»… Ihr habt von den Entsprechungen nie etwas gehört, und so kennet ihr auch von der Schrift nur den groben, naturmäßigen Sinn; aber es gibt in den Bildern der Prophetenschrift stets einen dreifachen Sinn: erstens den naturmäßig-geistigen, zweitens den pur geistigen und drittens den rein himmlischen aus dem Herzen Gottes.« (GEJ V,272,7-9)


 

Die Wissenschaft der Entsprechungen

 

Thomas Noack

 

1. Urwissen neu offenbart

2. Was sind Entsprechungen?

3. Anwendungsbereiche der Entsprechungskunde

4. Entsprechungen als kosmologisches Prinzip

5. Die hermeneutische Konsequenz

6. Welche Bücher gehören zur Heiligen Schrift?

7. Wieso ist die Bibel Gottes Wort?

8. Die Sinnebenen des Wortes

9. Warum ist die Schrift in Entsprechungen geschrieben?

10. Die Notwendigkeit des Entsprechungsstudiums

11. Zugang zur Entsprechungswissenschaft



1. Urwissen neu offenbart


Das Geistige ist überall gegenwärtig: im Denken und Wollen, im Bewußtsein, im Tätigsein, in den Werken, in Kunst und Kultur, in den Träumen, im Schicksal und in der Natur. Überall hinterläßt es Spuren und scheint doch selbst nicht greifbar zu sein, wie das Licht, das alles erleuchtet, selbst aber unsichtbar ist. Es gibt nur einen Weg, den Geist, seine Welt und seine Weisheit zu erforschen: »die Wissenschaft der Entsprechungen« (HG 9407; GEJ VIII,44,2)1. Einst war sie »die Wissenschaft der Wissenschaften« (LS 20); heute gilt ihre Bekanntmachung als »Neuoffenbarung«, obwohl Swedenborg und Lorber nirgends behaupten, sie erfunden oder entdeckt zu haben. Im Gegenteil, sie gehört zum Urwissen der Menschheit, was anhand alter Quellen auch nachweisbar ist.2 Swedenborg zufolge war sie schon »den Alten« bekannt, denen sie als »die vornehmste aller Wissenschaften« (HH 87) galt. Er berichtet, daß »die Menschen der ältesten Kirche … mit den Engeln des Himmels reden konnten, und zwar durch Entsprechungen.« Henoch (Gen 5,21ff.) habe dann »die Entsprechungen aus dem Munde dieser Menschen gesammelt und den Nachkommen überliefert, so daß die Wissenschaft der Entsprechungen in vielen asiatischen Reichen nicht nur bekannt, sondern sogar ausgebildet war, vor allem in Kanaan, Ägypten, Assyrien, Chaldäa, Syrien, Arabien, Tyrus, Sidon und Ninive3. Von da aus wurde sie nach Griechenland4 verpflanzt; dort aber - wie aus den ältesten Schriften ersichtlich - in Sagenhaftes verkehrt.« (WCR 202). Daher ging sie »allmählich verloren und geriet beim israelitischen und jüdischen Volk schließlich ganz in Vergessenheit.« (WCR 204). Auch nach Lorber ist die Entsprechungswissenschaft keine wirkliche »Neuoffenbarung«:


LORBER: »Damals besaß selbst das ganz einfache und gemeine Volk die Wissenschaft der Entsprechungen« (GEJ VIII,44,2). Und an anderer Stelle heißt es, daß »die einst gar sehr hohe und von den Alten [Swedenborgs »Antiqui«] sogar für heilig gehaltene Wissenschaft der Entsprechungen [heute] ganz verlorengegangen ist« (Hg III, Seite 314).


1 Weitere Belege: Swedenborg (HG 10252, 10355, 10407, 10437) und Lorber (»Entsprechungswissenschaft « GEJ V,267,5; IV,162,2; HGt III,365,19).

2 Vgl. Theodor Schwegler: »Soweit uns die Kultursprache über die älteste Menschheit Auskunft zu geben vermag, war für diese die Symbolsprache das ordentliche Mittel, über geistige Dinge und erst recht über Gott zu reden« (»Die biblische Urgeschichte«, München 1962, Seite 24). Oder Alfred Jeremias: »Die babylonische Lehre redet schon in sumerischen Texten von einer ›Geheimwissenschaft über Himmel und Erde‹ … Dem Geheimwissen liegen die folgenden Ideen zugrunde: … Alles irdische Sein und Geschehen entspricht einem himmlischen Sein und Geschehen … Mit den Erscheinungen des Kreislaufs am Himmel laufen die Erscheinungen des irdischen Naturlebens parallel … Auch der Mensch als ›Bild der Gottheit‹ ist ein Kosmos im kleinen, der teil hat an den Geschicken des großen Kosmos und des Kreislaufs … Alles Wissen ist Geschenk der Gottheit und geht auf den Uranfang der Dinge zurück …« (»Handbuch der altorientalischen Geisteskultur«, Leipzig 1913, Seite 8f.). »Neuoffenbarung« bedeutet nicht, daß etwas Neues offenbart wird, sondern nur, daß etwas (nämlich ein Urwissen) neu offenbart wird. Die traditionsgeschichtliche Einbettung der Neuoffenbarung sollte genauer erforscht werden.

3 Das sind im wesentlichen die Länder (und Städte) des sogenannten fruchtbaren Halbmondes; das heißt, die Kulturländer im Nordosten, Norden und Nordwesten der syrisch-arabischen Wüste. Hinzu kommen Ägypten und Arabien.

4 Die griechische und die römische Mythologie sind Ausläufer der alten Weisheit. Swedenborg deutet einige ihrer Motive im Sinne seiner Entsprechungswissenschaft (siehe vor allem HG 4966, 2762, aber auch LS 117, WCR 275, OE 405, 1118, HG 7729). Daß die Griechen von der mesopotamischen Kultur beeinflußt wurden, meint auch Walter Burkert: »Das ›griechische Wunder‹ ist nicht nur das Ergebnis einer einzigartigen Begabung, es wird ebenso dem schlichten Faktum verdankt, daß die Griechen die östlichsten der Westlichen sind: sie konnten damals an allen Fortschritten partizipieren.« (»Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur«, Heidelberg 1984, Seite 117f.).



2. Was sind Entsprechungen?


Entsprechungen sind wechselseitige Verhältnisse zwischen der natürlichen und der geistigen Welt (Swedenborgs »correspondentia« ist von »correspondere« = »wechselseitig antworten« abgeleitet)5. Jede natürliche Erscheinung korrespondiert mit einer geistigen Realität. Das Geistige ist »das Allerinnerste und zugleich wieder das Allerdurchdringendste, demnach das Alleinwirkende und Bedingende« (GS I,1,2). Es ist im Raum-Zeit-Kontinuum (Welt) als die alles bewirkende Kraft gegenwärtig, aber es ist dort nicht wesenhaft greifbar. Es kann sich in der Welt nie eigentlich (unverhüllt) zeigen, wohl aber »entsprechende« Erscheinungen und Strukturen bewirken. Swedenborg veranschaulicht das am Beispiel des menschlichen Gesichtsausdrucks: »Das Wesen der Entsprechung kann man beim Menschen an seinem Angesicht erkennen. In einem Gesicht, das nicht gelernt hat, sich zu verstellen, zeigen sich alle Gemütsbewegungen in natürlicher Form wie in einem Abdruck. Daher wird auch das Antlitz der Spiegel der Seele (index animi) genannt, in dem sich des Menschen geistige Welt in seiner natürlichen Welt darstellt.« (HH 91). Im Gesicht kommen Freude, Erstaunen usw. zur Erscheinung, aber selbstverständlich sind sie nicht mit den Gesichtszügen identisch. Der Geist prägt zwar alles, bleibt aber selbst die jenseitige Wirklichkeit hinter dem Sichtbaren.


SWEDENBORG: »Zuerst soll gesagt werden, was Entsprechung ist: Die ganze natürliche Welt entspricht der geistigen, und zwar nicht nur im allgemeinen, sondern auch im einzelnen. Deshalb heißt alles, was in der natürlichen Welt aus der geistigen heraus entsteht, Entsprechendes.« (HH 89). »Entsprechungen sind Vorbildungen (repraesentationes) der geistigen und himmlischen Dinge in den natürlichen.« (WCR 204). »Entsprechungen sind natürliche Wahrheiten, in denen sich wie in Spiegeln geistige Wahrheiten zeigen (repraesentantur).« (HG 9300). »Eine Entsprechung ist die Erscheinung (apparitio) des Inneren im Äußeren und somit seine dortige Vorbildung.« (HG 5423). »Entsprechungen und Vorbildungen sind die äußeren Formen himmlischer Dinge.« (HG 10355).


LORBER: »Als du und deine freundlichen Nachbarn in diese Gegend gekommen sind, da habt ihr nichts als Steine und Holz gefunden. Ihr legtet sogleich eure Hände ans Werk, sammeltet das Beste und Tauglichste zusammen, darauf ginget ihr in euch und habt recht tüchtig darüber nachzudenken angefangen, nach welchen Regeln der Baukunst ihr euer zusammengebrachtes Material zu einer Hütte oder gar zu einem Wohnhause verbinden solltet. Als ihr aber noch tiefer in euch forschtet, da zeigten sich euch Bilder; aus denen entwarfet ihr dann bald einen Plan und finget dann nach diesem Plane an, ein und das andere Haus aufzubauen, und bald standen ganz niedliche Häuser in eurem Gebirgstale. Hättet ihr da kein taugliches Baumaterial gefunden, so hättet ihr aus eurem innern Verstande auch nie geistig einen dem Material entsprechenden Plan entwerfen können; da ihr aber ein solches gefunden habt, so fandet ihr auch bald ein demselben entsprechendes Wohnhausbild und fügtet darauf das Material also zusammen, daß es dann etwas ganz anderes darstellte, als was ihr es ursprünglich vor euch fandet. Obwohl das nur ein materielles Bild ist, so ist es aber dennoch ein Anfang, um einem Menschen die ersten Begriffe von den Entsprechungen zwischen der ganz rohen Materie und dem, was ein Geist aus ihr machen kann, beizubringen. Hat ein Mensch das gewürdigt und verstanden, so geht es dann schon ganz leicht weiter und tiefer, und so ist dann das da, daß wer da sucht, der findet, wer da bittet, dem wird gegeben, und wer da anklopft, dem wird aufgetan!« (GEJ V,267,1-3).


Durch Lorber sagt uns der Herr dasselbe wie durch Swedenborg, aber in einem Bild. Wir sehen, wie das Natürliche (Steine und Holz) kraft des Geistes in eine Form gebracht wird (Hütte / Wohnhaus), in der sich Geistiges (die Idee des Wohnens) spiegelt. Der Lorbertext ist im Buchstabensinn leicht verständlich; er hat aber darüber hinaus noch einen tieferen Sinn, der sich auf den Einfluß des inneren Geistbewußtseins in das äußere Wachbewußtsein bezieht. Die Steine und das Holz bezeichnen das natürliche Ausgangsmaterial (den Rohstoff) der Geistesarbeit; wobei die (harten) Steine für das (dauerhafte) Wahre und das (brennbare) Holz für das (vom Feuer der Liebe entflammbare) Gute stehen. Steine und Holz bezeichnen das Wahre und Gute im Natürlichen (Silber und Gold wären höhere Realisierungen des Wahren und Guten). Diese Entsprechung ist ganz offensichtlich, wenn man Swedenborg kennt (HG 643). Die Hütte und das Wohnhaus bezeichnen den Gemütszustand. Solange wir in der Welt leben, müssen wir uns den Sinneseindrücken (Steinen) und den Erfordernissen (Holz) der Welt stellen. Sie sind das Baumaterial des Geistes. Unsere Aufgabe ist es jedoch diese Roh- und Fremdstoffe mit den inneren Bildern zu verbinden; mit jenen Bildern, die man Ideen oder Visionen nennt und die aus der Tiefe des Geistes gleich Luftbläschen aufsteigen. Ohne diese Bilder, die freilich auch die Eigenart des Materials berücksichtigen müssen, wird das Werk nie vollendet; die Steine bleiben Steine, das Holz bleibt Holz. Wenn jedoch der rohe Stoff dem Geiste dient, dann entstehen die Wohnstätten des Geistes im Bewußtsein des äußeren Menschen. Das ist freilich nur im Zustand der Demut möglich, wenn sich der äußere Mensch dem Drängen des inneren unterwirft. Deswegen sind die Häuser »niedlich« (klein und hübsch) und stehen im »Gebirgstal« (in der Erniedrigung angesichts des Ewigen). Beispiele dieser Art zeigen, daß in den Lorberschriften Entsprechungen zu entdecken sind.6


5 Bei Lorber finden wir neben »Entsprechung« auch »Korrespondenz« (GS II,60,5; HGt III,13,3; GEJ VI,237,4). Das ist kein Zufall, denn »Entsprechung« klingt eher statisch und »Korrespondenz« eher dynamisch. Zu erwähnen ist auch, daß »repraesentatio« (Vorbildung) ebenfalls bei Lorber zu finden ist (»Vorbildung« GEJ II,221,2 bzw. »Vorbild« GEJ I,5,7; I,11,18; HGt I,9,5; I,14,5. Beachte auch adjektivische Formulierungen wie »in den alten, vorbildlichen Lehren« GEJ V,132,2).

6 Besonders die von Swedenborg her inspirierte Interpretation des Lorberwerkes ist für diesen Ansatz offen. Siehe beispielsweise Peter Keune, »Die ›Haushaltung Gottes‹: Eine Betrachtung über ihre Bedeutung, Einordnung und ihren inneren Sinn«, Berlin (o. J., circa 1997).

 

 

3. Anwendungsbereiche der Entsprechungskunde


Entsprechungen sind überall dort zu erwarten, wo Geistiges auf Natürliches einwirkt und folglich »entsprechende« Strukturen erzeugt. Das ist in der Schöpfung der Fall, wo es die geistige und die natürliche Welt gibt; und das ist in der Heiligen Schrift (oder allgemein in göttlichen Offenbarungen) der Fall, wo es den inneren und den äußeren Sinn gibt. Auf diese beiden Bereiche, Schöpfung und Offenbarung, will ich mich beschränken, weil hier die Gemeinsamkeiten zwischen Swedenborg und Lorber am einfachsten zu zeigen sind. Außerdem besteht ein Zusammenhang zwischen den Entsprechungen als kosmologisches und den Entsprechungen als hermeneutisches Prinzip. Denn der göttliche Logos (= das Wort) durchtönt alle Schöpfungsebenen, nimmt dabei aber die Klangfarbe der jeweiligen Ebene an. Das heißt: In der geistigen Welt tönt er geistig; in der natürlichen natürlich. Es besteht also tatsächlich ein Zusammenhang zwischen Logos und Kosmos, so daß Swedenborg sagen kann: »Der innere Sinn ist das Wort des Herrn in den Himmeln« (HG 1887). Die geistige Welt und der geistige Sinn hängen untrennbar zusammen. Um wenigstens diese Linie darstellen zu können, lasse ich weitere Anwendungsbereiche der Entsprechungskunde aus. Ich erwähne nur den Menschen, wo ebenfalls Seelisch-Geistiges und Materielles zusammenwirken. Die Entsprechungswissenschaft wäre zum Beispiel in der Physiognomie, in der Graphologie und in der Schicksalsanalyse einsetzbar, auch in der Astrologie7. Swedenborg und Lorber bekunden übereinstimmend, daß es keinen Zufall, kein blindes Schicksal und dergleichen gibt; vielmehr ist bis in die Kleinigkeiten des Alltags hinein die göttliche Vorsehung wirksam.8 Demnach ist (wenigstens prinzipiell) alles deutbar; nichts ist sinnlos. C. G. Jung, der nach eigenem Bekunden »sieben Bände von Swedenborg«9 gelesen hat, prägte den Begriff »Synchronizität«10 und verstand darunter die sinnvolle Koinzidenz eines psychischen und eines physischen Ereignisses, die kausal nicht miteinander verbunden sind. Das sind nur Andeutungen, die aber erahnen lassen, daß die Entsprechungskunde auch in der menschlichen Daseinsanalyse gewinnbringend anwendbar ist.


7 Die »Lichtseite« der Astrologie ist die »Kunde der Entsprechungen. Auf dem Wege der Entsprechung aber haben ein jedes Ding, eine jede Form und ein jedes gegenseitige Verhältnis der Formen wie der Dinge einen entsprechend geistigen Sinn. Und so hatten einen solchen Sinn und haben es noch alle die Sterne und ihre Bilder.« (GS II,15,1f.).

8 »Es gibt keinen Zufall (casus) und das scheinbar Zufällige (fortuitum) oder das Glück (fortuna) ist die Vorsehung im Letzten der Ordnung.« (HG 6493). Ebenso Lorber in Naturzeugnisse, Bietigheim 1906 Seite 106 und Hg II, Seite 75, Nr. 1.

9 »Erinnerungen, Träume und Gedanken« von C. G. Jung, 1962, Seite 106. Siehe auch C. G. Jungs Äußerung in NKM September 1947 Seite 86: »Ich bewundere Swedenborg als einen grossen Wissenschafter und als grossen Mystiker zugleich. Sein Leben und sein Werk sind für mich immer von grossem Interesse gewesen, und ich habe etwa sieben dicke Bände seiner Schriften gelesen, als ich Medizinstudent war.«

10 C. G. Jung, »Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge«, in: GW 8, Seiten 457-553.



4. Entsprechungen als kosmologisches Prinzip


Die sichtbare Welt entspricht der unsichtbaren, geistigen. Denn in »der geistigen Welt liegen die Ursachen zu allem und in der natürlichen die Wirkungen von allem.« (GLW 154). Die geistige Welt ist die Welt der Ursachen; die natürliche ist demgegenüber nur die der Auswirkungen. Diesen Gedanken finden wir auch im Lorberwerk sehr konkret dargestellt. In der »geistigen Sonne« wird berichtet, wie eine Gesellschaft den ewigen Morgen (den höchsten Himmel) erreicht und dort verwundert »allerlei landwirtschaftliche Gerätschaften« bemerkt. Ihnen wird jedoch gesagt, »daß auf der Erde solche Art Gerätschaften unmöglich je wären erfunden worden, wenn sie nicht zuvor in der vollkommen entsprechenden Weise und Form in allen den Himmeln wären vorhanden gewesen.« (GS I,46,7). In der Welt des Geistes hat freilich alles eine Bedeutung; und so bezeichnen diese Gerätschaften »die Liebtätigkeit« und stehen »als Mittel zur Erzeugung des Guten und Ersprießlichen da.« (GS I,46,8). Da die geistige Welt die der Ursachen ist, verursacht sie in der natürlichen Welt Formen, denen eine geistige Realität entspricht. Die Urmenschen nahmen noch das bedeutungsvolle Sein hinter allen sinnlichen Erscheinungen wahr und konnten daher allen Dingen den ihnen entsprechenden Namen geben (Gen 2,19f.). Swedenborg schildert das in den »himmlischen Geheimnissen«11, und bei Lorber finden wir in der »Haushaltung Gottes« zahlreiche Beispiele. Zum Zusammenhang der Welten heißt es grundsätzlich bei Swedenborg und Lorber:


SWEDENBORG: »Aus vielfacher Erfahrung weiß ich, daß es nichts in der natürlichen Welt … gibt, das nicht etwas in der geistigen Welt vorbildet oder ihm entspricht.« (HG 2992).


LORBER: »… zwischen den Naturdingen und den geistigen Dingen, weil jene aus diesen hervorgegangen sind, ist und besteht eine genaue Entsprechung« (GEJ I,42,5). »Seht, alles in der Naturwelt, was sich da in allen ihren drei Reichen befindet, und alle noch so unbedeutenden Erscheinungen sind Schrift und Sprache für die erleuchtete Seele des Menschen!« (GEJ VIII,102,1). »… für einen sehr aufmerksamen Beobachter finden sich auch hier [auf Erden] so manche ähnliche Erscheinungen, die mit jenen jenseitigen in der genauen Korrespondenz stehen.« (GEJ VI,237,4).


Aber nicht nur die natürliche Welt entspricht einer höheren Wirklichkeit; auch die geistige Welt entspricht, denn auch sie ist noch nicht das Sein an sich und entspricht daher dem Göttlichen als der Quelle alles Seienden: »Der Himmel entspricht dem Göttlich-Menschlichen des Herrn; daher ist der Himmel in seiner Gesamtheit wie ein Mensch und wird auch genannt der Größte Mensch …« (zwischen HH 86 und 87). Ernst Benz (Kirchenhistoriker und Autor mehrerer Swedenborgbücher) faßt Swedenborgs Stufenmodell so zusammen: »Das Verhältnis zwischen dem Reich des Göttlichen, des Geistigen und des Natürlichen ist das Verhältnis von Urbild, Abbild und Schattenbild. Jedes natürliche Ding ist Repräsentation, Entsprechung eines geistigen und eines göttlichen Dinges; es stellt nicht nur sich selber dar, sondern weist auf sein geistiges Bild hin, dessen Schattenbild es ist; das geistige Bild ist seinerseits wiederum Repräsentation eines göttlichen Urbildes. Alle Dinge der niederen Welt künden von der höheren Welt, denn sie enthalten in sich die Entsprechung einer höheren und höchsten Form.«12


Das höchste Sein ist kein abstraktes, formloses Sein, sondern das Göttlich-Menschliche. Daher ist die Menschenform die Höchstform und das Ziel aller Entwicklung. Alles Geschaffene strebt zum Menschen. Der umfassendste Ausdruck dieser Idee ist die Vorstellung, daß das geistige und das materielle Universum einen Menschen darstellen.


SWEDENBORG: »Man muß wissen, daß der Engelshimmel in seinem Gesamtumfang einen Menschen darstellt und auch vor dem Herrn als ein Mensch erscheint.« (GLW 381).


LORBER: »Wenn ihr hinauf in Meine [des Herrn] unendliche Sphäre treten könntet, so würdet ihr das ganze unendliche Reich der Himmel nur als einen Geistmenschen erblicken.« (GS I,8,11).


Bei Swedenborg ist diese Vorstellung auf das geistige Universum beschränkt. Allerdings gibt es Andeutungen, daß sie auch auf die Natur (also die materielle Schöpfung) übertragbar ist; so lesen wir zum Beispiel: »… alle Vorbildungen (repraesentativa) in der Natur beziehen sich auf die menschliche Form und bezeichnen etwas je nach dem Verhältnis zu ihr …« (HG 9916).13 Bei Lorber ist die Ausdehnung des Gedankens auf das materielle Universum vollzogen.

 

LORBER: »Was werdet ihr aber sagen, so Ich euch nun anzeige, daß es solcher Hülsengloben14 im endlos großen Schöpfungsraume … wahrhaft zahllos viele gibt, die aber alle nach Meiner Ordnung in der Gesamtumfassung ganz genau einen Menschen mit allem und jedem darstellen?« (GEJ VI,245,16). »Alle die zahllos vielen Hülsengloben stellen in ihrer Gesamtheit einen ungeheuren, für eure Begriffe endlos großen Menschen dar.« (GEJ V,114,4). Er heißt bei Lorber auch »der große Weltenmensch« (Fußnote zu GEJ II,57,1) oder der »große Schöpfungsmensch« (GEJ VIII,57,1). Ein Ältester: »Mir ist bekannt, daß alle Weltkörper samt ihren Bewohnern mit einem vollkommenen Menschen in vollkommener unabänderlicher Korrespondenz stehen, und zwar also, daß eine Welt entspricht einem Gliedteile, eine andere wieder einem anderen; und so korrespondieren zahllose Welten mit zahllosen Einzelheiten, aus denen ein vollkommener Mensch durch die Macht der göttlichen Weisheit geschaffen ist.« (GS II,60,5).

 

11 Die Menschen der ältesten Kirche betreffend schreibt Swedenborg: »In den einzelnen Gegenständen der Sinne nahmen sie etwas Göttliches und Himmlisches wahr; zum Beispiel: wenn sie einen hohen Berg sahen, so faßten sie nicht die Vorstellung eines Berges, sondern der Höhe und aus der Höhe (die Vorstellung) des Himmels und des Herrn.« (HG 920).

12 Ernst Benz, »Die Signatur der Dinge«, in: Eranos Jahrbuch 1973, Leiden 1975, Seite 525.
13 »… alles und jedes in der Natur bezieht sich auf die menschliche Form und bezeichnet (significant) daher etwas …« (HG 9555).

14 Eine Hülsenglobe ist ein Weltall (ein Makroatom des großen Weltenmenschen).

 


5. Die hermeneutische Konsequenz


Aus der strukturellen Gemeinschaft von Schöpfung und Mensch folgt, daß wir Menschen an allem verstehend Anteil nehmen können. Das Universum ist uns nicht fremd, weil wir selbst ein kleines Universum sind. Die Jungianerin Aniela Jaffé schreibt: »Erkenntnis und Verstehen vollziehen sich dann, wenn das verborgene parallele Angeordnetsein von Seele und Welt durch den Menschen entdeckt wird.«15 Dieses »parallele Angeordnetsein« hatten schon die alten Weisen erkannt und deswegen den Menschen »eine kleine Welt« genannt: »Die Alten nannten den Menschen eine kleine Welt (microcosmos), und zwar deshalb, weil er ein Ebenbild der großen Welt (macrocosmos), des Universums in seinem Gesamtumfang, darstellt.« (GLW 319). Die große Welt findet sich also auch im Menschen als der kleinen Welt, und das ist die Voraussetzung dafür, daß wir die Dinge erschauen und erkennen können. Dieser Idee begegnen wir auch bei Lorber:


LORBER: »Wisset, so ihr nicht in euch hättet die Sonne, und brenneten deren Millionen am Himmel, so möchtet ihr nicht eine erschauen! Und hättet ihr nicht in euch die Erde und alles, was in ihr und auf ihr ist vom Atome angefangen bis zur größten allgemeinen Form hinüber vollkommen, so könntet ihr nicht eines der Dinge erschauen und keines derselben denken und dasselbe im Worte aussprechen. Und hättet ihr ferner nicht das ganze Universum in euch, da wäre sternlos der ganze Himmel für euer Auge. Und hättet ihr also nicht in euch das geistige Reich der Himmel und das ewige Leben aus dem Herrn, wahrlich, ihr könntet dasselbe weder denken noch aussprechen. « (GS II,11,20f., vgl. auch HGt II,64,24)16.


Wir sind der Inbegriff der Schöpfung. In uns ist sie wie in einem verkleinerten Abbild enthalten, so daß alles im Universum mit uns korrespondiert. Wir sind »die Endzwecke und somit die völligsten Schlußsteine der ganzen sichtbaren und unsichtbaren Welt … Demnach muß ja dann aber auch, im Ganzen wie im Einzelnen genommen, alles allergenauest mit euch in der alleruntrennbarsten Korrespondenz stehen.« (HGt III,13,3).17 Die ganze Schöpfung findet sich im Menschen in entsprechenden Formen wieder, so daß wir alle ihre Geheimnisse in uns entdecken können. So wird das kosmologische Prinzip zum hermeneutischen; Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft erweisen sich als die beiden Seiten der Entsprechungswissenschaft. Von dieser Erkenntnismöglichkeit wird jedoch noch zu wenig Gebrauch gemacht, weil wir glauben, daß alles Wissen nur von außen ins Gehirn kommen kann. Das ist jedoch ein Irrtum.

 

Die innere Bildbeschauung gehörte zum Übungsprogramm der Jünger Jesu in Ephrem (in Joh 11,54 wird der Aufenthalt erwähnt). Wir erfahren im »großen Evangelium«, daß »das innere, geistige Auge geübt und immer mehr erschlossen« wurde (GEJ XI,47-118). Dabei erkennt der Schüler die den äußeren Formen entsprechenden inneren Formen und kommt so zur Erkenntnis auch der Außenformen. Petrus sagt dazu: »Sodann erscheine deutlich beim Betrachten der äußeren Form auch gleichzeitig die innerste, und der Geist erkläre sodann auch deutlich die nun durch Anschauung sichtbar gewordenen Gesetze.« (GEJ XI,55 Seite 139). Vergleichbare Erfahrungen machte die taubblinde Amerikanerin Helen Keller, die eine große Verehrerin Swedenborgs war. Sie schrieb: »Für den Tauben und Blinden bietet die Vorstellung einer geistigen Welt keine Schwierigkeit. Nahezu alles in der natürlichen Welt ist meinen Sinnen genauso unbestimmt und fern, wie die geistigen Dinge dem Geiste der meisten Menschen zu sein scheinen … Der innere, oder wenn man so sagen will, mystische Sinn verleiht mir die Schau des Unsichtbaren. Meine mystische Welt ist lieblich; in ihr gibt es Bäume, Wolken, Sterne und wirbelnde Ströme, die ich nie gesehen habe. Ich habe oft ein Bewußtsein schöner Blumen und Vögel oder lachender Kinder, wo für meine sehenden Gefährten nichts ist.«18

 

15 Aniela Jaffé, »Synchronizität und Kausalität in der Parapsychologie«, in: Eranos Jahrbuch 1973, Leiden 1975, Seite 23.

16 Siehe auch HGt I,151,31: »Wäre nicht licht und sonnenhaft dein Auge, möchte es wohl je gewahren die Sonne und ihr Licht?! Also auch, wenn in dir nicht wäre Gottes Kraft, möchtest du je etwas Göttliches begreifen?!« In dieser Formulierung erinnert der Gedanke sehr an den bekannten Vierzeiler von Johann Wolfgang von Goethe: »Wär nicht das Auge sonnenhaft, | Die Sonne könnt es nie erblicken; | Läg nicht in uns des Gottes eigne Kraft, | Wie könnt uns Göttliches entzücken?« (»Zahme Xenien« 3; vgl. auch Einleitung zur »Farbenlehre«). In der Farbenlehre beruft er sich auf einen »alten Mystiker« Gemeint ist damit der spätantike Philosoph Plotin (204-269 nach Chr.), der diesen Satz in seiner Untersuchung »Über das Schöne« (Enneade I,8) als Voraussetzung der Erfassung des körperlich und geistig Schönen formuliert: »Nie hätte das Auge die Sonne gesehen, wäre es nicht sonnenhaft geboren, noch könnte die Seele das Schöne sehen, wenn sie nicht selbst schön wäre.« Dieses Mysterienwissen kann man über Plotin zu Empedokles (circa 492-432 vor Chr.) und dessen Erkenntnis des Gleichartigen durch das Gleichartige zurückverfolgen. Wenn diese alte Idee in der durch Jakob Lorber offenbarten »Haushaltung Gottes« in einer Formulierung auftaucht, die doch sehr an Goethes Vierzeiler erinnert, dann ist das ein Hinweis, daß sich das göttliche Wahre immer in die geistigen Formen (Swedenborgs »receptacula«) des Offenbarungsempfängers einkleidet.

17 Eine weitere Stelle: »… so entspricht auch alles in den Himmeln und auf all den Weltkörpern in allem dem Menschen« (GEJ II,222,5).

18 Helen Keller, »Licht in mein Dunkel«, Zürich 1991, Seite 189f.


 

6. Welche Bücher gehören zur Heiligen Schrift?


Die Tatsache, daß alles Äußere eine innere Wirklichkeit hat, ist die Voraussetzung des Schreibstils der Heiligen Schrift. Sie ist in Entsprechungen verfaßt (NJ 261). Denn sie ist göttlichen Ursprungs und wird von den Engeln ebenso gelesen wie von uns Menschen (HH 259). Selbst Kinder, die noch nicht lesen können, lassen sich von den Bildgeschichten begeistern (es gibt heute gute Bilderbibeln für Kinder19). Die Heilige Schrift ist somit das einzige Buch, das alle Alters- und Entwicklungsstufen erreicht. Das ist nur möglich, weil sie in Bildern spricht, die ein immer höheres Verständnis zulassen und daher unendlich ausdeutbar sind. Doch welche Bücher gehören eigentlich zur Heiligen Schrift? Diese Frage muß zuerst geklärt werden, denn nicht alles in der Bibel ist Gottes Wort. Swedenborg und Lorber haben eine erstaunlich ähnliche Antwort gegeben. Grundsätzlich können nur solche Schriften göttliches Wort sein, die durch Entsprechungen bis in die Sphäre des Göttlichen hinaufreichen. Den entscheidenden Hinweis, welche Auswahl zu treffen ist, hat Jesus Christus selbst gegeben, als er sagte: »Alles muß in Erfüllung gehen, was im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich gesagt ist.« (Lk 24,44)20. Die Thora (= Gesetz des Mose), die Propheten und die Psalmen handeln also im innersten Sinn vom Herrn und sind daher das Wort Gottes. Um nun die richtigen Bücher auswählen zu können, muß man wissen, welche Schriften bei den Juden zu den Propheten gehören. Dazu zählen nämlich auch Josua, Richter, 1. und 2. Samuel, 1. und 2. Könige und Daniel (vgl. Mt 24,15). Daraus folgt die Lösung, die Swedenborg in HG 10325 vorgeschlagen hat: Gottes Wort sind die fünf Bücher Mose, die früheren Propheten von Josua bis 2. Könige (siehe oben), die späteren Propheten von Jesaja bis Maleachi, das Buch Daniel, die Klagelieder Jeremias21 und die Psalmen. Im Neuen Testament sind nur die vier Evangelien und die Apokalypse göttliches Wort. Das sind insgesamt 34 Bücher. Gegenüber der jüdischen Bibel fehlen die sogenannten »Schriften« (außer die Psalmen und Daniel); im Neuen Testament fehlen die Briefe und die Apostelgeschichte. Aus den Lorberschriften läßt sich ein ähnlicher Kanon ableiten. In den »Schrifttexterklärungen« lesen wir: »Ihr habt den Text gewählt [aus der Apostelgeschichte], - freilich diesmal keine Zentral-, sondern nur eine Nebensonne; denn die Zentralsonnen sind nur in den Propheten und in den vier Evangelisten, insoweit sie eben nur die vier Evangelien beschreiben. Was außer dem ist, ist mehr historische Gelegenheitssache und betrifft weniger die Allgemeinheit, sondern vielmehr diejenige enger gefaßte Sphäre, in welcher der historische Teil vor sich ging.« (Schr. 12,3). Die Propheten und die vier Evangelien sind Gottes Wort; Schriften minderen Ranges im Neuen Testament sind die Apostelgeschichte und die Briefe. Bleibt die Frage: Was ist mit Mose und mit der Apokalypse des Johannes? Mose gilt als Prophet (Dtn 34,10; GEJ IV,262,2) und wird an anderer Stelle als »reines Gotteswort« (GEJ III,211,17) bezeichnet. Auch die Johannesoffenbarung ist göttlich inspiriert (vgl. Offb. 1,1 und GEJ X,25,4). Mitunter finden wir im »großen Evangelium« auch die Formel »Moses und die Propheten« (GEJ VIII,44,1), deren Bedeutung aus dem oben Gesagten ersichtlich ist. Swedenborg und Lorber grenzen die Sammlung der göttlich inspirierten Schriften also sehr ähnlich ab. Wen es befremdet, daß die Neuoffenbarung den Kanon beschneidet, dem sei gesagt, daß es den für alle Christen verbindlichen Kanon ohnehin bis heute nicht gibt. Die Kanondiskussion ist noch nicht abgeschlossen. In der katholischen Bibel findet man im Unterschied zur evangelischen Bibel zusätzlich die sieben deuterokanonischen Bücher (Tobit, Judit, 1. und 2. Makkabäer, Weisheit, Jesus Sirach, Baruch). Die griechischen und russischen Bibeln enthalten gelegentlich noch ein zweites Esrabuch und ein drittes Makkabäerbuch. Die äthiopischen Bibeln enthalten das Buch der Jubiläen und das Henochbuch. Die Neuoffenbarung nimmt also nur eine weitere Verkleinerung des Kanons vor. Nachdem Luther auf den hebräischen Kanon zurückgegriffen hat, greift die Neuoffenbarung innerhalb dieser Gruppe auf »Mose und die Propheten« zurück. Im Neuen Testament ist nur das Wort Jesu göttlich.

 

19 Beispielsweise: Regine Schindler, »Mit Gott unterwegs: Die Bibel für Kinder und Erwachsene neu erzählt«, Bilder von Stepan Zavrel, Zürich 1996.

20 Zur Zeit Jesu gab es noch keine Bezeichnung für das Alte Testament; man umschrieb es mit den Namen der drei Kanonteile der jüdischen Tradition: »Gesetz« (Joh 12,34), »Gesetz und Propheten« bzw. »Mose und Propheten« (Mt 7,12; Lk 16,16.29; 24,27). Der dritte Kanonteil sind »die Schriften«; sie werden im Neuen Testament jedoch nicht als Gruppe genannt.

21 Swedenborg scheint die Klagelieder Jeremias zu Jeremia und somit zu den Propheten zu rechnen. In der hebräischen Bibel gehören sie zu den »Schriften« (= dritter Teil der hebräischen Bibel).

 

7. Wieso ist die Bibel Gottes Wort?


Nachdem nun klar ist, was innerhalb der Bibel tatsächlich Gottes Wort ist, gilt es zu klären, wieso es Gottes Wort ist. Die ersten Christen glaubten, das »Evangelium Gottes von seinem Sohn« sei schon »durch die Propheten in den heiligen Schriften im voraus verheißen« (Röm 1,1f.). Die jüdische Bibel sei also christlich zu verstehen. Diese interpretatio christiana stand der Wahrheit, wenn auch in kindlicher Unschuld und folglich noch nicht methodisch durchdacht, näher als die heute herrschende historisch-kritische Exegese, »denn alles und jedes im Wort bezieht sich im höchsten Sinn auf den Herrn« (HG 3393). Das hat die Urchristenheit noch gewußt. Natürlich hat die Heilige Schrift auch eine historische, aber eben nicht nur eine historische Dimension. Im Zeichen der historischen Forschung wird die Inspirationslehre abgelehnt, die Vorstellung also, daß die Schriften des biblischen Kanons von Gott eingegeben seien. Schon Swedenborg sprach es offen aus, daß die Bibel äußerlich betrachtet »eine ganz gewöhnliche Schrift« sei: »Allgemein heißt es, das Wort stamme von Gott, es sei göttlich inspiriert (Divinitus inspiratum) und daher heilig. Dennoch war bisher unbekannt, worin denn eigentlich sein Göttliches besteht. Dem Buchstaben nach erscheint nämlich das Wort als eine ganz gewöhnliche Schrift, die zwar in einem fremdartigen, aber weder erhabenen noch lichtvollen Stil abgefaßt ist, wie dies anscheinend die weltlichen Schriften sind.« (WCR 189). Swedenborg gelang es aber, die alte Inspirationslehre auf eine neue, bessere Grundlage zu stellen. Das heißt, er konnte zeigen, worin denn nun tatsächlich das Göttliche des göttlichen Wortes bestehe. Seine These lautet: »Die Heilige Schrift oder das Wort ist das Göttlich-Wahre selbst« (WCR 189). Sie ist also im Grunde nicht nur von Gott eingegeben (inspiriert), sondern sogar Gott selbst, insofern er die ewige Wahrheit ist. Das Urlicht stieg jedoch hernieder und wurde »zuerst der Fassungskraft der Engel und dann der Menschen angepaßt.« (WCR 193). So wuchsen ihm allmählich die Verständnishorizonte des inneren und äußeren Sinnes zu; so wurde es allmählich historisch. Göttlich ist die Heilige Schrift im Allerinnersten; dort ist sie
Gott selbst, dort ist sie der Logos (Joh 1,1). Alle weiteren Sinnschichten sind demgegenüber äußerlicher und gleichsam die Wohnung des ewigen Wortes. Diese Anschauung ist unvergleichlich realistisch in den Lorberschriften ausgedrückt. In der »geistigen Sonne« erreicht eine Schar erlöster Seelen schließlich unter der Führung des Herrn das himmlische Jerusalem; dort dürfen sie in die »Hauptresidenz« des Herrn (GS II,8,24) einziehen und endlich gar einen herrlichen Saal betreten, wo sie eine erstaunliche Entdeckung machen:


LORBER: »Sehet aber auch die Wände dieses Saales an, welche aus den allerkostbarsten Edelsteinen erbaut sind. Nähert euch einem Teile der Wand und betrachtet sie genau, und ihr werdet allenthalben eine Schrift entdecken, und zwar in der Mitte der Gesteine gleich kleinen Sternchen schimmernd. Und wenn ihr nur ein wenig wollet zu lesen anfangen, so werdet ihr alsbald finden, daß diese Schrift das Wort Gottes enthält, und zwar im Buchstabensinne zuerst, etwas tiefer im Steine den geistigen und noch tiefer und zumeist in der Höhe den himmlischen Sinn darstellend. Diese vier Wände enthalten nur die vier euch bekannten Evangelien; die beiden langen Seitenwände den Matthäus und Lukas, die schmäleren Wände des Hinter- und Vordergrundes den Markus und Johannes. Ihr möchtet wohl auch wissen, ob hier nirgends auch das Alte Testament zu erblicken ist? Hier in diesem Gebäudeteile nicht; aber was ihr gewisserart bei euch ›zu ebener Erde‹ nennt, das ist alles gebaut aus dem Alten Testament, und was ihr bei euch auf der Erde die unsichtbare Grundfeste des Hauses nennet, das besteht aus der Urkiche der Erde [= das Alte Wort].« (GS II,7,5f.).


Der Herr wohnt in seinem Wort! Realistischer kann man Swedenborgs Überzeugung nicht mehr veranschaulichen. Swedenborg sagt es abstrakt: »der Herr ist (wohnt) in seinem Wort« (GV 94). Durch Lorber dürfen wir erkennen, daß dies im höchsten Himmel ganz konkret wahr ist. Kein Bild, sondern greifbare Realität! Von diesem Saal des Wortes empfängt die ganze Schöpfung Sinn und Bedeutung; von dort aus durchwaltet der ewige Geist alles Seiende. Wer das durchdenkt, spürt, daß der alte Inspirationsglaube hier nicht nur notdürftig gerettet, sondern völlig neu begründet ist.



8. Die Sinnebenen des Wortes


Grundsätzlich sind drei Sinnebenen zu unterscheiden: die natürliche, die geistige und die himmlische (WCR 777). Im äußeren sind also zwei innere Sinne verborgen. Diese Zweiheit beruht darauf, daß das göttliche Wesen ebenfalls eine Zweiheit ist, nämlich Liebe und Weisheit. Daher sind auch die Worte Gottes Liebe und Weisheit (vgl. Joh 6,63: Geist und Leben) und lassen sich folglich himmlisch und geistig interpretieren. Die drei Sinnebenen sind lediglich ein Grundschema, weil sie nur das Gerüst darstellen: Liebe, Weisheit und Verwirklichung. Selbstverständlich hat jeder Engel einen individuellen Zugang und eine individuelle Auffassung des Wortes. Die drei Sinnschichten werden bei Swedenborg und Lorber sehr ähnlich benannt.


SWEDENBORG: »Es gibt zwei Sinne im Worte, die in seinem buchstäblichen Sinn verborgen liegen, einen geistigen und einen himmlischen. Im geistigen Sinn bezieht sich alles ... hauptsächlich auf die Kirche und im himmlischen hauptsächlich auf den Herrn.« (LS 80).22 »Im Wort ist ein äußerer, ein innerer und ein innerster23 Sinn. Im äußeren Sinn ist das Wort so, wie es im Buchstaben erscheint. Dieser Sinn ist natürlich, weil er dem Fassungsvermögen der Menschen, die nun einmal natürlich denken, angepaßt ist. Im inneren Sinn hingegen ist es geistig, weil er dem Verständnis der Engel im geistigen Reich des Herrn angepaßt ist; diese Engel denken nämlich geistig. Im innersten Sinn aber ist es himmlisch, weil er dem Innewerden der Engel im himmlischen Reich des Herrn angepaßt ist; diese Engel denken nämlich übergeistig (supraspiritualiter).« (HG 10614).


LORBER kennt den »Buchstabensinn« (GS I,40,14) bzw. gleichbedeutend damit »den naturmäßigen Sinn« (GEJ IV,164,2), ferner den »geistigen Sinn« (GS I,40,14) und »den himmlischen Sinn« (GS II,7,5).24 Nach GEJ I,1,4 sind »der innere, seelisch-geistige Sinn« und »der allerinnerste, reinste Himmelssinn« zu unterscheiden. Diese drei Sinnebenen können wie bei Swedenborg auch der äußere, der innere und der innerste Sinn genannt werden: Bei LORBER lesen wir, »daß der Herr, so Er auf der Welt Seinen Willen kundgibt, Er ihn für äußere Menschen nach Seiner ewigen göttlichen Ordnung nicht anders kundgeben kann, als eben nur durch äußere, bildliche Darstellungen, in denen dann offenbar ein innerer und ein innerster Sinn zugrunde liegt.« (GS II,96,18).

 

Die Übereinstimmung ist offensichtlich. Beide sprechen sowohl vom natürlichen, geistigen und himmlischen Sinn als auch vom äußeren, inneren und innersten Sinn. Die Gemeinsamkeiten gehen sogar noch weiter. Ich sagte schon, daß die Dreiteilung nur ein grobes Schema ist. Daher finden wir gelegentlich bei Swedenborg und Lorber eine weitergehende Aufschlüsselung in vier Bedeutungsebenen.


SWEDENBORG: »Daher kommt es, daß im Wort vier Sinne enthalten sind … Diese vier Sinne heißen der himmlische, der geistige, der durch den himmlischen und geistigen Sinn [erleuchtete] natürliche und der rein natürliche, dieser für die Welt und jener für den letzten oder untersten Himmel, der geistige für den zweiten, und der himmlische für den dritten Himmel.« (OE 1066). »Alle Gebote des Dekalogs, wie alles im Wort, hat außer dem höchsten oder dritten Sinn, noch zwei innere Sinne, einen, welcher der nächstliegende ist und der moralisch geistige heißt, und einen andern, welcher der himmlisch geistige heißt …« (OE 1012).


LORBER: »Man kann darum Moses sogar vierfach lesen und allezeit sehr wohl und rein verstehen. Erstens: bloß rein naturmäßig ... Zweitens: naturmäßig und geistig gemengt. Diese ebenfalls höchst wahre Sphäre ist für die Menschen, die nach dem Wohlgefallen Gottes trachten, die beste, weil da beides, wie Hand in Hand gehend, klar in der Tat und in der Erscheinlichkeit ersichtlich und begreiflich wird ... Drittens: rein geistig, wobei auf die Naturerscheinungen und ihre zeitweiligen Bestände und Veränderungen nicht die allergeringste Rücksicht genommen wird. Da handelt es sich bloß nur um die geistige Bildung der Menschen ... Und endlich viertens: rein himmlisch, wo der Herr alles in allem ist und alles auf Ihn Bezug hat.« (GEJ IV,163,2-6). »Was die Propheten geschrieben haben aus ihrer inneren Eingebung, das haben sie in Bildern geschrieben, die pur Entsprechungen sind von den in ihnen verborgenen, nackten Wahrheiten … Ihr habt von den Entsprechungen nie etwas gehört, und so kennet ihr auch von der Schrift nur den groben, naturmäßigen Sinn; aber es gibt in den Bildern der Prophetenschrift stets einen dreifachen Sinn: erstens den naturmäßig-geistigen, zweitens den pur geistigen und drittens den rein himmlischen aus dem Herzen Gottes. Nach dem ersten bestimmt sich das sittliche Leben des Menschen … Wer das tut … der findet dann bald die Entsprechung zwischen Materie und Geist. Hat er das, dann wird er aus dem Geistigen in das Himmlische oder in das Reingeistige eingehen. Von da geht es dann leicht in das rein göttlich Himmlische über.« (GEJ V,272,7-9).


Auch die Vierteilung ist nur ein vorläufiges Schema. Swedenborg deutet einen »rein göttlichen Sinn« (Sensum pure Divinum: EO 959) an und auch aus der Neuoffenbarung durch Lorber lassen sich weitere Sinnschichten erschließen. Sie übersteigen jedoch bei weitem unser derzeitiges Fassungsvermögen und werden deswegen nicht deutlich unterschieden.


22 Anstelle des Buchstabensinnes kann auch vom natürlichen Sinn gesprochen werden (HH 254).

23 Der innerste Sinn heißt lateinisch »sensus intimus«. Damit ist gesagt, daß der sogenannte »innerste« Sinn nur in der Intimität der Liebe zu Jesus Christus, dem Bräutigam der Seele, erfahrbar ist. Er ist also nur auf dem inneren Weg zugänglich, aber nicht durch eine äußere Offenbarung. Deswegen kann er auch durch Swedenborg und Lorber praktisch nicht enthüllt werden.

24 Weitere Belege: »Buchstabensinne« (GEJ V,26,5), »im geistigen Sinne« (GEJ VII,182,9), »einen geistigen … Sinn« (GEJ III,153,1), »einen entsprechend geistigen Sinn« (GS II,15,2), »einen inwendigen geistigen Sinn« (GS II,96,17), »der innere, seelisch-geistige Sinn« (GEJ I,1,4), »im wahren himmlischen Sinne« (GEJ XI Seite 338), »den inneren Sinn« (GS II,97,6). »Der Herr … hat den inneren Sinn … in ein äußeres naturmäßiges Bild verhüllt« (GS II,97,6). In GEJ XI,24 (Seite 62) ist vom »inneren Sinn des Wortes Gottes« die Rede.

 


9. Warum ist die Schrift in Entsprechungen geschrieben?


Warum ist die Heilige Schrift in Entsprechungen geschrieben? Ein Grund ist die notwendige Anpassung des Geistigen an das Natürliche. Nach Swedenborg senkt sich das göttlich Wahre durch die Himmel bis zu uns Menschen herab und muß sich dabei den jeweiligen Bewußtseinszuständen anpassen. Auch nach Lorber muß sich die rein geistige Wahrheit uns, »die wir noch sämtlich in der starren Ordnung der Naturmäßigkeit uns befinden« (GEJ I,42,6) anpassen.


SWEDENBORG: »Das vom Herrn diktierte Wort ging durch die Himmel seines himmlischen und durch die Himmel seines geistigen Reiches hindurch und so kam es zum Menschen, der es niederschrieb. Daher ist das Wort in seinem ersten Ursprung rein göttlich. Als es aber durch die Himmel des himmlischen Reiches des Herrn hindurchging, wurde es göttlich-himmlisch; als es durch die Himmel des geistigen Reiches des Herrn hindurchging, wurde es göttlich-geistig; und als es zum Menschen kam, wurde es göttlich-natürlich. Daher enthält der natürliche Sinn des Wortes einen geistigen Sinn, und dieser einen himmlischen Sinn, und beide den rein göttlichen Sinn, der keinem Menschen, nicht einmal einem Engel offenbar ist.« (EO 959). »Zum Wahren in der angepaßten Form (verum in forma accommodata) muß man folgendes wissen: Wenn das göttlich Wahre durch die Himmel zu den Menschen herabsteigt …, dann wird es unterwegs allen im Himmel und auf Erden angepaßt.« (HG 8920).


LORBER: »Siehe, die Dinge der Natur haben ihre Ordnung und können nur in dieser ihrer eigentümlichen Ordnung bestehen; und so haben auch die Dinge des Geistes ihre höchst eigentümliche Ordnung und können außer solcher Ordnung nicht bestehen, nicht gedacht und nicht ausgesprochen werden. Aber zwischen den Naturdingen und den geistigen Dingen … ist und besteht eine genaue Entsprechung … Wenn nun der Herr uns rein Geistiges verkündet, die wir noch sämtlich in der starren Ordnung der Naturmäßigkeit uns befinden, so kann Er solches ja nur auf dem Wege der gleichnisweisen Entsprechungsbilder geschehen lassen.« (GEJ I,42,5f.). »Aber solches wißt ihr nicht, daß eben aus den Himmeln keine Kunde völlig enthüllt zu den Menschen auf der Erde gelangen kann, sondern noch allezeit ist eine jede Kunde mit einer Hülse umschlossen. Denn ohne eine solche hülsige Umschließung könnte keine Kunde aus den Himmeln, welche rein geistig ist, zu den Menschen gelangen, so wenig als da jemand von euch imstande wäre, den für den Leib nur tauglichen ätherischen Nahrungsstoff ohne Beigabe gröberer Materie in sich aufzunehmen.« (GS II,15,3).

 

Ein weiterer Grund ist der durch die Verhüllung bewirkte Schutz. Was wir nicht kennen, das können wir nicht manipulieren und zerstören. Es bleibt unberührt. Wir können das Heilige nicht (wie Swedenborg sagt) entweihen (prophanare), wenn wir es nicht betreten können. So hindert uns eine gütige Vorsehung daran, einen Schaden anzurichten, den wir letztlich nicht dem Heiligen, sondern uns selbst zufügen würden. Denn wer das himmlische Licht gesehen hat und sich dann im hellen Bewußtsein des Guten und Wahren davon abwendet, der schlägt dem inneren Geistbewußtsein ins Gesicht, denn er entweiht den heiligen Bezirk seiner Seele. Da uns die Erfahrung lehrt, daß alles, was dem Menschen zugänglich ist, früher oder später verunreinigt wird, ist das Heilige unserem Bewußtsein entzogen. Es korrespondiert vorläufig nur mit den Tiefenschichten unserer Seele; bewußt werden kann es nur in dem Maße, wie wir fähig werden, es in unser Leben zu integrieren.


SWEDENBORG: »Der Herr hat so (= in Entsprechungen) gesprochen, damit sie das Wort nicht verstehen und entweihen … denn es kann nicht von denen entweiht werden, welche die Geheimnisse nicht kennen, sondern nur von denen, die sie kennen« (HG 3898). Die Cherubim, die den Weg zum Baum des Lebens hüten (Gen 3,24), »bezeichnen die Vorsehung des Herrn, daß der Mensch nicht aufgrund seines Eigenen, dem Sinnlichen und Wißtümlichen, die Glaubensgeheimnisse unsinnig betrete und entweihe und so verloren gehe« (HG 308).


LORBER: »Der Herr aber hat den inneren Sinn darum geflissentlich weise in ein äußeres naturmäßiges Bild verhüllt, damit dieser heilige, inwendige, lebendige Sinn nicht sollte von irgend böswilligen Menschen angegriffen und zerstört werden, wodurch dann alle Himmel und Welten in den größten Schaden gebracht werden könnten.« (GS II,97,6).


Ein dritter Grund besteht darin, daß gerade das Verborgene unseren Eifer weckt. Dem Herrn geht es ja nicht in erster Linie darum, unser Wissen zu vermehren; vielmehr will er uns dazu bewegen, das Wahre zu suchen. Deswegen gibt er uns »viel zu denken und zu suchen« (GEJ V,246,2), und gerade »das Nichtverstehen« seiner Worte »ist ein Wecker des Geistes im Menschen« (GEJ VI,101,11).


LORBER: »Oh, da irrst du dich ganz gewaltig! Wären jene Bücher der inneren Geistesweisheit also geschrieben, daß sie für jeden natürlichen Weltverstand schon auf den ersten Blick durch und durch verständlich wären, so würde sie der Mensch dann bald zur Seite legen und nicht einmal mehr ansehen. Welchen Nutzen hätte er dann davon?! So aber enthalten sie durchgreifend Geistiges von der einfachsten Kreatur bis in das tiefst Himmlisch-Göttliche und können daher von keinem natürlichen Weltverstande je völlig begriffen werden, sondern allein von dem reinen, vollkommenen, jenseitigen Geiste des Menschen. Eben das Nichtverstehen solcher Schriften ist ein Wecker des Geistes im Menschen und zeigt ihm, was und wie vieles ihm von der eigentlichen Lebensvollendung abgeht. Er wird daher solche Schriften öfter zur Hand nehmen und darüber Betrachtungen anstellen, wobei ihm von Zeit zu Zeit doch eines und das andere etwas klarer wird. Wenn er also durch seine Mühe und durch seinen Eifer hinter ein Lichtlein des Geistes gekommen ist, so wird er dann schon emsiger und emsiger im Forschen nach den inneren, geistigen Wahrheiten und wird sogestaltig zu stets mehr und mehr Licht und auch zu einer innigeren Verbindung mit seinem inneren, jenseitigen Geiste gelangen und wird dann auch seinen Nebenmenschen ein helleres Licht zu geben imstande sein, das ihnen sehr wohltun wird. Das aber würde nie geschehen, so diese Schriften in einer bloß rein naturmäßigen Art gegeben wären; und wären sie also gegeben, so könnte kein Geistiges und Himmlisch-Göttliches ihren Worten zugrunde gelegt sein, wie Ich euch solches schon zu öfteren Malen ganz klar gezeigt habe.« (GEJ VI,101,9-12). »… wer ein rechter Lehrer sein will, der muß seine Lehren also stellen, daß seine Jünger dabei stets viel zu denken und zu suchen haben, sonst macht er sie zu faulen und trägen Forschern nach allerlei Wahrheiten.« (GEJ V,246,2).25

25 Siehe auch GEJ III,168,12.

 

 

10. Die Notwendigkeit des Entsprechungsstudiums


Wir haben gesehen, daß es die materielle und die geistige Welt gibt, die sich entsprechen; und daß Gottes Wort in beiden Welten gelesen wird und daher neben dem natürlichen auch das geistige Verstehen möglich ist. Daher stellt sich nun die Frage: Wie kann man die Sprache der Entsprechungen erlernen? Denn es reicht ja nicht aus, ihr Vorhandensein grundsätzlich zu bejahen, sie aber dann nicht zu studieren. Bevor wir diese Frage beantworten, sei die Notwendigkeit dieses Studiums unterstrichen; denn es wird uns durch Swedenborg und Lorber sehr empfohlen, weil es der Universalschlüssel zu allen geistigen Geheimnissen ist. Das gilt nicht nur für das göttliche Wort, sondern auch für unser Leben im Diesseits und im Jenseits. Ohne die Entsprechungen bleibt uns die Sinndimension verschlossen. Eindringliche Worte, die den Nutzen der Entsprechungssprache unterstreichen, finden wir bei Swedenborg und im elften Band »des großen Evangeliums«:

 

SWEDENBORG: Ohne die Kenntnis der Entsprechungen »kann man von der geistigen Welt nichts im Lichte erkennen; nichts von ihrem Einfluß in die natürliche Welt; man kann noch nicht einmal erkennen, was das Geistige gegenüber dem Natürlichen ist. Man sieht nichts vom Geist des Menschen, Seele genannt; von seiner Einwirkung auf den Körper und auch nichts vom Zustand des Menschen nach dem Tode.« (HH 88).

LEOPOLD ENGEL: »Diese Fähigkeit auszubilden, die Sprache [des Geistes] zu verstehen, welche als Entsprechungssprache wenigstens im Worte euch bekannt ist, ist nicht nur zu Lebzeiten nützlich, sondern sogar notwendig, weil sonst nach dem Leibestode sich die Seele im Geisterreiche wie ein Fremder vorkommt, der in ein ihm stockfremdes Land eintritt, dessen Sprache er nicht versteht, und dem es nur mit größter Mühe gelingt, sich verständlich zu machen, - nur mit dem Unterschiede, daß die Bewohner dieses Landes wohl den Fremdling, nicht aber dieser die Einheimischen begreift, die sich erst in die schwerfälligen Fesseln des Seelenlebens wieder einfügen müssen, um die ungewohnt gewordene, schwerfällige Körpersprache wieder anzunehmen, die den Verkehr nur durch Worte, nicht aber durch Gedankenreihen vermittelt.« (GEJ XI,53).


Man steht buchstäblich vor verschlossenen Türen, wenn man »die Sprache des Geistes« (GEJ XI,53) weder kennt noch versteht. Als Geistwesen werden wir nach dem Tode in der Welt des Geistes leben, die uns dann nicht fremd sein sollte. Ein Engel »sieht die Dinge um sich herum und weiß, daß sie Darstellungen (repraesentationes) seiner selbst sind. Ja, wenn ihm das Innerste seines Verstandes geöffnet wird, dann erkennt er sich und sieht sein Bild in ihnen, fast so wie in einem Spiegel.« (GLW 63). Die unreife Seele dagegen versteht in ihrer eigenen Welt nichts; sie lebt in ihren Träumen und Phantasiegebilden, und versteht nichts, weil ihr »die Sprache des Geistes« (GEJ XI,53) nie zu Bewußtsein gekommen ist. Die Entsprechungssprache ist die einzige Möglichkeit, das innere Wesen der Dinge zu ergründen. Die moderne Traumforschung läßt uns erkennen, daß das Innere des Geistes nicht abstrakt, sondern in Bildern zu uns spricht. Ohne die Sprache der Entsprechungen können wir weder mit den Engeln, die bei uns sind, noch mit dem Herrn kommunizieren.

 

SWEDENBORG: »Durch die Entsprechungen wird dem Menschen der Verkehr (communicatio) mit dem Himmel gegeben … Deswegen kann er in den Gedanken seines Gemüts mit den Engeln zusammensein, wenn er sich in der Wissenschaft der Entsprechungen befindet« (HH 114). »… durch jene Wissenschaft [der Entsprechungen] wird dem Menschen der Verkehr (communicatio) mit dem Himmel gegeben.« (HG 4280). Vgl. auch HH 87.

 

LORBER: »Haben die Menschen diese [Entsprechungs]Wissenschaft durch ihre eigene Schuld verloren, so haben sie sich selbst außer Verkehr mit den Geistern aller Regionen und aller Himmel gestellt und können darum das Geistige in der Schrift nicht mehr fassen und begreifen.« (GEJ IX,93,5).

 

Beim Studium der Entsprechungen geht es also längst nicht nur um das Verständnis der Heiligen Schrift, obwohl das ein wichtiger Anwendungsbereich ist. Es geht um das Verständnis unserer Existenz.

 

 

11. Zugang zur Entsprechungswissenschaft

 

Wie studiert man die »Wissenschaft der Entsprechungen«? Unser Wissenschaftsbegriff legt den Irrtum nahe, das Studium der Entsprechungen könne ein intellektuelles Studium sein. Der Verstand im Gehirn geht jedoch von Sinneseindrücken aus und strebt nach Abstraktion (reine Begrifflichkeit ohne Bilder) und Eindeutigkeit. Entsprechungen sind jedoch Bilder, die zudem einen weiten Interpretationsraum öffnen (also durchaus mehrdeutig sind). Schon diese Überlegung zeigt, daß der Intellekt nicht das geeignetste Instrument ist, die Bilderwelt des Geistes zu entschlüsseln. Methodisch bedeutet das: Alle rein intellektuellen Wege führen nicht zum Ziel. Vor seiner Berufung (im Jahre 1745) schrieb Swedenborg eine Abhandlung mit dem merkwürdigen Titel »Hieroglyphischer Schlüssel zu den natürlichen und geistigen Geheimnissen mittels Vorbildungen und Entsprechungen« (geschrieben 1741). Darin formulierte er Regeln der Entsprechungskunde; das zeigt, daß der Wissenschaftler Swedenborg den Schlüssel zur adamischen Erkenntnis noch in einem Regelwerk suchte. Erst dem Seher wird klar, daß ohne Erleuchtung jede Regel wertlos ist; er schreibt: »Niemand kann den geistigen Sinn sehen, es sei denn durch den Herrn allein und wenn er im echten Wahren aus ihm ist.« (LS 26). Ganz ähnlich äußert sich der Herr im »großen Evangelium« gegenüber Kornelius: »… das einzige, was dir den Schlüssel gibt und zum Verständnisse des Geistes und der Schrift verhilft, ist dein eigener, aus Mir und Meiner Lehre wiedergeborener Geist. Solange du im Geiste nicht wiedergeboren bist, nützt dir keine Regel irgend etwas …« (GEJ IV,164,1). Also nur der göttliche Geist, der durch die Wiedergeburt wirksam wird, verhilft uns zum geistigen Verständnis.


Man könnte einwenden: Swedenborg habe doch in seinen Bibelkommentaren den inneren Sinn enthüllt, so daß man ihn jetzt bequem nachlesen könne. Doch so einfach stellt sich das innere Verständnis nicht ein. Die »himmlischen Geheimnisse« sind lediglich eine Arbeitsgrundlage. Die Vers-für-Vers- und Wort-für-Wort-Erklärungen präsentieren das Ganze nur in seinen Teilen. Daher »kann nicht erscheinen, was sie im Zusammenhang in sich schließen, wenn man sie nicht zu einer Gesamtvorstellung gesammelt betrachtet« (HG 3074). Bekanntlich ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile; es bedarf daher des intuitiven Blickes, der fähig ist, sich vom Buchstaben zu lösen (vgl. ebenfalls HG 3074). Denselben Gedanken äußert Swedenborg auch an einer anderen Stelle: »Der Zusammenhang [der Wahrheiten des inneren Sinnes] kann aus der Erklärung der einzelnen Wörter nicht hervorleuchten. Denn sie erscheinen [bei der Wort-für-Wort-Erklärung] als etwas Abgehacktes, und der zusammenhängende Sinn verliert sich. Dies ist freilich nicht der Fall, wenn man alles zugleich als einheitliche Vorstellung anschaut oder wenn man es als einheitliches, intuitiv erfaßtes Gedankenbild wahrnimmt, wie es bei denen geschieht, die im inneren Sinn und zugleich im himmlischen Licht vom Herrn sind.« (HG 2343). Swedenborg kennt also die Grenze seines Verfahrens der analytischen Darstellung des inneren Sinnes; die Synthese kann nur der Geist herstellen. Hinzu kommt, daß Swedenborg ohnehin nur »vom Allgemeinsten eine allgemeine Vorstellung« geben will (HG 771). Seine Bibelkommentare sind also nur der Rahmen, der nach dem Bild verlangt, der inneren Anschauung, die nur aus dem Gottesgeist in uns möglich ist.


Somit ist das Studium der Entsprechungen gleichbedeutend mit der Erweckung des Geistes oder (wie Swedenborg sagen würde) mit der Aufschließung der inneren Grade (GLW 237); und die erfolgt durch die Tätigkeit nach dem Worte Gottes. Dabei ist zunächst vom Buchstabensinn auszugehen. Obwohl Swedenborg und Lorber so viel vom inneren Sinn reden, verkennen sie nicht die Bedeutung des äußeren Sinnes. Im Gegenteil, er ist das eigentliche Tor in die inneren Gemächer.

 

SWEDENBORG: »Man könnte meinen, daß man sich die Lehre des echten Wahren aus dem geistigen Sinn des Wortes, wie ihn die Entsprechungswissenschaft lehrt, verschaffen kann. Aber die Lehre läßt sich durch diesen Sinn nicht gewinnen, sondern nur erläutern und bekräftigen; denn niemand kommt durch die Entsprechungen in den geistigen Sinn des Wortes, wenn er nicht schon vorher im echten Wahren aus der Lehre ist. Ist er das nicht, dann kann er durch einige ihm bekannte Entsprechungen das Wort verfälschen, indem er sie nämlich so verbindet und erklärt, daß sie seine vorgefaßten Grundsätze bestätigen. Hinzu kommt, daß einem der geistige Sinn ausschließlich vom Herrn gegeben wird; er bewacht ihn nämlich, wie er den Himmel bewacht, denn der Himmel ist in ihm. Es ist also wichtig, daß man das Wort im Buchstabensinn studiert; er allein vermittelt die Lehre.« (LS 56).

LORBER: »Also muß auch des göttlichen Wortes Buchstabensinn zuvor vollkommen beachtet werden, bevor man den geistigen überkommen kann, freilich wohl im rechten und zweckmäßigen Verstande.« (GS I,40,14).

 

Die Erforschung des inneren Sinnes hat die Ergebnisse der historischen Bibelwissenschaft zu berücksichtigen. Die äußere Sinnerfassung und Sinnsicherung bewahrt die Entsprechungswissenschaft vor exegetischer Willkür. »Der Buchstabensinn des Wortes ist die Grundlage, der Behälter und die Stütze des geistigen und himmlischen Sinnes.« (LS 27). Der Buchstabensinn allein vermittelt die Lehre, die durch den inneren Sinn nur erläutert und bekräftigt wird. Der äußere Sinn ist jedem zugänglich; daher ist niemand vom Heil ausgeschlossen, auch wenn er von den Entsprechungen keine Ahnung hat. Swedenborg und Lorber propagieren kein esoterisches Christentum. Das Wesentliche ist auch aus dem Buchstaben ersichtlich. Swedenborg vergleicht ihn mit einem bekleideten Menschen, dessen Gesicht und Hände aber nackt sind und sagt dann: »Alles, was zum Leben des Menschen und somit zu seinem Heil gehört, ist dort (= im Wort) nackt, das Übrige aber bekleidet.« (LS 55).

 

Der natürliche Sinn des Wortes ist das Tor. Man darf aber nicht vor diesem Tor stehenbleiben, um es endlos zu bewundern; vielmehr soll man hindurchgehen (= ein Täter des Wortes sein). Dann sieht man den inneren Reichtum des Wortes. Swedenborg und Lorber sagen uns mit immer neuen Worten, daß die höheren Erkenntnisgrade Lebensgrade sind, die dem kalten (lieblosen) Gehirndenken verborgen bleiben. Das Leben schenkt die edelste Erkenntnis; deswegen sollte das Wort in die Sphäre des Lebens hinübergetragen werden. Erst dann wird man mit dem Lebenssinn des Wortes vertraut. Von Swedenborg erfahren wir, daß die Liebe das Licht des Lebens ist; ist nun die Liebe gut, dann ist das Licht wahr. Eine böse Liebe hingegen läßt nur ein trügerisches Licht hervorlodern. Swedenborg lehrt uns die Ehe des Guten und Wahren, die sich bei Lorber zu der wunderbaren Lehre vom Herzensdenken weitet. Die Liebe des Herzen ist das eigentliche Licht der Seele. Nach Swedenborg kann »nur der das Innere des Wortes sehen und anerkennen«, »der das Gute lebt« (HG 3798); und nach Lorber kann der Himmelssinn »nur solchen erteilt werden, die ihn suchen durch ihren Lebenswandel nach dem Worte des Evangeliums« (GEJ I,1,4):

 

SWEDENBORG: »Jeder sieht aus der Liebe, in der er sich befindet, was zu dieser Liebe gehört und das nennt er wahr, weil es mit ihm übereinstimmt. In der Liebe eines jeden ist das Licht seines Lebens; denn die Liebe ist wie die Flamme, aus der das Licht kommt. Wie daher seine Liebe oder Flamme ist, so ist auch sein Licht des Wahren. Wer in der Liebe zum Guten ist, kann sehen, was zu dieser Liebe gehört, nämlich das Wahre im Wort Gottes … Daher kommt es …, daß nur der das Innere des Wortes sehen und anerkennen kann, der das Gute lebt.« (HG 3798).

 

LORBER: »Dieser [allerinnerste, reinste Himmelssinn] ist zu heilig und kann für die Welt unschädlich nur solchen erteilt werden, die ihn suchen durch ihren Lebenswandel nach dem Worte des Evangeliums. Der bloß innere, seelisch-geistige Sinn aber läßt sich leicht finden, manchmal schon durch die richtige, zeitgemäß entsprechende Übersetzung.« (GEJ I,1,4). »… diese Wissenschaft [Entsprechungswissenschaft] ist nur jenen Menschen zugänglich und eigen, die im wahren Glauben und Vertrauen an den einen, wahren Gott niemals wankend und schwach geworden sind, Ihn allzeit als den Vater über alles liebten und ihre Nächsten wie sich selbst. Denn die besagte Wissenschaft ist ja die innere Schrift und Sprache der Seele und des Geistes in der Seele.« (GEJ IX,93,2f.)26. »Je näher und inniger sich … die Seele mit ihrem Geiste, der aus Gottes Herzen kommt, verbindet, desto höher wird sie auch in der Ordnung alles Erkennens und Bewußtseins emporsteigen und stets mehr und mehr Entsprechung finden zwischen Materie und Geist.« (GEJ V,267,4). »Um diese [= die Entsprechungsbilder] aber recht zu verstehen, müssen wir trachten, unsern Geist durch die Beachtung der Gottesgebote zu wecken. Erst in solcher Gewecktheit werden wir darüber ins Klare kommen, was der Herr unter einem solchen entsprechenden Gleichnisbilde alles gesagt und geoffenbart hat« (GEJ I,42,6).

 

Unzählige Stellen bei Swedenborg und Lorber lehren, daß die Einweihung in das Wahre durch das Gute erfolgt. Dieser Weg ist unserem Bildungsmodell so fremd, daß wir geneigt sind, ihn nicht ernst zu nehmen. Sollte es tatsächlich ein Licht geben, das nicht von außen kommt? Ein Licht, daß uns in einem Augenblick mehr Geheimnisse enthüllt als jedes äußere Studium, das sich oft über Jahre und Jahrzehnte erstreckt und am Ende den Geist mehr verwirrt als erweckt? Jesus, der selbst nie eine Schule besucht hat oder Schüler eines Rabbis war, lehrte den inneren Weg der Erkenntnis: »Niemand kann zu mir (dem wahren Gotteslicht)27 kommen, wenn nicht der Vater (die Liebe), der mich gesandt hat, ihn zu mir führt« (Joh 6,44). Und Swedenborg sagt: »Es ist ein bisher kaum bekanntes Geheimnis, daß der Liebe (alle) Weisheit und Einsicht innewohnt « (HG 2500). Die Liebe ist der Mittelpunkt aller Weisheit. Daher ist die Erweckung der Liebe das A und O der Weisheitsschule. Das ist der Kern all der Aussagen, die ich aus dem Lorberwerk oben angeführt habe, und der noch einmal in der folgenden zusammengefaßt ist: »Je tätiger es … in der Seele zuzugehen anfängt, desto heller wird es auch in ihr; denn das Grundelement des Seelenlebens ist das Feuer [= Liebe]. Je heftiger aber irgend dieses Element zu wirken beginnt, desto mehr Licht [= Wahrheit] verbreitet es auch in und aus sich. Wird sonach die Seele stets lebensfeuriger, so wird sie auch lebenslichter und -heller und fängt an, aus solchem ihrem erhöhten Lebenslichte auch stets mehr und mehr die inneren Lebensgeheimnisse zu durchschauen und zu begreifen.« (GEJ V,123,1). Verglichen mit diesem Weg sind alle äußeren Regeln nur wie die Wände in der Dunkelkammer der Seele; an ihnen kann man sich entlangtasten, wenn man nichts sieht. Wer aber das Licht hat, geht frei im Raum umher, obgleich auch er die Wände beachtet.28

 

(Mit Genehmigung des Vefassers 6/17)


26 Zu den Entsprechungen als die Sprache des Geistes siehe auch GEJ XI,53: »Viele Phantasien sind da weiter nichts als Entsprechungsbilder der Seelenwelt, - Entsprechungsbilder darum, weil die Sprache des Geistes, mit der er zur Seele spricht, nicht Worte, sondern nur vollständige Begriffe sind, während Worte erst die Begriffe mühsam vermitteln.« (GEJ XI,53).

27 Im Johannesevangelium ist Jesus der Logos (Joh 1,1) oder »das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet« (Joh 1,9). Es ist daher angemessen, den Sohn als das wahre Gotteslicht zu deuten.

28 Ich habe deswegen aus Swedenborgs »himmlischen Geheimnissen« einige Regeln herausgefiltert. Sie sind als »Kleine Entsprechungskunde« in OT 5 (1992) 176-192, 6 (1992) 210-219 und 1 (1993) 26-38 veröffentlicht.

 

Siehe auch linke Randspalte unter "Kommentare / Dokumentationen", Thema "Einführung in die Entsprechungslehre" (Peter Keune) und unter "Einführende Texte", Thema "Zum Verständnis der Entsprechungen"