Gibt es Wunder?
1
2
Jesus: „Freund, welchen Eindruck ein Wunder auf dich machen würde, weiß nur Ich am besten; daher soll dir auch keins gezeigt werden. Dass die gesamte materielle Weltschöpfung allerdings ein großes Wunderwerk göttlicher Macht und Weisheit ist, das die Menschen tagtäglich schauen können, ist wahr und richtig. Aber weil die Bewohner der Erde wie aller anderen Weltkörper eben solche Wunder schauen, die wohl die sprechendsten Gotteszeugen sind, müssen sie auch in diesen Wundern sterben dem Fleische nach, das auch ein gleiches Wunder ist.
Jedes Wunder ist für die beschauende Seele ein Gericht, von dem sie nur durch möglichst größte Selbstverleugung wieder befreit werden kann. Nun aber kann diese nur darin bestehen, dass der Seele alles hinweg genommen wird, was den leisesten Hauch einer Nötigung hat. Diese Wegnahme aber ist eben das, was ihr das Sterben oder den Tod des Leibes oder der Materie nennet.
Es muss aus der Seele alles hinaussterben, was nicht des Geistes ist. Solange irgendeine äußere Nötigung die Seele noch in einigen Lebensfibern gefangen hält, kann der freie Gottesgeist sich nicht in ihr völlig ausbreiten und die Seele frei machen von jeglichem Gericht.
Die Gottheit kann freilich wohl Wunder wirken, um eine Seele zur Überzeugung zu bringen. Aber diese Wunder von außen knebeln dann die Seele derart, dass diese sich an eine freie Bewegung gar nicht mehr erinnern kann, die doch die alleinige Bedingung des Lebens vor Gott ist. Daher muss dann die Seele in einen solchen Zustand kommen, in dem sie aller Äußerlichkeiten ledig wird, damit in ihr der Geist sich ausbreiten kann und der Seele vor Gott ewige Beständigkeit verleihen kann. Denn Gott gegenüber kann nichts bestehen als nur das, was selbst ,Gott‘ ist.
Verstehst du nun, warum Ich dir Wunder vorenthalte? Wenn Gott in die schon vernünftige Seele nicht den Geist gelegt hätte, könnte sie keinen Augenblick bestehen als ein freies Wesen; es würde ihr ergehen wie einem Wassertropfen auf weißglühendem Eisen. Die Tiere aber müssen eben darum dumm und nahezu ohne alle Erkenntnis einhergehen, weil sonst ihr Bestehen eine Unmöglichkeit wäre. Verstehst du solches?“ (RB.02_210,01 ff) 3 Jesus: „…Mein lieber Bruder! Das rührt daher, weil (jenseitige) Geister aus Gebirgsländern mit geringer Ausnahme stets mit einer helleren Sehe begabt sind als die mehr abgestumpften der Flachländer. Diese uns nun zu vielen Hunderttausenden umschwärmenden Geister wissen genau, dass sie sich in der Geisterwelt befinden und machen sich diesen Zustand so gut es geht zu Nutzen. Sie sind freilich wohl noch von vielen abergläubischen Dingen umgarnt, aber das macht nicht viel; denn andererseits sind sie dann auch fassungskräftiger und begreifen eher einen Wink.
Wo demnach so derbmaterielle Menschengeister vorkommen, dort müsst ihr Mir zuvor den Weg bahnen, weil das Allergeistigste Meiner Ordnung zufolge sich mit dem Materiellen nie sogleich unmittelbar in Berührung setzen darf. Und siehe, da eben seid ihr dann als eine Mittelstufe vonnöten. Hier, wo die Geister gar wohl wissen, was sie sind, kann Ich sogleich Selbst zweckdienlich verkehren, ohne ihnen zu schaden. Wie aber die Bewohner der Berge schon auf der Erde weit genügsamer leben als die nimmersatten Bewohner der Flachländer, ebenso sind auch die Geister, die die Berge bewohnen. So sie bitten, muss man ihnen stets etwas tun, und sie sind dann gleich zufrieden. Gäbe man ihnen aber nichts, so wäre es gefehlt. Denn das würde sie sehr traurig und am Ende doch wieder sehr ungestüm machen und ihnen alles Vertrauen nehmen.
Aus diesem Grunde geschieht es auch dann und wann, dass solchen Menschen auf der Erde in den Wallfahrtsorten irgendeine erbetene Gnade zuteil wird. Es ist zwar eine solche Zulassung durchaus nicht förderlich, weil sie die Flehenden nur in ihrem Aberglauben bestärkt. Aber lasse Ich so etwas gar nicht zu, verlieren sie am Ende allen Glauben, und das wäre dann noch schlimmer. Wenn man nur zwischen einem großen und einem kleinen Übel zu wählen hat, ist es doch sicherlich besser, das kleinere zu wählen. Meinst du nicht auch, Mein Bruder Robert?“ (RB.02_261,02 f) 4 |