch GEJ IV,162,10f, HGt I,7,11 und HGt I,40,29.

15 Vgl. auch GEJ III,10,1: »Dieses Eden war ein großer Garten und bestens bestellt mit den besten Früchten der ganzen Erde«.

16 Mit »Urkirche« greift Lorber den swedenborg'schen Terminus »Antiquissima Ecclesia« auf, der in den alten Übersetzungen der »himmlischen Geheimnisse« sowohl mit »älteste Kirche« (zum Beispiel HG 1139) als auch mit »Urkirche« (HG 986, 1013, 1241, 1259, 1263, 1384, 1540, 1587, 1588, 1607, 1622, 7476) übersetzt wurde.

 

Ein weiteres Problem sind, wie schon gesagt, die Kollektiv- oder Individualpersonen. Aber auch hier muß man grundsätzlich sagen, daß Swedenborg die Urgeschichte der Bibel interpretiert - und da ist nun einmal Adam das hebräische Wort für Mensch -, während Lorber die Urgeschichte der Menschheit schreibt und in Adam, um dabei zu bleiben, den ersten geistbegabten Menschen sieht. Aber man kann das noch deutlicher herausarbeiten. Denn Lorber unterscheidet mit aller Deutlichkeit die sozusagen swedenborg'sche Interpretationsstufe und die dennoch mögliche Sicht der »Haushaltung«: »Sehet, alles, was Moses mit seiner Schöpfungsgeschichte sagt und so ganz eigentlich sagen will, bezieht sich zu allernächst nur auf die Erziehung und geistige Bildung der ersten Menschen [Plural!] überhaupt, und nur durch Entsprechung auch auf die des allerersten Menschenpaares.« (GEJ IV,162,3). Demnach haben sowohl Swedenborg als auch Lorber recht. Moses meinte tatsächlich, wie Swedenborg erkannte, mit »Adam« die ältesten Menschen (Plural!); dessenungeachtet gab es aber auch ein erstes Menschenpaar.17 Außerdem ist darauf hinzuweisen, daß der Urmensch noch kein so ausgebildetes Ichbewußtsein hatte wie wir, so daß das Kollektive und das Individuelle noch enger beieinander liegen. Noch im Alten Testament kann man beobachten, daß individuelle Persönlichkeiten zugleich kollektive Persönlichkeiten sind. So ist Israel zugleich der Name einer Einzelpersönlichkeit und eines Volkes. Gleiches gilt für Edom und die Edomiter, Ismael und die Ismaeliter, Moab und die Moabiter usw. Auch in der »Haushaltung« werden beide Sichtweisen verbunden: »Und wie vorher Adam und Eva nur als das erste Menschenpaar haben angesehen werden können, so kann es [das erste Menschenpaar] nun auch als die erste Gründung der Kirche Jehovas angesehen werden« (HGt I,169,6). Demnach können Adam und Eva individuell (= erstes Menschenpaar) und kollektiv (= erste Kirche) interpretiert werden. Gleiches gilt für die übrigen »Personen« der Urgeschichte.

17 In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, daß in der »Haushaltung« der allgemeine und der besondere Adam unterschieden werden (HGt I,40; 47,1; II,114,3ff). Da das aber in noch andere  Interpretationsräume führt, möchte ich darauf nicht auch noch eingehen. Im übrigen betrifft es ja nur Adam und nicht auch die übrigen Personen der Urgeschichte.



3. Zur Schöpfungsgeschichte


3.1. Zum Verhältnis der zwei Schöpfungsberichte


Soweit zur Urgeschichte, nun zur Schöpfungsgeschichte, das heißt: zu den beiden Schöpfungsgeschichten. Denn jeder Bibelleser kann sehen, daß die Erschaffung des Menschen - und nicht nur die - zweimal berichtet wird, nämlich in Genesis 1,26f und in Genesis 2,7. Diese und andere Beobachtungen18 führten in der Bibelwissenschaft zur Annahme zweier Quellen, der sogenannten Priesterschrift und dem Jahwisten. Doch die Neuoffenbarung hat einen anderen Erklärungsansatz: »Übrigens aber ist dem Wortlaute nach die Vortextierung [Genesis 1] von der Nachtextierung [Genesis 2] nicht gar so verschieden, als du es meinst; denn die Nachtextierung kommentiert vielmehr die Vortextierung und beschreibt die Art und Weise - wennschon eigentlich in geistig entsprechender Weise - näher, wie des Menschen Werdung vor sich gegangen ist.« (GEJ IV,162,1). Genesis 2, die »Nachtextierung«, ist also als Kommentar zu Genesis 1, der »Vortextierung«, zu lesen. Welche Auslegung sich aus diesem Ansatz ergibt, ist bei Swedenborg nachzulesen: »In diesem Kapitel [Genesis 2] wird vom himmlischen Menschen gehandelt; im vorhergehenden [Genesis 1] war vom geistigen die Rede« (HG 81). Himmlisch bezeichnet bei Swedenborg alles zur Liebe und zum Willen Gehörige; geistig alles zur Weisheit, zum Licht und zum Verstand Gehörige. Genesis 1 schildert also die Wiedergeburt aus dem Licht. Das ist ein Vorgang, der noch Kampf bedeutet (Gen 1,28); dieser Vorgang vollzieht sich von außen nach innen19, das heißt vom Verstand (oder der bewußten Intention) zum Willen. Genesis 2 hingegen schildert die eigentliche Wiedergeburt; »eigentlich« deswegen, weil sie sich von innen nach außen vollzieht und die Ruhe des siebenten Tages bewirkt, die darin besteht, daß der äußere Mensch dem inneren wirklich gehorcht. Diese Differenz aufgreifend unterscheidet Swedenborg die Umbildung (reformatio) von der Wiedergeburt (regeneratio)20. Die Umbildung ist sozusagen die uneigentliche Wiedergeburt und das Thema des Sechstagewerkes. Man kann jedoch in der »Wiedergeburt« auch den Oberbegriff für Umbildung und Wiedergeburt sehen; und dann führt auch das Sechstagewerk zur Wiedergeburt oder zur geistigen Schöpfung des Menschen. Was das im einzelnen bedeutet, werden wir noch sehen.

18 Schon Cyrenius hatte solche Merkwürdigkeiten in den Texten gesehen, siehe
GEJ IV,161,2-4+9.

19 Siehe HG 64.

20 Vgl. hierzu HG 10729, 8539 und WCR 571.

 

 

3.2. Das Thema der Schöpfungsgeschichte (Genesis 1)


3.2.1. Die geistige Aussageebene


Genesis 1 handelt »im allgemeinen von der neuen Schöpfung oder Wiedergeburt des Menschen und im besonderen von der ältesten Kirche« (HG 4). Swedenborg sieht also zwei Bedeutungsebenen: eine, die an keine bestimmte Zeit gebunden ist, denn Menschen können zu allen Zeiten wiedergeboren werden; und eine, die eine ganz bestimmte Zeit meint, nämlich die der ältesten Kirche. Swedenborgs Auslegung beschränkt sich dann jedoch auf die allgemeine Bedeutungsebene, denn er will lediglich zeigen, daß »die sechs Tage oder Zeiten … ebensoviele aufeinanderfolgende Zustände der Wiedergeburt des Menschen« sind (HG 6)21. Immerhin deutet Swedenborg aber bei seiner Auslegung des ersten Wortes, nämlich »im Anfang«, an, daß es sowohl »die älteste Zeit« (also die Urzeit der adamischen Menschheit), als auch »die erste Zeit der Wiedergeburt des Menschen« (HG 16) bedeutet. Doch die Enthüllung der Urzeit war nicht Swedenborgs Auftrag, obgleich wir dennoch einige Informationen über den Urmenschen erhalten.

21 Siehe auch Swedenborgs Bemerkung nach der Auslegung von Genesis 1 in HG 64.


Es ist nun interessant, daß auch die Lorberschriften die beiden Bedeutungsebenen kennen, denn was »Moses von der Schöpfung sagt, hat mit der Erschaffung der Welt gar nichts zu tun, sondern allein nur mit der Bildung des Menschen von der Wiege angefangen bis zu seiner Vollendung hin« (GEJ III,235,1)22. Das ist die Ebene der Wiedergeburt. Daß die Schöpfungsgeschichte aber auch von der ältesten Kirche handelt, wird in den folgenden Texten deutlich gesagt: So heißt es von der »Haushaltung«, daß sie »die vollste Erklärung der in der Bibel von Moses bezeichneten sechs Schöpfungstage« gibt, »durch die nichts anderes verstanden werden soll als eben die Gründung der ersten Kirche auf dem Erdkörper« (HGt II,172,1). Ferner lesen wir: »Sehet, alles, was Moses mit seiner Schöpfungsgeschichte sagt und so ganz eigentlich sagen will, bezieht sich zu allernächst nur auf die Erziehung und geistige Bildung der ersten Menschen überhaupt [also der ältesten Kirche], und nur durch Entsprechung auch auf die des allerersten Menschenpaares.« (GEJ IV,162,3). Moses beschäftigt sich in seiner Bildersprache bloß nur mit dem, »was da die Urbildung der ersten Menschen der Erde betrifft« (GEJ II,215,2) und gibt sich lediglich und nahezu allein nur »mit der ersten Herzens- und Verstandesbildung der Menschen« ab (GEJ II,215,2). »Moses stellt in seiner Schöpfungsdarstellung nur Bilder auf, die die Gründung der ersten Erkenntnis Gottes bei den Menschen der Erde kundgeben, nicht aber die materielle Schöpfung der Erde und aller anderen Welten.« (GEJ I,156,9). Die Gründung der Urkiche ist jedoch nur die zeitlich erste Realisierung der an sich zeitlosen Wahrheit. Daher beinhaltet Genesis 1 auch »die Gründung der Kirche Gottes auf Erden bis auf diese Zeiten und fortan bis ans Weltende« (GEJ III,235,1). Und da »die Erziehung und geistige Bildung der ersten Menschen« (GEJ IV,162,3) dem allgemeinen Muster der Wiedergeburt folgte, wird die »Haushaltung«, die diese Bildung schildert, ein »neues Buch des Lebens« (siehe HGt III,88,2) genannt. Außerdem weise ich schon jetzt darauf hin, daß in den oben zitierten Lorbertexten oft von »Bildung« (einmal auch von »Erkenntnis«) die Rede ist. Bei der Auslegung von Genesis 1 werden wir sehen, daß dort das Licht des Wahren, also die »Herzens- und Verstandesbildung« (GEJ II,215,2) die entscheidende Rolle spielt.

22 Siehe auch GEJ III,222,4: Man kann sehen, »daß die Genesis Mosis nicht so sehr die eigentliche Erschaffung der Welten, als vielmehr und eigentlich vor allem nur die geistige Erziehung und Bildung des ganzen Menschen und seines freien Willens, in die Gottesordnung ein- und übergehend, darstellt.«


3.2.2. Die Geschichte als Folgewirkung

 

Ein weiterer Aspekt darf nicht unerwähnt bleiben. Er betrifft das Verhältnis von »Bildung« und »Geschichte«: »wer den weiteren Verlauf der Mosaischen Bücher nur einigermaßen schärfer ins Auge faßt als irgendeine Fabel des griechischen Dichters Aesop, der muß es ja doch bald merken, daß sich Moses in seiner Bildersprache bloß nur mit dem beschäftigt, was da die Urbildung der ersten Menschen der Erde betrifft, und somit keineswegs etwa nur die Schöpfungsgeschichte der Erde und des Himmels und all der Geschöpfe auf der Erde und in der Erde behandelt, sondern sich vor allem lediglich und nahezu allein nur mit der ersten Herzens- und Verstandesbildung der Menschen abgibt; darum er auch gleich das Menschlich-Historische daran bindet. Die Geschichte aber konnte ja nur ein Produkt der intelligenten Bildung der Menschen und nie der stummen geschaffenen Natur sein, die sich völlig gleichgeblieben ist bis auf diese Zeit und auch also verbleiben wird bis ans Ende aller Zeiten.« (GEJ II,215,2f.). Dieser hermeneutisch höchst interessante Hinweis bezieht sich zunächst nur auf die Schöpfungsgeschichte, ließe sich aber vielleicht auch auf die ganze Urgeschichte ausweiten. Denn ich habe ja gezeigt, daß die Urgeschichte gleichsam das Präludium der ab Genesis 12 beginnenden »wahren Geschichte« ist. Dieses Vorspiel führt uns in die Vorhalle der Geschichte ein; Vorhalle deswegen, weil die »Geschichte … ja nur ein Produkt der intelligenten Bildung der Menschen« sein konnte. Das heißt: Die Schöpfungsgeschichte oder (wenn man den Rahmen weiter fassen darf) die Urgeschichte schildert uns die Voraussetzungen der Geschichte. Der Mensch mußte erst zu dem werden, was er nun ist, nämlich ein Bild Gottes, das sich selbst verleugnet, bevor er das bewirken konnte, was er tatsächlich bewirkt hat. In diesem Sinne ist die Schöpfungs- oder die ganze Urgeschichte die Grundsteinlegung des geschichtlichen Prozesses. Die Urgeschichte hat also, auch von dieser Warte aus gesehen, eine eminent historische Dimension, auch wenn sie nur »gemachte Geschichte« ist.

3.2.3. Die natürlich-kosmologische Dimension des
Schöpfungsberichtes


Schließlich läßt der so sehr in Mißkredit geratene Schöpfungsbericht auch Rückschlüsse auf die natürliche Schöpfung zu. Allerdings ist dazu »die Weisheit der Engel« erforderlich: »So dir die Weisheit der Engel eigen ist, dann wirst du aus dem rein Geistigen in rückgängiger Entsprechung ins Naturmäßige hinaus auch die ganze natürliche Schöpfung auf ein Haar genau aus dem finden, was Moses in seiner Genesis sagt« (GEJ I,162,5)23. Das Ergebnis präsentiert uns der Herr, indem er von den Erdbildungsperioden spricht. Daß sie mit den Tagen der mosaischen Schöpfung in Beziehung stehen, wird ausdrücklich gesagt: »Nach und aus den euch nun so einfach und klar als möglich dargestellten Bildungsperioden könnet ihr aber noch etwas entnehmen, und zwar den eigentlichen Urgrund, aus dem der Prophet Moses die Schöpfung in sechs Tage eingeteilt hat. Diese sechs Tage sind demnach die euch gezeigten sechs Perioden« (GEJ III,73,10f.). Allerdings ist tatsächlich »die Weisheit der Engel« notwendig, um die Entwicklungsprozesse der Erdbildungsperioden mit dem mosaischen Bericht in Übereinstimmung zu bringen, denn beispielsweise passen die Vorgänge der fünften Periode (GEJ VIII,72,10 und 73,4) eigentlich besser zum vierten Tag. Doch auch das zeigt nur, daß jede buchstäbliche Auslegung des mosaischen Berichtes scheitern muß, obwohl er auch eine natürliche Aussagedimension hat, die uns das Lorberwerk enthüllt.

23 Vgl. auch GEJ I,158,15; II,215,6.

 


3.3. Die Auslegung der Schöpfungsgeschichte (Genesis 1)


3.3.1. Vorbemerkung zur Auslegung


Die folgende Auslegung orientiert sich an Swedenborg und Lorber. Swedenborg hat den inneren Sinn des Sechstagewerkes in den »himmlischen Geheimnissen« Nr. 6 bis 66 enthüllt; einzelne Verse werden aber auch an zahlreichen anderen Stellen behandelt24. Hinzuweisen ist ferner auf die Auslegungen in der »Historia Creationis a Mose tradita«25 und der »Explicatio in Verbum Historicum Veteris Testamenti«26 Nr. 2 bis 15. Beide Werke wurden zwar nach der Berufungsvision (1745) geschrieben, aber von Swedenborg selbst nie veröffentlicht, denn sie sind noch nicht göttliche Offenbarungen. Bei Lorber wird das Sechstagewerk vollständig nur in GEJ I,157-162 ausgelegt; drei weitere Deutungen des ersten Tages sind in GEJ II,219-221, GEJ III,28 und GEJ III,235 zu finden.

24 Siehe Arthur Hodson Searle, »General Index to Swedenborgs Scripture Quotations «, London 1954.

25 Übersetzung des Titels: »Die von Moses überlieferte Geschichte der Schöpfung «. Nach William Ross Woofenden, »Swedenborg Researcher's Manual«, Bryn Athyn 1988, Seite 65f wurde diese Schrift 1745 geschrieben.

26 Übersetzung des Titels: »Erklärung des historischen Wortes des Alten Testaments «. Nach W. R. Woofenden, a.a.O., Seite 66f wurde dieses umfangreiche Werk 1746 geschrieben.


3.3.2. Die Strukturen des Schöpfungsberichtes


3.3.2.1. Die doppelte Triadenstruktur


Der Schöpfungsbericht besteht aus acht Werken, die auf sechs Tage verteilt sind. Die acht Werke sind: 1. das Licht, 2. die Feste (Firmament), 3. das Meer und das Land, 4. die Pflanzen, 5. die Gestirne, 6. die Wasser- und Lufttiere, 7. die Landtiere und 8. der Mensch. Wenn man sich die Verteilung der Werke auf die Tage anschaut, dann erkennt man eine Struktur: Der erste und der zweite Schöpfungstag haben je ein Werk; der dritte zwei; der vierte und der fünfte wieder je ein Werk; und der sechste wieder zwei Werke. Die Werke sind also nach dem Schema eins-eins-zwei und eins-eins-zwei verteilt. Folglich bilden der erste bis dritte Tag eine Einheit; und ebenso der vierte bis sechste Tag. Untersucht man die auf diesem Wege erkannten Triaden (Dreiheiten) weiter, dann macht man weitere Beobachtungen, die für diese Strukturanalyse sprechen. Denn das erste Werk der beiden Triaden hat mit dem Licht zu tun, mit dem Licht des ersten und den Lichtkörpern des vierten Tages. Das zweite Werk der beiden Triaden betrifft den unteren und den oberen Bereich; das heißt am zweiten Tag die Wasser unterhalb und oberhalb der Feste und am fünften Tag die Tiere unterhalb und oberhalb der Erde (die Wasser- und Lufttiere). Und schließlich das dritte und vierte Werk der beiden Triaden betrifft die Erde: am dritten Tag das Hervortreten der Erde und die Entstehung der Pflanzenwelt, am sechsten Tag die Landtiere und der Mensch.


Diese Strukturanalyse zeigt deutlich die beherrschende Stellung des Lichtes; es ist der Anfang der Wiedergeburt; die Initiative geht vom Licht aus. Deswegen ist es wichtig, den Bedeutungsreichtum der Lichtmetapher zu kennen. Das Licht bezeichnet in der Heiligen Schrift Gott oder sein Erscheinen: »Und dies ist die Botschaft, die wir von ihm (Jesus Christus) gehört haben und euch verkündigen: daß Gott Licht ist …« (1.Joh 1,5). »Er (der Herr) umhüllt sich mit Licht wie mit einem Gewand« (Ps 104,2)27. Dieses Lichtgewand heißt in der Heiligen Schrift auch »die Herrlichkeit des Herrn«, denn sie bezeichnet die Lichterscheinung Gottes, die ihrem Wesen nach das göttliche Wahre ist (HG 8427, 9429). Daher erscheint Gott den Engeln als das Lichtzentrum (Sonne); das innere Wesen dieses Gotteslichtes freilich ist die Liebe, und das Licht ist nur die Offenbarung der Liebe in der Herrlichkeit des Lichtes. Aus dem bisher Gesagten geht ferner hervor, daß das Licht in der Heiligen Schrift auch die Weisheit bezeichnet: »Sende dein Licht und deine Wahrheit, daß sie mich führen …« (Ps 43,3). »Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinen Weg.« (Ps 119,105). Und da, wie gesagt, die Liebe das innere Wesen des Lichtes ist, ist die Wirkung des Lichtes das Leben; denn das Licht könnte kein Leben erwecken, wenn es das Leben nicht in sich tragen würde. Daher lesen wir in den Weisheitsbüchern des Alten Bundes: »Wer mich (die Weisheit) findet, findet Leben« (Spr 8,35). »Wer sie (die Weisheit) liebt, liebt das Leben « (Sir 4,12). Und bei Johannes heißt es: »Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern das Licht des Lebens haben.« (Joh 8,12). Denn das »vom Herrn ausgehende Licht ist das eigentliche Leben« (OE 349). Oder mit Lorber gesprochen: »Licht und Leben« ist »eines und dasselbe, und das Licht ist … nur eine Erscheinlichkeit des Lebens.« (Fl. 11). Damit ist nun klar, wie es zu verstehen ist, daß das Licht als die Erscheinungsform des Lebens den Prozeß der Wiedergeburt einleitet und bewirkt.

27 Weitere Stellen zum Zusammenhang Gott und Licht: Jes 60,19f; Ps 4,7; Joh 12,46; Offb 22,5; Offb 21,23; 1.Tim 6,16; die Verwendung des Lichtes im Johannesprolog.


Die Werke des zweiten und fünften Tages betreffen den Verstandesbereich. Damit meine ich nicht nur den Gehirnverstand, sondern überhaupt den ganzen Bereich des Verstehens. Nachdem zuerst vom Licht die Rede war, ist nun von den im Menschen wahrnehmbaren Formen des Lichtes die Rede, das heißt: den Informationen, den Erkenntnissen usw. Die Zuordnung des mittleren Abschnittes der beiden Triaden zum Verstandesbereich ist aus Swedenborgs Auslegung ersichtlich. Demnach sind »die Wasser unterhalb der Feste« (7) »die Wissensdinge (Informationen) des äußeren Menschen« (HG 24) und »die Wasser oberhalb der Feste« (7) »die Erkenntnisse des inneren Menschen« (HG 24); denn »Wasser« bezeichnet im inneren Sinn das Wahre (HG 2702). Ähnliches gilt für die Wasser- und Lufttiere des fünften Tages, denn das Gewimmel des Wassers oder die Fischschwärme (20) bezeichnen »die (zahlreichen) Wissensdinge des äußeren Menschen« (HG 40), und »Vögel« bezeichnen »im allgemeinen das Vernünftige, und ferner das Verständige, das (im Unterschied zum Vernünftigen) dem inneren Menschen angehört« (HG 40). Daß die Tiere des fünften Tages die Formungen des Lebens im Verstand sind, hebt Swedenborg ausdrücklich hervor: »Die Dinge des Verstandes wurden durch ›das Gewimmel, welches die Wasser hervorwimmeln lassen‹ und durch ›den Vogel über der Erde und über den Angesichten der Feste‹ bezeichnet« (HG 44).


Die Werke des dritten und sechsten Tages schließlich betreffen, wie gesagt, die Erde, die für den äußeren Menschen (HG 27), seine Hervorbringungen oder Produktionen (HG 29) und den Willen (HG 44) steht. Zur Tierwelt des sechsten Tages schreibt Swedenborg: »Die Dinge des Willens werden hier durch ›die lebende Seele, welche die Erde hervorbringen soll‹, und durch ›Vieh und Kriechtiere‹ und ferner durch ›das Wild der Erde‹ bezeichnet.« (HG 44).


Wir sehen also, daß in jeder Triade der Impuls vom Licht ausgeht, vom Licht, das Gott selbst in seiner Erscheinung oder Offenbarung ist. Dieser Lichtimpuls wird vom Verstand aufgenommen, um sich schließlich durch den Willen zu verwirklichen. Dieser Dreischritt ist typisch für den geistigen Menschen, der im Unterschied zum himmlischen Menschen das Gute und Wahre nur aus dem Glauben an das Wahre verwirklichen kann (HG 81); daher vollzieht sich der Wiedergeburtstyp des Sechstagewerkes von außen nach innen (HG 64), daß heißt: vom Verstand zum Willen. Der geistige Mensch versucht, aus dem im Verstand wahrgenommenen Lichtimpuls tätig zu werden; das Bewußtsein des Wahren geht also voran.


Schließlich noch ein Wort zum Unterschied der beiden Triaden. Wichtig ist die Beobachtung, daß nur in der zweiten vom Leben gesprochen wird. Viermal begegnet die »lebende Seele« (in den Versen 20, 21, 24 und 30); dreimal das »Wild der Erde« (in den Versen 24, 25 und 30), wobei man folgendes wissen muß: »Das Wort ›Wild‹ bedeutet in der Originalsprache eigentlich ›Leben‹ oder ›Lebendiges‹; aber im Wort nicht nur das Lebendige, sondern auch das gleichsam Nichtlebendige oder das Wild.« (HG 908). Das »Wild der Erde« ist also das »Leben« des äußeren Menschen. Einmal ist vom »Lebendigen« die Rede (im Vers 28). Demgegenüber sind die Pflanzen der ersten Triade noch nicht »lebende Seelen«. Das heißt, daß der Mensch erst nach dem vierten Tag wirklich lebendig wird. Somit ist das spirituelle Leben das besondere Thema der zweiten Triade.

28 Swedenborg übersetzt hier nicht mit »fera« (Wild), sondern mit »vivum« (das Lebendige).


3.3.2.2. Der Wort- und der Tatbericht


Eine zweite Struktur wird sichtbar, wenn man sich die einzelnen Werke anschaut. Dann sieht man, daß es zu jedem Werk einen Wort- und einen Tatbericht gibt. Der Wortbericht wird mit der Formel »Und Gott sprach« eingeleitet; er zeigt uns das Wort als die schöpferische Kraft oder als die eigentliche geistige Schöpfung. Die Ausführung des im Wort Geformten schildert der Tatbericht, der meist mit der Formel »Und so geschah es« eingeleitet wird, im übrigen aber leicht an der Wiederholung des im Wortbericht bereits Gesagten erkennbar ist.


Die Doppelstruktur von Wort- und Tatbericht drückt den Zusammenhang von Wort und Verwirklichung aus. Das Wort ist eine geistige Form der Liebe und Weisheit. Nach Swedenborg ist das Wort »in seinem Wesen … das göttliche Gute der göttlichen Liebe und das göttliche Wahre der göttlichen Weisheit des Herrn« (EO 200). Ganz ähnlich drückt sich Henoch in einer großartigen Rede über das Wesen des Wortes aus:


LORBER: »Wie aber die Form aller Dinge in ihrer größten Verschiedenheit ist ein Ausdruck der natürlichen Wärme in der Verbindung des Lichtes … so ist auch die Sprache des Menschen eine gebildete Form der geistigen Wärme, welche die göttliche Liebe im Herzen ist, und des geistigen Lichtes, welches die göttliche Gnade im Menschen ist. Wie möchten wir verständige Worte sprechen, wenn sie nicht als ewige Formen des Geistes uns gegeben wären?! Da wir aber alle Dinge benennen können, sagt, wer lehrte uns das? Gott allein konnte das, da Er allein nur der ewige Inbegriff aller Formen ist, weil Er das Leben und Licht oder die Liebe und Weisheit Selbst und als die ewige, unzertrennliche Verbindung der beiden die Urform aller Formen oder das Urwesen aller Wesen oder demnach das ewige Wort Selbst ist! Wenn demnach jemand das Wort gefunden hat äußerlich und hat es verstanden und angenommen, so hat er ja kein Ding, sondern ein geistiges Leben im Vollbestande gefunden, da jegliches Wort eine Form ist, entstehend aus geistiger Wärme und geistigem Lichte.« (HGt I,64,12-15)29.

29 Der Geist »ist das Licht, welches aus seiner eigenen Wärme sich von Ewigkeiten zu Ewigkeiten erzeugt, und ist gleich der Wärme die Liebe und gleich dem Lichte die Weisheit.« (EM 52).


Das Wort als geistige Form des Lebens wird von der Seele aufgenommen, denn sie ist nach Swedenborg »ein Aufnahmeorgan des Lebens von Gott« (WCR 461)30. Oder, wie es in den Lorberschriften heißt: »Die Seele ist das Aufnahmeorgan für alle endlos vielen Ideen des Urgrundes, aus dem sie wie ein Hauch hervorgegangen ist.« (EM 52,4). Fassen wir das bisher Gesagte zusammen: Das Wort ist Gott selbst und zugleich der von ihm ausgehende geistige Impuls, der von der Seele aufgenommen werden kann und sich dort verwirklichen will. Allerdings, das zeigen die Abweichungen zwischen dem Wort- und dem Tatbericht, kann sich das Wort in der Seele nicht ganz rein auswirken, denn sie ist zwar das Aufnahmeorgan des göttlichen Geistes, sie steuert aber bei der Ausformung des Geistimpulses ihr Spezifisches (oder Eigenes) bei. Auf einige Abweichungen zwischen dem Wort- und dem Tatbericht werde ich bei der Auslegung der einzelnen Schöpfungstage hinweisen.

30 »Die Seele ist nicht das Leben in sich, sondern ein Aufnahmegefäß (recipiens) des Lebens von Gott.« (SK 8).


Die schöpferische Kraft des Wortes ist auch in anderen Stellen der Heiligen Schrift bezeugt. Im Psalter lesen wir: »Durch das Wort Jehovahs sind die Himmel gemacht und all ihr Heer durch den Hauch seines Mundes.« (Ps 33,6). »Hauch« ist hier die Übersetzung für »Ruach, das auch in Genesis 1,2 vorkommt und dort meist mit »Geist« übersetzt wird. Im Psalm 148 heißt es: »Loben sollen sie [= die zuvor genannten Schöpfungswerke] den Namen Jehovahs! Denn er gebot und da wurden sie geschaffen.« (Ps 148,5). In der Weisheitsliteratur sagt die Weisheit von sich: »Der Herr hat mich geschaffen im Anfang seiner Wege, vor seinen Werken in der Urzeit« (Spr 8,22). Und im Neuen Testament ist vor allem auf den Prolog des Johannesevangeliums hinzuweisen: »Im Anfang war das Wort … alles wurde durch das Wort, und ohne das Wort wurde auch nicht eines.« (Joh 1,1ff.). Dieses »Wort« ist nach Swedenborg das göttliche Wahre (LH 1) und nach Lorber »das Licht (der große heilige Schöpfungsgedanke, die wesenhafte Idee)« (GEJ I,1,6). Nimmt man noch den Hebräerbrief hinzu, dann erkennt man ferner, daß das Wort der unsichtbare Ursprung aller sichtbaren Erscheinungen ist, denn dort heißt es: »Aufgrund des Glaubens verstehen wir, daß die Welt durch Gottes Wort erschaffen worden ist, so daß das Sichtbare aus Unsichtbarem entstanden ist.« (Hebr 11,3). Tatsächlich ist der Geist das Licht, das zwar alle Dinge in der Seele erleuchtet, selbst aber unsichtbar ist: »Der Geist ist … gleich dem Lichte, welches in sich selbst zwar ewig Licht bleibt, aber als Licht so lange nicht bemerkbar auftreten kann, solange es keine Gegenstände gibt, die es erleuchtete« (EM 52).

 

3.3.2.3. Zusammenfassung


Der Schöpfungsbericht weist zwei Strukturen auf, die man erkennen sollte, bevor man den Text im einzelnen auslegt. Da ist zunächst die doppelte Triadenstruktur, die sichtbar wird, wenn man sich die Verteilung der acht Schöpfungswerke auf die sechs Schöpfungstage anschaut und zugleich den parallelen Aufbau der beiden Triaden sieht. In jeder Triade geht der Impuls vom Licht aus und entfaltet seine Wirkung zunächst im Verstand und dann im Willen. Die zweite Struktur ist die des Wort- und Tatberichtes. Sie drückt aus, wie der Geist- oder Wortimpuls von der Seele aufgenommen wird.


Fortsetzung siehe "Die Schöpfungsgeschichte..." Teil 2