"Wer Mich liebt, der muß Mich lieben Meiner Selbst willen, aber nicht der weltlichen Vorteile halber – und Ich werde ihm darum geben Meine Liebe, welche da ist das wahre, ewige Leben; und alles was Mein ist, wird auch sein sein. Wer Mich aber nur sucht der weltlichen Vorteile wegen – wahrlich, der ist Mir ärger und unerträglicher als einer, der Mich noch nie gesucht hat, weder in der einen noch in der anderen Hinsicht. Solche Schmarotzer können sich allezeit fernehalten von Mir; denn Mir ekelt es vor ihnen!" (HiG.02_42.05.27,13f)


 

Die Erweckung der Gottesliebe

 

Gerd Kujoth

 


1. Das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe

2. Der Unterschied zwischen Knechten und Kindern

3. Die Voraussetzungen zur Erweckung der Gottesliebe

4. Das Verliebtsein

5. Der Vorgang des Verliebtwerdens

6. Die Erkenntnis Gottes als Voraussetzung für die Gottesliebe

7. Die Beschaffenheit der Gottesliebe

8. Die Wunschlosigkeit des Herzens

9. Die Übung der Gottesliebe

10. Mit dem Herzen bei Jesus sein

11. Sich nicht der Welt entziehen

12. Den allerbesten Teil erwählen

13. Ist es schwer, Jesus zu lieben?

14. Die Übung der Ruhe in Gott

15. Der innere Widerstand

16. Wann, wie oft und wie lange soll die Ruhe in Gott geübt werden?

17. Der Kampf gegen die zahllosen Gedanken

18. Die Gefahren bei der Durchführung der Übung

19. Nur einen Gedanken unverwandt betrachten

20. Die Wahrnehmungen beim Üben

21. Die Entzündungszeit

22. Die Trockenheit

23. Der eifersüchtige Liebhaber

24. Die Schätze des Himmels

25. Die Liebe - das Ziel des Lebens

 


1. Das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe


Gott ist die Liebe (1.Joh. 4,8) und liebt jedes einzelne Seiner Kinder mit mehr als der Glut von tausend Sonnen, ja Er liebt es mit solch einer Stärke, als wäre es in der weiten Unendlichkeit der ganz alleinige Gegenstand Seiner unendlichen und ewigen, allertreuesten Vaterliebe! Wer so liebt, der möchte auch wiedergeliebt werden. Könnte Er uns enthüllen, wie groß Seine Sehnsucht nach unserer Liebe zu Ihm ist, unser Herz würde vor Liebe zerspringen und es wäre um unser Leben geschehen. (2.Hi. Seite 47,3-6) - Wie aber steht es um unsere Liebe zu Ihm? - Kaum einer auf dieser Erde liebt Gott so, wie Er Sich das ersehnt. Deshalb hat Er uns ein Gebot gegeben, welches über allen anderen Geboten steht. Als Jesus von einem Schriftgelehrten nach dem größten Gebot im Gesetz gefragt wurde, antwortete Er: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Gemüte. Das ist das erste und größte Gebot. Ein anderes aber ist ihm gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Matth. 22,37-39) Und Er setzte noch hinzu: „An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ (Matth. 22,40)

 

Mit diesem Zusatz wollte Jesus andeuten, daß wir mit diesen zwei Geboten alles erfüllen, was zur Erlangung der Wiedergeburt und des ewigen Lebens notwendig ist. Da bedarf es keiner Ausübung irgendwelcher äußeren religiösen Vorschriften. Nur müssen wir diese Gebote auch tatsächlich befolgen und es schließlich so weit bringen, daß wir ständig in der Liebe zu Gott leben und aus dieser Liebe heraus auch Taten der Nächstenliebe vollbringen. Wie die Taten der Nächstenliebe aussehen, ist wohl jedem bekannt, denn was jemand möchte, das ihm der Nächste tun soll, das tue er ihm zuvor. Aber wie die Gottesliebe aussehen soll, das ist eine ganz andere Frage.


 

2. Der große Unterschied zwischen Knechten und Kindern

 

Hier geht es jetzt nicht darum, nur an Gott zu glauben, Ihn nur zu loben und zu preisen oder für Ihn im Äußeren tätig zu sein, sondern es geht darum, den Brand der Liebe im Herzen anzufachen, wie Jesus gesagt hat: „Ich bin gekommen, daß Ich ein Feuer anzünde auf Erden; was wollte Ich lieber, als es brennete schon!“ (Luk. 12,49) Zwischen der ersten und der zweiten Verhaltensweise besteht aber ein großer Unterschied, denn die brennende Liebe zum himmlischen Vater macht uns erst zu wahren Gotteskindern.

 

Der Vater sagt:

Ihr sollet aber als wahre Kinder nur das erkennen, daß da ein großer Unterschied waltet zwischen jenen, die da erkennen einen Gott und Schöpfer, und jenen, deren Herz Gott alsbald heißliebend erfaßt und Ihn nimmerdar ausläßt und sich auch dann um nichts mehr kümmert als nur darum, wie es könnte Gott stets liebender erfassen.

Die ersten werden bei der Erkenntnis Gottes sagen: ,Gott, Du allmächtiger, Du großer, Du heiliger, Du erhabener Schöpfer, wie groß und herrlich sind Deine Werke; darum wollen wir Dich allzeit loben, rühmen und über alles hochpreisen!‘

Die zweiten aber sagen: ,O Gott, wie liebevoll mußt Du sein, da wir nicht umhin können, Dich trotz Deiner unendlichen Erhabenheit und Heiligkeit dennoch über alles zu lieben! O wie gut mußt Du sein, da uns die Liebe also mächtig zieht zu Dir!‘ –

Sehet hier die ersten staunend über ihren erkannten Gott, die zweiten aber vor Liebe in Tränen zerfließend, so sie an Mich nur irgend etwas erinnert, indem sie hinter ihrem guten Gott schon einen liebevollsten Vater ahnen! Merket ihr hier den mächtigen Unterschied?!

Sehet, die erste Art sind nur Knechte, die für den Lohn arbeiten, die zweite Art aber Kinder, welche da nichts wollen denn nur allein den Vater! Sehet, das ist der große Unterschied und zeigt euch, wie sich die wahren Kinder auszeichnen müssen, und worin also die wahre Kindschaft besteht, und wer sie überkommt! (2.HG 83,19-26)

 

Wer die flammende Liebe zum himmlischen Vater in seinem Herzen erwecken und zu einem Brand entfachen will, der sollte ganz aufmerksam weiterlesen. Wer nicht dazu bereit ist und das auch nicht glauben kann, der sollte jetzt mit dem Weiterlesen aufhören.


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3. Die Voraussetzungen zur Erweckung der Gottesliebe

 

Die Liebe zum Herrn ist das Größte (2.HG 215,6) und da stellt sich die Frage, wie wir den Herrn, unseren Gott, über alles lieben können? Da sagt Jesus: „Wer Meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der Mich liebt.“ (Joh. 14,21) Ohne die Haltung der Gebote aus freiem Willen, ist keine volle Gottesliebe möglich. Das gilt insbesondere für das sechste Gebot. Ohne die völlige sexuelle Enthaltsamkeit (außer zur Kinderzeugung) kann man wohl ein gewöhnliches religiöses Leben führen, man kann sich Glaubenserkenntnisse aneignen, man kann auch viele Taten der Nächstenliebe vollbringen, aber das Feuer der Gottesliebe kann im Herzen nicht erweckt werden.

 

Ja“, wird hier vielleicht jemand sagen, „ich lebe nicht enthaltsam und sehe auch nicht ein, warum die körperliche Liebe schlecht sein soll, aber ich liebe Gott trotzdem.“ - Und es kann ihm darauf geantwortet werden, daß er wohl Gott lieben kann, aber er kann Ihn nicht über alles lieben, was Voraussetzung für die Erweckung der brennenden Liebe zu Ihm ist, denn sein Herz ist noch zum Teil mit einer anderen Liebe erfüllt, als mit der alleinigen zu Gott. Seine Phantasie wird immer wieder in der aufreizenden Fleischeslust umherschweifen und er vermag deshalb sein Herz nicht soweit zu Gott zu erheben, daß er es in die flammende Liebe versetzen kann. Die Fleischeslust macht die Seele unfähig, den wahren Lebens- oder Liebegeist aus den Himmeln aufzunehmen, so daß es unmöglich ist, die geistige Wiedergeburt zu erreichen. (8.GEJ 75,2) Zudem werden durch das Ausleben des Geschlechtstriebes die alleredelsten und seelenverwandtesten Lebenssäfte, die zur Vervollkommnung der Seele unbedingt benötigt werden, vergeudet. (4.GEJ 230,2-3)

 

Der Geist in unserem Herzen ist ein Funke aus dem Feuer der ewigen Liebe Gottes und ist mit vielen Gefängnissen oder Fesseln umgeben. Dieser Geistesfunke muß wachsen und zunehmen, d.h. er muß zur Flamme entfacht werden und das geht nur, wenn wir ihm die Fesseln abnehmen. Wenn aber durch die Ausübung des Geschlechtstriebes und anderer weltlicher Interessen ständig neue hinzukommen, wird der Geist immer mehr in der Materie versinken.

 

Wie aber kann der Mensch den Geschlechtstrieb überwinden, ohne daß er unterdrückt wird? - Da gibt uns der himmlische Vater den Rat:

Der Mann (der Mensch) sammle sein Gefühl (seine Triebe und Wünsche) im Herzen und kehre es dann zu Mir; und wenn es die gerechte Kraftreife wird erlangt haben, dann wird er in Mir, dem Urgrunde aller Dinge und somit auch aller noch so schönen Weiber, den allergenügendsten und allerbefriedigendsten Ersatz finden.

Wie aber die Früchte der Erde nur im Lichte der Sonne reifen, also reifen auch die geistigen Kräfte des Menschen in Meinem Lichte nur. Daher soll jeder Mensch seine Kräfte auf Mich hinwenden, so wird er ein vollkommen reifer, mächtiger Mensch werden in Meiner Ordnung.“ (3.HG 64,15+17-18)

 

Die Geschlechtskräfte werden dann vergeistigt, denn sie werden zur Vervollkommnung der Seele, zur Erweckung der flammenden Liebe und damit zur geistigen Wiedergeburt unbedingt benötigt. – Wie wir unser Herz zu Jesus kehren und es an der ewigen Liebe reifen lassen können, das soll in der Folge gezeigt werden. Es werden dadurch unserem Geiste die Fesseln abgenommen, so daß dieser mit der Seele eins werden kann, wodurch die geistige Wiedergeburt erreicht ist.

 

In den alten Prophetenschulen wurden die Schüler von klein auf in der Gottesliebe erzogen. Der himmlische Vater beschreibt diese Prophetenschulen und sagt:

Die Welt ward ihnen dargestellt als eine gefestete Unterlage Meiner Liebe, als ein großes Schulhaus, in welchem alle Menschen durch eine kurze Abgeschiedenheit von Mir durch den eigenen Antrieb ihres inneren Lebens eine große Sehnsucht nach Mir bekommen sollen. Ihre äußeren Reize sind nur der Versuchung wegen da, damit sich die Menschen selbst richten sollen nach Meiner Liebe.“ (1.HG 80,4)

 

Die weltlichen Reize müssen überwunden und der Versuchungen muß standgehalten werden durch ein geistiges Fasten.


Wenn ihr aber fastet“, sagt der himmlische Vater, „da fastet in der wahren Verleugnung eurer selbst aus reiner Liebe zu Mir an allem, was die Welt euch bietet, so werdet ihr durch solches gerechte Fasten zu dem ‚Brote des Himmels’ gelangen.

Wie eine Braut an ihrem Hochzeitstage alle ihre früheren Kleider auszieht, sich wäscht am ganzen Leibe, dann ihre Brautkleider anzieht und sich schmückt mit allerlei Blumen und Edelsteinen, auf daß sie dem Bräutigam wohlgefalle, so er kommt und sie führet in sein Haus – ebenso sollet ihr durch das gerechte Fasten alle euere weltlichen (Selbstliebe-) „Kleider“ ausziehen, euch waschen mit lebendigem Wasser und anziehen dann Kleider der wahren (Gottes-) Liebe, der Unschuld und aller Demut und euch schmücken mit allerlei Blumen und Edelsteinen aus den Werken der (Nächsten-) Liebe!“ (1.Hi. Seite 329,16-17)

 

Ohne die wahre Nächstenliebe ist ebenfalls keine Gottesliebe möglich. (10.GEJ 140,4) Der Jünger Johannes schreibt:

Wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht.“ (1.Joh. 4,20)

 

Um den himmlischen Vater über alles lieben zu können, ist es aber auch notwendig, daß wir demütig sind.

Ohne die wahre, innere Demut seines Herzens“, sagt der Vater, „kann Mich niemand wahrhaft liebend in seinem Herzen erfassen und dadurch dann leben ein vollkommenes, ewiges Liebeleben aus Mir.

Wann immer ihr Mich werdet lieben wollen, euer Herz aber nicht stark genug sein wird, Mich mit flammender Liebe zu erfassen, sondern wird sich müssen allein mit den trockenen Gedanken von Mir sich beschäftigend begnügen, so denket, es fehlt euch an der wahren Demut; denn sie ist das eigentlichste Grundfundament allen Lebens.“ (2.HG 12,14-15)

 

Wer Gott nur deswegen zu lieben sucht, um dieser Liebe wegen von Ihm höhergestellt zu werden, der wird sein Herz nicht in der flammenden Liebe zu Ihm erwecken können. Die wahre Liebe muß ein innerer Trieb sein, Gott als den alleinigen, vollkommensten Herrn anzuerkennen, sich selbst aber nur als ein vollkommenes Nichts Ihm gegenüber zu betrachten. Wir können die glückselige Liebe nur dann erlangen, wenn wir den himmlischen Vater nicht der Vorteile wegen, sondern Seiner Selbst willen zu lieben suchen und es als eine Gnade betrachten, Ihn lieben zu dürfen. (2.GS 62,18-19)

 

Die Voraussetzungen, um Gott über alles lieben zu können, sind also die freiwillige Haltung der Gebote oder die Loslösung von der Welt, die tätige Nächstenliebe und die wahre Herzensdemut. Ist ein Mensch in diesen drei Stücken genügend weit fortgeschritten, dann steht er schon der Lebensmeisterschaft nahe und es fehlt ihm nur noch die völlige Einung mit dem Liebegeiste Gottes. Diese wird aber nur dem zuteil, der bereit ist aufzuhören, für sich etwas zu sein, um dann in Gott alles werden zu können. Denn Gott über alles lieben heißt: in Gott ganz auf- und eingehen. (4.GEJ 1,5-6) Wer dazu bereit ist, der ist dann in der Lage, das Feuer der Gottesliebe in seinem Herzen zu erwecken.

 


4. Das Verliebtsein

 

Da wird oft die Frage gestellt: „Ja wie soll ich das denn anstellen, Gott so richtig aus ganzem Herzen zu lieben?“ - Doch da soll uns die Antwort nicht schwer fallen, denn in der Neuoffenbarung finden wir diese Frage aufs genaueste beantwortet. In der Bibel und in der Neuoffenbarung wird das Verhältnis der Menschenseelen zu Jesus mit dem Verhältnis einer Braut zu ihrem Bräutigam verglichen. (3.GEJ 225,6-7) Der Vater sagt: „Wer Mich also liebt, der muß Mich lieben wie eine reine Braut ihren reinen Bräutigam, da sich nichts denn allein die Herzen anziehen.“ (1.HG 134,18) Wie eine Braut in ihren Bräutigam verliebt ist und auch umgekehrt, so sollen wir Jesus, unseren Vater lieben. Dieses „Verliebtsein“ hat wohl ein jeder von uns schon erlebt, so daß sich auch jeder die Art der Gottesliebe vorstellen kann, auch wenn sie nicht völlig mit der Brautliebe übereinstimmt.

 

Der Jünger Johannes erklärt in der „Geistigen Sonne“ an Hand dieses Gleichnisses von Braut und Bräutigam, wie die Liebe zu Gott erweckt werden kann. Aber da haben seine Zuhörer einige Bedenken und sagen:

Es ist mit der plötzlichen Erweckung der Liebe eine schwere Sache, was wir hie und da schon aus der Erfahrung wissen. Es hat sogar in dieser Hinsicht mit dem sogenannten ’Verliebtwerden’ einen Haken. Wenn man der Sache so recht nachspürt, so bringt man gar bald in die Erfahrung, daß man die Liebe überhaupt nicht in seiner Gewalt hat, und man kann nicht sagen, daß man in ein Wesen, wann man nur immer will, mag verliebt werden, sondern es fügt sich solches nach den Umständen und nach den Bedingungen, und man ist als Liebender durchgehends kein aktives, sondern ein rein passives Wesen und muß im buchstäblichen Sinne genommen die Liebe nicht selten als eine Zentnerlast herumschleppen; und es gibt dann und wann durchaus kein Mittel, sich derselben ledig zu machen wie einer andern Last.

Und so meinen wir denn auch hier, wären wir wirkliche Meister der Liebe, so würde es sicher durchaus nicht fehlen, daß wir den Herrn ergriffen mit der flammendsten Heftigkeit unserer Herzen. Aber wir können tun, was wir wollen, können drücken unser Herz und unser Gefühl pressen, wie die Trauben auf einer Kelter gepreßt werden, und es kommt alles eher heraus als eine von dir beschriebene flammende Liebe.

Daher sind wir der Meinung, daß entweder die Liebe zum Herrn von einer ganz andern Beschaffenheit sein muß als etwa diejenige, die ein Mensch in der Blüte seines Lebens nicht selten zu einer schönen Jungfrau empfindet, oder die Liebe zum Herrn, wenn sie der Liebe zu einer Jungfrau ähnlich sein soll, muß unmittelbar vom Herrn Selbst nach Seiner großen Erbarmung in das Herz eingegossen werden; sonst ist es beinahe unmöglich, daß der Mensch aus seiner eigenen Kraft den Herrn allezeit mit der heftigsten Liebe erfassen könnte, wann er nur immer wollte.

Und wenn es hier demnach auf uns ankommt, allhier plötzlich die größte Liebe zum Herrn zu erwecken, so... können wir wollen, wie nur immer möglich, und dennoch können wir trotz alles intimsten Wollens unser Herz nicht also entflammen im Momente des Wollens, als wie leicht wir in der Nacht eine Kerze anzünden. Hier also, lieber Freund und Bruder, wird es eines guten Rates gar sehr vonnöten haben.“ (2.GS 50,1-4)

 

Diese Kritiker haben einerseits wohl recht, andererseits aber auch wieder nicht. Das Verliebtwerden zwischen einem jungen Mann und einer jungen Frau geschieht wohl mehr unbewußt und kann deshalb nicht willkürlich gesteuert werden, aber es sind doch bestimmte Voraussetzungen und Bedingungen nötig, damit es zustande kommt. Wenn uns nun das Prinzip klar wird, dann kann es auch bewußt auf die Gottesliebe angewendet werden.

 


5. Der Vorgang des Verliebtwerdens

 

Wie kommt es zu einem „Verliebtsein“? - Da begegnet z.B. ein junger Mann einer Schar junger Frauen. Nach kurzer Zeit wird der Jüngling die Jungfrau erspäht haben, die seinem Schönheitsideal entspricht. Bei näherer Begegnung gefällt dem jungen Mann auch das Wesen der jungen Frau und er wird dann vielleicht auch entdecken, daß ihre Ansichten und Interessen den seinen entsprechen. Schönheit, Wesen und Ansichten gefallen dem Jüngling, weil sie entweder seinem Wesen verwandt sind oder seinen Idealvorstellungen entsprechen. Durch das „Gefallen“ aber entwickelt sich im Seelenherzen die Wärme der Liebe und der Jüngling kann schon nicht mehr anders, als an die Jungfrau zu denken und sie sich vor seinem geistigen Auge vorzustellen. Nun braucht nur noch die öftere Begegnung stattfinden, die dann auch gesucht wird, so nimmt dann auch die Wärme im Herzen zu. Diese Wärme erhält durch das immer öftere in der Liebe Gedenken mehr und mehr Nahrung, bis im Herzen, geistig gesehen, eine so große Hitze entstanden ist, daß diese sich zu einem Brand entzündet, und das „Verliebtsein“ ist fertig.

 

Natürlich sind diese Vorgänge, die mehr oder weniger heftig und schneller oder langsamer stattfinden können, den Verliebten nicht bewußt. Wer aber weiß, wie ein Verliebtsein zustande kommt und die Liebe zu Gott erwecken möchte, kann sie bewußt anwenden.

 

Nun wird hier vielleicht jemand fragen: „Wie kann ich die Liebe zu Gott erwecken, wenn ich Ihn nicht sehe, wie man eine Jungfrau sieht, wenn man sich in sie verliebt?“ - Johannes beschreibt in der „Geistigen Sonne“, wie ein Jüngling sich in eine Jungfrau verlieben kann, die er noch nie zu Gesicht bekommen hat, und wir können dies auch auf die Erweckung der Liebe zum himmlischen Vater anwenden. Er sagt:

Versuchet einmal, ob ihr bloß dem Namen nach, und möge er noch so majestätisch klingen, euch in irgendeine Jungfrau verlieben möget! Ja, ihr werdet es bei solcher Bekanntschaft mit der Liebe eben nicht gar zu weit bringen; denn was man entweder gar nicht oder viel zu wenig kennt, das kann man ebensowenig mit der Liebe erfassen, als wie wenig man etwas, das gar nicht da ist oder nur subtil da ist, mit den Händen ergreifen kann.

Wenn ihr aber von der vorbesagten Jungfrau eine vollkommene Beschreibung überkommen werdet, wie sie aussieht und wie sie beschaffen ist, und wenn ihr von dieser Jungfrau selbst noch obendrauf ein Handbilletchen gewissermaßen unbekannterweise überkommet, in welchem sie einen oder den andern aus euch vollkommen ihrer Liebe versichert, aus dem angegebenen Grunde, weil sie euch aus den Beschreibungen ebenfalls auf das Vorteilhafteste hat kennen gelernt, so wird eure Liebe zu dieser Jungfrau sobald erwachen, und ihr werdet den allersehnlichsten Drang in euch zu verspüren anfangen, so bald als nur immer möglich sich dahin zu begeben, allda die Jungfrau eurer in aller Liebe harret. (Haben wir nicht auch eine vollkommene Beschreibung von unserem himmlischen Vater Jesus bekommen, in der Bibel und ganz besonders in der Neuoffenbarung, in der Er uns Seiner vollkommenen Liebe versichert?) Und eure Liebe wird heftiger und heftiger werden, je mehr Vorteilhaftes ihr von der Jungfrau unterwegs oder im Verlaufe der Zeit vernehmen werdet.

Sehet, das ist sicher aus der Erfahrung richtig. Ich aber frage euch nun: Wie könnet ihr diese Jungfrau denn so mächtig in eurem Herzen ergreifen, da ihr sie ja doch nie gesehen habt. Die Antwort ist leicht und liegt ebenfalls in der Erfahrung: Weil ihr zu einer wohlbegründeten Vorstellung gelangt seid, durch welche euch die besagte Jungfrau stets mehr vielseitig auf das Vorteilhafteste dargestellt wurde. Ihre Eigenschaften, ihre Schönheit haben euch gefangen genommen, und ihr könnet nicht umhin, sie bei solchen Vorteilen, die sie euch bietet, zu achten und zu lieben; ihr müßt sie also lieben.

Sehet, in diesem natürlichen Beispiele liegt es aber ja auch ganz offenkundig, auf welche Weise man sich der Liebe zum Herrn bemächtigen kann. Die Erkenntnis des Herrn ist die mächtige Triebfeder, welche die Funken im Herzen zusammenzieht, und dann durch dieselben das ganze Herz in eine helle Flamme versetzt.

Wer möchte wohl Gott lieben können, so er Ihn nicht kennete? Wer Ihn aber stets mehr und mehr erkennt, der wird Ihn auch stets mehr und mehr lieben.“ (2.GS 50,7-13)

 


6. Die Erkenntnis Gottes als Voraussetzung für die Gottesliebe

 

Wer Gott lieben will, der muß nicht nur wissen und glauben, daß Er sei, sondern er muß Gott wahrhaftig erkennen. (2.HG 215,10) Wie aber kann der Mensch Gott erkennen? - Durch Gottes Wort und Seine Werke. (2.GS 12,16-17) Um den himmlischen Vater lieben zu können, müssen wir Ihn in Seinem wahren Wesen erkannt haben. Jesus sagt: „Das ist aber das ewige Leben, daß sie Dich, den allein wahren Gott, und den Du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.“ (Joh. 17,3)


Das ist das ewige Leben, daß wir Gott erkennen und Ihn dann über alles lieben. (2.HG 215,12) Wie kann jemand Gott lieben, wenn er nicht weiß, wer der ist, den er lieben soll und wenn er noch nicht erkannt hat, daß Gott kein rachsüchtiger Gott, sondern ein überaus guter Vater und die Liebe Selbst ist? - Und dieser gute Vater ist Jesus, der zu Seinen Kindern auf die Erde kam, um ihnen Selbst den Weg zum ewigen Leben zu zeigen. - Wie kann jemand Gott lieben, wenn er noch nicht erkannt hat, daß Gott das viele Leid auf der Welt nur zum Heil der Menschen zuläßt, damit ihre Seelen nicht verloren gehen, sondern für ewig glückselig werden? - Wenn es jemanden selbst trifft und er für ein Leid oder eine Demütigung nicht danken kann, der ist von der Gottesliebe noch weit entfernt.

 

Wenn der Mensch Gottes Werke betrachtet, kann Er in ihnen den Schöpfer dieser Werke mehr und mehr erkennen, denn je mehr jemand diese prüfen wird, desto mehr der tiefsten göttlichen Weisheit und Ordnung wird er auch leicht und bald darin finden. Hat er die weise Einrichtung der Werke des Schöpfers erkannt, so regt das sein Herz an, Gott mehr und mehr zu lieben. (6.GEJ 87,11-12) Jesus sagt:

Wer immer einmal anfängt, daran zu denken, daß es einen Gott gibt, der alles, was da ist, erschaffen hat und alles erhält und leitet, der wird auch bald einsehen, daß alles, was da ist, gut und zweckmäßig eingerichtet ist. Er wird aus der weisen Einrichtung auch bald dahin ins klare kommen, daß der Schöpfer alles dessen, was da ist, höchst gut sein müsse. Denkt der Mensch recht oft daran und beurteilt also Schöpfer und Geschöpfe, so wird er den Schöpfer zu lieben anfangen, und von Tag zu Tag, immer mehr und mehr wird sich die Liebe zu Gott im Herzen des Menschen mehren und festen.“ (6.GEJ 111,8)


Gott erkennen ist Wachwerden der Liebe, aber nicht Gott lieben selbst; Gott lieben aber heißt völlig leben in Ihm.“ (1.HG 134,20) Also ist die wahre Erkenntnis Gottes der Grund der Liebe zu Ihm. (2.HG 215,11) Je mehr wir Gott, ohne Ihn gesehen zu haben, in Seinem wahren Wesen erkennen, umso mehr werden wir Ihn lieben. Daher ist es auch jedermanns vorzüglichstes Geschäft, Gott zu erkennen, damit er Ihn dann über alles wird zu lieben vermögen! (2.HG 215,11) Es ist einerseits wohl leichter, den himmlischen Vater zu lieben, wenn wir Ihn sehen, aber andererseits ist Seine Gegenwart auch eine Nötigung für uns, Ihn zu lieben. Deswegen ist es besser, Jesus lieben zu lernen, ohne Ihn zu sehen, und Er hat es deswegen auch so eingerichtet, daß Er uns verborgen ist. Unser Herz ist wie ein Garten, und wie wir einen Garten selbst bearbeiten müssen, um gute Früchte ernten zu können, obwohl nur Gott sie wachsen läßt, so müssen auch wir, damit wir selbständige Gotteskinder werden, unser Herz in voller Willensfreiheit nach der Lehre Jesu selbst bearbeiten, um die wahre Liebe ernten zu können, obwohl es nur Jesus ist, der Seine Liebe in uns wachsen läßt. (4.GEJ 24,3-4) „Denn zu wissen allein, was recht und gut ist und was Gott dem Herrn wohlgefällig, genügt nicht“, sagt Raphael, „ja bei weitem nicht, - auch dann nicht, wenn man das entschieden alleinige und größte Wohlgefallen an der Lehre aus den Himmeln hätte, würde sich aber dennoch nie ganz ernstlich dazu entschließen, danach zu handeln.“ (4.GEJ 23,11)

 


7. Die Beschaffenheit der Gottesliebe

 

Wie soll nun die Liebe zu Jesus beschaffen sein, denn sie kann ja doch nicht völlig mit der Liebe zu einer Jungfrau verglichen werden? - Dazu sagt Johannes: „Diese Liebe aber ist nicht ein gewisser leidenschaftlicher Brand, sondern... ein sanftes Wehen, ein hochachtendes Gefühl, voll erhaben zarten Nachklanges, und beirrt niemanden in seiner Freiheitssphäre. Nicht mit Leidenschaft drückt sie das Herz des Gott-liebenden, sondern mit großer Freudigkeit.“ (2.GS 50,15-17)

 

Die Liebe zu Jesus soll nicht leidenschaftlich wie die Liebe zu einer Jungfrau sein, sondern: „(Wie) wenn dein Herz für irgendein großes darzustellendes Werk erbrennt. Allda ist dir alles sonstige, als wäre es nicht da, und du lebst allein für dein Werk. Kehre die Sache um, und betrachte alles deiner Welt für wertlos, und setze den Herrn über alles in deinem Herzen, so liebst du Gott über alles; und in dieser Liebe wird der Geist Gottes in deinem Herzen Wohnung nehmen, und du wirst von diesem Augenblicke an sein ein wahrhaftiges Kind Gottes!“ (2.GS 59,18)

 

8. Die Wunschlosigkeit des Herzens

 

Fragen wir unser Herz, ob es Gott über alles lieben kann, d. h. ohne noch irgendwelche anderen Interessen zu haben, außer dem der reinen Liebe selbst. Wer diese Frage noch nicht bejahen kann, der ist noch nicht in der Lage, die flammende Liebe zu Jesus in seinem Herzen zu erwecken. Jesus sagt: „So du diese Liebe überkommen willst, da mußt du zuvor dein Herz ganz rein machen von aller andern Liebe, die dir jetzt allerlei kleine und gar nichtige Vergnügungen schuf!“ (2.Hi. Seite 251,4)

 

Haben wir auch nur noch einen einzigen Wunsch in unserem Herzen, außer dem der Liebe zum Herrn und zu dem, was Er will, so zieht Er Sich aus unserem Herzen zurück, denn der Herr und die Welt haben in einem Herzen zusammen keinen Platz. Jesus fragt uns: „Möchtest du Mir zuliebe wohl der Welt und allen ihren stark anlockenden Reizen entsagen?“ (2.Hi. Seite 21,2) denn „wann Ich kommen werde, müsset ihr nicht allzusehr euren Magen beschäftigen und allerlei Weltgeplauder ans Ohr halten. Sondern unterredet euch wie die zwei nach Emmaus wandelnden Jünger, so werdet ihr auch ihrer Freude teilhaftig werden.“ (1.Hi. 297,6) „Wer Mich (aber) neben der Welt herziehen will, ist Meiner nicht wert! Und ein großer Tor ist, wer Mich nicht zu seinem allerhöchsten Gute macht.“ (1.Hi. Seite 264,10)

 

Wie viele andere Interessen und Wünsche noch Raum in unserem Herzen haben, können wir an unseren Gedanken und unserem Mund erkennen. Jesus sagt: „Siehe, von was das Herz erfüllt ist, davon geht der Mund stets über, und die Vögel erkennt man an ihrem Gesange. Höre dich demnach nur einen ganzen Tag selbst an, was alles aus deinem Munde zum Vorschein kommt und du wirst daraus gar leicht und klar ersehen, wie viel des allerwertlosesten Zeuges dein ...Herz voll ist! - Und solange das Herz von solchem Zeuge nicht gereinigt ist, kann von einer reinen Liebe zu Mir keine Rede sein!“ (2.Hi. Seite 252,5) Deshalb achten wir darauf, was aus unserem Munde kommt und achten wir noch mehr auf unsere Gedanken. Daran, womit sie sich den ganzen lieben langen Tag beschäftigen, können wir ablesen, was die Liebe unseres Herzens ist. Ist es die Liebe zu Jesus, oder sind es alle möglichen anderen Dinge?

 

Jesus sagt: „Sage und melde ihr, daß Ich sehr eifersüchtig bin und daher ungern sehe, wenn von anderen Dingen als von Mir geplaudert wird. Ich gleiche einem leidenschaftlichen Liebhaber, der hinter der Türe seiner Geliebten horcht und lauscht und aus übergroßen Freuden in die wonnigste Entzückung gerät, so er seine so innigst Geliebte von nichts als von ihm schwärmen hört; aber auch alsbald traurig wird, sobald seine Geliebte ihr Gespräch auf andere, nicht auf ihren Geliebten Bezug habende Dinge lenket, wobei dann der traurige Liebhaber zu denken und bei sich selbst zu sprechen anfängt: ‚O du meine zu innigst Geliebte, wenn du mich liebst, wie ich dich liebe, wie können da noch andere Gedanken dir in den Sinn kommen, während ich doch beständig an dich denke und vor deiner Türe gar ängstlich, um den baldigsten Einlaß flehend, harre!?’“ (1.Hi Seite 164,6-8) Jesus senkt den Geist Seiner Liebe nur dann in unser Herz, wenn wir nichts anderes mehr lieben, als Ihn. Hat Er aber Seine Liebe in unser Herz gesenkt, dann haben wir die Fülle des Lebens in uns. Dann sind wir in der wahren Liebe und lieben alles andere mit Seiner Liebe.

 

Jesus sagt: „Mit der vollen Liebe aber nähert sich der ganze Mensch Gott stets mehr und mehr, wird vertraulich mit Ihm und sehnt sich nach Ihm und wird somit stets erfüllter mit dem Geiste Gottes; denn die stets zunehmende und zutraulicher werdende Liebe zu Gott ist ja eben der wahre und lebendige Geist Gottes im Menschen und der Geist des ewigen Lebens in der Seele. Darum ist denn auch ein Sünder, der sich aus Liebe zu Gott bekehrt, Gott näher und angenehmer denn neunundneunzig sehr gottesfürchtige Menschen, die sich noch nie an einem Gesetze versündigt und somit als Gerechte der Buße niemals bedurft haben.“ (9.GEJ 129,3)

 

Im Matthäusevangelium lesen wir: „Das Himmelreich ist gleich einem verborgenen Schatz im Acker, den ein Mensch fand und verbarg. Und vor Freude darüber geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft jenen Acker.“ (Matth. 13,44) Jesus ist der verborgene Schatz in unserem Herzensacker. Lassen wir unsere Freude über den Fund dieses Schatzes so groß werden, daß wir alles verkaufen, um ihn besitzen zu können, d.h. daß wir alle anderen Interessen lassen, um allein die Liebe zu Jesus erwecken zu können.

 

Jesus sagt: „So du Mich allein suchest, wirst du Mich auch finden. Und hast du Mich gefunden, dann hast du alles gefunden. Denn Ich allein bin der größte Schatz aller Schätze und bin mehr als alle Welten und alle Himmel!“ (1.Hi. Seite 408,4)

 

Wo dein Schatz sein wird, da wirst auch du sein mit deinem Herzen, in dem der Hauptschatz wohnet. Bin Ich dir ein köstlicher Schatz geworden in deinem Herzen, wahrlich so sollst du Meiner ewig nimmer ledig werden; denn da Ich wohne in der Liebe, da bin Ich eigentlichst zu Hause und ziehe ewig nimmer aus - aus solcher Wohnstätte!“ (JJ 247,15-17)

 

9. Die Übung der Gottesliebe

 

Was bei den Verliebten ganz von selbst geht, daß sich ihre Gedanken nur mit dem Geliebten beschäftigen, weil sie Gefallen aneinander gefunden haben, das müssen wir mit Jesus ganz bewußt nachvollziehen und unser Beispiel mit dem „Verliebtwerden“ auf Ihn anwenden. - Aber wie ist das anzufangen? - Voraussetzung ist, daß wir den himmlischen Vater Jesus soweit erkannt haben, daß uns Sein Wesen der Liebe, Demut, Sanftmut und Geduld überaus gut gefällt. Sicherlich gefällt uns unser himmlischer Vater schon sehr gut, aber unser Gefallen an Ihm, an Seinem Wesen der Liebe, ist noch nicht zur flammenden Liebe geworden und das aus dem Grunde, weil uns so manches andere auch noch gefällt.

 

Damit nun unser Gefallen an Jesus immer stärker wird und unser ganzes Herz in einen Brand der Liebe versetzt, können wir öfters am Tag die Übung der Liebe durchführen. Diese Übung besteht in der stets erneuerten Erweckung der Liebe zu Gott. (1.RB 35,6) Sie ist eine kurze Gefühlsregung der Liebe zu Jesus und besteht darin, daß wir des himmlischen Vaters in Liebe gedenken, indem wir alle unsere Liebesgefühle zusammennehmen und voller Freude und Sehnsucht auf Jesus richten. Wir lieben dann Gott, wie im größten Gebot beschrieben, mit dem ganzen Herzen, mit der ganzen Seele und mit dem ganzen Gemüte. Diese Liebesregung wird während des ganzen Tages so oft wie möglich wiederholt, besonders auch vor dem Einschlafen und sofort nach dem Aufwachen und sollte schließlich so regelmäßig wie das Atmen erfolgen. (1.HG 36,32) Jesus sagt: „Aber es liegt alles daran, daß ihr euch in euren Herzen bei jeder Gelegenheit Meiner wohl erinnert. Denn wer sein Herz voll Liebe treugläubig Mir zugewendet hat, dessen werde auch Ich Mich ganz sicher noch um vieles mehr erinnern.“ (1.Hi. Seite 293,5-6) Wenn Jesus sich unser erinnert, so steckt dahinter mehr als nur ein bloßes menschliches Erinnern. Das kommt in dem Gedicht „Die Träume“ zum Ausdruck:

„Wenn ihr oft am Tage Meiner habt bedenket
und alles Tun und Trachten stets zu Mir gelenket,
dann wird, wenn Leib und Seel’ sich hat zur Ruh begeben,
dem Geist auf kurze Zeit im Himmel Kost gegeben.“

(3.Hi. Seite 94)


Diese himmlische Kost ist ein geistiges Gestärkt sein der Seele. Man spürt diese geistige Kraft in sich und ist froh gestimmt.

 

Wenn jetzt jemand fragt: „Ja, wie mache ich es denn, meine Liebesgefühle zusammennehmen und auf Jesus richten?“ da frage ich zurück: „Wie machen wir es denn, wenn wir z.B. unsere kleinen Kinder, die wir ein paar Tage nicht gesehen haben, wieder in Empfang nehmen?“ - Wir nehmen sie in die Arme und herzen sie. Erwecken wir in diesem Augenblick nicht die volle Liebeskraft unseres Herzens? Unsere Freude- und Liebesgefühle werden dabei angeregt und strahlen auf unsere Kinder aus, und genauso sollen wir es bei der Übung mit Jesus machen. Und Er hat übergroße Freude daran und wird jedes Ihn liebende Herz mit Seiner Liebe erfüllen. Er sagt: „Die sind Mir stets die Liebsten, die von selbst zu Mir kommen, Mich allezeit im Herzen aufsuchen und Mich dann von ganzem Herzen über alles lieb haben. - Sie habe aber dann auch Ich über alles lieb und eröffne ihnen alle Schätze Meiner Himmel!“ (2.Hi. Seite 333,8)

 

Seiner in Liebe gedenken, heißt soviel als: das Leben in uns aufnehmen; Seiner vergessen aber heißt: das Leben verlieren und den Tod anziehen. (BM 51,10) Wie ein Feuer Nahrung braucht und stets von neuem trockenes Holz auf die Glut gelegt werden muß, damit es nicht ausgeht, so braucht auch das Feuer der Liebe immer wieder Nahrung. Die Weltgedanken und die Weltfreuden sind nasses Holz, das niemals brennt, aber die Freude an Jesus und das Gedenken an Ihn in der Liebe, sind das trockene Holz für das Feuer der Gottesliebe. Sorgen wir also dafür, daß das Feuer der Liebe in unserem Herzen entfacht wird und niemals mehr ausgeht.

 

10. Mit dem Herzen bei Jesus sein

 

Noch geht es uns so, wie es einst Jesus zu jemandem sagte: „Dein Herz denkt an Mich zuletzt. - Wenn du des Tages Geschäfte beendet hast, da wendest du dich zu Mir, manchmal mehr, manchmal weniger in die Welt zerstreut. - Am Morgen denkst du wohl an Mich; aber neben manchen leeren Weltsorgen. - Auch unter tags denkst du an Mich; aber da sind deine Gedanken nicht selten wie eine gewisse Zuspeis' zum Rindfleische. - Kurz und gut, ganz wie es sich gebühren möchte, magst du deines Herzens Gedanken nimmer zu Mir erheben, nie ganz ohne alle Welt!“ (2.Hi. Seite 244,4)

 

Jetzt wird vielleicht jemand fragen: „Ja, wenn ich ständig an Gott denken soll, wie kann ich dann noch meine Berufsarbeit ausüben und andere Arbeiten erledigen, bei denen ich meine Gedanken immer beisammen haben muß?“ - Ja, dieser Einwand ist berechtigt. Es kommt während des Tages oft vor, daß wir abgelenkt werden und es kommt oft vor, daß wir uns zu unserer Arbeit Gedanken machen müssen, um ein Problem zu lösen und schon sind wir, ohne es gemerkt zu haben, in diesen Gedanken versunken. Aber sobald es uns bewußt wird, können wir wieder des himmlischen Vaters in Liebe gedenken. Nun wird vielleicht jemand des Abends bei sich feststellen, daß er sich des ganzen Tages nicht ein einziges Mal des himmlischen Vaters erinnert hat. So sollte es natürlich nicht sein, sondern wir müssen es uns fest vornehmen, immer wieder Seiner in Liebe zu gedenken.

 

Es ist aber ein Unterschied zwischen den Gedanken des Kopfes und den Gedanken des Herzens. Das Gedenken an Jesus soll nicht mit den trockenen Gedanken des Kopfes vorgenommen werden, mit denen wir über irgendwelche Probleme nachdenken, sondern mit den Gefühlsgedanken der Liebe im Herzen. Auch die Verliebten verrichten schließlich ihre Arbeit und haben ihr Herz dennoch ständig bei der oder dem Geliebten und müssen immer wieder an sie denken, während ihnen alles andere nicht mehr so wichtig ist. Auch können und sollen wir unsere Arbeiten, selbst die unbedeutendsten, ganz bewußt aus Liebe zu Jesus verrichten. Dadurch verrichten wir jede Arbeit mit Ihm und werden durch sie immer wieder an Ihn erinnert. Jesus sagt: „Wer mit seinem Herzen bei Mir ist, der kann mit seinen Gliedern unbeirrt sein nötiges Tagewerk verrichten, wie er mag und kann, und wie es sein Gewerbe erfordert, und er widmet Mir dennoch die vollste und wahrste Aufmerksamkeit; jede andere aber hat vor Mir ohnehin keinen Wert.“ (6.GEJ 60,2)

 

Siehe,“ sagte einmal der himmlische Vater zu Anselm Hüttenbrenner, „du hast wohl einen recht festen Glauben; aber deine Liebe in deinem Herzen ist noch bei weitem nicht so fest wie dein Glaube – und das darum, weil du noch stets deine Liebe an Meine sichtbare Persönlichkeit hängst und suchest Mich irgend zu vernehmen und zu erschauen. Und erst so du Mich irgend erschautest oder wenigstens vernähmest, da würde dann auch dein Herz für Mich vollkräftig entflammen.

Und siehe, gerade also steht es auch mit deiner Familie! Ihr liebt alle den Christus, der einst lehrte auf der Welt oder der da wiederkommen möchte, zu richten die Welt – also den vergangenen oder den zukünftigen Christus liebet ihr nur!

Aber das ist gefehlt! Denn bei solcher Verfassung kann Ich Mich euch nicht nahen als euer Vater in der Gegenwart, sondern nur als der der Vergangenheit oder der der Zukunft, und kann euch nicht kräftigen, weil ihr Mich nur in eurer Erinnerung ehret, aber nicht in eurem Herzen lebendig liebet!

Wie aber die Erinnerung ihre Gegenstände bald recht lebhaft erfaßt und bald wieder ganz fallen läßt, also ist es auch bei euch mit Mir der Fall! – Leset ihr gerade etwas Erbauliches von Mir, dann seid ihr wie voll Liebe zu Mir – aber das ist nicht Liebe, sondern nur eine zeitweilige Aufregung eures Erinnerungsvermögens. – Sobald ihr euch umkehret und etwas anderes erschauet, da schließt sich eure Erinnerungskammer im Kopfe, und Ich bin draußen, als wäre Ich kaum je darin gewesen.

Ihr könnt dann Visiten machen, mit der Welt verkehren, euch belustigen mit weltlichen Dingen, allerlei Zeug plaudern, euren Leib zierlich bekleiden. Und so irgendein Freund oder eine Freundin euch besucht, da könnet ihr mehr Freude haben, als je irgend in der kurz dauernden Erinnerung an Mich!

Denn an alledem hindert euch der vergangene wie der zukünftige Christus nicht, der wohl in euerer Erinnerung, aber nicht in euren Herzen wohnet! – Ich aber sage dir und deiner Familie und euch allen: Der vergangene und der zukünftige Christus wird euch wenig nützen, so ihr nicht den gegenwärtigen lebendig in euren Herzen traget!

So Ich Meinen Knecht heute von euch nehme, durch den Ich euch bereits vier Jahre lang tagtäglich Erfrischungen zusende und euch so nur ein bißchen von der Weltfreundlichkeit heimsuchen lasse – da werdet ihr Mich nach und nach so schön unvermerkt aus eurer Erinnerung spielen, daß dieser Erinnerung kleine Fünklein euer Herz kaum mehr auf Augenblicke für Mich entzünden werden.

Ihr freuet euch nun wohl allezeit, wenn ihr von Mir etwas vernehmet. Aber eure Freude ist nicht bleibend, weil sie mit eurer Erinnerung gleichen Schritt geht. Und ihr freut euch dann bald darnach auf irgendein vorhabendes weltliches Vergnügen mehr als auf Mich und machet Pläne, was ihr tun werdet, ohne zu bedenken, daß ihr ohne Mich nie etwas tun könnet und noch viel weniger tun sollet.

Und so Ich euch daran hindern möchte, dann könnet ihr darob sogar traurig werden und sagen: Aber dürfen wir denn gar keine Freude haben?!

Ich aber sage: Ihr sollet ja Freude haben, und nimmer soll die Freude von euch genommen werden – aber Ich sollte stets eure größte Freude sein!

Fraget euch selbst: Was bietet euch wohl eure eigengemachte Freude? Wie lange dauert sie? – Wenige Stunden habt ihr wieder unnütz mit der dummen Welt vergeudet, dumm verplaudert und verlacht. Dann steht ihr wieder am alten Flecke! Und nur Meiner endlosen Liebe und Geduld habt ihr es zu verdanken, daß ihr nach einer jeden weltlichen Freude nicht zurück, also dem Tode näher gekommen seid!

Bei solchen Verhältnissen ist von einem merklichen Fortschritte zu Mir noch lange keine Rede, und Ich bleibe stets noch euer „vergangener“ oder „zukünftiger“ Christus.

Ich aber sage dir dies alles gerade an diesem deinem Tage, auf daß du mit deinem ganzen Hause für die Zukunft Mir näher kommen mögest, als das bis jetzt der Fall war!

Du kennst die Wege zu Mir. Willst du aus dem vergangenen oder zukünftigen Christus dir einen gegenwärtigen, lebendigen Christus bereiten, so mußt du vollernstlich auf diesen Wegen wandeln und dein Haus mit dir! – So wirst du Mich von deiner Erinnerung in dein Herz bringen und wirst dann erst jene Freude überkommen, die dir keine Welt und keine Ewigkeit mehr wird nehmen können auch nur auf einen allerkürzesten Augenblick!

Diese endlose Freude aber wirst du nicht eher überkommen, als bis du mit Paulus wirst sagen können: „Nun lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebet in mir!“

Siehe, alle Welt ist Mein Feind; wie aber kann jemand sagen, daß er Mich liebe, so er andererseits dennoch der Welt die Hand zum Gruße bietet?! (2.Hi. Seite 265,3-267,18)

 

11. Sich nicht der Welt entziehen

 

Manche sind jetzt vielleicht der Meinung: „Wenn wir das alles einhalten sollen, was hier gesagt wird, da wäre es am besten, wenn wir in ein Kloster gingen; in der Welt kann das alles nicht praktiziert werden!“ - Doch Jesus sagt darauf:  „Ich rufe nicht und sage: ‘Setzet euch gänzlich außer allen zu eurer zeitlichen Existenz notwendigen Verkehr mit der Welt!’; denn dergleichen habe Ich ja Selbst nicht getan, als Ich auf der Welt war. Ich Selbst habe in der Welt gearbeitet und habe der Welt gar viele und gute Dienste mit Meinen eigenen Händen getan. Und so sage Ich zu euch niemals: ‘Habet mit der Welt vollkommen nichts zu tun!’; aber das sage Ich euch: Den Stein, ja den schweren Stein hebet hinweg von eurem Lazarusgrabe, und ihr sollet alsbald in euch der Herrlichkeit Gottes gewahr werden!“ (Schr. 16,9-10) - Das heißt: Wir brauchen nur den Stein der Welt und des Verstandes von unserem Herzen wegzunehmen, damit der Ruf Jesu hineindringen und Er es zur Liebe erwecken kann.

 

Das zeichnet die wahren Gotteskinder aus: Sie haben nur das eine Hauptinteresse, nämlich Jesus zu lieben und Seinen Willen zu erfüllen; alles andere ist ihnen nicht mehr so wichtig. Bei den Weltmenschen ist es umgekehrt, denn Jesus sagt: „Die Menschen mögen um eine Handvoll Erde Meiner vergessen, und Mich viel geringer achten als alles andere, was sie umgibt. Denn wenn es nicht also wäre, wie könnte da so mancher den ganzen Tag hin mit aller seiner Anstrengung fürs Zeitliche sorgen und Mir dabei in einem Tage kaum eine erbärmliche Viertelstunde widmen!?“ (NS 20,22)

 

12. Den allerbesten Teil erwählen

 

Viele machen sich auf, die Welt zu verbessern, andere, den wahren Glauben zu verkündigen, und wieder andere versuchen, die Menschen zu ändern. Soweit das aus Nächstenliebe geschieht, ist das ja auch gut und soll auch so sein. Aber darüber hinaus können wir uns noch einen besseren Teil erwählen. Es ist sogar der allerbeste Teil, den wir erwählen können und das ist, eine Brautseele Jesu zu sein, denn Jesus sehnt Sich nach Bräuten, die Ihn über alles lieben. Von ihnen kann viel mehr zur Veränderung zum Guten ausgehen, als von anderen Menschen. Deswegen sagt Jesus: „Lasset die Welt sein, was sie ist, denn Ich bin mehr denn alle Welt! - Lasset die Herrscher sein, was sie sind, denn Ich bin mehr als alle Herrscher! - Lasset die Dirnen sein, wie sie sind, voll Untreue in ihren Herzen, denn Meine Liebe ist sanfter, treuer und zarter denn die aller der weltsüchtigen, wertlosen Mädchen und Buhldirnen... Lasset die Weltgelehrten sein was sie sind, denn Meine Gnade wiegt wohl unendlichmal zahllose Gelehrte auf! - Lasset die äußere Kirche sein wie sie ist... Ich stehe höher und tiefer denn jede Kirche! ...Und so dergleichen mehreres vermeidet aus Liebe zu Mir - und haltet Mich wie einen guten Freund, der sich zu früh entfernen will. - Wenn der Forteilende sieht, wie seine Geliebte ihn umklammert, da kehrt er wieder um und verläßt nicht eher das Haus, als bis er die Braut völlig gewonnen hat!“ (1.Hi. Seite 297,7-298,9)

 

Die um das leibliche Wohl der Gäste besorgte Martha beschwerte sich bei Jesus über ihre müßige Schwester, damit sie ihr helfen solle. Diese aber saß zu Jesu Füßen und lauschte Seinen Worten. Martha aber hatte sich wegen der Bewirtung unnötige Sorgen gemacht und war in eine innere Unruhe geraten. Deshalb sprach Jesus zu ihr: „Martha, Martha, du machst dir Sorge und Unruhe um vieles; eins aber ist not. Maria hat den guten Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.“ (Luk. 10,40-42) - „Nur eines tut not“, sagt Jesus nun zu uns, „und dieses ist die wahre Liebe zu Mir! Alles andere gehört der Welt an und ist ein eitel nichtiges Zeug!“ (2.Hi. Seite 63,5)

 

Von der kleinen Jarah, die Jesus heiß geliebt hat, sagte Jesus: „Sie hat sich schon den allerbesten Teil erwählt! Ich sage es dir und euch allen: Wer nicht zu Mir kommt wie dies Mägdlein, wird den Weg ins Reich Gottes nicht finden! Dieses aber hat ihn bereits gefunden! Mit Liebe, und das mit heißester Liebe, müßt ihr zu Mir kommen, so ihr das ewige Leben ernten wollet!“ (2.GEJ 112,9)


 

13. Ist es schwer, Jesus zu lieben?

 

Ja“, wird jetzt mancher denken, „wie schwer ist es doch, die heiße Liebe zu Jesus erwecken zu können!“ - Jesus aber fragt uns:

Ist es denn (wirklich) gar so schwer, Den zu lieben, der die ewige Liebe Selbst ist, und ist es wohl schwer, zu lieben den eigenen Bruder? - O fürwahr, nichts ist leichter als das! Nehmet nur die Welt diese alte Pest des Geistes, aus eurer Brust, und ihr werdet erfahren, wie süß und leicht es ist, zu lieben die ewige Liebe und zu lieben den Bruder!

Aber schwer freilich wohl ist es, zu lieben die ewige Liebe und den Bruder, wenn das Herz voll ist der Welt, voll der Weltrechnungen, voll des Geldes, voll der Spekulation und voll der höllischen Mathematik die da auf ein Haar zu berechnen versteht, was ein Groschen auf dem Wege des Wuchers in einem Jahre für Prozente abwerfen muß.“ (Schr. 4,19-20)

 

In der „Haushaltung Gottes“ wird uns geschildert, wie dem Kisehel die Herzen seiner Brüder eröffnet wurden, die der Fleischeslust verfallen waren. Da sah er, wie eine Menge nackter Dirnen die Gemächer bewohnte, die der Liebe zu Gott allein geweiht sein sollten. Er sah, wie sich der Geist seiner Brüder an ihrem Anblick weidete und in ihrem Fleische herumwühlte. (2.HG 182,5)

 

Der Tempel in Jerusalem stellt einen Menschen dar, und wie der Tempel ein Allerheiligstes hatte, so hat auch der Mensch ein Allerheiligstes, welches sein Geist ist, der im Seelenherzen wohnt. Wie es von Gott aus nur dem obersten Priester gestattet war, das Allerheiligste zu betreten, damit es nicht verunreinigt würde, so ist es nur der reinen Liebe zu Gott gestattet, welche ein reiner Oberpriester ist, in das Allerheiligste des Menschen zu treten. Wenn aber die Liebe des Menschen unrein wird und die Dinge und Lust der Welt liebt, so betritt ein unreiner Oberpriester das Allerheiligste im Herzen und verunreinigt es. (1.GEJ 16,4)

 

Wenn das Herz der Welt voll ist, dann hat darin die Liebe zu Jesus keinen Platz und dann ist es schwer, Jesus mit heißer Liebe zu lieben. Ja es brauchen nicht einmal solche großen Felsbrocken zu sein, auch die kleinen Steine der Welt genügen, daß sich das Herz nicht hinreichend zu Gott erheben kann. „Es gibt viele Dinge,“ sagt Thomas von Kempen, „die an und für sich nicht schlecht sind, aber weil sie die Stelle von Gott einnehmen, führen sie ins Verderben.“

 

Denke dir (also) ja nicht,“ sagt Jesus, „daß es etwa doch recht schwer sein sollte, Mich zu finden und zu Mir zu kommen! - Siehe, so du irgend gehest, da führe Ich dich an Meiner Hand! So du schläfst, da halte Ich getreue Wache an deinem Bette! So du issest, da segne Ich dir jeden Löffel voll Speise, die du zu deinem Munde führest!

Ich gehe mit dir in das Bethaus! - Ja, denke dir, so du deine Hühner und Küchlein fütterst, bin Ich bei dir und helfe dir, dein Geschäftchen segnend! - Wenn du am Klaviere sitzest und dich übest, bin Ich an deiner Seite!

Nur so du irgendwann möchtest Tänze dir vorspielen, dann freilich wäre Ich wehmütig hinter dir. Und wenn du möchtest der weltlichen Dinge gedenken, da freilich auch wäre Ich hinter dir wie trauernd. Und wann du möchtest zeigen ein eigensinniges Herz und möchtest dich erheben über jemand andern - siehe, da freilich wäre Ich auch hinter dir wie weinend. Sonst aber bin Ich ja immer bei dir! - Siehe nun, wie leicht ist es, zu Dem zu kommen und Den zu finden, der dir mit aller Seiner Liebe stets überaus gegenwärtig ist!" (2.Hi. Seite 25,5-9)

Da es aber also ist, ein wie großer Tor ist denn hernach derjenige, der solches vernimmt aus Meinem Munde und dennoch nicht alsbald eingehet in sich und richtet da in seinem Herzen alsbald ein großes Liebefeuer an, auf daß es sodann eiligst durchglühe sein ganzes Wesen und es erleuchte durch und durch, damit er dann in sich finden möchte, welche unendlichen Schätze Ich da in ihn gelegt habe.“ (2.HG 86,4-6)


 

14. Die Übung der Ruhe in Gott

 

Wer Jesus sucht, der soll Ihn nur in sich suchen und kann Ihn auch nur in sich finden. Wer das Feuer der Liebe zu Jesus anzünden möchte, der kann es nur im eigenen Herzen anzünden. Jesus sagt: „So du mich suchest, da mußt du Mich aber bei dir und nicht bei andern suchen! Denn kann Der in der Fremde gesucht werden, der da beständig in dir zuhause ist und deiner harret!? – Wie du dein Leben nicht lebest in einem fremden Leibe, sondern in deinem eigenen, so mußt du auch Mir in dir zu leben beginnen und Mich in dir suchen! Da wirst du Mich sicher finden! Denn für dich lebe Ich nur in dir!“ (1.Hi. Seite 408,5)

 

In der Kundgabe „Der kürzeste Weg zur Wiedergeburt“ hat uns Jesus die Übung der Ruhe in Gott gezeigt, durch die wir in kurzer Zeit den lebendigen Brand der Liebe in uns entfachen können. (2.RB 157,7) Diese zweite Übung geht im Grunde wie die erste, nur daß sie intensiver ausgeführt wird. Was wir in der ersten Übung den Tag über zwar oft aber nur kurz ausüben, das wird jetzt längere Zeit geübt. Es heißt in der Kundgabe:

Dann muß er sich ganz fest vornehmen, mit der Welt ganz zu brechen, und sich ganz Mir übergeben und in seiner Liebe eine große Sehnsucht haben nach Mir - und muß in dieser großen Sehnsucht tagtäglich sich von der Welt und allen Geschäften in ihr zurückziehen und wenigstens 7 Viertelstunden lang bei verschlossenen Türen und Fenstern weder beten noch etwas lesen, sondern er muß diese Zeit in der völligen Ruhe, bloß nur sich in seinem Innersten mit Mir beschäftigend, zubringen. - Und allzeit aber, sooft sich jemand in diese Ruhe begeben hat, soll er folgende kleine anregende Rede halten in seinem Herzen an Mich im allerfestesten Ernste und sagen:

Herr! - Hier bin ich. Ich ließ Dich, o liebevollster heiliger Vater, lange warten, da Du mir schon seit meiner Kindheit unablässig zugerufen hast: Komm zu Mir, Ich will dich erquicken! - Nun, o Vater, ist die Zeit gekommen, daß sich mein Ohr geöffnet und mein sonst starrer Wille ganz in den Deinigen ergeben hat voll Demut und Gehorsam vor Dir, wie auch nach Deinem Willen zu allen meinen besseren Brüdern. Daher komme Du, mein allerliebster Jesus, zu mir und erquicke meine kranke Seele mit dem Balsam Deiner unendlichen Liebe; laß mich finden meine große Unbild (Unrecht) in Deinem bitteren Leiden und Sterben; lasse mich sehen die heiligen fünf Wundmale und erkennen darinnen meine große Missetat! O Jesus, Du Überwinder des Todes und der Hölle, komme zu mir und lehre mich Deinen Willen erst recht verstehen; lehre mich erkennen mein völliges Nichts und Dein Alles!

O Du mein süßester, liebevollster Jesus, Du Herr aller Heerscharen, komme zu mir Armem, - komme zu mir Schwachem, - komme zu mir Blindem, - komme zu mir Taubem, - komme zu mir Aussätzigem, - komme zu mir Gichtbrüchigem, - komme zu mir Lahmem, - komme zu mir Krummem, - komme zu mir Besessenem, - ja o mein, mein, mein allerliebster Jesus! komme, komme, komme zu mir Totem und laß mich nur anrühren Dein heilig Kleid, so werde ich leben. - Herr, lasse Dir ja nicht Zeit, denn ich habe Deiner unendlich nötig; ich kann ja nicht mehr ohne Dich sein, da Du mir Alles und alles andere aus Liebe zu Dir zunichte geworden ist! Ohne Dich kann ich nicht mehr leben; daher, o mein liebster Jesus, komme alsobald zu mir! - Doch wie allezeit, so geschehe auch diesmal Dein heiliger Wille Amen.

Nach dem begebet euch zur Ruhe und wachset in der Sehnsucht und Liebe zu Mir. So ihr das nur eine kurze Zeit üben werdet, so sage Ich: Ihr werdet bald blitzen und donnern hören; aber dann erschrecket nicht, und werdet auch nicht ängstlich; denn nun komme zu jedem Ich erst als Richter unter Sturm, Blitz und Donner, und hernach erst in sanftem, heiligen Wehen als Vater!

Seht, das ist der kürzeste und wirksamste Weg zur reinen Wiedergeburt, in welcher allein das ewige Leben zu gewinnen ist. Jeder andere Weg dauert länger und ist unsicherer, da es sehr viele Diebesweg gibt, allwo hinter dem Straßengebüsche arglistige Diebe, Räuber und Mörder lauern; wer da nicht wohl gepanzert ist und bewaffnet kreuz und quer, der wird hart ans Ziel gelangen. - Bedenket wohl, wer Der ist, der euch das sagt!“ (3.Hi. Seite 61,42-63,46+48)

 

In dieser Übung begeben wir uns in die Ruhe in Gott; wir beten nicht, noch lesen wir und denken auch nicht mehr über alles Mögliche nach. Dafür erwecken wir die Sehnsucht und Liebe zu Jesus, indem wir, wie in der ersten Übung beschrieben, unsere Liebesgefühle für Jesus erwecken und nach Ihm ausstrahlen lassen. Dieser Liebesübung wird ständig wiederholt, und wenn uns andere Gedanken dazwischen kommen und diese uns bewußt werden, so führen wir wieder wiederholt diese Liebesübung aus, bis die Zeit, die wir uns gesetzt haben vorbei ist.

 

15. Der innere Widerstand

 

Wie schwer ist es für viele, so still da zu sitzen und sich gesammelt zu halten. Da taucht bald einmal der Wunsch auf, sich mit etwas unterhaltsamerem zu beschäftigen, mit etwas, das einem Freude macht. Wer solch eine Unlust zur Ruhe in Gott in sich verspürt, dessen Lust zur Welt ist noch sehr groß.

 

Jesus sagt:

O ja, - ihr leset fleißig, ihr schreibet auch fleißig, ihr besprechet euch auch gerne von Mir; aber wenn Ich sage: ‘Widmet Mir an Stelle eurer gewissen Weltgedanken und an Stelle eurer so manchen Welterheiterungen nur eine volle Stunde am Tage; heiliget sie dazu, daß ihr euch in derselben mit nichts als nur mit Mir in euerm Herzen abgebet!’, - oh, da werdet ihr hundert Anstände für einen finden, und hundert weltliche Gedanken werden sich um einen einzigen schwachen geistigen wie ein Wirbelwind drehen!

Allerlei weltliche Rücksichten werdet ihr da zum Vorschein bringen; und wenn sich auch jemand für eine solche Stunde entschließen möchte, so wird er sich sicher nicht zu sehr freuen auf dieselbe, sondern wird vielmehr eine kleine unbehagliche Scheu vor derselben haben und wird dabei fleißig die Minuten auf dem Zifferblatte seiner Uhr zählen und nicht selten mit Ungeduld auf das Finale des Mir geweihten Stündleins harren!

Und käme da nur irgendein unbedeutendes Weltgeschäftlein dazwischen, so wird das Stündlein entweder gar kassiert oder wenigstens in eine solche Periode des Tages versetzt in welcher sich schon gewöhnlich der wohltätige Schlaf über die Sterblichen senkt, und in welcher... keine angenehmen Besuche mehr zu erwarten und keine nervenstärkenden Promenaden mehr zu unternehmen sind.

Sehet das alles ist Essig und Galle (für Mich)! Und es ist in euch dadurch nicht vollbracht wenn Ich zufolge Meiner unendlichen Liebe alles erdenkliche tue, um euch auf den rechten Weg des Lebens zu bringen; denn zur Vollbringung in euch ist (es) nötig, daß ein jeder sich selbst verleugne aus wahrer Liebe zu Mir, sein Kreuz auf sich nehme und Mir treulich nachfolge.

Wer aber tut das? Das weibliche Geschlecht kann wohl wenn es gut geht den ganzen Tag für den Leib stechen und heften und kann sich putzen und nicht selten über die Maßen freuen auf irgendeinen Besuch; aber wenn Ich dazu sagen möchte: ‘Bleibet daheim in euerm Kämmerlein, und gedenket in euerm Herzen Mein!’, da werden sie traurig, lassen ihre Gesichter hübsch weit herabhängen und sagen: ‘Aber auf der Welt haben wir doch nichts Gutes!’

Frage: Ist das nicht Essig und Galle, wie sich’s gehört?! Oder halten solche weiblichen Menschen in ihrem Herzen nicht eine noch so nichtssagende Welterheiterung höher denn Mich?! Haben solche Menschen auch in sich vollbracht, wie Ich am Kreuze für sie den großen Kampf vollbracht habe?!“ (Schr. 5,15-20)

 

Etwas anderes wäre es, wenn gerade während der Zeit der Ruhe in Gott ein armer, in irgendeine Not geratener Mensch zu uns käme und bäte uns um Hilfe. Da steht dann die Not dieses armen Menschen höher als die Übung der Ruhe in Gott und da gebietet es die Nächstenliebe, die Übung zu unterbrechen, um diesem armen Menschen zu helfen. (4.GEJ 1,13)

 

Wer nun Jesus schon mehr liebt als alle Weltinteressen und Ihn mehr liebt als allen Wissensdurst nach geistigen Erkenntnissen, für den ist es nicht schwer, die Ruhe in Gott zu üben, denn er wird sich nur zu gerne in die Stille seines Gemütes begeben, um dort Jesus begegnen zu können. (8.GEJ 95,7)

 

Jesus sagt: „So du... nun Gott ganz sicher über alles liebst und eben darum auch über alles ehrst, - wirst du dich da nicht gerne, und das sehr oft, von dem weltlichen Tagesgeschäft zurückziehen und dich mit dem Gegenstand deiner heißesten Liebe beschäftigen? Ja, ganz ungezweifelt wahr und sicher! Und siehe, darin besteht ja auch die wahrste und rechteste und vor Gott allein gültige Feier des Sabbats, die Moses befohlen hat! Denn an dem Tage selbst liegt wenig oder auch gar nichts, sondern allein daran, daß du am Tage oder in der Nacht in der Liebe und Ruhe deines Herzens gern an Gott denkst und dich mit Ihm unterhältst.“ (7.GEJ 28,7)

 

Die tägliche Übung der Ruhe in Gott sollte mit der Zeit von einer pflichtgemäßen Handlung in eine sehnlich erwartete Freude übergehen. Dann werden wir uns durch nichts mehr von ihr abbringen lassen.


 

16. Wann, wie oft und wie lange soll die Ruhe in Gott geübt werden?

 

Nicht wer sich am siebten Tag in der Woche der Arbeit fernhält und den Gottesdienst besucht, erfüllt das Gebot der Sabbatheiligung (Sabbat = Ruhe), sondern wer täglich die Ruhe in Gott einhält, insbesondere aber an den arbeitsfreien Tagen, weil wir dann gewöhnlich mehr Zeit haben. (10.GEJ 63,3) Daher soll niemand meinen, die Ruhe in Gott zu üben sei nicht notwendig, weil er die Gebote halte und dadurch Gott liebe, denn gerade mit der Übung der Ruhe in Gott hält er erst das dritte Gebot der Sabbatheiligung. Wer die Ruhe in Gott nicht so übt, wie in dem Gleichnis des Johannes, (2.GS 54) der letzte der Musikschüler auf seiner Violine übt und sich nicht von anderem freimacht, damit er jeden Tag mindestens eine Stunde allein mit dem himmlischen Vater verbringen kann, dessen Liebe zu Ihm ist noch nicht sehr groß.

 

Manch einer würde ja gerne die Ruhe in Gott einhalten, wenn er nur Zeit dazu hätte. Vielleicht hat er sich aber auch, trotz knapper Zeit, schon einige Male die Zeit dazu genommen, aber weil er gar keine Wirkung dabei gespürt hat, ist er zu der Überzeugung gekommen, das sei eine verlorene Zeit. Man sitze nur herum, sei untätig und könne die Zeit nützlicher verbringen. Aber da sagt Jesus: „Die wahre, innere Gemütsruhe ist für jeden Menschen das notwendigste geistige Element, ohne das er nichts wahrhaft Inneres und geistig Großes zu fassen vermag... Es ist aber solch eine Ruhe, in der dem Leibe und seinen Gliedern die Tätigkeit vorenthalten wird, dennoch keine Ruhe, sondern vielmehr eine innere große Tätigkeit der Seele... (die) darin (besteht), sich mit ihrem Geiste, den sie wahrzunehmen angefangen hat, mehr und mehr zu einen. ...Nach fortgesetzter und täglich einmal vorgenommener solcher innerer Ruhe, oder besser Seelentätigkeit, wirst du erst zu fühlen anfangen, welch einen großen wahren Lebensnutzen du daraus gewonnen hast.“ (5.GEJ 218,1-2)

 

Das Ziel der Übung ist die geistige Wiedergeburt, die Einung der Seele mit dem Geiste, der im Seelenherzen wohnt und der nach fortgesetzter Übung anfängt, sich in der Seele auszubreiten. Wir können das wahrnehmen, wenn sich der Geist auszubreiten anfängt, indem unser Herz immer mehr mit Frieden, Liebe und Seligkeit erfüllt wird.

 

Andere sind wieder der Meinung, daß sie die Zeit, die ihnen am Tag noch übrig bleibt, für ihre Erholung brauchen. Doch Jesus sagt:

Daher bemühet euch, aus euren Erholungsstunden in stiller Ruhe und Zurückgezogenheit eures Gemütes Mir geweihte Stunden zu machen - so könnet ihr früh erfahren, wie überaus gut und voll Liebe Ich, euer Vater, bin. Und wahrlich, in einer Minute möchte Ich euch da mehr geben, denn alle Welt in tausend Jahren.

So euch aber eure Erholungsstunden zu was anderem dienen, so werdet ihr auch ebenso sicher erfahren, wie fremd, unerforschlich und unerbittlich Ich jenen zu bleiben pflege, die den Unrat der Welt und allen Trug des Satans Mir vorziehen.

Schließlich denket wohl gar sehr darüber nach, von Wem diese Worte zu euch kommen! Machet euch frühzeitig bekannt mit Mir!“ (1.Hi. Seite 295,19-21)

 

Nun hat sich jemand vorgenommen, die Ruhe in Gott einzuhalten und fragt sich, wie lange er denn nun üben soll? - Da kann ihm, falls er noch nie die innere Gemütsruhe geübt und auch noch nie meditiert hat, empfohlen werden, am Anfang nur wenige Minuten zu üben und diese Zeit nach und nach etwas zu steigern. Denn sobald sich jemand in die Stille begibt, können verdrängte ungelöste Probleme oder nicht überwundene seelische Verletzungen, falls solche vorliegen, plötzlich heftig aus dem Unterbewußtsein, oder besser gesagt, aus der Tiefe des Herzens hervorbrechen und an die Oberfläche kommen. Diese müssen dann zuerst verarbeitet werden, bevor die Zeit weiter gesteigert werden kann.

 

Wieviel Zeit sollen wir nun pro Tag für die Ruhe in Gott verwenden? - Jesus hat uns gesagt, daß eine Viertelstunde am Tag zu wenig ist (NS 20,22). Eine Stunde täglich sollte es wohl mindestens sein. Wer es aber mit der Liebe zu Jesus und mit seiner geistigen Wiedergeburt ganz ernst nehmen will und er sich die Zeit dazu nehmen kann, der versenke sich täglich sieben Viertelstunden in die Liebe zu Jesus. Diese Zeit kann pro Tag aber auch aufgeteilt werden, z.B. in zweimal 53 Minuten. Jesus Selbst verwendete täglich eine Zeit von drei Stunden für die Ruhe in Gott. (Schr. 8,14)

 

Nun könnte vielleicht noch die Frage gestellt werden, welches die geeignetste Tageszeit ist, in der wir uns in die Ruhe in Gott begeben sollen? - Jesus sagt darauf: „Ich bin stets zu Hause, gehe niemals aus, und habe nicht nur gewisse Stunden oder Zeiten bestimmt, in welchen man zu Mir kommen kann wie zu den Königen der Erde und allen Großen der Welt. Also nicht nur am Sabbate oder Feiertage, sondern zu jeder Minute ist Mir ein liebendes Herz angenehm, und in der Nacht selbst habe Ich noch nie vor jemandem die Türe verriegelt; wann immer ihr also klopfen werdet, will Ich ‘Herein!’ sagen.“ (1.HG 3,16)

 

Ja“, wird jetzt vielleicht jemand sagen, „ich übe schon lange jeden Tag die Ruhe in Gott, aber ich spüre noch keinen inneren Frieden, keine Liebe und noch keine Seligkeit. Kann das überhaupt in diesem Leben erreicht werden?“

 

Darauf sage ich: Es kommt darauf an, wie viele Totengefängnisse sich um seinen Geistfunken befinden, denn wenn jemand jahrzehntelang seinen Geschlechtstrieb ausgelebt hat, so hat er auch bei jedem Mal ein neues Totengefängnis um seinen Geist errichtet. Dazu kommen auch noch andere Hüllen, wie das genießerische Essen und Trinken, Geld- und Besitzstreben, Herrschlust, Stolz, Neid, Vergeltungssucht und noch andere. Deswegen dauert es jetzt so lange, bis alle Hüllen des Geistes wieder entfernt sind.

 

Wenn z.B. jemand im Laufe der Zeit einige Tausend Totengefängnisse um seinen Geist errichtet hat, und er baut jeden Tag eines ab, indem er jeden Tag intensiv sieben Viertelstunden die Ruhe in Gott übt, so dauert es auch einige Tausend Tage, bis alle Hüllen abgebaut sind und der Geist sich in der Seele ausbreiten kann. Dann erst kann der Friede, die Liebe und die Seligkeit empfunden werden. Deshalb sollte mit Geduld fleißig weitergeübt werden, denn dann werden auch zur rechten Zeit die Hüllen abgebaut sein.

 

Wer aber nicht jeden Tag übt, weniger lang oder nicht so intensiv übt, d.h. kaum ein Liebesgefühl aus seinem Herzen auf Jesus ausstrahlen läßt, dafür aber mehr mit den Gedanken umherschweift, der muß natürlich auch mit einer noch längeren Zeit rechnen.


 

17. Der Kampf gegen die zahllosen Gedanken

 

Nun hat jemand schon öfter die Ruhe in Gott geübt und sagt: „Ich kann meine Gedanken nicht zum schweigen bringen. Immer wieder kommen mir irgendwelche Gedanken, und bis ich gemerkt habe, daß ich mit meinen Gedanken woanders, aber nur nicht bei Jesus bin, ist schon wieder viel Zeit vergangen.“ - Darauf kann ihm geantwortet werden, daß dies wohl allen gleich geht. Jedesmal, wenn wir uns in die Ruhe in Gott begeben, beginnt der Kampf gegen die zahllosen Gedanken, die uns zerstreuen. Ein sich schnell drehendes Rad kann nicht mit einem Ruck angehalten werden. Selbst wenn es abgebremst wird, braucht es seine Zeit, bis es still steht. So ist es auch mit unseren Gedanken, sie können nur langsam zur Ruhe gebracht werden. Auch ein Geübter braucht jedesmal eine gewisse Zeit dazu. Beherrschen wir unsere Gedanken auch nicht gleich, so sollten wir deshalb aber doch nicht aufgeben, sondern es immer wieder neu versuchen und geduldig auf Gottes Wirken warten. - „Die Übung in allem aber macht erst den Meister“, sagt Raphael, „durch eine zu geringe Übung aber bleibt der Mensch ein ewiger Stümper und kann zu nichts Großem und Außerordentlichem verwendet werden.“ (10.GEJ 17,10)

 

Die Gedanken müssen zum Schweigen gebracht werden, denn hinter dem Schleier endloser Gedankenketten finden wir Jesus. Wo unser Herz ist, da sind auch unsere Gedanken. Sorgen, Interessen und Wünsche, welche die störenden Gedanken verursachen, müssen uns einerlei werden, indem wir sie Jesus übergeben. Tauchen diese Gedanken auf und werden uns bewußt, müssen wir sofort unser ganzes Verlangen wieder auf Jesus richten. Indem wir uns in liebender Sehnsucht Jesus zuwenden, werden die störenden Gedanken vertrieben. Das gelingt zunächst nur für Augenblicke, aber diese Augenblicke der Gedankenleere mit dem Gefühl der Liebe zu Jesus sind wichtig, denn in dieser Zeit nimmt unsere Seele mehr Geistigkeit an, das höhere Ich oder der Geist in uns kann wachsen und sich in der Seele ausbreiten. Mit fortschreitender Übung werden die Augenblicke der Gedankenruhe ausgedehnter, bis dann kein störender Gedanke mehr die Stille unterbricht. Schließlich kann man sich so tief in die Liebe zum himmlischen Vater versenken, daß man von nichts Äußerem mehr abgelenkt werden kann.

 

Wächst aber unsere Demut vor Gott, dann wird auch unsere Liebe stärker, und solch eine demütige Liebe kann nicht mehr anders, als nur an den zu denken, der ihr so überaus kostbar geworden ist. Jesus sagt: „Die Demut ist die Hauptnahrung der Liebe. Die Liebe wird dadurch mächtiger und kräftiger zu dem, vor dem sie ihren großen Unwert fühlt! Und je unwürdiger sie sich fühlt, desto größer wird ihr Zug zu ihm, weil ihre Achtung in dem Grade wächst, als sie in ihrem eigenen Werte sinkt. Solche Liebe denkt dann nur an den, den sie als ihr höchstes Gut allerhöchst achtet.“ (Schr. 31,11)

 

18. Die Gefahren bei der Durchführung der Übung

 

Die Übung der Ruhe in Gott ist, wenn man sich genau an die Anweisung hält, völlig ungefährlich. Faßt man jedoch einiges von der Anweisung falsch auf und übt dadurch auf falsche Weise, so bleibt der ersehnte Erfolg aus und man kann sogar in große Schwierigkeiten geraten. Ein Geistesfreund nahm es sehr ernst und übte zwei Stunden am Tag. Weil nun der Geistfunke der Liebe im Herzen wohnt und weil Jesus sagte, daß wir Ihn im Herzen aufsuchen und uns in unserem Innersten mit Ihm beschäftigen sollen, so konzentrierte er sich während der Übung auf sein Herz. Nach Jahren des Übens berichtete er, daß nun in der Zeit der Ruhe sein Herz zu brennen anfange. Nach weiterer längerer Übungszeit mußte er sich der warmen Kleidungsstücke entledigen, denn das Brennen wurde stärker und gab ihm eine große Hitze. Als die Hitze unerträglich wurde, mußte er schließlich mit dem Üben aufhören. Er glaubte auf dem richtigen Weg zu sein, weil er das Wort „brennen“ wörtlich nahm, obwohl es nur die übergroße Liebe und Freude versinnbildlicht.

 

Gopi Krishna, ein Inder, hatte keinen Lehrer, der ihm das Meditieren beibrachte. Er hatte von der Meditation gehört und gelesen und faßte den Entschluß, diese zu üben. Er setzte sich jeden Morgen vor seiner Arbeit hin und konzentrierte sich dabei auf sein Gehirn. Nach Jahren der Übung war es dann soweit, daß er ein helles Licht aufflammen sah. Aber dieses Licht erwies sich nicht als wohltuend und beseligend, sondern bereitete ihm große Qual. Es verursachte ihm schwerste Störungen, bis ihm nach langem Suchen ein in Yoga erfahrener Mann helfen konnte.

 

Was haben nun diese beiden, die so intensiv ihre Übung durchführten, falsch gemacht? - Sie verstanden die Worte „sich nach innen wenden“ räumlich anstatt geistig und richteten ihre Aufmerksamkeit auf Teile ihres Körpers. Auch der Ausspruch „Das Herz zu Gott emporheben“, bedeutet nicht, daß wir es in unserer Vorstellung über alle Sterne hinaus emporheben sollen. Das Mißverstehen solcher Worte hat schon manchen, die sich auf den Weg zur Innerlichkeit begeben haben, viel Irrtum und Selbsttäuschung eingebracht. (WdN 51,2)

 

Worauf sollen wir denn nun unsere Aufmerksamkeit richten? - Wenn wir in Gedanken versunken sind und über ein Problem nachdenken, richten wir unsere Aufmerksamkeit weder auf das materielle Herz, noch auf das materielle Gehirn noch räumlich sonst wohin, sondern auf das Problem, worüber wir nachdenken wollen. Genauso machen wir es auch bei der Ruhe in Gott. Wir richten unsere Aufmerksamkeit mit aller Sehnsucht und Liebe auf Jesus und das ist geistig. Sind wir aber im Geiste, so sind wir in unserer Vorstellung körperlich und räumlich nirgendwo.


 

19. Nur einen Gedanken unverwandt betrachten

 

Johannes gibt uns den Ratschlag, den Namen Jesu in unserem Herzen auszusprechen, um die brennende Liebe zu Ihm zu erwecken. Er sagt: Es „genügt zur Erweckung unserer Liebe zu Jesu ja doch sicher schon ein einziger Gedanke - nur Sein Name (oder „Vater“ 2.GS 50,17) in unseren Herzen ausgesprochen sollte ewig genug sein, um in aller Liebe für Ihn zu erbrennen! Daher sprechet auch ihr in euren Herzen diesen Namen würdig aus, und ihr werdet es selbst erschauen, in welcher Fülle das Feuer der Liebe aus euren Herzen hervorbrechen wird.“ (2.GS 13,16)

 

Wenn Johannes sagt, daß wir den Namen Jesu in unserem Herzen aussprechen sollen, so meint er, daß schon ein Gedanke der Liebe zu Jesus genügen sollte, um das Herz in einen hellen Brand der Liebe versetzen zu können. Bei den allermeisten Menschen genügt aber die einmalige gedankliche Nennung des Namens Jesu nicht, weshalb er auch immer wieder, den ganzen Tag über, wiederholt werden kann. Dabei sollte der Name Jesu nicht nur in Gedanken, sondern auch mit und in dem Herzen, das heißt, mit der ganzen Kraft unseres Liebegefühls zu Jesus ausgesprochen werden.

 

Nach längerer Übungszeit sollte die gedankliche Nennung des Namens weggelassen werden und in eine andere Art der Übung übergehen. Dazu gibt uns Johannes die Anweisung, wie das durchgeführt werden kann. In dieser Anweisung wird der Name Jesu nicht ständig gedanklich wiederholt, sondern im Geiste festgehalten und unverwandt betrachtet.

 

Johannes sagt:

Also muß ja notwendig ein jeder, der in das Leben seines Geistes eingehen will, sich tagtäglich auf eine Zeitlang in die vollkommene Ruhe seines Geistes begeben und muß in dieser nicht etwa mit allerlei Gedanken umherschweifen, sondern er muß einen Gedanken nur fassen und diesen als ein bestimmtes Objekt unverwandt betrachten.

Der beste Gedanke ist hier freilich der Herr. Und wenn jemand solches mit Eifer und aller möglichen Selbstverleugnung fort und fort tun wird, so wird dadurch die Sehe wie das Gehör seines Geistes stets mehr und mehr an innerer Schärfe gewinnen.“ (2.GS 44,16-17)

 

Der Name „Jesus“ oder das Wort „Vater“ muß ständig im Geiste, d.h. mit dem Herzen festgehalten werden. Dabei sollte gleichzeitig auch aus dem Herzen ein liebendes Sehnen zur ewigen Liebe, bzw. zum Vater Jesus hinströmen.


 

20. Die Wahrnehmungen beim Üben

 

Es wird sich durch die Übung der Ruhe in Gott unsere geistige Sehe und das Gehör schärfen. Da geschieht es bei manchen, daß sie schon nach kurzer Übungszeit Licht, Musik oder angenehme Düfte wahrnehmen. Auf solche Wirkungen sollten wir keinen großen Wert legen und sie unbeachtet lassen, denn es geht in dieser Übung um die Erweckung der Gottesliebe und das ist mehr als Licht, Musik und angenehme Düfte. Sind sie da, so lassen wir es gut sein und erfreuen uns daran, sind sie nicht da, so lassen wir es auch gut sein. Auch Visionen und Stimmen können wahrgenommen werden. Diese müssen geprüft werden, ob sie von Gott kommen. Visionen sind am Anfang nur Bilder aus der eigenen Seele, gleich den Bildern in einem Traume. Erst nach längerem geistigem Fortschreiten werden auch höhere Schaugrade erreicht. (8.GEJ 135-136) Das gilt auch für Stimmen, die gehört werden können. Diese können entweder im Herzen oder wie von außen kommend wahrgenommen werden. Die Stimme Jesu, die Stimme der Engel und die Stimme des eigenen Geistes werden ganz leise als Gedanken des Herzens wahrgenommen, (4.GEJ 23,9-10) die Stimme von Geistern aber ertönt wie von außen herkommend. Die Gefahr bei geistigen Übungen wie Stille oder Meditation ist die, daß sich der Mensch für die jenseitigen Einflüsse öffnet. Da ist der Mensch dann von Geistern umgeben, deren geistiger Entwicklungstand dem seinen entspricht. Viele dieser Geister möchten sich mitteilen, und manche reden dann, ohne einen Auftrag von Gott zu haben, in der Weise, als wären sie eine bekannte religiöse Persönlichkeit oder Jesus Selbst. Erst bei wem die Liebe zu Jesus dauerhaft zu einem Brand entzündet ist, bei dem ist es wirklich Jesus, der zu ihm spricht. Wir müssen uns immer bewußt sein, daß es nicht unser Ziel ist, besondere Gaben zu bekommen, sondern fortzuschreiten in der Liebe, Demut, Sanftmut und Geduld. Sind wir in diesen Eigenschaften fest geworden, dann wird auch die Gabe echt sein, die wir dann bekommen. - Nach einer Gabe aber sollen wir streben, welche die größte Gabe ist, die Jesus uns geben kann – nach Seiner Liebe.


 

21. Die Entzündungszeit

 

Wann aber ist es soweit, daß die Liebe zu Jesus, unserem himmlischen Vater, sich zu einem Brand entzünden kann? - Wenn jemand schon längere Zeit die Ruhe in Gott in richtiger Weise geübt hat, wird in seinem Herzen die innere Freude und Liebe wachsen und er wird sich immer leichter und fröhlicher fühlen. Da wird es dann eines Tages geschehen, daß die Freude und Liebe so überschäumend wird, daß er die ganze Welt umfassen könnte. Da hat seine Hingebung an Jesus Frucht getragen, denn in dem Maße, wie unsere Sehnsucht nach Ihm über allem steht, gibt Er uns Seine Liebe zum Geschenk. Der Vater sagt: „Wenn ihr aber gewahren werdet, daß es da in eurem Herzen heißer und heißer wird, dann achtet auf euer Herz; denn dann ist die Entzündungs- und Lichtzeit auch schon da. Und so dann eure Herzen alle erbrennen werden zu Gott, dem allerheiligsten, liebevollsten Vater, da schauet in euch, und ihr werdet die Wunder des ewigen Lebens in euch erschauen!“ (2.HG 56,12)

 

Solche ewige Liebe ist erst das lichte Wachwerden des ewigen Geistes, der da selbst nichts als pur Liebe ist.“ (2.HG 56,14) Wenn der ewige Geist im Menschen seine Fesseln sprengt und in den ganzen Menschen übergeht, dann ist es soweit, daß die Liebe zu Jesus sich zu einem Brand entzündet.


 

22. Die Trockenheit

 

Aber noch kann der Übende die Liebe nicht ständig in seinem Herzen erhalten, und nach einer gewissen Zeit ist die große Freude und heiße Liebe wieder verschwunden. Da empfindet er seinen alten Zustand als eine Trockenheit, deren Ursache im Nachlassen des Verlangens nach Gott liegt, weil die weltlichen Interessen und Wünsche, wenn vielleicht auch nur wenige, wieder sein Herz erfüllen. Jesus sagt: „Ich aber bin ein gar allwissender Bräutigam! - Daher sehe Ich es auch genau, wie jemandes Herz bestellet ist! Und Ich sage daher: Wer zu Mir kommen will Meiner Selbst willen, der komme, und er wird sogleich die ewige Aufnahme finden. Aber ein jeder prüfe sein Herz genau! Denn solange nur noch ein Fünklein fremder Liebe darinnen hauset, werde Ich nicht einziehen und Mich völlig finden lassen!“ (2.Hi. Seite 181,11)

 

Fängt er aber wieder an, sich Jesus zuzuwenden und steht geduldig diese Trockenheit durch, so wird er den göttlichen Trost wieder finden. Wenn nun sein Sehnen nach Jesus wieder stärker wird, so kann er eine Beklemmung seines Herzens empfinden, die sich wie durch eine innere Zusammenschnürung seiner Brust kund gibt. (3.Hi. Seite 14,17) Dieser demütigende Schmerz ist das Erschrecken der Seele, die nun in sich die große Zahl ihrer Sünden wahrgenommen hat. Das ist dann ein Zeichen, nicht nachzulassen in dem Bestreben, Jesus über alles zu lieben. Da erwacht dann die Liebe wieder und erfüllt die ganze Seele. Göttliche Tröstungen, Zeiten der Trockenheit und der Beklemmung des Herzens wechseln einander so lange ab, bis es keinen Rückfall zur Welt mehr gibt und die Liebe fest geworden ist. Der Vater sagt: „Aber solches merket euch gar wohl hinzu, daß… eure Liebe nicht also sich gestalte, als möchte sie nur dauern von heute bis morgen; denn mit einer sich nur zeitlich gestaltenden Liebe ist ja nicht einmal das schwache Weib zufrieden, geschweige erst der ewige Gott!“ (2.HG 56,13)


 

23. Der eifersüchtige Liebhaber

 

Ist Jesus uns durch Seine Liebe schon sehr nahe gewesen, und werden wir Ihm dann wieder untreu, so kränkt und schmerzt Ihn das außerordentlich. Denn es ist ein Unterschied, ob Jesus Seine Liebe schon in uns hineingelegt und wir sie schon empfunden hatten oder ob das noch nicht der Fall war.

 

Ich sage dir,“ sagt Jesus, „daß Ich ganz außerordentlich eifersüchtig bin und Mich von niemandem etwas mehr kränkt, als so die Meinen Mir dann und wann ein wenig untreu werden!

Siehe, wer Mich liebt, der muß Mich ganz lieben! - Wenn sich die Meinen irgendeiner Weltbelustigung manchmal mehr freuen denn Meiner Liebe, siehe, das kränket Mich schon! Denn Ich bin ein Todfeind von aller Weltkoketterie!

Glaube es Mir, ganz kleine Seitenblicke von denen, die Ich zu den Meinigen aufgenommen habe, bereiten Mir schon einen Schmerz! - Willst du Mich so recht kennen, da stelle dir so einen recht hitzigen und kreuz und quer eifersüchtigen Liebhaber vor! Dieser liebt seine Braut mit aller Glut seines Herzens, und ihr Leben ist ganz das seinige; aber wehe ihr, so er sie auf irgendeiner Zweideutigkeit ertappt! Wie wird er sie das auf alle mögliche Weise fühlen lassen! - Kehret sie aber wieder um und bekennet dem Liebhaber reuig und offen einen schwachen Seitenblick, so kehrt in dem Liebhaber sobald die alte Glut wieder zurück. Und er liebt seine ihm ein wenig untreu gewordene Braut noch glühender als vorher!

Siehe, gerade ein solcher Liebhaber bin Ich auch! - Freilich wohl habe Ich mehr Geduld und viel öfters Nachsicht als ein sogestaltig hitziger Weltbräutigam. Aber was da die Kränkung anlangt, so trifft sie Mich bei Untreue Meiner Bräute auch ums Vielfache ärger als einen Weltbräutigam, eben da Ich so oft verzeihe und Meinen Bräuten die so oftmaligen Weltkoketterien nachsehe!

Denke: Liebe, Leben, Gesundheit und Meine Gnade haben die Bräute in jeder Sekunde von Mir! Ich versehe sie sorgfältigst mit allen Wohltaten des Lebens, sie stehen in Meiner alleinigen Verpflegung ewig! Sollte es Mich da nicht kränken, wenn Ich Mich dennoch so dann und wann unter den Liebhabern als der Letzte ansehen muß?!

Daher aber sage Ich... dir das als Meinen Wunsch: daß du Mich in Zukunft zum ersten Liebhaber in deinem Herzen an- und aufnehmen möchtest!“ (2.Hi. Seite 244,5-245,10)

Wer Mich nicht ...völlig eifersüchtig liebt und Mich in seinem Herzen wie nahe ausschließend allein besitzen will, der hat noch keine wahre, lebendige Liebe zu Mir! Hat er aber diese nicht, so hat er auch die Fülle des Lebens nicht in sich; denn Ich bin ja das eigentlichste Leben im Menschen durch die Liebe in seiner Seele zu Mir, und diese Liebe ist Mein Geist in jedem Menschen.“ (2.GEJ 41,4)

 

Sieht man aber in der heutigen Zeit Menschen, die alles daran setzen, Jesus zum ersten Liebhaber zu haben und die flammende Liebe in sich zu erwecken? - Ja, wenn man diese Liebe durch den Verstandesglauben und die Gesetzeswerke haben könnte, aber wo ist jemand, der sie in die Tat umsetzt? - „Es gibt deren schon auch hier und da“, sagt Jesus, „aber sie sind jetzt beinahe seltener und köstlicher geworden als große Krondiamanten. Diese leben schlicht, von der Welt soviel als möglich abgezogen, und ihre Freude bin Ich, und der Gegenstand ihrer Gespräche bin auch Ich. Warum denn? Weil der Mund davon übergeht, wes das Herz voll ist! Also bin Ich auch der Gegenstand, mit dem sich ihr Herz beschäftigt, und alles andere in der Welt ist ihnen um eine hohle Nuß feil.“ (Schr. 19,20) So wenige ihrer auch sind, so steht auf ihnen aber doch die ganze Christenheit, ja die ganze Menschheit und sogar der ganze materielle Schöpfungsmensch. (10.GEJ 146,11 + BM 43,10-11) Sind ihrer zu wenig, so fängt es in der Christenheit, ja auf der ganzen Welt sehr zu hapern an. Je mehr ihrer aber sind, um so mehr verändern sich die Weltmenschen und alle Verhältnisse zum Guten. Sie sind die wahren Kinder Gottes und die wahren Täter Seines Wortes.

 

Wenn sich jemand aufmachte, Jesus über alles zu lieben, so würde Jesus ihn auf Seinen Händen tragen und ihm Seine Gnade und Seinen Segen schenken. Die meisten Menschen sind dazu nicht bereit, hätten aber gerne eine Gabe von Ihm. Diesen aber schenkt Er wenig besondere Gnade. Wo aber solch ein Mensch wäre, der die flammende Liebe in die Tat umsetzte, den hätte Jesus unsäglich lieb und Er wäre bereiter als je, ihm die Schätze Seiner Himmel zu eröffnen. Haben sie daran aber auch nur etwas Selbstgefallen, so können sie auch wieder fallen.


 

24. Die Schätze des Himmels

 

Welches sind nun die Schätze Seiner Himmel, die Jesus uns eröffnen will, wenn wir Ihn über alles lieben und unser Herz in dieser Liebe fest geworden ist? - Als erstes, daß der himmlische Vater uns gegenwärtig ist. Er sagt:

So ihr Mich ladet, zu euch zu kommen, wie sollte Ich da nicht tun, darnach euer Herz ein lebendiges Verlangen trägt!? - Und so fraget euch denn auch heut im Herzen, und eure Liebe zu Mir wird es euch getreu verkünden, ob und wann Ich zu euch kommen werde!

Sehet, Ich bin Einer, der da folgt der Liebe bis ans Ende aller Welten. Daher liebet und glaubet - so werde Ich sein mitten unter euch und in euch - was euch getreu verkünden wird der große Trost im Herzen.“ (1.Hi. Seite 297,4-5)

 

Als nächstes werden wir eine sanfte Liebe in unserem Herzen verspüren. Jesus sagt: „So ihr in euren Herzen sanfte Liebe empfindet zu Mir, eurem heiligen, guten Vater, dann wisset, daß der Vater nicht ferne ist! Denn Mich kann niemand lieben, so er nicht hat Meine Liebe. Meine Liebe aber kann niemand haben von anders woher denn von Mir. Wer aber Meine Liebe hat, der hat auch Mich, der Ich die Ewige Liebe Selbst bin. So aber Meine Liebe bei euch sein wird, da werde ja auch Ich bei euch sein!“ (1.Hi. Seite 296,2-297,3)

 

Des weiteren wird unser Herz mit einer großen Freudigkeit und Seligkeit erfüllt. Jesus sagt: „(Es) werden sich wunderbare Wirkungen... in euch augenblicklich verspüren lassen, welche sich alsobald in übergroßer, unbegreiflicher Freude und himmlischer Wonne kundgeben werden.“ (3.Hi. Seite 63,47)

 

Die Gott in Mir, dem Menschensohn, wahrhaft erkennen und lieben, werden schon in diesem Leben Seligkeiten zum Genusse bekommen, von deren Herrlichkeit noch bis zur Stunde keines Menschen Sinn je etwas empfunden und gefühlt hat!“ (3.GEJ 175,9)

 

Als viertes wird Jesus unsere Bitten erfüllen. Er sagt: „Euch wird allzeit alles gegeben, um was ihr den Vater in Mir in Meinem Namen ernstlich bitten werdet. Aber es versteht sich von selbst, daß ihr Mich nicht um dumme und nichtige Dinge dieser Welt bittet; denn so ihr das tätet, da zeigtet ihr ja doch offenbar, daß ihr derlei Dinge mehr liebtet denn Mich.“ (9.GEJ 43,5)

 

Als fünftes werden auch die leiblich Kranken geheilt. Jesus sagt: „So ihr den leiblich kranken Menschen aus wahrer Nächstenliebe in Meinem Namen die Hände auflegen werdet, soll es mit ihnen besser werden, wenn das Besserwerden zum Heile ihrer Seelen dienlich ist.“ (9.GEJ 43,6)

 

Als sechstes werden wir Jesus zu uns sprechen hören. Er sagt: „Sammle dich nur einmal oder, noch besser, mehrere Male in der Liebe zu Mir! Habe aber dabei wohl acht auf alle Gedanken in dieser Andachtszeit! - Siehe, alle diese Gedanken werden Meine an dein Herzlein sanft, leise und stille gerichteten Worte sein! (2.Hi. Seite 26,13)

 

Als siebtes verspüren wir eine große Nächstenliebe. Diese muß sich dann aber auch als werktätig erweisen. Jesus sagt: „Die Liebe zu Mir muß werktätig sein nach eines jeden Kraft und Vermögen, darum ist denn auch die Liebe zum Nächsten, Dürftigen gleich der Liebe zu Mir. Wer da sagt, daß er Mich liebe über alles, der liebt auch werktätig den Nächsten mehr denn sich, hilft ihm - und zwar aus Liebe zu Mir - aus der Not.“ (3.Hi., Seite 312,3)

 

Als achtes werden wir die Wiedergeburt und die Einswerdung mit Gott erreichen. Jesus sagt: „Die Liebe zu Gott erfüllt den ganzen Menschen mit dem Gotteslebensgeiste, und die Nächstenliebe verkörpert und befestigt denselben in der Seele, wodurch sie dann notwendig in allem identisch wird mit Gott Selbst durch den Liebegeist Gottes in ihr.“ (5.GEJ 230,5) - Wer von der Gottesliebe erfüllt ist, der übe auch die Nächstenliebe, denn erst die werktätige Nächstenliebe befestigt den Liebegeist Gottes in der Seele, wodurch dann erst die volle Einswerdung mit Gott erreicht wird.

 

Als neuntes werden wir Jesus sehen. Er sagt:

Die flammenden Herzens (sind), sollen Mich sogar nicht selten zu Gesichte bekommen, besonders wenn sie ihre Herzen vom Anbeginne ihres Seins rein erhalten haben und sich nicht so leicht haben von der Welt berennen lassen!“ (2.HG 2,23)

Und sobald jemand an der Welt kein Wohlgefallen mehr finden wird, sondern nur an der stets wachsenden Sehnsucht nach Mir, dem wird dann alsobald das innere Auge und Ohr erschlossen werden, und er wird, wenn auch noch im sterblichen, ebenso verführerischen Leibe, alsbald wieder den heiligen Vater hören und dann und wann zu sehen bekommen.

Der Geist der ewigen Liebe wird ihn dann erfüllen; er wird schauen die Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit allörtlich, und des Leibes herbeigekommener Tod wird jeden mit einer unaussprechlichen Wonne erfüllen, da er da erst überklar zu schauen wird anfangen, daß der Tod des Leibes kein Tod, sondern nur ein gänzlich vollendetes Wachwerden zum ewigen Leben ist.“ (1.HG 80,4-5)


Als zehntes wird, wenn unsere Liebe stets weiter wächst und zu einem wahren Brand geworden ist, unser Leib aufgelöst. Jesus sagt: „Wessen Liebe zu Mir heftig und mächtig ist, ...der wird auch schon im Leibe verwandelt durch die heftige Liebe zu Mir, so daß sein Fleisch vom Feuer seines Geistes alsbald zersetzt, geläutert und in das eigene Leben und Wesen des Geistes aufgenommen wird, ohne daß vorher der Leib gänzlich vom Wesen des Geistes getrennt zu werden braucht.“ (BM 188,10) Das geschah beim Henoch (7.GEJ 67,7) und bei Maria, der Leibesmutter Jesu. Von ihrem Hinübertritt heißt es: „Ihre Krankheit aber war die stets wachsende Liebe zu Mir, - und die Flamme dieser Liebe hatte Mariam aufgelöst und für ewig verklärt.“ (3.Hi. Seite 204) Auch für die plötzliche Auflösung des Leibes und andere wunderbare Wirkungen gilt, was vom sichtbaren Erscheinen Jesu gesagt worden ist, daß dies hauptsächlich bei denen geschehen wird, die sich vom Anbeginn ihres Seins rein erhalten haben.

 

Diese himmlischen Schätze erhält derjenige aus Gnade, der Jesus über alles liebt. Aber da darf niemand den himmlischen Vater wegen dieser Gaben zu lieben beginnen, denn der allerheiligste Vater will Seiner Selbst willen geliebt sein und nur dann wird Er ihm Seine Liebe geben. (2.Hi. Seite 94,13) Bei wem aber die Gaben an erster Stelle stehen, der bekommt die Gaben nicht, denn seine Liebe hat nicht den nötigen Wärme- und Lichtgrad erreicht.


 

25. Die Liebe – das Ziel des Lebens

 

Seid fleißig“, sagt Jesus, „dieweil es Tag unter euch geworden ist, und sammelt euch des Öles viel von Meinem lebendigen Ölbaume... Denn die Liebe ist das wahre Öl des Lebens. Wenn ihr dieses Öl in die Lampe eures Herzens gießet, so werde Ich es anzünden mit Meiner Gnade. Und wenn nun dadurch die Nacht eurer Seele erleuchtet ist, dann erst werde Ich kommen als wahrer Bräutigam des Lebens und Wohnung nehmen in euren Herzen.“ (1.Hi. Seite 88,35-36)

 

Das Öl der Liebe sammeln, müssen wir, denn das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe gebietet es uns, aber die Lampe anzünden kann nur Jesus und das ist Seine Gnade. Dann ist die Liebe durch Seinen Geist in unserer Seele aufgeflammt, so daß es in ihr Licht geworden ist, und das ist die wahre Erleuchtung.

 

Wenn wir die Liebe des himmlischen Vaters unerschütterlich in unserem Herzen haben, so haben wir Alles in Allem. Sie ist die Taufe mit dem heiligen Geist und mit Feuer, (Matth. 3,11) sie ist das wahre Beten ohne Unterlaß, (1.Thess. 5,17) die wahre Anbetung Gottes (1.HG 1,4 + 3.GEJ 207,4) und das wahre Abendmahl. (2.Hi. Seite 3,13) Sie ist das Ziel unseres Lebens, unsere Wiedergeburt und Vollendung (3.Hi. Seite142,8). Das wollte uns ein von der Liebe begeisterter klarmachen, indem er sprach: „Wohl demjenigen, ja unendlichmal wohl, der auf der Erde sich die Liebe zum Herrn zum einzigen Bedürfnisse gemacht hat; denn der hat zu solcher Vollendung des Lebens den kürzesten Weg eingeschlagen!“ (1.GS 7,14)

 

Aber nicht nur uns bedeutet die Liebe zu Jesus alles, sondern auch Ihm, unserem himmlischen Vater. Die Seligkeit für einen seine Braut über alles liebenden Bräutigam ist groß, wenn er weiß, daß er von seiner Braut ebenfalls über alles geliebt wird, aber die Seligkeit Jesu über ein Kind, das Ihn über alles liebt, ist unermeßlich größer. Er sagt: „Ein demütiges, Mich allzeit liebendes Herz ist Mir ein unschätzbar köstlicher Edelstein in der unendlichen Krone Meiner ewigen göttlichen Macht und Herrlichkeit und ist Mir auch wie ein Balsamtropfen in Mein liebeheißes Vaterherz gegossen, der Mich über die Maßen erquickt und die Freude Meiner ganzen unendlichen Gottheit ums für dich und vor dir Unaussprechliche erhöht!“ (1.GS 98,4-5)

(Mit Genehmigung des Verfassers, 12/12)

Quellenverzeichnis
GEJ    Das große Evangelium Johannes, Jakob Lorber, 10 Bände, 1981
HG    Die Haushaltung Gottes, Jakob Lorber, 3 Bände, 1981
GS    Die geistige Sonne, Jakob Lorber, 2 Bände, 1955
RB    Von der Hölle bis zum Himmel, (Robert Blum) 2 Bände, 1963
BM    Bischof Martin, Jakob Lorber, 1960
JJ    Die Jugend Jesu, Jakob Lorber, 1996
Hi.    Himmelsgaben, Jakob Lorber, 3 Bände
NS    Die natürliche Sonne, Jakob Lorber, 1956
Schr.    Schrifttexterklärungen, Jakob Lorber, 1958
Lorber Verlag, 74308 Bietigheim/Württ.
WdN    Die Wolke des Nichtwissens, Kontemplative Meditation
Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz, 1974