...Es soll nicht bestritten werden, daß die Gelehrten aufrichtig sind, aber sie sind vom Zeitgeist geprägt und so gesehen keinesweg "objektiv".
Evolutionslehre und Kreationismus
Peter Keune
Wie schon öfter erwähnt, finden in den Medien grundlegende Konfrontationen zwischen den weltweit etablierten Berfürwortern der Evolutionslehre und denen des sogenannten Kreationismus*) statt. *) Deren Anhänger nehmen die Bibel wörtlich und behaupten u.a., daß die Welt in gezählten 6 bzw. 7 Tagen aus dem Nichts von Gott geschaffen wurde.
Diese Auseinandersetzungen werden vor allem in Amerika erbittert geführt, da sich letztere gegen die in den Schulen vermittelte Evolutionslehre auflehnen, die den Kindern entsprechend den Lehrplänen beigebracht wird.
Martin Neumann*) hat sich im "Materialdienst" der evangelischen Kirche wieder einmal dieses Themas angenommen (Heft 8/14) und die unterschiedlichen Positionen der Auseinandersetzungen dargestellt. *) Diplomchemiker, Geschäftsführer der AG. Evolutionsbiologie im Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland.
Der Angriff der Kreationisten richtet sich u.a. gegen die Wissenschaften, die ihrer Meinung nach der Gesellschaft ein falsches Weltbild aufdrängen.
Zur Erläuterung sei hier ein Abschnitt aus dem umfänglichen Artikel des "Materialdienstes" angeführt, der sich vor allem gegen die Argumente eines Befürworters des Kreationismus, Herrn Junker, richtet, die dieser in der einschlägigen Zeitschrift "Wort und Wissen" publiziert hat: Das Verhältnis der „Schöpfungsforschung“ zur Wissenschaft *) Hierr einen Gott vorauszusetzen
Im Kreationismus ist der fundamentalistisch gedeutete Bibeltext immer der letzte Schiedsrichter - gleichgültig, wie stark empirische Daten und naturwissenschaftliches Hintergrundwissen diese Deutung widerlegen.
Die rational-empirische „Methode“ der Naturwissenschaft wird dadurch ganz wesentlich eingeschränkt, streng genommen sogar unbrauchbar: Eine „kreationistische“ Astrophysik hätte daran arbeiten müssen, das überkommene geozentrische Weltbild an die empirischen Befunde anzupassen. Logisch ist dies möglich, wenn man das geozentrische Weltmodell mit einem Schutzwall aus Hilfshypothesen umgibt, die jeden nur denkbaren Befund „wegerklären“. Allerdings sind diese Hilfshypothesen entweder nicht unabhängig von der Theorie überprüfbar oder mit dem übrigen Wissen unvereinbar, was die Notwendigkeit weiterer Hilfshypothesen nach sich ziehen würde usw., bis in den Bereich praktischer Absurdität. Ein echter Erkenntnisfortschritt wäre auf diese Weise nicht mehr möglich.
In dieser Situation befindet sich der Kreationismus zwar nicht in Bezug auf das Planetensystem, aber auf die Geschichte des Kosmos und des Lebens. So ist es zum Beispiel unmöglich, an eine 6000 bis 10000 Jahre alte Erde zu glauben, ohne abenteuerliche Hilfshypothesen über beschleunigten radioaktiven Zerfall usw. zu konstruieren, die das gesicherte Wissen der Naturwissenschaften ad absurdum führen.
Es ist also offensichtlich, dass der „Konflikt Glaube und Naturwissenschaft“ nicht durch die „atheistische Evolutionsbiologie“, sondern durch den religiösen Fundamentalismus entsteht. Was Junker verlangt, ist nicht die Anerkennung der Grenzen der naturwissenschaftlichen Methode. Damit könnte man leben. Er fordert vielmehr, dass die Naturwissenschaftler ihren Anspruch und ihr Selbstverständnis, die Welt natürlich zu erklären, zugunsten seiner religiösen Ideologie beschneiden und sich damit abfinden, dass sie nicht mehr sind als „ein Geschlecht erfinderischer Zwerge, die für alles gemietet werden können“ (B. Brecht). Danach wäre die Naturwissenschaft immer nur die Magd eines geltenden Weltbilds, in Junkers Fall des Weltbilds eines protestantischen Fundamentalismus.
Von daher ist der Kreationismus von seinem Wesen her wissenschaftsfeindlich, auch wenn „Wort und Wissen“ sich dagegen verwahrt.
Denn eine Naturwissenschaft, die nur ergebnisoffen ist, solange die Kernthesen des Kreationismus davon unberührt bleiben, verdient diesen Namen nicht.
Biosysteme sind weit eher der sich selbst organisierenden Natur analog als einem Artefakt. Außerdem lässt sich zeigen, dass die vermeintlich positiven Argumente „pro Design" nicht von der Lückenbüßer-Argumentation zu trennen sind. Denn die „innere Teleologie " funktional arrangierter Merkmale würde nur dann zu einem plausiblen Schluss auf einen Designer taugen, wenn allgemeingültig demonstriert werden könnte, dass eine Evolution der betreffenden Systeme grundsätzlich unmöglich ist.
Alles, was die Vertreter eines Intelligent Design bislang zeigen konnten, ist jedoch, dass man zur Erklärung bestimmte Evolutionswege unter vielen möglichen ausschließen kann. Dies sind aber meist solche, die zur Modellierung makroevolutiver Vorgänge gar nicht notwendig sind.
Damit gilt, gemessen an der hypothetisch-deduktiven Beweisführung der Naturwissenschaft, Prämisse 1 als bestätigt. Zwar gibt es hier und da Lücken: Wir kennen noch nicht alle Gesetzmäßigkeiten und Randbedingungen, unter denen Leben entstanden ist. Möglicherweise erweist sich das eine oder andere Szenario im Detail als falsch. Am Grundsätzlichen aber kann das nichts ändern! Denn wer ein auf solch starken Indizien beruhendes Szenario als „wilde Spekulation" abtut, weil noch nicht im Detail klar ist, wie und welche Wege beschritten wurden, der kann nicht erklären, warum nun gerade diese Bausteine und jene Metaboliten in Lebewesen vorkommen, weshalb also die molekularbiologischen Eigenschaften des Lebens genau so sind und nicht anders. Freilich kann man ganz grundsätzlich und zu jeder Zeit zu jedem beliebigen Befund immer auch mögliche Alternativerklärungen konstruieren. Denn die Naturwissenschaften können eines grundsätzlich nicht: streng mathematische bzw. logische Beweise für ihre Modelle liefern. Grundsätzlich kann ein Unwetter ohne formal logische Widersprüche auch auf einen Donnergott zurückgeführt werden, so wie die Kreationisten die Entstehung des Lebens auf einen Designer zurückführen oder so wie sie den Grund für die Verwendung bestimmter Aminosäuren im geplanten „Design" sehen. Aber ein Gott, mit dem man alles erklären kann, erklärt, wie oben ausgeführt, gar nichts!
Nun, der Kreationismus nimmt sie lieber wörtlich. Er betreibt Evolutionskritik - in der Hoffnung, man möge den Fehlschluss des Arguments, das an das Nichtwissen appelliert, nicht durchschauen. Darum ist der Einfluss des Kreationismus so gefährlich: Er verschleiert vorhandenes Naturwissen, übergeht logische Zusammenhänge und benutzt Sophismen, um die Evolutionstheorie wissenschaftlich zu desavouieren und die Schöpfungslehre - wie die Studiengemeinschaft "Wort und Wissen" sie versteht - als brauchbare, historisch-wissenschaftliche Alternative darzustellen.
Mitchristen, die dabei nicht mitmachen, werden herabgewürdigt. Ein solches Vorgehen ruiniert nicht nur die Grundlagen der Wissenschaft und Wissenschaftstheorie, sondern auch der Theologie.
„Ein Forscher, der etwas auf sich gibt und anerkannt werden will, muss in die Evolution einstimmen.“
*) Die präzise Forschung der Wissenschaft soll ja nicht grundsätzlich infrage gestellt werden, sondern nur deren Schlußfolgerungen aufgrund der herrschenden Annahme, daß es Gott als Schöpfer nicht gibt.
Grundsätzlich richtig ist dagegen das Beharren auf einer zielgerichteten Schöpfung gemäß dem Wort: „Und Gott sprach: Lasset uns den Menschen machen in unser Bild, nach unserer Ähnlichkeit“.
(Sie sind Bausteine des Lebens, das Leben selbst aber kommt vom Herrn) (Die treibenden Mechanismen liegen in der für uns unsichtbaren Schöpfungsordnung, die teilweise in der Neuoffenbarung beschrieben sind). (Die Selbstorganisation von Lebewesen erscheint nur deshalb „ohne erkennbaren Planungsakt“, weil diese in der Geistigen Welt als das ursächliche Prinzip angesiedelt ist, welche aber komplett als nicht existent ausgeblendet wird.)
Aufgabe der Kirche bzw. ihrer Theologie wäre es nun, statt auch ihrerseits Gott aus dem Spiel zu bringen, Wege zu einem neuen Verständnis der Heiligen Schrift aufzugreifen, wie sie Gott schon am Anfang der beginnenden wissenschaftlichen Dominanz (Zeit der Aufklärung) für die Menschheit durch Swedenborg (Lorber) offenbart hat. Stattdessen wird alle Aufklärung aus höherer Ebene (wie sie z.B. die der Entsprechungslehre der Heiligen Schrift mit ihren geistigen Sinnebenen aufzeigt) nach wie vor vehement abgelehnt.
(Mit Genehmigung des Verfassers aus: DAS PROGRAMM Januar bis März 2015. Swedenborg Zentrum Berlin) |