"Die Schöpfungsgeschichte" Teil 3

 

3.3.3.4. Der vierte Tag


(14)60 UND GOTT SPRACH: »ES SEIEN61 LICHTER AN DER HIMMELSFESTE, UM DEN TAG VON DER NACHT ZU SCHEIDEN; DIE SOLLEN ZU ZEICHEN UND ZU FESTGESETZTEN-ZEITEN62 UND ZU TAGEN UND JAHREN SEIN; (15) UND SOLLEN ZU LICHTERN AN DER HIMMELSFESTE SEIN, UM DER ERDE LICHT ZU GEBEN63.« UND SO GESCHAH ES: (16) GOTT MACHTE DIE BEIDEN GROßEN LICHTER, DAS GRÖßERE LICHT ZUR HERRSCHAFT DES TAGS UND DAS KLEINERE LICHT ZUR HERRSCHAFT DES NACHTS, UND DIE STERNE. (17) UND GOTT GAB SIE AN DIE HIMMELSFESTE, UM DER ERDE LICHT ZU GEBEN, (18) UND UM ÜBER DEN TAG UND ÜBER DIE NACHT ZU HERRSCHEN, UND UM DAS LICHT VON DER FINSTERNIS ZU SCHEIDEN. UND GOTT SAH, DAß ES GUT WAR. (19) UND ES WAR ABEND, UND ES WAR MORGEN, DER VIERTE TAG.

60 Lorber: »›Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre, und seien zwei Lichter an der Feste des Himmels, daß sie scheinen auf Erden! Und es geschah also. Und Gott machte zwei große Lichter, ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein kleines Licht, das die Nacht regiere, und dazu auch Sterne. Und Gott setzte sie an die Feste des Himmels, daß sie schienen auf die Erde und den Tag und die Nacht regierten und schieden Licht und Finsternis. Und Gott sah, daß es gut war. Da ward aus Abend und Morgen der vierte Tag.‹« (GEJ I,160,2).

61 Eigentlich steht hier der Singular  (es sei); zur Begründung siehe HG 30 und 34.

62 bedeutet Versammlung, Versammlungsplatz und von daher auch Termin (= festgesetze Zeit).

63 Swedenborg hat »ad lucem dandum« (um Licht zu geben).

 

Nach Swedenborg entsprechen die beiden Lichter der Liebe und dem Glauben, wobei man wissen muß, daß der Glaube »seinem Wesen nach die Wahrheit ist, die ihrerseits der Gegenstand der Weisheit ist«64 (WCR 385); also entsprechen die beiden Lichter der Liebe und Weisheit. Nach Lorber stellen sie jedoch entweder nur den göttlichen Geist im Herzen oder diesen Geist und seine Seele dar. Bei Swedenborg lesen wir: »Die Liebe ist ›das große Licht, das am Tag herrscht‹; der Glaube aus der Liebe ist ›das kleine Licht, das bei Nacht herrscht‹« (HG 30). Dagegen heißt es bei Lorber: Der ungeschaffene ewige Geist Gottes im Menschenherzen »ist nach dem Maße seiner Auswirkung das, was Moses unter den zwei großen Lichtern … versteht« (GEJ I,161,2). Hier wird der eine Geist »nach dem Maße seiner Auswirkung« unter den zwei Lichtern verstanden. Dazu werde ich gleich etwas sagen; doch zunächst noch eine weitere Interpretation, die nun die beiden Lichter auf den Geist und auf die Seele bezieht: »Das rein Göttliche, oder der ungeschaffene Geist Gottes … ist das große Licht; die Seele des Menschen aber, die durch das große Licht denn auch zu einem nahezu gleich großen Lichte umgestaltet wird, ist das zweite, kleinere Licht« (GEJ I,161,6). Das sind insgesamt drei verschiedene Interpretationen, eine bei Swedenborg, zwei bei Lorber; folglich stellt sich die Frage: Wie hängen sie zusammen? Die Antwort ergibt sich aus dem Verständnis von Geist und Seele bei Lorber: Der Geist, so erfahren wir, »ist das Licht, welches aus seiner eigenen Wärme sich von Ewigkeiten zu Ewigkeiten erzeugt, und ist gleich der Wärme die Liebe und gleich dem Lichte die Weisheit.« (EM 52). Oder eine andere, inhaltlich aber identische Formulierung: »Der reine Geist ist ein Gedanke Gottes, hervorgehend aus Seiner Liebe und Weisheit, und wird zum wahren Sein durch den Willen Gottes.« (GEJ VII,66,6). Der Geist ist die Selbsterfassung der Liebe und Weisheit. Diese Erkenntnis bildet die Brücke zu Swedenborg, denn demnach ist offenbar der Geist dasselbe, was uns von Swedenborg her als das göttliche Geschwisterpaar der Liebe und Weisheit vertraut ist. Wir sehen also, wie man vom Begriffssystem der einen Offenbarung in das der anderen kommt. Ferner sehen wir, warum der eine Geist »nach dem Maße seiner Auswirkung« durch zwei Lichter dargestellt wird: er macht sich nämlich in der Seele als Liebe und Weisheit oder Wärme und Licht (Erleuchtung) bemerkbar. Nun heißt es aber auch, daß die zwei Lichter nicht nur der eine Geist, sondern der Geist und die Seele sind. Auch das ist leicht erklärbar, wenn man weiß, was die Seele und der Geist, nun aber im Verhältnis zur Seele, sind: »Die Seele des Menschen ist eine rein ätherische Substanz, also … aus sehr vielen Lichtatomen … zusammengesetzt, und der reine Geist ist … der von Gott ausgehende Wille, der da das Feuer der reinsten Liebe in Gott ist.« (GEJ VII,66,5). Die Seele ist als Lichtstruktur eine Form der Weisheit; und der Geist ist ihr gegenüber die Lebenswärme der Liebe. Daß die Seele Lichtstruktur ist, ergibt sich aus dem Blickwinkel der Lorberoffenbarung auch daraus, daß sie »ein aus der Materie sich entwickelnder Geist« ist (GEJ V,51,3), die Materie ihrerseits aber die gerichtete Erscheinungsform jenes großen Lichtgeistes ist, der Luzifer (= Lichtträger) heißt. Wenn also Swedenborg von Weisheit spricht, dann kann damit bei Lorber die Seele oder auch der Geist gemeint sein; die Liebe hingegen als das Feuer des Lebens ist der Seele vorerst noch nicht eigen und daher allein auf den göttlichen Geistfunken zu beziehen. Folglich ist der Geist das große Licht, das den wahren Lebenstag der Seele beherrscht, während die Seele selbst das kleine Licht ist. Doch Liebe und Weisheit, Geist und Seele verschmelzen bei der Wiedergeburt zu einer Einheit; deswegen - darauf hat Swedenborg hingewiesen - heißt es im Hebräischen: »Es sei Lichter usw.«, das heißt der Plural »Lichter« ist mit einem Singular von »sein« verbunden, weil eben die beiden Lichter zu einem verschmelzen sollen (vgl. HG 30 und 34). Erst die Einheit der beiden Lichter ist die Erfahrung des Göttlichen. Die »Sterne« sind nach Swedenborg »die Erkenntnisse des Glaubens« (HG 32) oder nach Lorber »die zahllosen nützlichen Erkenntnisse in allen einzelnen Dingen« (GEJ I,161,8).

64 Wörtlich: »Fides in sua essentia est Veritas quae sapientiae« (WCR 385).

 

Die »Ausbreitung der Himmel« interpretiert Swedenborg als den inneren Menschen (HG 30). Bei Lorber ist das hebräische Wort, wie wir schon gesehen haben, mit »Feste« wiedergegeben und bezeichnet den festen Willen Gottes und dann auch der Seele: »… es gibt nur eine Feste im endlosen und freiesten Raume, und diese ist der Wille Gottes« (GEJ I,160,9). »Die Feste … ist der aus dem rechten Verständnisse und aus der Liebe, welche ist das gesegnete Erdreich des Lebens, hervorgehende feste Wille nach der göttlichen Ordnung.« (GEJ I,160,12). Da nun der feste Wille die Gottesgeburt ermöglicht, heißt es, daß die Lichter an die Himmelsfeste gesetzt wurden.


Swedenborg schreibt: Die beiden Lichter »erscheinen im Willen und im Verstand nur, wie das Sonnenlicht an den Gegenständen« (HG 30). Auch das stimmt mit Aussagen bei Lorber überein, denn der göttliche Geist gibt sich nicht unmittelbar zu erkennen, sondern nur »nach dem Maße seiner Auswirkung«, weswegen wir über den Geist folgendes erfahren: »Der Geist ist demnach gleich dem Lichte, welches in sich selbst zwar ewig Licht bleibt, aber als Licht so lange nicht bemerkbar auftreten kann, solange es keine Gegenstände gibt, die es erleuchtete. Das Licht geht, wie ihr z.B. auch schon bei der Sonne seht, fortwährend gleichmäßig von ihr aus; aber ohne Gegenstand kann kein Auge sein Dasein merken. Eine mondlose Nacht hat ebensoviel von der Sonne ausgehendes Licht als eine mondhelle; aber im ersten Falle hat das Licht keinen Gegenstand droben im hohen Aether, und darum merkt es niemand, daß es vorhanden ist. Steht aber der Mond als ein tüchtiger Körper zur Nachtzeit im hohen Aether, da wird das ausgehende Sonnenlicht gleich sehr gewaltig wahrgenommen, und jedermann, der nur einigermaßen mit der Sternkunde vertraut ist, wird es leicht merken, wie und woher der Mond von der Sonne beschienen wird.« (EM 52). Der Geist wird also nur durch die Gegenstände offenbar, die sich die Seele angeeignet hat, weswegen diese Gegenstände auch »Gefäße« (HG 880) heißen.


Die Lichter sollen »zu Zeichen und zu festgesetzten Zeiten und zu Tagen und Jahren sein« (Gen 1,14). Swedenborg sieht darin »die Wechsel des Geistigen [Mond] und des Himmlischen [Sonne]« (HG 37). Was gemeint ist, verdeutlicht er, indem er ausführt: »Der Mensch empfängt durch die Wiedergeburt vom Herrn das wahre Leben; und weil er vorher kein Leben hatte, wechseln sich nun dieses Nichtleben und jenes wahre Leben ab« (HG 933). »Die Verfassung des Menschen (conditio hominis) ist so, daß bei ihm Himmlisches und Geistiges nicht mit seinem Körperlichen und Weltlichen zusammensein kann, sondern Wechsel stattfinden.« (HG 933). Die Conditio humana, die menschliche Daseinsbedingung, die hier angesprochen wird, ist dadurch gekennzeichnet, daß sich im Menschen Himmel und Hölle begegnen und folglich, da sie nicht gleichzeitig herrschen können, die Wechselfälle des seelischen Erlebens verursachen. Das sind die »Zeichen« (Erscheinungsformen), die »festgesetzten Zeiten« (unverückbaren Zustände) und die »Tage« und »Jahre« (die sich regelmäßig wiederholenden Zustände).


Swedenborg sagt ferner: »Ein Leben ohne Wechsel und Mannigfaltigkeiten wäre eintönig und somit kein Leben, auch würde man das Gute und Wahre weder erkennen, noch unterscheiden, geschweige denn innewerden.« (HG 37). Hier wird der ständige, die Vielfalt der Erscheinungsformen produzierende Wechsel zur Voraussetzung jeglicher Erkenntnis; Wechsel und Erkenntnis hängen also irgendwie zusammen. Die absolute Weisheit, die unerkennbar ist, wird unserem Auge nur insoweit sichtbar, als sie sich in ein buntes Formenmeer auflöst. Doch diese »Scheinbarkeiten des Wahren« (HG 3207), so der swedenborg'sche Terminus, sind nie etwas Endgültiges, sondern immer nur etwas Vorläufiges, eine Annäherung an das absolute Wahre; und deswegen sind diese Scheinbarkeiten eben auch der ständige Wechsel, der die Wahrheit für uns erkennbar macht. Daher bedeutet die Bestimmung der Zeichen: »in aller Weisheit den Grund aller Erscheinlichkeit und aller geschaffenen Dinge« (GEJ I,161,7) bestimmen, denn die beiden Lichter befähigen uns, die Erscheinungen verstehend zu durchdringen. Und die Bestimmung der Zeiten, Tage und Jahre bedeutet »in allen Erscheinungen erkennen die göttliche Weisheit, Liebe und Gnade« (GEJ I,161,7). Was hier, bei Lorber, »Erscheinlichkeit« und »Erscheinungen« heißt, das sind bei Swedenborg »die Scheinbarkeiten des Wahren«. Sie wechseln ständig; jede endgültige Begründung in ihnen wäre ein Verharren des Geistes im Vorläufigen; und dennoch müssen wir die momentane Gestalt dieser Erscheinungsformen des Wahren festhalten, weil wir sonst in das finstere Nichts, das keinen Namen hat, abstürzen würden.


Zusammenfassend ist zu sagen, daß der vierte Tag oder Zustand die Erfahrung des Göttlichen in der Seele ist, weswegen die beiden folgenden Tage die Seelenwelt mit Lebensformen aller Art erfüllen werden.


3.3.3.5. Der fünfte Tag


(20) UND GOTT SPRACH: »DIE WASSER SOLLEN GEWIMMEL65 HERVORKRIECHEN LASSEN66, LEBENDIGE SEELE(N); UND VÖGEL SOLLEN ÜBER DER ERDE, ÜBER DEN ANGESICHTEN DER HIMMELSFESTE FLIEGEN.« [UND SO GESCHAH ES:] (21) GOTT SCHUF DIE GROßEN SEEUNGEHEUER UND JEDE LEBENDE, SICH REGENDE67 SEELE, DIE DIE WASSER HERVORKRIECHEN LASSEN, NACH IHRER ART, UND JEDEN GEFLÜGELTEN VOGEL NACH SEINER ART. UND GOTT SAH, DAß ES GUT WAR. (22) UND GOTT SEGNETE SIE, INDEM ER SPRACH: »SEID FRUCHTBAR UND MEHRET EUCH UND FÜLLET DIE WASSER IN DEN MEEREN, UND DER VOGEL MEHRE SICH AUF DER ERDE.« (23) UND ES WAR ABEND, UND ES WAR MORGEN, DER FÜNFTE TAG.

65 Swedenborg hat »reptile« (Kriechtier); HG 40 zufolge denkt Swedenborg hierbei an Fischschwärme. Das hebräische Wort »sharats« vereinigt in sich die Vorstellungen des Zahlreichen und des Kriechens; in etwa vergleichbar unserem Gewürm. In der Entsprechung sind die vielen kleinen Wissensdinge, Fakten oder Informationen gemeint, die sich jedoch kaum über die erdgebundene Sinneswahrnehmung erheben können. Ich habe versucht, diesen Doppelaspekt mit der Übersetzung »Gewimmel hervorkriechen lassen« wiederzugeben.

66 Swedenborg hat »prorepere faciant« (sie sollen hervorkriechen lassen).

67 Swedenborg hat »reptare« (kriechen). Dieser Vers verbindet »die lebende Seele« mit »ramash« (Swedenborg: reptare) und (Swedenborg: prorepere facere).


Am fünften Tag werden die Wasser- und Lufttiere geschaffen, am sechsten Tag die Landtiere und der Mensch. Erst jetzt, nachdem die Lichter an die Himmelsfeste gesetzt worden sind, ist in verschiedenen Formen vom Leben die Rede; erstens in Form der »lebendigen Seele« (in den Versen 20, 21, 24 und 30), zweitens in Form des »Wildlebenden der Erde« (in den Versen 24, 25 und 30) und drittens in Form des »Lebendigen, das auf der Erde kriecht« (Vers 28). Der vierte Tag brachte die Erfahrung des Göttlichen; folglich kann nun, am fünften und sechsten Tag, die Seele, die diese Erfahrung gemacht hat, lebendig werden. Daher lesen wir bei Swedenborg: »Nachdem die großen Lichter angezündet und in den inneren Menschen [Ausbreitung] gesetzt sind, und der äußere von daher Licht empfängt, beginnt er nun erstmals zu leben. Vorher konnte vom Leben kaum die Rede sein, denn er meinte, das Gute, das er getan hat, habe er aus sich getan, und das Wahre, das er gesprochen hat, habe er aus sich gesprochen. Doch da der Mensch von sich aus tot ist und in ihm nichts als Böses und Falsches ist, daher ist alles, was er von sich aus hervorbringt, nicht lebendig, so daß er noch nicht einmal Gutes, das in sich gut ist, aus sich heraus tun kann.« (HG 39). Und bei Lorber heißt es, »daß die nachträgliche Erschaffung der gesamten Tierwelt und endlich des Menschen selbst nichts anderes bezeichnet als die volle Lebendigwerdung und sichere Realisierung alles dessen, was der Mensch in seinem naturmäßigen Teile in sich faßt.« (GEJ I,162,1).


Oben habe ich die drei Formulierungen erwähnt, in denen vom Leben gesprochen wird; dazu sind die folgenden Erläuterungen notwendig. Die »lebende Seele« bezeichnet »das Leben im allgemeinen« (OE 750), das heißt in seiner, auch die Körperlichkeit umfassenden Gesamtheit. Aus der Beobachtung, daß die Tiere »lebendige Seele«, nicht »lebendiger Körper«, genannt werden, schließt Swedenborg, daß »Seele« im Hebräischen das Leben in seinem Gesamtumfang meint, also das Leben des Geistes und des Körpers, oder anders formuliert: »Seele« im Hebräischen bezeichnet »das Leben des Menschen, das durchaus nicht getrennt vom Körper, sondern nur im Körper bestehen kann, denn der Körper ist die äußere Form des Lebens, das Seele genannt wird« (OE 750). Bei »Seele« ist also im Hebräischen, im Unterschied zu unserer Sprachgewohnheit, immer auch die Körperlichkeit des Lebens mitzuhören; eine Körperlichkeit, die sich freilich auch auf geistigen Seinsebenen realisieren kann. Alles, was vom Herrn ausgeht und durch Engelsgeister gedanklich realisiert wird, heißt »lebendige Seele« und hat eine »körperliche Gestalt« (speciem corporis); sie wird im Schöpfungsbericht »durch ›das sich Regende‹ (Vers 24) bzw. ›Kriechende‹ (Verse 21, 25, 26, 28 und 30) bezeichnet« (HG 41)68. »Das sich Regende« und »das Kiechende«, diese beiden Wörter werden im Hebräischen durch dasselbe Wort, nämlich »ramas « ausgedrückt. Es hat die in Swedenborgs Übersetzung anklingende doppelte Bedeutung von »sich regen« (oder: sich bewegen, wimmeln) und »kriechen», womit die Erdgebundenheit oder Körperlichkeit («kriechen») der sich regenden und bewegenden Wesen gemeint ist. Das scheint der tiefere Grund zu sein, warum im Schöpfungsbericht so viel von Kriechtieren die Rede ist; sie sollen die Leibgebundenheit alles Lebens unterstreichen.

68 Auch in HG 994 bringt Swedenborg das sich regende Kriechgetier mit der Leiblichkeit in Verbindung.


Die körperlichen Gefühle werden »das Wildlebende der Erde« genannt. »Chajja« bedeutet sowohl »Wild« als auch »Leben«. Von beiden Bedeutungen macht Swedenborg in seiner Übersetzung Gebrauch (»Wild« in den Versen 24, 25 und 30; »Lebendiges« in Vers 28); außerdem erläutert er, wie sie zusammenhängen: »Das Wort ›Wild‹ bedeutet in der Originalsprache eigentlich Leben oder das Lebendige; aber im Worte (Gottes) nicht nur das Lebendige, sondern auch das gleichsam nicht Lebendige oder das Wild. Deswegen kann derjenige, der den inneren Sinn nicht kennt, manchmal nicht wissen, was gemeint ist. Der Grund der zweifachen Bedeutung liegt darin, daß der Mensch der ältesten Kirche in der Selbsterniedrigung vor dem Herrn anerkannte, daß er nicht lebendig, ja nicht einmal ein Tier, sondern ein Wild sei, denn man wußte, daß der Mensch an sich oder in seinem Eigenen betrachtet so beschaffen ist. Daher bedeutet dasselbe Wort das Lebendige und das Wild.« (HG 908)69. Das »Wildlebende der Erde« bezeichnet daher das instinktive, triebhafte Leben des äußeren Menschen, weswegen das »Wild« im Schöpfungsbericht immer mit »Erde« verbunden ist. In Vers 28 hingegen ist nicht »das Wild, das auf der Erde kriecht«, sondern »das Lebendige, das auf der Erde kriecht« gemeint; doch da beide Bedeutungen durch dasselbe Wort abgedeckt werden, ist nur vom inneren Sinn her entscheidbar, welche gemeint ist.

69 Sehr ausführliche Aufschlüsse gibt Swedenborg in OE 388.


Nun zu den Wassertieren und den Vögeln. Swedenborg schreibt: »Durch ›das Kriechgewimmel (reptilia), das die Wasser hervorbringen‹ [= die Fischschwärme] werden die Wissensdinge des äußeren Menschen bezeichnet; durch ›die Vögel‹ im allgemeinen das Vernünftige, ferner das dem inneren Menschen eigene Verständige.« (HG 40). Das hebräische »Schäräz«, hier »reptilia« (Kriechgewimmel), vereinigt in sich die Vorstellungen des Zahlreichen (des Gewimmels) und des Kriechens; daher ist es bestens geeignet, die zahlreichen Wissensdinge (Fakten) zu bezeichnen, die sich kaum über den Boden der Sinneswahrnehmung erheben können, also kriechen. Dennoch ist nun, nach den Ereignissen des vierten Tages, sogar das äußere Wissen belebt, weswegen das Gewimmel oder Gewürm nun ausdrücklich als »lebendige Seele« qualifiziert wird: »Die Wasser sollen Kriechgewimmel hervorwimmeln lassen, lebendige Seele«.


Von den Vögeln heißt es, daß sie »über der Erde, über den Gesichten der Himmelsfeste« fliegen sollen. Daher sieht Swedenborg in ihnen das Sinnbild des Vernünftigen, das in Beziehung zur Erde (zum äußeren Menschen) steht, und des Verständigen, das in Beziehung zum Himmel (zum inneren Menschen) steht. Der Erdbezug des Vernünftigen geht aus verschiedenen Äußerungen Swedenborg eindeutig hervor: »Dreierlei bildet den äußeren Menschen: das Vernünftige, das Wissen und das äußere Sinnliche. Das Vernünftige ist innerlicher, das Wissen äußerlicher, und das Sinnliche ist am äußerlichsten.« (HG 1589). Da jedoch das Vernünftige die innerste und höchste Erkenntnisstufe des äußeren Menschen ist, ist es auch das Bindeglied zwischen dem inneren und äußeren Menschen: »Das Vernünftige ist es, durch das der innere Mensch mit dem äußeren verbunden wird.« (HG 1589). Daß dagegen das Verständige dem inneren Menschen und somit dem Himmel angehört, wird schon in der oben zitierten Auslegung in HG 40 ausdrücklich gesagt. Bei Lorber, wo nur die Meerestiere zur Sprache kommen, bezeichnen diese »die zahllose und endlos mannigfache Fülle der schöpferischen Ideen und Formen«: »Sein Meer und all sein Gewässer wird voll Lebens, und der Mensch erkennt und erschaut in seinem nun rein göttlichen, ungeschaffenen Lichte die zahllose und endlos mannigfache Fülle der schöpferischen Ideen und Formen und wird auf diese Art seiner rein göttlichen Abkunft inne.« (GEJ I,162,2). Zusammenfassend ist also zu sagen, daß die Fische (Wasser) und die Vögel (Erde und Himmel) das gesamte Erkenntnisspektrum abdecken. Am sechsten Tag wird der Wille mit dem Leben von Gott erfüllt; am fünften Tag hingegen ist es der Verstand in all seinen Schichten.


Der Tatbericht, der - wie gesagt - die Verwirklichung des Geist- oder Wortimpulses in der Seelenwelt darstellt, zeigt, daß die Erkenntnisse, die im inneren Menschen in allen Einzelheiten vorhanden sind, im Bewußtsein zunächst nur in allgemeinen Formen erscheinen können. Denn die »großen Seeungeheuer« bezeichnen das Allgemeine des Wissens (HG 42). Die Vögel tauchen im Tatbericht als »geflügelte Vögel« auf. Das scheint die Wendung des Wortberichtes zusammenzufassen, die ja von den Vögeln sagte, daß sie »über der Erde, über den Angesichten der Himmelsfeste fliegen«; hier nun, im Tatbericht, scheint die differenziertere Aussage des Wortberichtes in den »geflügelten Vögeln« zusammengefaßt zu sein. Damit könnte Mehreres angedeutet sein: Erstens, daß der Unterschied zwischen dem Vernünftigen und dem Verständigen zumindest vorerst nicht wahrnehmbar ist. Zweitens, daß uns gleichwohl das innerlichere Erfassen der Wahrheit beflügelt und emporhebt. Drittens, daß das Wahre mächtig ist, denn die Flügel bezeichnen, weil sie die Arme der Vögel sind, die Macht (HG 8764). Alle Macht wohnt im Letzten (OE 918), das heißt in der Verwirklichung, so daß auch das ein Grund dafür sein könnte, warum im Tatbericht die Flügel erwähnt werden. Schließlich noch ein Wort zur Segensformel; dazu schreibt Swedenborg: »Alles, was vom Herrn her Leben in sich hat, befruchtet und vermehrt sich unermeßlich … ›Fruchtbar sein‹ wird im Worte von den Dingen der Liebe und ›vermehren‹ von denen des Glaubens ausgesagt; die Frucht, die zur Liebe gehört, hat den Samen, durch den sie sich so sehr vermehrt. Daher auch bedeutet der Segen des Herrn im Worte das Hervorbringen von Früchten und die Vermehrung, weil diese aus jenem folgt.« (HG 43).


3.3.3.6. Der sechste Tag


(24) UND GOTT SPRACH: »DIE ERDE BRINGE LEBENDIGE SEELE(N) HERVOR NACH IHREN ARTEN: VIEH70 UND KRIECHGETIER71 UND DAS72 WILD DER ERDE, (JEGLICHES) NACH SEINER ART.« UND SO GESCHAH ES: (25) GOTT MACHTE DAS WILD DER ERDE NACH SEINER ART, UND DAS VIEH NACH SEINER ART, UND ALLES KRIECHGETIER73 DES ERDBODENS NACH SEINER ART. UND GOTT SAH, DAß ES GUT WAR.

70  »stumm«. Daher hat Swedenborg »bestia« (das stumme, vernunftlose Geschöpf).

71 Hier ist die einzige Stelle im Schöpfungsbericht, wo Swedenborgr mit »se movere« (sich bewegen), statt mit »reptare« übersetzt (Schmidt hat hier »reptile«). Eine interessante Interpretation gibt Swedenborg in HG 41: »Was vom Herrn kommt, hat Leben in sich … und wird hier durch ›lebende Seele‹ bezeichnet; ferner hat es eine körperliche Gestalt (speciem corporis), die hier durch ›sich bewegend (se movens)‹ oder ›kriechend (reptans)‹ bezeichnet wird.« Demnach bezieht sich »ramash« auf die körperliche Gestalt des Lebens; das ist also mit »kriechen« (Bodennähe) gemeint.

72 Swedenborg hat »et feram istius terrae« (Schmidt: »et ferram terrae «); wörtlich: »und sein Wild der Erde« oder (um den etwas abfälligen Ton von »iste« aufzunehmen) »und von dem da das Wild der Erde«. Wahrscheinlich ist »istius« (sein) auf das »Kriechgetier« zu beziehen. Dann würde zur Leibgebundenheit des Lebens auch »das Wild der Erde« gehören, das Swedenborg folgendermaßen deutet: Die Affekte, »die niedriger sind und mehr vom Körper an sich haben, heißen ›sein Wild der Erde‹ und sind die Begierden und Gelüste.« (HG 45).

73 Swedenborg hat »reptans«.

 

Am sechsten Tag steht nun wieder die Erde im Mittelpunkt des Geschehens; sie soll, was uns nun nicht mehr verwundert, die »lebende Seele« hervorbringen, und zwar in verschiedenen Arten: »Vieh und Kriechgetier und das Wild der Erde«, so die Formulierung des Wortberichtes; im Tatbericht steht es etwas anders, doch dazu später. Wie schon gesagt, bezeichnen die Landtiere des sechsten Tages das, »was dem Willen angehört« (HG 44). Doch läßt sich auch die Dreierfolge, Vieh, Kriechgetier und Wild der Erde, aufschlüsseln? »Vieh«, hebräisch »Behema«, ist von einem Wort abgeleitet, das »stumm« bedeutet; ebenso bezeichnet »bestia«, Swedenborgs Übersetzung, das vernunftlose Tier im Gegensatz zum (vernunftbegabten) Menschen. Das »Vieh« scheint daher ein umfassender Begriff für die Willensantriebe zu sein, die jedoch noch nicht das Gute und Wahre (= das Bild Gottes) in aller Deutlichkeit wiederspiegeln, immerhin aber sind sie »gut und sanft«: »Die Tiere (bestiae) sind hier, weil von denen, die wiedergeboren werden sollen, gehandelt wird, gut und sanft und bezeichnen Neigungen; die niederen, die mehr vom Körper an sich haben, heißen ›Wild der Erde74‹ und sind die Begierden und Lustgefühle.« (HG 45). Das »Wild der Erde« ist das wilde und ungebändigte Leben des äußeren Menschen. Zum »Kriechgetier« erfahren wir nichts Neues. Doch nach dem, was wir schon wissen, lassen sich die drei Tiergattungen nun folgendermaßen verstehen: Im Willen entwickeln sich Neigungen und Motivationen, die zwar das Gute und Wahre noch nicht ganz klar erfassen können, aber immerhin schon davon beseelt sind, denn es sind gute und sanfte Neigungen (das Vieh). Sie nehmen eine konkrete Gestalt an, was nur möglich ist, wenn sie sich der Erde oder den irdischen Verhältnissen zuwenden (die kriechenden Regungen oder das Kriechgetier). Daher vermischen sie sich auch mit der Triebhaftigkeit des äußeren Menschen, mit seinem Verlangen und seinem Genußstreben (das Wild der Erde). Doch all das heißt »lebendige Seele«, weil der göttliche Einfluß schon so weit vorgedrungen ist.

74 Wörtlich: »ferae ejus terrae« (sein Wild der Erde). Swedenborg gibt hier das Hebräische ganz wörtlich wieder.

Interessant sind nun die Abweichungen im Tatbericht. Offenbar gelingt es dem Menschen nicht, seine eigenen Interessen in den Hintergrund zu stellen, denn im Tatbericht geht das »Wild der Erde« wieder voran: »Gott machte das Wild der Erde … das Vieh … und alles Kriechgetier des Erdbodens«. Die Reihenfolge ist also gegenüber dem Wortbericht, wo das »Wild der Erde« noch die letzte Stelle einnahm, vertauscht. Swedenborgs Erklärung: »Zuerst bringt der Mensch (das Gute und Wahre) wie von sich aus hervor, auch später noch, ehe er himmlisch wird; und so beginnt die Wiedergeburt beim äußeren Menschen und schreitet zum inneren fort. Daher liegt hier nun eine andere Ordnung vor und das Äußere geht (wieder) voran.« (HG 47). Das »Wild der Erde« ist für die Wahnidee verantwortlich, die dem Bewußtsein des äußeren Menschen nur schwer zu nehmen ist, daß er alles aus eigener Kraft bewerkstelligen kann. Erwähnenswert ist ferner, daß das »Kriechgetier«, das nun die letzte Stelle einnimmt, nicht »Kriechgetier der Erde«, sondern »Kriechgetier des Bodens (hebr. Adama)« genannt wird, was auch deswegen auffällig ist, weil die »Adama« in Genesis 1 nur hier vorkommt und dann erst wieder in Genesis 2, wo sie die Grundlage ist, aus der »Adam« (der Mensch) geformt wird. Der »Boden« oder »Ackerboden« bezeichnet im Unterschied zur »Erde«, die Erdkrume, die den Samen des Wahren aufnimmt (HG 10570), was den (natürlichen) Menschen zum (geistigen) Menschen macht. Daraus folgt, daß in Vers 25 die »Adama« erwähnt wird, um die Verbindung oder Überleitung zu Vers 26 herzustellen, wo die Erschaffung des »Adam« (des Menschen) erzählt wird. Die Neigungen (Tierwelt) sind also inzwischen soweit mit Leben erfüllt, daß nun der Mensch als das Bild Gottes in ihnen erscheinen kann. Deswegen faßt Swedenborg die Schöpfung der Tierwelt wie folgt zusammen: »Der fünfte Zustand besteht darin, daß der Mensch aus dem Glauben des Verstandes spricht und sich daher im Wahren und Guten bestärkt; was er dann hervorbringt ist beseelt und heißt ›Fische des Meeres‹ und ›Vögel der Himmel‹. Und der sechste Zustand ist gegeben, wenn er aus dem Glauben des Verstandes und von da aus auch aus der Liebe des Willens Wahres spricht und Gutes tut; was er dann hervorbringt heißt ›lebende Seele‹ und ›Tier (bestia)‹; und weil er jetzt anfängt aus dem Glauben und zugleich aus der Liebe zu handeln, wird er nun ein geistiger Mensch, der ›Bild‹ heißt, wovon gleich anschließend die Rede sein wird.« (HG 48).


(26) Und Gott sprach: »Laßt uns Menschen machen als unser Bild, wie unsere Ähnlichkeit, so daß sie herrschen über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze Erde und über das ganze Kriechgetier, das auf der Erde kriecht.« (27) Und Gott schuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes schuf er ihn, männlich75 und weiblich76 schuf er sie. (28) Und Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: »Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und unterwerft77 sie und herrscht über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über alles Lebendige78, das auf der Erde kriecht.«

75 Swedenborg hat »masculum«. Es gibt auch ein Verb, das »denken an« bedeutet; nach HG 54 ist im geistigen Menschen der Verstand das Männliche. Wahrscheinlich hebt »zachar« die geschlechtliche Verbindung hervor.

76 bezeichnet das Geschlecht, während sich »isha« auf das Geschlechtsleben bezieht (Ludwig Koehler und Walter Baumgartner, »Hebräisches und aramäisches Lexikon zum Alten Testament«, 632).

77 Swedenborg hat »subjugare« (unterjochen, unterwerfen). Beachte, daß Swedenborg auch von der »subjugatio infernorum« (Unterjochung der Höllen, WCR 115) spricht.

78 Swedenborg übersetzt hier mit »vivum« (Schmidt: »animal«); wahrscheinlich, weil vom »Wild« (der anderen Bedeutung dieses Wortes) nicht >Swedenborg: »reptans super terra«< ausgesagt werden kann. An den anderen Stellen steht immer die Verbindung (Vers 24 ohne Artikel aber mit Suffix, Verse 25 und 30 mit Artikel), »Wild der Erde«; »Wild« also immer in Vebindung mit »Erde«. Schließlich ist noch auf die Verbindung  ... (Verse 20, 24 und 30 ohne Artikel, Vers 21 mit Artikel), »lebendige Seele«, hinzuweisen.


Die Schöpfung des Menschen ist der Höhepunkt des Sechstagewerkes. Nach allem, was bisher gesagt wurde, dürfte klar sein, daß der »Adam« von Genesis 1 nicht der erste Mensch ist (vgl. dagegen Paulus in Röm 5,15; 1.Kor 15,21f.), sondern das Menschliche im Menschen. Seine Erschaffung stellt »die vollendete Menschwerdung oder die Überkommung der vollkommenen Kindschaft Gottes« dar (GEJ I,162,2). Gemeint ist also nicht ein einmaliger Vorgang am Anfang der Menschheitsgeschichte, sondern ein Vorgang, der sich im Vollzug der Wiedergeburt bei jedem Menschen wiederholen kann, wenn er in seiner Entwicklung bis zum sechsten Tag kommt. Dann wird er, der äußerlich schon seit seiner Geburt Mensch ist, auch innerlich Mensch, indem er das Göttliche abbildet, indem er »imago Dei« wird. Das ist ein inneres Geschehen, so daß man sagen muß: Unser Menschsein beginnt tief im Inneren der Seele; dort erschafft Gott den Menschen. Doch viele meinen, »die irdischen und materiellen Bestandteile, aus denen das Äußerste des Menschen geformt ist, bilden diesen, und ohne sie sei der Mensch nicht Mensch. Man sollte jedoch wissen, daß der Mensch nicht durch sie Mensch ist, sondern dadurch, daß er das Wahre einsehen und das Gute wollen kann; das ist das Geistige und Himmlische, das den Menschen ausmacht.« (HH 60). Die Erschaffung Adams ist also die nach allen Vormühen nun endlich stattfindende Menschwerdung des Menschen.


Da das Menschliche im Menschen »Bild Gottes« heißt, muß Gott der eigentliche Mensch sein (GLW 11; GEJ IV,56,1). Wenn wir sagen, daß Gott vor zweitausend Jahren Mensch geworden ist, dann meinen wir damit nicht, daß er es vorher nicht war; im Gegenteil, Gott ist »von Ewigkeit her … der erste Mensch« (GEJ II,39,3). Alle übrigen Menschen sind nur von ihm her Mensch. Das war die Weisheit der Urkirche, die in Genesis 1 ihren Niederschlag fand: »In der ältesten Kirche … erschien der Herr wie ein Mensch … Darum nannten sie niemand einen Menschen als ihn und was ihm angehört, nicht aber sich selbst, außer das, was sie - wie sie innewurden - vom Herrn hatten, das heißt alles Gute der Liebe und Wahre des Glaubens; das nannten sie das zum Menschen, weil zum Herrn Gehörige.« (HG 49). Von daher sind nun die beiden Begriffe »Bild« und »Ähnlichkeit« zu interpretieren. Bei Swedenborg finden wir zwei, einander ergänzende Auslegungen: »Der Mensch ist … Bild Gottes, weil er die göttliche Weisheit aufnimmt; und Ähnlichkeit Gottes, weil er die göttliche Liebe aufnimmt. Daher ist das Aufnahmeorgan, das Verstand heißt, das Bild Gottes; und das Aufnahmeorgan, das Wille heißt, die Ähnlichkeit Gottes.« (GV 328). Derselbe Gedanke ist in den »himmlischen Geheimnissen« folgendermaßen formuliert: »Der geistige Mensch ist Bild, der himmlische Mensch aber ist Ähnlichkeit oder Ebenbild.« (HG 51). Demnach ist das »Bild« die Abbildung der göttlichen Weisheit im geistigen Menschen, während die »Ähnlichkeit« beim himmlischen Menschen durch die Liebe bewirkt wird. Eine etwas andere Betrachtungsweise liegt den folgenden Worten zugrunde: »Zum Bilde Gottes wird er [der Mensch] … durch die Anerkennung und den Glauben, daß alles Gute der Liebe und Nächstenliebe, alles Wahre der Weisheit und des Glaubens ihm von Gott gegeben wurde und ständig gegeben wird, nicht aber seinem Eigenen entstammt. Ähnlichkeit Gottes aber ist er dadurch, daß er all dies fühlt, als ob es in ihm selber wäre.« (WCR 48). Demnach ist mit »Bild Gottes« das Gefühl der Abhängigkeit ausgesagt, während »Ähnlichkeit« im Gefühl der Selbständigkeit liegt. Diese Interpretation erinnert an Lorber, bei dem es heißt, »daß sich in den geschaffenen Wesen notwendig zwei Gefühle begegnen müssen, und zwar erstens und zunächst das Gefühl der göttlichen Ebenmäßigkeit [Ähnlichkeit] … und zweitens … das Gefühl des zeitgemäßen Werdens durch den Urwillen des Schöpfers [Bild]. Das erste Gefühl stellt das Geschöpf unbedingt dem Schöpfer gleich und wie aus sich hervorgehend völlig unabhängig von dem ewigen Urgrunde, als gleichsam solchen in sich selbst fassend und bergend; das zweite aus diesem ersten notwendig hervorgehende Lebensgefühl aber muß sich dennoch als ein vom eigentlichen Urgrunde aus sich hervorgerufenes und erst in der Zeitenfolge als in sich selbst als frei manifestiertes und somit vom Haupturgrunde sehr abhängiges ansehen und betrachten.« (GEJ I,1,16f.). Fassen wir zusammen: Das »Bild Gottes« ist die Weisheit; die »Ähnlichkeit« ist die Liebe, die uns Gott so ähnlich macht, daß wir das Gefühl haben, das Leben selbst zu sein. Es liegt im Wesen der Liebe, all das Ihrige dem anderen zu geben; deswegen ist die ewige Liebe bestrebt, sich uns so restlos zu geben, daß wir diese Gabe nicht einmal als Gabe erkennen können.


Das, was bisher zum Verständnis von »Bild« und »Ähnlichkeit « gesagt wurde, soll noch durch einige sprachliche Beobachtungen ergänzt werden. Das hebräische Wort für »Bild« kann auch »Statue« und »Bildsäule« bedeuten, was zeigt, daß wir als wandelnde Bilder noch nicht sehr lebendig sind. Ferner ist zu sagen, daß »tsel« »Schatten« bedeutet und das dazugehörige Verb »tsalal« »schattig oder dunkel werden«. Das ist auf den ersten Blick sonderbar, denn ein Bild soll ja die Realität möglichst farbenfroh darstellen, aber nicht verdunkeln; in Wahrheit ist es aber keineswegs sonderbar, denn sowohl die »Bildsäule«, als auch der »Schatten« sind nur die Abbilder einer höheren Wirklichkeit auf dem Boden der Stofflichkeit; daher ist auch das Bild eine gewisse Verdunklung der eigentlichen Wahrheit. Das Bild Gottes leuchtet in dem auf, was wir aus der stofflichen Welt an Bildern aufgenommen haben. Mit anderen Worten: Gott erscheint in unseren Erfahrungen. Wir erinnern uns, bevor die »imago Dei« erscheinen kann, mußte uns das Licht des ersten Tages gegeben werden, mußten die Wasser geschieden werden und mußte das Festland hervortreten. Dann endlich, am vierten Tag, wurde uns das göttliche Licht gegeben. Doch es gab nur der Tierwelt das Leben; der Mensch, ausgerechnet er, wird im gesamten Schöpfungsbericht nicht »lebende Seele« genannt. Er ist, so muß man jetzt formulieren, nur Bild Gottes; das unterstreicht noch einmal die relative Leblosigkeit der »Bildsäule». Erst in Genesis 2, wo »Adam« das zweite Mal ersteht, heißt er »lebendige Seele«. Deswegen also ist das »Bild« noch immer eine gewisse Verschattung der Lebenswirklichkeit Gottes. Das hebräische Wort für »Ähnlichkeit« ist von »dama« abgeleitet, das »gleichen« bedeutet. Die Lautverbindung Daleth und Mem begegnet auch in »Adam«, dort mit Aleph, so daß »Adam« auch von daher das »Ebenbild Gottes« ist. Außerdem bedeutet »Dam« »Blut«; und da das Blut die Verwandtschaft begründet, ist »Adam« das Wesen göttlichen Geschlechtes.


Diese Beobachtungen lassen vermuten, daß die ältesten Menschen eine sehr komplexe und ausgeprägte Vorstellung vom »Bild Gottes« hatten; jedenfalls schreibt Swedenborg: »Die älteste Kirche verstand unter dem ›Bilde Gottes‹ mehr, als gesagt werden kann.« (HG 50). Daß die Gottesebenbildlichkeit eine spezifische Idee der Urkirche war, mag daraus hervorgehen, daß sie nach den Sintfluterzählungen, die den Untergang dieser Kirche beschreiben, nicht mehr erwähnt wird; die einzigen Belege finden wir in Gen 1,26f.; 5,1 (dort: Ähnlichkeit Gottes) und 9,3. Daß ferner die Rede von der Gottesebenbildlichkeit damals ohne weiteres verständlich war, geht daraus hervor, daß sie nirgends erläutert wird, also offenbar bekannt war.


Im Unterschied zum Wortbericht ist im Tatbericht nur vom »Bild« die Rede, was ein Hinweis darauf ist, daß die »Ähnlichkeit« des himmlischen Menschen zwar in Genesis 1 als Schöpfungsabsicht ausgesprochen, aber noch nicht ausgeführt wird; erst der siebente Tag stellt den himmlischen Menschen dar (HG 74). Im Tatbericht des sechsten Tages ist statt von »Bild« und »Ähnlichkeit« zweimal vom »Bild« die Rede: »Und Gott schuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes schuf er ihn«. Damit ist der Verstand und der Wille des geistigen Menschen gemeint (HG 53). Etwas ähnliches bedeutet auch die geschlechtliche Differenzierung: »Männlich und weiblich schuf er sie«. Die Menschen der Urkirche nannten »im geistigen Menschen den Verstand das Männliche und den Willen das Weibliche« (HG 54). Im himmlischen Menschen hingegen wäre der Wille das Männliche und der Verstand das Weibliche. »Männlich und weiblich schuf er sie« bedeutet, daß sich Verstand und Wille zu einer Einheit ergänzen sollen. Erst wenn das geschehen ist, erst dann ist der Mensch wirklich »imago dei«, ein Bildnis des Gottes, der Liebe und Weisheit ist.


Das Menschliche im Menschen soll herrschen. Zum Herrschaftsauftrag schreibt Swedenborg: »Solange der Mensch (nur) geistig ist, geht seine Herrschaft vom äußeren Menschen zum inneren, wie es hier heißt: ›sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, und über den Vogel der Himmel, und über das Tier (bestiam), und über die ganze Erde, und über alles Kriechende, das auf der Erde kriecht‹. Wenn er aber himmlisch wird und aus Liebe Gutes tut, dann geht die Herrschaft vom inneren Menschen zum äußeren« (HG 52). Da beim geistigen Menschen der Impuls vom Verstand ausgeht und durch den Willen zur Wirkung kommt, gehen die Fische und Vögel, die zum Verstand gehören, voran, während die Tiere der Erde, die zum Willen gehören, nachfolgen (vgl. HG 52). Interessant ist auch, daß das »Wild der Erde« nicht erwähnt wird; stattdessen ist nur von der »Erde« die Rede. Gott verlangt von uns also nicht, das »Wild der Erde« zu beherrschen; offenbar wären wir damit überfordert. Auch im Herschaftsauftrag des Segens (Vers 28) ist nicht vom »Wild«, sondern vom »Lebendigen, das auf der Erde kriecht« die Rede. Wie schon gesagt, hat das hebräische Wort beide Bedeutungen, doch aus mehreren Gründen kann hier nur das »Lebendige« gemeint sein: Erstens, ist das »Lebendige, das auf der Erde kriecht« die Zusammenfassung des gesamten, in Vers 26 dreifach gegliederten Erdbereichs; zweitens, ist es Teil der Segensformel, wird also vom Lebensstrom erfaßt und ist daher »Lebendiges«; und drittens kann sich die Herrschaft im Tatbericht nicht auf das »Wild« erstrecken, wenn diese Herrschaft im Wortbericht nicht beabsichtigt war.


Die Verben des Herrschaftsauftrages zeigen uns den Menschen im Kampf mit seiner niederen Natur. »rada« (Verse 26 und 28) wird von Swedenborg mit »dominari« (Herr sein über etw.) übersetzt; meint also, daß die Geistigkeit des Menschen das Triebhafte dominieren soll. Die Herrschaft über die Erde, wird von Swedenborg mit »subjugare« (unterjochen) übersetzt; das ist dasselbe Wort, das er auch in »subjugatio infernorum« (Unterjochung der Höllen) verwendet. Somit ist die »Erde« das, was zur Hölle werden kann, wenn es nicht vom Himmel beherrscht wird; der Himmelssegen bewirkt jedoch, daß die Erde mit Leben erfüllt wird: »Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde«. Swedenborg schreibt: »Wenn der Mensch geistig ist und natürlich auch wenn er es wird, dann ist er im Kampf, weswegen es heißt: ›unterjocht die Erde‹ und ›beherrscht‹.« (HG 55). Unter dem Kampf sind die Versuchungen zu verstehen. Die verwendeten Verben sind besonders starke Ausdrücke; »kabash« heißt »niedertreten«, »gewaltsam unterwerfen« (Jer 34,11.16: »mit Gewalt zu Sklaven machen«); »rada« meint die unumschränkte Herrschaft, der gegenüber es keinen Widerstand gibt (Ps 72,8f.; 110,2), ein hartes, schonungsloses Unterjochen (Jes 14,2.6; Ez 34,4; Lev 25,53). Daß das Hebräische auch andere Worte für herrschen hat, zeigt im Schöpfungsbericht der vierte Tag, wo von den Lichtern zur Herrschaft die Rede ist.


Wenn vom geistigen Menschen gefordert wird, daß er den natürlichen Bereich dominieren, ja unterjochen soll, dann zeigt das deutlich, daß das Böse nicht erst mit dem Sündenfall (Genesis 3) in die Welt kam, sondern - zumindest potentiell - immer schon da war. Deswegen wurde ja auch gleich zu Beginn gesagt, daß die Erde wüst und leer und finster in ihrer Tiefe war. Das Böse ist also die Voraussetzung der Wiedergeburt; doch diese negative Veranlagung des Menschen bleibt in Genesis 1 im Hintergrund, weil sie vom Wirken Gottes überstrahlt wird. Immer wenn in Genesis 1 etwas für »gut«, oder gar »sehr gut« (Vers 31) befunden wird, und das geschieht oft (in den Versen 4, 10, 12, 18, 21, 25, 31), dann bezieht sich dieses Urteil auf Gottes Werke. Der Mensch jedoch, der in die Freiheit des eigenen Wirkens entlassen wird, soll sich selbst beherrschen, - weil er sich andernfalls zum Tyrannen entwickeln wird.


(29) Und Gott sprach: »Siehe, ich gebe euch jede Samen säende79 Pflanze, die auf den Angesichten der ganzen Erde (ist), und jeden Baum, an dem Frucht (ist); der Samen säende Baum80, euch sei er zur Speise. (30) Und allem Wild der Erde und jedem Vogel des Himmels und allem Kriechgetier auf der Erde, in dem (eine) lebendige Seele (ist), (gebe ich) alles Grünkraut81 zur Speise.« Und so geschah es. (31) Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, (es war) sehr gut. Und es war Abend, und es war Morgen, der sechste Tag.

79 Swedenborg übersetzt diese Qal-Form genauso wie in Vers 11 die Hifil-Form: »herbam seminificantem semen«.

80 Aus Swedenborgs Übersetzung und der Auslegung in HG 56 geht hervor, daß die masoretische Lesart, die zwischen »Frucht« und »Baum« ein Maqqef (Bindestrich) setzt, irreführend ist. Folgt man der masoretischen Lesart, dann müßte man übersetzen: »und jeden Baum, an dem Samen säende Baumfrucht (ist)«.

81 Swedenborg hat »viride herbae« (Das Grüne der Pflanze); Schmidt hat »olus herbae«. Die Übersetzung von Schmidt taucht in HG 58 und 59 auf.


Das ist die Speiseordnung für Mensch (Vers 29) und Tier (Vers 30). In Vers 29 werden die geistigen, in Vers 30 hingegen die natürlichen Speisen beschrieben. »Die geistigen (Speisen werden) durch ›Samen säende Pflanze‹ und durch ›Baum, an dem Frucht ist‹ (beschrieben); sie heißen im allgemeinen ›Baum, der Samen hervorbringt‹.« (HG 56). Da vom geistigen Menschen, der sich vom Wahren ernährt, die Rede ist, wird seine Speise durch den Baum, der Samen produziert, zusammengefaßt, denn der Same bezeichnet das Wahre. »Die ›Samen säende Pflanze‹ ist alles Wahre, das Nutzen beabsichtigt; der ›Baum, an den Frucht‹ ist das Gute des Glaubens. Die ›Frucht‹ ist das, was der Herr dem himmlischen Menschen gibt, aber der ›Same‹, aus dem die Frucht kommt, ist das, was er dem geistigen Menschen gibt. Daher wird gesagt: ›Der Baum, der den Samen hervorbringt, sei euch zur Speise‹.« (HG 57). In Vers 30 wird die natürliche Speise des Menschen beschrieben: »Sein Natürliches ist hier durch ›das Wild der Erde‹, durch ›den Vogel der Himmel‹ bezeichnet, denen der Kohl und das Grünkraut zur Speise gegeben ist.« (HG 58). Der Kohl bezeichnet »geringe angenehme Gefühle (vilia jucunditatum)« (HG 996). »Jrq« bedeutet »sowohl Kohl (olus) als auch Grünes (viride); ›Kohl‹ im Hinblick auf die Freuden des Willens oder der himmlischen Gefühle; ›Grünes‹ im Hinblick auf die Freuden der Verstandes oder der geistigen Gefühle.« (HG 996). Gemeint ist eine Nahrung mit geringem Nährwert; das zugrundeliegende Verb bedeutet »blaß, bleich oder gelb werden«. Ferner gibt es ein Adjektiv, das »dünn« und »schmächtig« bedeutet, und ein Adverb, das »auf geringe Weise« bedeutet. Die Nahrung des natürlichen Menschen sind also die nicht sehr nahrhaften »die Dinge des Wissens« (HG 56). Warum dem natürlichen Menschen nur diese nährwertarme Nahrung zugänglich ist, erklärt Swedenborg damit, daß der natürliche Mensch aus Begierden aller Art besteht, die tiefere Innewerdungen nicht zulassen: »Daß dem natürlichen Menschen hier nur Kohl und grünes Kraut zum Essen dient, damit verhält es sich so: Während der Mensch wiedergeboren und geistig wird, befindet er sich ständig im Kampf, weswegen die Kirche des Herrn eine kämpfende heißt. Denn vorher haben Begierden geherrscht, weil der ganze Mensch nur aus Begierden und den daherstammenden Falschheiten zusammengesetzt ist. Wenn er nun wiedergeboren wird, können seine Begierden und Falschheiten nicht sofort ausgelöscht werden, denn dann müßte man den ganzen Menschen zerstören, der sich ja kein anderes Leben angeeignet hat. Daher werden bei ihm lange böse Geister gelassen, damit sie seine Begierden erregen und auf zahllose Weisen öffnen (auflösen), so daß der Herr sie zum Guten lenken und der Mensch umgestaltet werden kann. In der Zeit des Kampfes lassen ihm die bösen Geister nichts anderes zum Essen übrig als den ›Kohl‹ und das ›grüne Kraut‹; diese Geister haben nämlich den größten Haß auf alles Gute und Wahre, das heißt auf alles, was zur Liebe und zum Glauben an den Herrn gehört, das ja einzig deswegen gut und wahr ist, weil es ewiges Leben [und somit das Nährende] in sich hat. Der Herr aber gibt dem Menschen auch die Speise, die mit dem Kraut, das Samen hervorbringt, und dem Baum, an dem Frucht ist, verglichen wird; das sind die zwischen den Kämpfen liegenden Zustände der Ruhe und des Friedens mit ihren angenehmen Glücksgefühlen.« (HG 59).

 

Die menschliche Nahrung ist in Genesis 1 ausschließlich das Pflanzliche; in Genesis 9 hingegen, also nach der Sintflut (Überflutung des menschlichen Willens mit Leidenschaften), auch das Tierische, das mehr Begierliches in sich hat. Swedenborg erklärt diese verschiedenen Speiseordnungen, indem er schreibt: »Fleisch von Tieren (animalium) essen ist an sich etwas Unheiliges, denn in der ältesten Zeit aß man nie das Fleisch von Tieren (bestiae) oder Vögeln, sondern nur Samen, hauptsächlich Weizenbrote, Baumfrüchte, Gemüse, Milch und Milchprodukte, zum Beispiel Butter. Tiere schlachten und ihr Fleisch essen, galt den ältesten Menschen als sündhaft und den wilden Tieren ähnlich; sie machten sich diese nur dienst- und nutzbar, wie aus Genesis 1,29f. ersichtlich ist. Als jedoch die Menschen im Verlauf der Zeit ebenso wild wie die wilden Tiere, ja sogar noch wilder wurden, da erst begann man Tiere zu schlachten und ihr Fleisch zu essen« (HG 1002).


Das also ist der innere Sinn des Schöpfungsberichtes. Doch die Sprache der Bibel besteht aus Bildern; und ein Bild öffnet den Blick in die unendliche Weite des Raumes. Diese unendliche Sinnweite kann durch Worte immer nur teilweise erfaßt werden; daher ist die hier gebotene Auslegung kein letztes Wort. Die Bildsprache der Bibel öffnet uns die innere Schau, während die Wortsprache des Verstandes sie notwendigerweise begrenzt, und leider auch verdunkelt.

 

(Mit Genehmigung des Verfassers 6/17)